Klinikmagazin 3/23
Neues Organ - Neues Leben: Transplantationsmedizin zwischen Fortschritt und Organknappheit
Neues Organ - Neues Leben: Transplantationsmedizin zwischen Fortschritt und Organknappheit
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03|<strong>23</strong><br />
Okt. 20<strong>23</strong><br />
DAS GESUNDHEITSMAGAZIN AM UNIVERSITÄTSKLINIKUM JENA<br />
TITELTHEMA<br />
NEUES ORGAN –<br />
NEUES LEBEN<br />
Transplantationsmedizin zwischen<br />
Fortschritt und Organknappheit<br />
HEILEN<br />
Neuer DaVinci-Roboter<br />
bei Operationen<br />
im Einsatz
STANDPUNKTE<br />
LIEBE LESERINNEN<br />
UND LIEBE LESER,<br />
für viele schwer kranke Menschen stellt<br />
sie die einzige Möglichkeit für die Rückkehr<br />
in ein normaleres Leben dar: die<br />
Organtransplantation. Die Transplantationsmedizin<br />
entwickelt sich stetig<br />
weiter – durch neue Verfahren, Techniken<br />
und Medikamente. Diesem Fortschritt<br />
gegenüber steht jedoch ein erheblicher<br />
Organmangel. Zu wenig Menschen in<br />
Deutschland sind Organspender. Das<br />
bedeutet lange Wartezeiten, manchmal<br />
kommt das rettende Organ auch zu spät.<br />
Am UKJ wird im interdisziplinären Transplantationszentrum<br />
– dem einzigen in<br />
Thüringen – alles dafür getan, schwer<br />
kranken Patienten zu helfen. Im vergangenen<br />
Jahr wurden hier fast 200 Transplantationen<br />
durchgeführt. Besonders<br />
spezialisiert hat sich das Transplantationszentrum<br />
auf die Leberlebendspende<br />
bei erwachsenen Empfängern. Mit<br />
dieser Form der Organspende konnte<br />
auch dem 25-jährigen Franz Schubert<br />
geholfen werden, der am UKJ einen Teil<br />
der Leber seines Vaters transplantiert<br />
bekam. Seine Geschichte wird in dieser<br />
Ausgabe des <strong>Klinikmagazin</strong>s erzählt,<br />
ebenso die von Leoni, für die nach 19<br />
Monaten des Wartens ein neues Herz<br />
gefunden werden konnte. Doch wie läuft<br />
eigentlich eine Organspende ab? Was<br />
macht ein Transplantationskoordinator<br />
und eine Lebendspendekommission?<br />
Wie kann ich überhaupt Organspender<br />
werden? Antworten auf diese und<br />
weitere Fragen finden Sie im Heft.<br />
Auch abseits der Transplantationsmedizin<br />
gibt es Neuigkeiten aus dem UKJ.<br />
Lesen Sie etwa mehr zur neuen interdisziplinären<br />
JECTU-Station für frühe<br />
klinische Studien in der Onkologie oder<br />
warum Botox auch zur Schlaganfall-<br />
Behandlung verwendet wird.<br />
NEUES ORGAN – NEUES LEBEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Die Organspende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Interdisziplinäre Zusammenarbeit am UKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
Transplantationsbeauftragter am UKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .11<br />
So läuft eine Organspende ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Die Arbeit einer Transplantationskoordinatorin . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Familienbande: Vater spendet Sohn einen Teil seiner Leber . . . . . . . . . 16<br />
Wenn das Spenderorgan nicht ideal ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Die Brücke zur Transplantation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
Ein neues Herz für Leoni . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Wenn die neue Niere endlich da ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <strong>23</strong><br />
Mit Stammzelltransplantation gegen die Leukämie . . . . . . . . . . . . . . .26<br />
Organspende: Ein Ausweis, der Gewissheit schafft . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
AKTUELLES<br />
Neue Lob- und Beschwerdemanagerin am UKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Seit 25 Jahren im Einsatz: „Christoph 70“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .29<br />
Neue interdisziplinäre JECTU am UKJ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
HEILEN<br />
Mit Hitze gegen den Knochentumor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Neuer DaVinci-Roboter am UKJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
FORSCHEN<br />
‚Botox‘ nach Schlaganfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
Unter Nobelpreisträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34<br />
Das Alter geht Männern mehr an die Nieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
Geistig fit im hohen Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .36<br />
LEHREN<br />
SkillsLab zertifiziert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Neue Professorin für Quantitative Gesundheitsforschung . . . . . . . . . . .38<br />
OSCE-Prüfungsparcours zur Planetaren Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />
HINTER DEN KULISSEN<br />
Foto: UKJ<br />
Den richtigen Ton treffen: Üben mit Schauspielpatienten . . . . . . . . . . .40<br />
Großer Organmangel: Hilft ein Spenderegister?<br />
Transplantationszentrum am UKJ deutschlandweit<br />
führend bei der Leberlebendspende<br />
Prof. Otto W. Witte<br />
Foto: privat<br />
Viel zu wenig Menschen sind Organspender<br />
– das ist seit Jahren bekannt.<br />
Die Folge: In Deutschland warten aktuell<br />
laut Deutsche Stiftung Organtransplantation<br />
(DSO) nahezu 10 000 schwer<br />
kranke Menschen auf ein Spenderorgan.<br />
