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PIPER Reader Frühjahr 2024

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7<br />

CHRIS WHITAKER<br />

INTERVIEW<br />

Wie entwickeln Sie Ihre Figuren?<br />

Haben Sie beim Arbeiten Material wie Bilder<br />

oder Fotos um sich herum?<br />

Ich mache mir Notizen auf meinem Laptop und meinem<br />

Handy, aber ich schreibe immer nur an meinem<br />

Computer, wo ich an drei Bildschirmen gleichzeitig<br />

arbeite, damit ich eine Szene aufbauen kann, während<br />

ich sie schreibe. Obwohl die Stadt Monta Clare,<br />

in der ein Großteil der Geschichte spielt, frei erfunden<br />

ist, gibt es im Roman Hunderte von realen Schauplätzen,<br />

die ich anhand von Fotos, Reiseführern und<br />

Büchern – Romanen wie Sachbüchern – recherchiert<br />

habe. Ich habe auch eine große USA-Karte an der<br />

Wand meines Büros hängen. Patchs Suche nach Grace<br />

führt ihn quer durch Amerika, und dafür musste ich<br />

die Route vor Augen haben. Ich wünsche mir, dass<br />

das Gefühl für den Ort in jeder Szene so stark ist, dass<br />

die Leser*innen das sehen können, was die Figuren<br />

sehen. Was man sieht, hört, riecht, muss zur Zeit und<br />

zum Ort passen und bis ins Detail ausgearbeitet sein.<br />

Der Roman spielt in einem Zeitraum von dreißig Jahren,<br />

weshalb ich viel Zeit mit Geschichtsbüchern verbracht<br />

habe. Die Details sollten nicht von der eigentlichen<br />

Geschichte ablenken, aber ich fand es wichtig,<br />

die jeweilige Zeit mit zu erzählen und Moden und<br />

Trends zu berücksichtigen.<br />

Die ehrliche Antwort ist: langsam. Ich entwickle sie<br />

nie im Voraus, sondern beginne mit einem Namen<br />

und einer groben Vorstellung davon, wer sie sind.<br />

Während des Schreibens, manchmal über Jahre, entwickeln<br />

die Figuren mitunter so ein Eigenleben, dass<br />

ich sie am Ende kaum wiedererkenne. Die Figuren<br />

sind das Herzstück. Oft finde ich eine wunderbare<br />

Wendung oder eine emotionale Szene, aber sie werden<br />

nur deshalb so packend, weil mir die Figuren, die<br />

sie erleben, wirklich am Herzen liegen. Ich wusste,<br />

Patch und Saint würden die Hauptfiguren des Buches<br />

sein, ihre Freundschaft und die Irrungen und Wirrungen<br />

ihrer beider Leben. Ich wusste, wir würden<br />

sie sehr gut kennenlernen. Aber um sie herum gibt es<br />

noch Misty, die von Patch am Anfang gerettet wird,<br />

Saints Großmutter Norma oder den Polizeichef Nix.<br />

Auch an deren Schicksalen sollen wir teilhaben. Die<br />

Dialoge sind ebenfalls von zentraler Bedeutung. Wir<br />

können aus der Art und Weise, wie jemand etwas sagt,<br />

genauso viel herauslesen wie aus dem, was er sagt.<br />

Also arbeite ich intensiv an Tonfall und Kadenz. So<br />

versteht man, was Saint fühlt, wenn sie ihre Stimme<br />

senkt, oder was in Patch vorgeht, wenn er einen Satz<br />

abbricht.<br />

Ich glaube, meine Aufgabe als Geschichtenerzähler<br />

ist es, die Leser*innen etwas empfinden zu lassen, vielleicht<br />

nicht immer Liebe für die Figuren, aber doch<br />

Mitgefühl. Zu verstehen und mitzufühlen. Wenn ich<br />

das geschafft habe, dann bin ich glücklich.

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