Nordkurier Extra - Einfach Klassisch

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SEITE 20 STADT.LAND.KLASSIK! dort. Ich war ja, als wir das Orchester 2016 gegründet haben, schon seit vielen Jahren Geschäftsführer beim <strong>Nordkurier</strong>. Und hier in Mecklenburg-Vorpommern habe ich erlebt, dass es hier zwar durchaus schon Orchester gibt – aber dass es trotzdem viele Orte gibt, von denen aus diese Orchester sehr weit entfernt sind. Nehmen Sie die Neubrandenburger Philharmonie: Das ist ein tolles Orchester mit einer großartigen Spielstätte! Aber wenn Sie in Ueckermünde oder in Röbel wohnen, ist die Konzertkirche einfach sehr seit weg. So ist die Idee entstanden, mit den Konzerten näher an die Menschen im so genannten „ländlichen Raum“ zu gehen. Gab es in Pasewalk, Anklam oder Malchow denn vorher keine klassischen Konzerte? Schumacher: In den Jahrzehnten vor „Stadt.Land.Klassik!“ nur sehr selten. Allenfalls mal, wenn eine Veranstaltung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern zu Gast war, für die ich mich übrigens auch schon seit vielen Jahren engagiere. Als wir dann mit „Stadt.Land. Klassik!“ angefangen haben, genannte „ländliche Raum“ war damals sicher nicht so benachteiligt, wie er es heute in vielerlei Hinsicht ist. Zurück zum Orchester und zu „Stadt.Land.Klassik!“, das es jetzt fünf Jahre gibt. Gibt es etwas, das Sie in den vielen Jahren überrascht hat – zum Beispiel der starke Zuspruch des Publikums? Schulz: Wenn ich ehrlich sein soll: Das hat mich überhaupt nicht überrascht. Es gab ja ein inoffizielles „nulltes“ Konzert in Anklam, bevor wir die Reihe offiziell gestartet haben. Da haben wir ausprobiert, wie die Resonanz ist. Und schon damals haben wir erlebt, wie begeistert das Publikum war, dass es so ein Konzert vor der eigenen Haustür zu hören gibt. Diese Begeisterung erleben wir eigentlich so gut wie jedes Mal bei den Konzerten. Schumacher: Die Konzerte sind ja auch sehr konstant sehr gut besucht, oft sogar ausverkauft. Mich hat das alles auch nicht überrascht. Aber ich muss schon sagen, dass es mir immer wieder eine riesige Freude ist, in Pasewalk, Waren oder Teterow zu erleben, wie uns das zelne Musiker eine Funktion in einem größeren Ganzen hat. Aber was die Fluktuation angeht, das war natürlich schon ein Problem für uns: Gerade die Corona-Zeit hat dazu geführt, dass viele bestehende Formationen und Bindungen auseinandergerissen wurden. Inzwischen ist die Fluktuation im Orchester gar nicht mehr so hoch – eine gewisse Konstanz ist uns auch wichtig. Es gibt Musiker, die sind vom ersten Tag dabei. Und Publikum die Tür einrennt. gab es interessanterweise Etwa 170 Kinder ließen sich im Herbst 2021 beim Auftaktkonzert der Grundschulkonzerte in Pasewalk begeistern - damals stand der „ viele Konzertbesucher, die Viele Konzertbesucher freuen sich auch darüber, wie uns erzählt haben, dass es solche Formate zu DDR-Zeiten noch gegeben hat. Nach wie viel Spielfreude sie aus- jung die Musiker sind und der Das Wende ist das zweite aber eingeschlafen… aber auch eine hohe Flukstrahlen. Gleichzeitig Standbein gibt es tuation im Orchester. Wie Es war also doch nicht alles schafft man es, trotzdem ein schlecht von in der DDR! „Stadt.Land.Klassik!