Demgegenüber standen im vergangenen<br />
Jahr deutschlandweit 3 327 Organspenden.<br />
Auch in Thüringen warten viele<br />
Patienten auf ein neues Organ.<br />
Das am Universitätsklinikum Jena<br />
etablierte interdisziplinäre Transplantationszentrum<br />
ist das einzige im<br />
Freistaat Thüringen. Hier wurden im<br />
vergangenen Jahr insgesamt beinahe<br />
200 Transplantationen durchgeführt,<br />
davon 95 Stammzell-, 57 Leber-, 36<br />
Nieren- und 6 Herztransplantationen.<br />
Darum kümmern sich am UKJ zwei<br />
hochengagierte Transplantationskoordinatoren:<br />
der Neurologe Dr. Albrecht<br />
Günther und der Intensivmediziner Dr.<br />
Martin Brauer, unterstützt von vielen<br />
ärztlichen Kollegen. Auch ihrem Einsatz<br />
ist es zu verdanken, dass das UKJ zu<br />
einem der führenden Entnahmekrankenhäuser<br />
Deutschlands zählt und<br />
von der Deutschen Stiftung Organtransplantation<br />
und der Thüringer<br />
Gesundheitsministerin für vorbildliche<br />
Prozesse bei der Organspende ausgezeichnet<br />
wurde. Diese Auszeichnung ist<br />
eine Bestätigung der hohen Qualität<br />
und Sicherheit unserer Transplantationsmedizin<br />
in Jena.<br />
Vor dem Hintergrund des anhaltenden<br />
Organmangels hat sich das interdisziplinäre<br />
Transplantationszentrum am UKJ<br />
speziell bei der Lebertransplantation<br />
auf die Leberlebendtransplantation bei<br />
erwachsenen Empfängern spezialisiert,<br />
ist hier deutschlandweit seit Jahren<br />
das leistungsstärkste Zentrum. Ein<br />
Alleinstellungsmerkmal, das Thüringer<br />
Bürgern mit schwersten Lebererkrankungen,<br />
die eine neue Leber brauchen,<br />
zu Gute kommt.<br />
Trotz hochspezialisierter Zentren<br />
wie das am UKJ und einer sehr gut<br />
organisierten Zusammenarbeit aller<br />
beteiligten Einrichtungen – der Mangel<br />
an Organen ist die Ursache, dass<br />
nicht allen schwer kranken Patienten<br />
geholfen werden kann. Der Bundestag<br />
hatte deshalb 2020 eine Organspende-<br />
Reform beschlossen, konkret im Gesetz<br />
zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft<br />
bei der Organspende. Kernelement<br />
ist das zentrale Online-Spenderegister,<br />
d.h. die digitale Möglichkeit, sich<br />
„Diese Auszeichnung<br />
von DSO und Gesundheitsministerium<br />
ist eine<br />
Bestätigung der hohen<br />
Qualität und Sicherheit<br />
unserer Transplantationsmedizin<br />
am UKJ.“<br />
als potenzieller<br />
Spender registrieren<br />
zu lassen. Ursprünglich<br />
sollte das Register für Organund<br />
Gewebespenden schon im März<br />
2022 starten, aktuell ist die Rede vom<br />
ersten Quartal 2024. Noch vor dem<br />
Start steht die Frage im Raum, ob das<br />
Register überhaupt gegen den Mangel<br />
helfen kann? Ein Großteil der Ärzte<br />
in Deutschland ist skeptisch, ob das<br />
Register tatsächlich dazu beitragen<br />
kann, die Zahl potentieller Organspender<br />
signifikant zu erhöhen. Erfahrungen<br />
anderer Länder lassen solche<br />
Zweifel berechtigt erscheinen.<br />
Die Ende Oktober in Jena stattfindende<br />
Jahrestagung der Deutsche<br />
Transplantationsgesellschaft wird den<br />
Weg zu mehr Organspenden explizit als<br />
Schwerpunkt thematisieren.<br />
Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche<br />
Lektüre<br />
Ihre „<strong>Klinikmagazin</strong>“-Redaktion<br />
KURZ UND KNAPP. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
TERMINE & KONTAKTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .46<br />
Titelbild: Hellmann<br />
Prof. Otto W. Witte<br />
Medizinischer Vorstand<br />
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3
TITELTHEMA<br />
NEUES ORGAN<br />
NEUES LEBEN<br />
Laut Deutsche Stiftung Organ transplantation<br />
(DSO) warten in unserem<br />
Land rund 10 000 schwer kranke<br />
Menschen auf ein Spender organ.<br />
Für Thüringen gibt es ebenfalls eine<br />
große Warteliste von Patienten für<br />
jedes Organ. Diese Patienten<br />
werden im Transplantationszentrum<br />
des Universitätsklinikums<br />
Jena versorgt. Hierzu gehören die<br />
Kliniken für Allgemein-, Viszeralund<br />
Gefäßchirurgie, Herz- und<br />
Thorax chirurgie, die Urologie sowie<br />
die Kliniken für Innere Medizin I, III<br />
und IV. Ein Gespräch mit Prof. Dr.<br />
Utz Settmacher, Direktor der Klinik<br />
für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie<br />
am UKJ, und Präsident der<br />
Deutschen Transplantationsgesellschaft.<br />
Foto: Hellmann<br />
Transplantationsmedizin beschäftigt<br />
sich mit der Übertragung von<br />
Organen von verstorbenen bzw.<br />
lebenden Spendern an meist<br />
todkranke Menschen. Was macht für<br />
Sie den besonderen Reiz der Transplantationsmedizin<br />
aus?<br />
Prof. Settmacher: Das ist interdisziplinäre,<br />
universitäre Hochleistungsmedizin.<br />
Wir müssen zunächst die geeigneten<br />
Patienten für die Transplantation<br />
auswählen. Einerseits haben wir dann<br />
die operativen Seiten – die Transplantation<br />
stellt ja eine Operation<br />
dar, sowohl die OP beim Spender als<br />
auch beim Organempfänger. Nach der<br />
Transplantation muss dafür gesorgt<br />
werden, dass das Organ vom Empfänger<br />
toleriert wird und er nicht irgendwelchen<br />
Infektionen ausgesetzt ist. Und<br />
die dritte Facette – sie spielt sich direkt<br />
rund um die Operation ab – ist natürlich<br />
das Management der Organfunktionen<br />
und der Organversagen. Oft müssen die<br />
Patienten bereits vor der Transplantation<br />
auf der Intensivstation betreut<br />
werden. Transplantationsmedizin ist<br />
also eine sehr komplexe Medizin, die<br />
wir interdisziplinär im gesamten Team<br />
bewerkstelligen müssen.<br />
Ein paar Zahlen: 45 Transplantationszentren<br />
gibt es in Deutschland, eines<br />
davon haben wir am UKJ. Es ist das<br />
einzige in Thüringen. Laut Deutsche<br />
Stiftung Organtransplantation (DSO)<br />
wurden in 2022 in diesen Zentren<br />
insgesamt 2 795 Organe transplantiert.<br />
Wie ist diese Zahl einzuordnen?<br />
Prof. Settmacher: Rund 10 000 Patienten<br />
stehen in Deutschland inzwischen auf<br />
der Warteliste für ein neues Organ. Da<br />
sind 2 795 pro Jahr nicht viel. Die anhaltende<br />
Knappheit an Spenderorganen<br />
ist auch in Deutschland nach wie vor<br />
dramatisch.<br />
Wächst der Bedarf an Organen<br />
weiter? Stichwort alternde<br />
Bevölkerung. Bei rückläufiger<br />
Spendenbereitschaft hieße das ja<br />
rein mathematisch, die Wartelisten<br />
werden immer länger?<br />
Prof. Settmacher: Ja, die Wartezeit auf<br />
ein Organ ist sehr lang. Auf eine Niere<br />
warten die Patienten inzwischen etwa<br />
sieben bis zehn Jahre. Die Organangebote<br />
erfolgen meist nach Dringlichkeit.<br />
Je kranker ein Patient, umso schneller<br />
bekommt er ein Organ. Aber es gibt<br />
Patienten, die warten und sind noch zu<br />
Hause. Sie haben oft gar keine Chance,<br />
ein Spenderangebot zu bekommen.<br />
Gibt es eigentlich auch Zahlen, wie<br />
viele Menschen sterben, weil sie kein<br />
Spenderorgan bekommen haben?<br />
Prof. Settmacher: Ja. Für die Lebertransplantation<br />
kann ich es sogar<br />
ziemlich genau sagen: Ende des Jahres<br />
standen hier deutschlandweit etwa<br />
2 200 Menschen auf der Warteliste.<br />
Von der Warteliste gehen etwa 1 300<br />
Patienten runter, davon sind etwa 800<br />
transplantiert. Und die anderen gehen<br />
runter, weil sie zum Zeitpunkt nicht<br />
mehr transplantabel sind. Von denen<br />
war die Hälfte „auf der Warteliste<br />
verstorben“.<br />
Bei uns in Jena war es so, dass wir<br />
etwa 200 Patienten auf der Warteliste<br />
für eine Lebertransplantation stehen<br />
hatten. Der sogenannte „turn over“<br />
waren etwa 100 Patienten. Diese kamen<br />
also von der Warteliste runter. Knapp<br />
60 davon haben wir transplantiert, die<br />
anderen 40 waren aus verschiedenen<br />
Gründen nicht mehr transplantabel.<br />
Von denen sind die meisten während<br />
der Wartezeit auf ein passendes Organ<br />
verstorben.<br />
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5
Prof. Dr. Utz Settmacher ist Direktor<br />
der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
Gefäßchirurgie am UKJ sowie Präsident der<br />
Deutschen Transplantationsgesellschaft.<br />
Seit 1995 gibt es am UKJ das Lebertransplantationsprogramm.<br />
Das<br />
Zentrum ist in Bezug auf Leberlebendspenden<br />
für Erwachsenen das<br />
leistungsstärkste in Deutschland.<br />
Wird diese Stärke nur allein an den<br />
Zahlen gemessen?<br />
Prof. Settmacher: Ein Messfaktor ist<br />
sicher die Zahl der Transplantationen.<br />
Aber es gehört weit mehr dazu. Was man<br />
dazu wissen muss: Das Vorgehen für<br />
eine Transplantation mit Lebendspende<br />
ist sehr aufwendig. Hier müssen viele<br />
Untersuchungen beim Spender zuvor<br />
durchgeführt werden. Dieser soll nach<br />
der Lebendspende voll einsatzfähig in<br />
sein normales Leben zurück entlassen<br />
werden. Nicht jeder, der einen Teil seiner<br />
Leber oder eine Niere spenden möchte,<br />
ist auch geeignet. Wir haben eine Faustregel:<br />
drei bis vier potentielle Spender<br />
stellen sich vor und bei nur einem davon<br />
können wir die OP durchführen.<br />
In Deutschland dürfen nur sehr nahe<br />
Verwandte oder enge persönliche<br />
Freunde spenden. Am Transplantationsgesetz<br />
zur Verbesserung der<br />
Lebendspende wird aber gerade<br />
gearbeitet.<br />
Haben Sie eine Zahl, wie viele<br />
Lebertransplantationen hier am UKJ<br />
insgesamt über die Jahre durchgeführt<br />
wurden? Die 700. war wohl 2013.<br />
Prof. Settmacher: Seit 1995 waren es so<br />
um die 1 200. Im letzten Jahr waren es<br />
wie gesagt knapp 60.<br />
Was ist aus Ihrer Sicht als Chirurg<br />
die besondere Herausforderung<br />
einer Lebendspende im Vergleich zur<br />
herkömmlichen Organspende.<br />
Prof. Settmacher: Chirurgisch ist das<br />
höchst anspruchsvoll. Wir müssen beim<br />
Spender ein Organ teilen, und das so,<br />
dass dieser mit dem verbleibenden<br />
Teil gut weiterleben kann. Und wir<br />
müssen sicherstellen, dass die Hälfte,<br />
die wir chirurgisch entfernen, für den<br />
Empfänger reicht. Das wird im Vorfeld<br />
sehr genau berechnet. Dafür gibt es<br />
entsprechende Computerprogramme.<br />
Und dann ist insgesamt der technische<br />
Aufwand, also die rein chirurgische<br />
Seite, viel größer, wir haben zwei<br />
Operationen gleichzeitig. Insgesamt ist<br />
auch viel Mikrochirurgie dabei.<br />
Wenn todkranke Patienten dringend<br />