“ Wir-Gefühl zu erzeugen? sind Schumacher: Das Fass will ich Schulz: Das Wir-Gefühl entsteht im Orchester ja hier jetzt lieber nicht auf- ganz machen. (lacht) Aber der so automatisch, weil jeder ein- Konzerte für die Kleinsten es gibt Musiker, die haben wir im Orchester zu dem entwickelt, was sie jetzt sind – zum Beispiel unseren Konzertmeister Juan-Esteban Rendón. Schumacher: Oder die Hörner – die sind auch schon seit Jahren dabei. Man muss aber auch sehen, dass das Orchester ja gerade das Ziel hat, eine Art Sprungbrett für junge Musiker zu sein. Wenn jemand geht, weil er woanders untergekommen ist, ist das zwar schade für uns, Privat höre ich so gut wie überhaupt keine Musik. Andreas Schulz Wippende kleine Füße und Jeannine im Takt Rösler, schwingende Vorsitzende der Fraktion Arme: „Die Knapp Linke“ 200 im MV-Landtag Konzerte an Grundschulen hat die Neue „Die Konzerte Philharmonie mit der wunderbaren MV in Neuen den Philharmonie vergangenen sind stets ein Jahren exquisiter in Hörgenuss MV an ungewöhnlichen Orten. Sie sind aus dem kulturellen Leben auch meiner Heimatregion gegeben. Und wenn es nach nicht mehr den wegzudenken Musikern und geht, werden hoffentlich war das noch erst viele der Jahre die Anfang... Menschen begeistern.“ foto: ZVG Von Johanna Horak, Ralph Sommer und Sirko Salka
STADT.LAND.KLASSIK! SEITE 21 aber eigentlich trotzdem ein großer Erfolg fürs Orchester. Was zeichnet die Neue Philharmonie noch aus? Schumacher: Aus meiner Sicht hat die Neue Philharmonie gleich eine ganze Reihe von Alleinstellungsmerkmalen, die es zu etwas ganz Besonderem in der Orchesterlandschaft machen. Da ist zum einen die wahnsinnig hohe Anzahl von Konzerten. Übers Jahr kommen im Schnitt um die 100 Termine zusammen: Das sind vor allem die Grundschulkonzerte, aber auch jede Tour von „Stadt.Land.Klassik!“. Die Musiker sammeln hier sehr viel Aufführungspraxis, das ist natürlich gerade für junge Musiker optimal. Dann reist das Orchester gemeinsam, das schweißt die Mitglieder natürlich auch zusammen. Und natürlich achtet Andreas Schulz darauf, dass Stücke gespielt werden, an denen die Musiker auch etwas lernen können. „Karneval der Tiere“ auf dem Programm. Mit lautem Gerangel stürmt die neue Generation von Klassikfans die Sporthalle der Grundschule „Boddenwind“ in Putbus auf Rügen: Etwa 90 Knirpse der Klassenstufen 1 bis 4 machen es sich auf den ausgelegten Sportmatten und -bänken bequem und applaudieren, als das Orchester der Neuen Philharmonie MV die Halle betritt. Wer entscheidet über das Programm der Konzerte? Schumacher: Das letzte Wort hat natürlich der künstlerische Leiter… Schulz: Gut zu wissen! (lacht) Das machen wir schon gemeinsam, aber mir ist in der Tat wichtig, dass es Stücke sind, an denen die Musiker auch ihre Freude haben. Gleichzeitig legen wir Wert darauf, dass in jedem Programm auch mindestens ein sehr bekanntes oder sehr eingängiges Werk dabei ist, zu dem das Publikum möglichst schon einen Anknüpfungspunkt hat. Die Konzerte sind ja auch moderiert, anders als andere philharmonische Konzerte. Schumacher: Das war eine sehr bewusste Entscheidung, für die wir vom Publikum bisher auch sehr positive Rückmeldungen bekommen haben: Wir wollen sicherstellen, dass auch Hörer, die kein ausgeprägtes Wissen über klassische Musik haben, sich in einzelnen Instrumente eines Sinfonieorchesters vorzustellen und die Sinne der jungen Zuhörer für klassische Töne zu sensibilisieren. Als eine Moderatorin den Dirigenten ans Pult ruft, wird es plötzlich mucksmäuschenstill. Dann stellt die Frau die jeweiligen Instrumente der handelnden Personen und Tiere vor und fragt nach den Namen. Viele Kinder kennen sich gut aus, unsere Konzerte trauen und vielleicht auch ihre Kinder oder Enkelkinder mitbringen. Wir wollen die Zugangshürden niedrig halten, deshalb erklären wir, was auf der Bühne passiert, und weisen auf Besonderheiten hin. Bei den Werken machen wir allerdings keine Abstriche: Das, was wir machen, hat nichts mit André Rieu oder so zu tun – aber wir wollen trotzdem sicherstellen, dass jeder zu uns kommen kann. Auf dem Spielplan steht sind offenbar von ihren Lehrern Leiterin vorbereitet der Grundschule worden: Klar „Villa lung Kunterbunt“, in vollen Zügen Anklam aus, wie- leben die musikalische Hand- „Peter und der Wolf“ Manuela – 1936 Bölk, von Sergei Dank Prokofjew „Stadt.Land.Klassik!