ein neues Organ benötigen, spielt<br />
der Zeitfaktor eine entscheidende<br />
Rolle. Sind Teil-Lebern von lebenden<br />
Spendern schneller zu bekommen als<br />
von Verstorbenen?<br />
Prof. Settmacher: Wir haben schon für<br />
sehr schwer kranke Patienten mit Leberversagen<br />
eine Lebendspende durchgeführt.<br />
Aber wir müssen immer genau<br />
schauen, welche Erkrankungen unsere<br />
Patienten haben, die transplantiert<br />
werden müssen. Ein Patient mit einem<br />
akutem Leberversagen zum Beispiel<br />
wird als sehr dringlich eingestuft („high<br />
urgency“). Für ihn bekommen wir in der<br />
Regel innerhalb von 48 Stunden ein<br />
Angebot von Eurotransplant. So schnell<br />
Foto: Rodigast<br />
sind wir in Deutschland mit der Vorbereitung<br />
eines Lebendspenders nicht,<br />
allein schon aus juristischer Sicht, weil<br />
u.a. Aufklärungsfristen usw. eingehalten<br />
werden müssen. In anderen Ländern ist<br />
das nicht so.<br />
Was ist besser?<br />
Prof. Settmacher: Am Ende immer das,<br />
womit man Leben rettet und am besten<br />
hilft.<br />
Sie haben mit Kollegen aus Brüssel,<br />
Oslo, München und Tübingen ein<br />
spektakuläres Verfahren bei der<br />
Lebendspende entwickelt, dass<br />
Patienten besonders mit Darmkrebsmetastasen<br />
in der Leber zu Gute<br />
kommt und in zwei Schritten erfolgt.<br />
Prof. Settmacher: Das Verfahren ist<br />
sehr gut. Zunächst wird zur Schonung<br />
des Spenders ein möglichst kleiner<br />
Leberteil entnommen und verpflanzt.<br />
Beim Empfänger verbleibt zur Unterstützung<br />
der Organfunktion erstmal<br />
ein Teil der erkrankten Leber. Jedoch<br />
wird die Durchblutung dieses kranken<br />
Leberteils gedrosselt, um parallel das<br />
Transplantat zum Wachsen anzuregen.<br />
Das funktioniert dadurch, dass wir den<br />
Blutfluss umleiten. Dieser läuft ja aus<br />
dem Darm und der Bauchspeicheldrüse<br />
hoch in die Leber und dort teilt er sich<br />
auf in einen Ast für die rechte Leber<br />
und einen für die linke. Wir drosseln im<br />
Prinzip den Ast, der zur kranken Leber<br />
läuft. Die transplantierte Teil-Leber<br />
bekommt im Gegenzug mehr Blut, um<br />
das Wachsen anzuregen. Nach etwa<br />
zwei Wochen kann das Transplantat die<br />
Leberfunktion komplett übernehmen<br />
und die kranke Restleber wird entfernt.<br />
Dieses Phänomen kennen wir schon<br />
lange in der Leberchirurgie, dadurch<br />
vergrößert sich das Organ bzw. wächst<br />
schneller.<br />
Wie viele Patienten haben wir mit<br />
diesem Verfahren am UKJ schon<br />
operieren können?<br />
Prof. Settmacher: 14 Patienten.<br />
Wir als einziges Universitätsklinikum<br />
in Thüringen verfügen über das<br />
einzige Transplantationszentrum im<br />
Freistaat: In welche Richtung geht<br />
die Forschung? Was können wir in<br />
der Zukunft erwarten?<br />
Prof. Settmacher: Die Transplantationsmedizin<br />
bemüht sich mit verschiedenen<br />
Ansätzen darum, den Spenderorganmangel<br />
zu beseitigen. Künstliche<br />
Organe im Labor zu schaffen,<br />
ist zum Beispiel eine tolle Idee. Oder<br />
die Xenotransplantation, also die<br />
Verpflanzung von tierischen Geweben<br />
und Organen auf den Menschen, ist<br />
immer wieder versucht worden. Es wird<br />
aber noch eine Weile dauern, bis das<br />
umsetzbar ist.<br />
Und ein dritter Ansatz: Die Regenerative<br />
Medizin. Sie ist auch ein sehr<br />
spannendes Feld, denken Sie an unser<br />
Zwei-Schritt-Verfahren. Ein tolles<br />
Forschungsthema, das die Regeneration<br />
der Leber betrifft. Wir beobachten<br />
das Phänomen derzeit und wenden es<br />
erfolgreich an, die Grundlagen sind aber<br />
bis in die Tiefe noch nicht verstanden.<br />
Sie sind seit vergangenem Jahr<br />
Präsident der Deutschen Transplantationsgesellschaft.<br />
Worum müssen<br />
Sie sich in der Gesellschaft aktuell<br />
kümmern?<br />
Prof. Settmacher: Die Gesellschaft<br />
kümmert sich um die klinische Tätigkeit<br />
und um die Forschung in der Transplantationsmedizin.<br />
Wir engagieren uns für<br />
die Weiterbildung und um die Gewinnung<br />
von jungen Leuten. Die Ausbildung<br />
zum Transplantationsmediziner<br />
ist umfangreich. Sie braucht Zeit, da<br />
die Mediziner zunächst die Facharztweiterbildung<br />
absolvieren müssen.<br />
Hinzu kommt, dass Transplantation<br />
Wie ermöglichen wir Patienten die Transplantation?<br />
Mit dieser übergeordneten Frage<br />
beschäftigt sich die 32. Jahrestagung<br />
der Deutschen Gesellschaft für Transplantation<br />
(DTG), die vom 26. bis 28.<br />
Oktober 20<strong>23</strong> in Jena stattfindet. Drei<br />
große Schwerpunkte werden auf dem<br />
Kongress thematisiert. „Neben der<br />
Verbesserung der Organspende von<br />
Verstorbenen haben wir außerdem<br />
die Lebendspende zum Thema“, so der<br />
Präsident der DTG, Prof. Dr. Utz Settmacher.<br />
„Ministerialdirigent Markus<br />
Algermissen aus dem Bundesgesundheitsministerium<br />
wird berichten,<br />
welche Gesetzesvorlagen es derzeit<br />
dazu gibt.“ Auch internationale Transplantationsmediziner<br />
werden in Jena<br />
erwartet. „Erwähnen möchte ich hier<br />
einen Kollegen aus der Türkei. Dort wird<br />
sehr viel Leberlebendspende praktiziert.<br />
Wir möchten hören, wie das dort<br />
so gut gelingt“, so Prof. Settmacher.<br />
In Deutschland ist aktuell nur die<br />
Spende von hirntoten Organspendern<br />
erlaubt. In vielen anderen Ländern<br />
Europas gibt es auch die Spende nach<br />
Herz-Kreislauf-Stillstand. Teilnehmer<br />
aus Belgien, den Niederlanden und<br />
aus England sprechen über ihre diesbezüglichen<br />
Erfahrungen. „Wir wollen<br />
diskutieren, wie wir das in Deutschland<br />
einführen können. Das wird sehr<br />
aufwendig und schwierig, da gehört viel<br />
Überzeugungsarbeit dazu. Aber dort,<br />
wo das möglich ist, werden deutlich<br />
ein Bereich der Medizin ist, der nicht<br />
überall stattfindet, derzeit in 45<br />
Zentren. Dort brauchen wir junge, kluge<br />
und vor allem interessierte Ärzte. Das<br />
sind für die Fachgesellschaft drei sehr<br />
wichtige Aufgaben. Wir versuchen<br />
Werbung für die Transplantationsmedizin<br />
zu machen und natürlich parallel<br />
auch für die Organspende. Das gehört<br />
für mich untrennbar zusammen.<br />
Erwähnen möchte ich natürlich noch<br />
die Jahrestagung der DTG, die in diesem<br />
Jahr vom 26. bis 28. Oktober in Jena<br />
stattfindet. Sie befasst sich kurz gesagt<br />
mit drei Schwerpunkten: dem Spenderorganmangel,<br />
der Weiterentwicklung<br />
der Lebendspende und der Organtransplantation<br />
als eine Behandlung<br />
bei Krebs. Interview: Annett Lott<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Utz Settmacher<br />
Direktor der Klinik für Allgemein-,<br />
Viszeral- und Gefäßchirurgie,<br />
03641 9-32 26 01<br />
avg@med.uni-jena.de<br />
mehr Patienten mit Spenderorganen<br />
versorgt und die Wartezeiten auf eine<br />
Transplantation sind kürzer“, so der<br />
Tagungspräsident.<br />
Das dritte Thema befasst sich mit der<br />
Organtransplantation als Behandlungsmöglichkeit<br />
von Krebserkrankungen<br />
bei Patienten, ein Schwerpunkt der<br />
Transplantationsmedizin auch am UKJ.<br />
Es wird ein Kongress für Transplantationsmediziner<br />
und Pflegende, auf dem<br />
auch viele Themen der Weiterbildung in<br />
diesem komplexen Bereich der Medizin<br />
besprochen werden und zu dem auch<br />
Studierende herzlich eingeladen sind.<br />
(ane)<br />
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7
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Die Organspende<br />
Unfälle, eine Stoffwechselerkrankung<br />
oder erblich bedingte Schäden – Organe<br />
können aus unterschiedlichen Gründen<br />
in ihrer Funktion beeinträchtigt sein.<br />
In besonders schweren Fällen ist<br />
die Organtransplantation die letzte<br />
Möglichkeit, Betroffenen zu helfen.<br />
Bei einer Transplantation wird das<br />
geschädigte Organ durch ein Spenderorgan<br />
ersetzt. In Deutschland ist streng<br />
geregelt, welche Organe und Gewebe<br />
mithilfe der Transplantationsmedizin<br />
übertragen werden können. Auch wie<br />
Organe gespendet werden können, ist<br />
gesetzlich festgelegt. Seit 1997 gilt die<br />
sogenannte Zustimmungslösung in<br />
Deutschland. Das heißt, Organe dürfen<br />
nur bei Menschen entnommen werden,<br />
die zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt<br />
haben. Gibt es dieses Einverständnis<br />
nicht, sind Angehörige von<br />
Verstorbenen dazu berechtigt, über die<br />
Entnahme von Organen zu entscheiden.<br />
Möglich ist es jedoch nicht nur, im<br />
Todesfall Organe und Gewebe zu<br />
entnehmen, sondern auch lebende<br />
Menschen können Teile von Organen<br />
spenden.<br />
(tw)<br />
Transplantationsbeauftragte<br />
am<br />
UKJ<br />
Dr. Albrecht Günther<br />
Zahlen zur Organspende<br />
Transplantationen in Deutschland<br />
In Deutschland wurden 2022 insgesamt 3 327 Organspenden durchgeführt.<br />
Jedes sechste Organ stammte dabei aus einer Lebendorganspende.<br />
869 Menschen in Deutschland haben nach ihrem Tod ein oder mehrere<br />
Organe gespendet, 64 weniger als im Vorjahr. Das entspricht 10,3 Organspenderinnen<br />
und -spendern je eine Million Einwohnern.<br />
Die Niere ist das am häufigsten transplantierte Organ, im vergangenen Jahr<br />
war das 1 966 Mal der Fall, davon 535 nach einer Lebendorganspende.<br />
Der Bedarf ist allerdings wesentlich größer. Am 31. Dezember 2022 standen<br />
6 683 auf der Warteliste für eine Nierentransplantation.<br />
748 Lebern wurden 2022 in Deutschland transplantiert, 841 Menschen<br />
benötigen eine Leber.<br />
Herzen wurden 358 im vergangenen Jahr in Deutschland transplantiert.<br />
699 Patientinnen und Patienten warten hingegen auf eine<br />
Herztransplantation.<br />
254 Lungen wurden 2022 transplantiert, 286 standen auf der Warteliste.<br />
Eine Bauchspeicheldrüse wurde im vergangenen Jahr in Deutschland 44<br />
Mal transplantiert, auf der Warteliste standen 317 Menschen.<br />
Transplantationen 2022 am UKJ<br />
95 Stammzelltransplantationen<br />
57 Lebertransplantationen<br />
36 Nierentransplantationen<br />
6 Herztransplantationen<br />
Dr. Martin Brauer<br />
KONTAKT<br />
Herz und Lunge<br />
Transplantationsambulanz der Klinik<br />
für Herz- & Thoraxchirurgie<br />
03641 9-32 29 55<br />
Leber<br />
Zentrum für Transplantationschirurgie<br />
der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
Gefäßchirurgie<br />
03641 9-32 26 58<br />