“ komponiert, und um erfahren, Schulkindern dass klassische die Musik zwitschernd etwas Tolles fliegende ist. Durch Vögel- die Moderationen auf, als Wolf in den die Kinder- Ente ver- doch, konnten Peter unsere ist die Schulkinder Violine, das ein Sinfonieorchester gen sich im Takt, live erleben springen konzerten, den Erklärungen und dem aktiven Miteinbeziehen der Kinder wird so eine intensive Begegnung mit klassischer Musik den Kindern ermöglicht. Danke und weiter so! Inzwischen gibt es „Stadt. Land.Klassik!“ ja auch an Grundschulen. Schulz: Ja, und allein von der Zahl der Aufführungen her haben wir die Erwachsenen- Konzerte längst überholt, obwohl es die Grundschulkonzerte erst seit 2021 gibt. Schumacher: Kinderkonzerte hat es aber von Anfang an gegeben! Schulz: Das stimmt, aber seit Herbst 2021 machen wir es systematisch: Wir wollen dauerhaft in einem Vier-Jahres-Zyklus an jeder Grundschule in Mecklenburg-Vorpommern ein Konzert geben, um sicherzustellen, dass jedes Grundschulkind einmal mit klassischer Musik in Berührung kommt. Dank einer Förderung der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern konnten wir dieses Programm beginnen – und nun hoffen wir, dass wir es dauerhafchen fortführen die Querflöte, können. und die Schumacher: quakende Ente Dass wird auf von diese der Weise Oboe vertont. so gut wie Peters jedes Grundschulkinmender Großvater im Land erreichen, kommt brum- ist mit etwas dem Fagott deutschlandweit daher, die einmaliges schleichende – Katze ich halte mit das der wirklich Klarinette, für und ein dann absolutes schließ- Leuchtturm-Projekt. lich wird der hungrige Klassi- Wolf mit den Hörnern angekündigt, ehe mit Pauken und Trompeten die schießenden Jäger eingreifen. Die Jungen und Mädchen sche Musik ist etwas ganz Wunderbares und wer so ein Instrument lernen will, sollte früh damit anfangen. Deshalb ist es fantastisch, wenn die Neue Philharmonie dazu beitragen kann, dass sich die Faszination schon auf die jüngeren Kinder überträgt. Schließlich weiß jeder, wie gut das Erlernen eines Musikinstruments für die weitere Entwicklung von jungen Menschen ist. Was erleben Sie bei den Kinderkonzerten? Schulz: Im Grunde dasselbe wie bei den Erwachsenen- Konzerten: Die Kinder sind begeistert. Aber sie staunen natürlich viel mehr über die Geräusche, die wir unseren Instrumenten entlocken können. Und sie lassen sich wunderbar mitreißen vom Orchesterklang. „Stadt.Land.Klassik!“ ist inzwischen auch in andere Bundesländer exportiert worden. Schulz: Das stimmt. Es gab eine vergleichbare Reihe im südlichen Brandenburg, allerdings waren das bislang bei Weitem nicht so viele Konzerte wie hier in Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem vorigen Jahr sind wir auch in Baden-Württemberg aktiv. Fotos: Johanna Horak Da hatte vermutlich Lutz Schumacher schlingt, und wieder applaudieren seine Hände den Musikern im Spiel… begeistert, als Schumacher: nach 40 Minuten Ja. Die Neue der letzte Philharmonie Ton verklungen kooperiert ist. „Ich mit bin dem so dankbar Schwäbischen für diese Möglichkeit“, sagt Geschäftsführer ihre Schuldirekto- ich Verlag, dessen seit rin 2020 Christina bin und Schumacher. der ja 2021 die Einerseits <strong>Nordkurier</strong> hätten Medien- Kinder in den vergangenen beiden Jahren kaum Kultur jenseits der Schule erleben können. Und andererseits unterstütze diese Vorstellung den Musikunterricht, in dem zwei engagierte Lehrerinnen zuletzt auch dieses Musikmärchen thematisiert hätten. foto: ZVG
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