Terminabsprache täglich ab 13 Uhr<br />
Niere und Bauchspeicheldrüse<br />
Transplantationsbüro der Klinik für<br />
Urologie<br />
03641 9-32 99 20<br />
(24 Stunden erreichbar)<br />
8 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
9
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Unsere Experten am UKJ<br />
Interdisziplinäre Zusammenarbeit am Transplantationszentrum<br />
Transplantationsbeauftragter am UKJ<br />
Aufgabe an der Grenze zwischen Leben und Tod<br />
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
Gefäßchirurgie<br />
Prof. Dr. Utz Settmacher,<br />
Klinikdirektor<br />
Prof. Dr. Falk Rauchfuß, Leiter der<br />
Sektion Lebertransplantation<br />
Klinik für Herz- und<br />
Thoraxchirurgie<br />
Prof. Dr. Torsten Doenst,<br />
Klinikdirektor<br />
Dr. Tim Sandhaus,<br />
Leiter des Lungen transplantationsprogramms<br />
Klinik für Innere Medizin I –<br />
Kardiologie, Angiologie,<br />
Intensivmedizin<br />
Prof. Dr. P. Christian Schulze,<br />
Klinikdirektor<br />
Klinik f. Innere Medizin II<br />
Prof. Dr. Andreas Hochhaus,<br />
Klinikdirektor<br />
Prof. Dr. Inken Hilgendorf,<br />
Leiterin der Sektion Stammzellen -<br />
transplantation<br />
Klinik für Innere Medizin III –<br />
Nephrologie – Rheumatologie/<br />
Osteologie-Endokrinologie/<br />
Stoffwechselerkrankungen<br />
Prof. Dr. Gunter Wolf, Klinikdirektor<br />
Klinik für Innere Medizin IV –<br />
Gastroenterologie, Hepatologie,<br />
Infektiologie und Interdisziplinäre<br />
Endoskopie<br />
Prof. Dr. Andreas Stallmach,<br />
Klinikdirektor<br />
Klinik für Innere Medizin V –<br />
Pneumologie – Allergologie/<br />
Immunologie<br />
Prof. Dr. Susanne Lang,<br />
kommissarische Klinikdirektorin<br />
Klinik für Urologie<br />
Prof. Dr. Marc-Oliver Grimm,<br />
Klinikdirektor<br />
Institut für Diagnostische und<br />
Interventionelle Radiologie<br />
Prof. Dr. Ulf Teichgräber, Direktor<br />
Institut für Klinische Chemie und<br />
Laboratoriumsdiagnostik<br />
PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf, Direktor<br />
Organspenden sind<br />
ein hoch sensibles<br />
Thema. Ein Mensch<br />
ist gestorben und hat<br />
zu seinen Lebzeiten<br />
bestimmt, seine<br />
Organe zu spenden,<br />
damit andere (über)<br />
leben können. Auch<br />
Dr. A. Günther<br />
Foto: Szabó<br />
deshalb ist Organspende eine so verantwortungsvolle<br />
Aufgabe. Die Abläufe sind<br />
klar gesetzlich geregelt, die Organentnahme<br />
muss sehr sorgfältig vorbereitet,<br />
durchgeführt und dokumentiert werden.<br />
Dazu gehört zuallererst die Feststellung<br />
des Hirntods, also der unumkehrbare<br />
Ausfall aller Hirnfunktionen. Eine<br />
Aufgabe an der Grenze zwischen Leben<br />
und Tod. Hierfür am UKJ verantwortlich<br />
zeichnet der Transplantationsbeauftragte<br />
Dr. Albrecht Günther, Facharzt<br />
für Neurologie und neurologische<br />
Intensivmedizin.<br />
Was ist Ihre Aufgabe als<br />
Transplantationsbeauftragter?<br />
Dr. Günther: Zunächst möchte ich<br />
sagen: Ich bin nicht alleine als Transplantationsbeauftragter.<br />
Wir arbeiten<br />
als interdisziplinäres Team zusammen,<br />
Intensivmediziner, Neurologen, Kinderärzte,<br />
Psychologen, Pflegekräfte.<br />
Organspende ist immer eine gemeinsame<br />
Leistung, von der Erkennung eines<br />
möglichen Hirntods zur definitiven<br />
Feststellung über die Gespräche mit<br />
den Angehörigen bis zum Abschluss der<br />
Organspende. Meine konkrete Aufgabe<br />
ist es, Patienten zu erkennen, die so<br />
fatale Schädigungen am Gehirn erlitten<br />
haben, dass sie voraussichtlich daran<br />
sterben werden. Es bahnt sich sozusagen<br />
eine Hirntoddiagnostik an. Und<br />
daran schließt sich die Frage an: Kommt<br />
bei Hirntodfeststellung eventuell auch<br />
eine Organspende infrage?<br />
Denn eine Organspende setzt immer<br />
die Diagnose des Hirntods voraus.<br />
Was ist daran besonders?<br />
Dr. Günther: Der Hirntod ist eine sehr<br />
seltene und sehr spezielle medizinische<br />
Angelegenheit. Kleinere Krankenhäuser<br />
erleben eine Hirntoddiagnostik vielleicht<br />
nur einmal alle paar Jahre. Daher<br />
ist es auch so wichtig, das Personal in<br />
Krankenhäusern zu schulen, sowohl<br />
die Ärzte als auch die Pflegekräfte. Es<br />
ist ein kontinuierlicher Fortbildungsprozess.<br />
Zum einen wollen und sollten<br />
wir keinen Patienten übersehen, der<br />
Organspender werden könnte. Zum<br />
anderen darf es keinen falsch positiven<br />
Befund „Hirntod“ geben.<br />
Wie stellen Sie das sicher?<br />
Dr. Günther: Für die Diagnose Hirntod<br />
sind die Richtlinien in Deutschland<br />
extrem strikt und klar geregelt, erst<br />
kürzlich wurden sie in ihrer fünften<br />
Fassung aktualisiert. Die diagnostische<br />
Sicherheit beruht immer auf der<br />
Grundlage des aktuellen medizinischwissenschaftlichen<br />
Erkenntnisstands.<br />
Das heißt im Umkehrschluss: Besteht<br />
eine Unsicherheit, gibt es auch nicht<br />
die Diagnose Hirntod und damit auch<br />
keine Organspende. Zudem arbeiten<br />
wir im Nachgang mit den Kollegen der<br />
Deutschen Stiftung Organtransplantation<br />
(DSO) alle Fälle auf, bei denen<br />
ein Mensch an einer Hirnschädigung im<br />
Krankenhaus gestorben ist, aber nicht<br />
als Organspender fungiert hat. Ziel ist<br />
es, Wege zu finden, wie es besser geht.<br />
Welche zum Beispiel?<br />
Dr. Günther: Auch das ist ein Aspekt<br />
meiner Tätigkeit als Transplantationsbeauftragter:<br />
Abläufe im Klinikum zu<br />
standardisieren und Schemata zu etablieren.<br />
Das bedeutet kontinuierliche<br />
Kommunikation mit allen Kliniken, die<br />
in den Organspendeprozess involviert<br />
sind, und gezielte Weiterbildungen<br />
durchzuführen. Mit Seminaren versuche<br />
ich außerdem, angehende Mediziner<br />
frühestmöglich mit der Thematik zu<br />
konfrontieren und eine Brücke zu bauen<br />
zwischen dem Erkennen potentieller<br />
Hirntodfälle und der intensivmedizinischen<br />
Behandlung: Welche Fallstricke<br />
gibt es? Wie ist die Gesprächsführung<br />
mit Angehörigen?<br />
Was sagen Sie Menschen, die den<br />
Hirntod bezweifeln?<br />
Dr. Günther: Ich versuche, die Angehörigen<br />
mitzunehmen. Ich kann sie<br />
natürlich verstehen. Vor ihnen liegt<br />
ein Mensch, der ist rosig, der fühlt sich<br />
warm an, dessen Brustkorb geht auf<br />
und ab. Aber: Alles, was an Organfunktionen<br />
da ist, ist künstlich. Sobald die<br />
Maschinen abgestellt werden, ist es<br />
eine Frage von Minuten, bis auch diese<br />
Organfunktionen erloschen sind.<br />
Was sind Ihre größten<br />
Herausforderungen?<br />
Dr. Günther: Sicherlich Patienten im<br />
Kindes- oder gar im Neugeborenenalter.<br />
Bei einem Kind den unwiederbringlichen<br />
Nachweis des Hirnfunktionsausfalles<br />
zu diagnostizieren, nimmt<br />
mich immer noch mit. Auch nach all<br />
den Jahren. Dann gibt es die Momente,<br />
die Hoffnung geben und zeigen, dass<br />
unsere Arbeit sinnstiftend ist. Einige<br />
Zeit nach der Feststellung des Hirntods<br />
eines Neugeborenen haben wir<br />
erfahren, dass das Herz dieses Kindes<br />
einem Säugling in Norwegen erfolgreich<br />
transplantiert wurde. Das war sogar die<br />
erste Herztransplantation bei einem<br />
Baby überhaupt in Norwegen.<br />
Was ist für Sie das Schönste<br />
an Ihrer Aufgabe als<br />
Transplantationsbeauftragter?<br />
Dr. Günther: Wir sind ein sehr gutes,<br />
konstruktives Team und versuchen<br />
immer, alle Register zu ziehen: Im Sinne<br />
der Patienten, die leider sterben und<br />
derer, die hoffentlich von einer Organtransplantation<br />
profitieren können.<br />
Katrin Bogner<br />
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11
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Mit der Zeit jonglieren<br />
Die Arbeit einer Transplantationskoordinatorin<br />
Das gehört zu den Hauptaufgaben von<br />
Ireen Könitzer und Sandy Meinert. Denn<br />
als Transplantationskoordinatorinnen<br />
an der Klinik für Allgemein-, Viszeralund<br />
Gefäßchirurgie am UKJ dürfen sie<br />
die Zeit nie aus den Augen verlieren:<br />
Die Zeit bis zum nächsten Transplantationsboard,<br />
bei dem Experten<br />
verschiedener Fachrichtungen über<br />
die Transplantationsnotwendigkeit<br />
eines neuen Patienten beraten. Die<br />
Zeit bis zur nächsten Aktualisierung<br />
der Laborwerte eines Patienten auf<br />
der Warteliste bei Eurotransplant, der<br />
Organisation, die für die Vermittlung<br />
des internationalen Austausches<br />
von Spenderorganen zuständig ist.<br />
Und erst recht die Zeit zwischen dem<br />
Organangebot von Eurotransplant bis<br />
zur tatsächlichen Transplantation. Ihr<br />
Hauptwerkzeug dafür sind ihre Telefone.<br />
Und die klingeln ganz schön oft.<br />
Denn häufig rufen auch die Patienten,<br />
die bereits auf der Warteliste für eine<br />
neue Leber sind, bei ihnen an, um nach<br />
dem aktuellen Stand der Dinge zu<br />
fragen. Aber trotzdem klingelt es noch<br />
nicht oft genug. „Gerade befinden wir<br />
Transplantationskoordinatorin<br />
Ireen Könitzer freut sich über jeden<br />
Patienten, den sie in der Warteliste<br />
von Eurotransplant als transplantiert<br />
vermerken kann. Foto: Hellmann<br />
uns in einem regelrechten Sommerloch“,<br />
so Könitzer. „Sonst erhalten wir<br />
drei- bis viermal so viele Organangebote“.<br />
Weniger Anrufe bedeuten für die<br />
Patienten der Warteliste mehr Zeit, in<br />
der sie auf ihr neues Organ warten<br />
müssen. Mehr Zeit zum Bangen, aber<br />
auch mehr Zeit zum Hoffen. Aktuell<br />
warten Patienten durchschnittlich<br />
zwei Jahre auf eine neue Leber. Und in<br />
dieser Zeit müssen sie rund um die Uhr<br />
erreichbar sein. Manchmal verlieren<br />
Patienten, die sehr schwer erkrankt<br />
sind, den Kampf für ein Spenderorgan<br />
und gegen die Erkrankung. „Die Arbeit<br />
ist immer ein Auf und Ab“, sagt die<br />
gelernte Medizinische Fachangestellte<br />
Könitzer, die vor ihrer Tätigkeit als<br />
Transplantationskoordinatorin bereits<br />
jahrelange Erfahrung mit transplantierten<br />
Patienten in der Transplantationsambulanz<br />
gesammelt hat. „Deshalb<br />
freue ich mich umso mehr über jeden<br />
Patienten, den ich in der Warteliste<br />
von Eurotransplant als transplantiert<br />
vermerken kann.“<br />
Doch wie kommt ein Patient überhaupt<br />
auf die Warteliste für ein Spenderorgan?<br />
Was passiert nach dem Anruf<br />
von Eurotransplant, dass ein passendes<br />
Organ verfügbar ist? Und welche<br />
Aufgaben übernehmen die Transplantationskoordinatoren<br />
in den einzelnen<br />
Transplantationszentren in diesem<br />
Ablauf?<br />
Anne Curth<br />
Erkennen der Transplantationsnotwendigkeit<br />
Meist erfolgt der Erstkontakt mit<br />
den Patienten über andere Krankenhäuser<br />
bzw. Haus- oder Fachärzte.<br />
Bei einer Erstvorstellung in der<br />
Transplantationsambulanz prüfen<br />
die Mediziner, wie weit die Erkrankung<br />
des Organs fortgeschritten ist und ob<br />
Alternativen zu einer Transplantation<br />
zur Verfügung stehen.<br />
Aufnahme in Warteliste von<br />
Eurotransplant<br />
Während eines zweiwöchigen stationären<br />
Aufenthalts untersuchen<br />
Experten verschiedener Fachbereiche<br />
wie Kardiologie, Gastroenterologie,<br />
etc. den Patienten intensiv. Im Transplantationsboard<br />
entscheiden sie, ob<br />
alle gesundheitlichen und sozialen<br />
Voraussetzungen für eine Transplantation<br />
erfüllt sind. In diesem Fall tragen<br />
die Transplantationskoordinatoren<br />
der jeweiligen Klinik den Patienten auf<br />
die Warteliste von Eurotransplant mit<br />
Daten wie Laborwerten, Blutgruppe<br />
und dem benötigen Organ ein. Der<br />
Patient erhält eine ET-Nummer, die für<br />
sein Leben lang gültig ist. Abhängig<br />
vom transplantierten Organ richtet<br />
sich die Reihenfolge auf der Warteliste<br />
nach gewissen Punktesystemen.<br />
Bei Lebertransplantationen erfolgt<br />
die Organzuteilung nach dem sogenannten<br />
MELD-Score, der sich aus<br />
drei Laborwerten zusammensetzt und<br />
Werte von 6 bis 40 erreichen kann.<br />
Wartezeit<br />
Der Patient muss nun stets erreichbar<br />
sein, da das Spenderorgan jederzeit<br />
verfügbar sein kann. Je nach Dringlichkeit<br />
der Organtransplantation<br />
prüfen die Jenaer Experten den<br />
Gesundheitszustand des Patienten<br />
vierteljährlich bis hin zu wöchentlich<br />
in der Transplantationsambulanz.<br />
Die Transplantationskoordinatoren<br />
tragen die aktualisierten Laborwerte<br />
regelmäßig in der Warteliste nach.<br />
Organangebot durch Eurotransplant<br />
Meist weist Eurotransplant ein<br />
gespendetes Organ direkt einem<br />
bestimmten Patienten zu, dessen<br />
Gewebemerkmale möglichst übereinstimmen.<br />
Außerdem können auch<br />
Faktoren wie Größe, Alter und Gewicht<br />
sowie die Dauer des Transportes<br />
zwischen dem Entnahmekrankenhaus<br />
und dem Transplantationszentrum<br />
eine Rolle spielen. In diesem Fall<br />
informiert Eurotransplant die Koordinatoren<br />
im Transplantationszentrum<br />
per Telefon. Im Transplantationszentrum<br />
wird nun geprüft, ob der Patient<br />
aufgrund des aktuellen Gesundheitszustands,<br />
o.ä. tatsächlich transplantiert<br />
werden kann.<br />
Vorbereitung des Patienten<br />
und Organs<br />
Bereits während des Transportes<br />
des Spenderorgans wird der Organempfänger<br />
auf die bevorstehende<br />
Transplantation vorbereitet. Ist der<br />
Patient aktuell bereits stationär<br />
aufgenommen, können die notwendigen<br />
Untersuchungen wie Blutuntersuchungen,<br />
EKG oder Röntgenaufnahmen<br />
unmittelbar stattfinden.<br />
Andernfalls bitten die Transplantationskoordinatoren<br />
den Patienten per<br />
Telefon, schnellstmöglich zum Transplantationszentrum<br />
zu kommen. Im<br />
Idealfall organisieren sie hierfür einen<br />
Krankentransport. Anschließend<br />
finden die Operationsvorbereitungen<br />
statt. Sobald das Organ im Transplantationszentrum<br />
angekommen<br />
ist, prüfen die Transplanteure es auf<br />
seine Funktionsfähigkeit und bereiten<br />
es für das Einsetzen vor.<br />
Transplantation<br />
Während der Operation öffnen die<br />
Transplanteure die Bauchdecke des<br />
Patienten. Abhängig vom betroffenen<br />
Organ wird nun zunächst wie<br />
bei einer Leber das erkrankte Organ<br />
entnommen, während erkrankte Nieren<br />
in der Regel im Körper verbleiben. Nun<br />
pflanzen sie das gesunde Organ ein,<br />
indem sie die versorgenden Gefäße<br />
des Patienten mit denen des Organs<br />
miteinander verbinden. Nach erfolgreichem<br />
Test des transplantierten<br />
Organs verschließen die Mediziner<br />
die Bauchdecke.<br />
Stationärer Aufenthalt<br />
Nach der Operation verbringt der<br />
Patient einige Tage bis Wochen stationär<br />
im Krankenhaus, zunächst auf<br />
Intensivstation, später auf Normalstation,<br />
um die Funktion des neuen<br />
Organs und den Heilungsprozess der<br />
Wunde zu prüfen und die Medikation<br />
des Patienten optimal einzustellen.<br />
Außerdem erhält der Patient Schulungen<br />
zu seinem Leben mit dem<br />
transplantierten Organ sowie im<br />
Umgang mit den notwendigen Medikamenten.<br />
Anschließend folgt meist<br />
ein Aufenthalt in einer Rehaklinik.<br />
Konnte die OP erfolgreich abgeschlossen<br />
werden, vermerken die<br />
Transplantationskoordinatoren den<br />
Patienten bei Eurotransplant als<br />
„transplantiert“.<br />
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13
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
So läuft eine Organspende ab<br />
Medizinische und logistische Herausforderungen werden bewältigt<br />
Bei einer Organspende arbeiten viele Akteure eng, sorgfältig und vertrauensvoll zusammen, um einerseits möglichst vielen<br />
Menschen auf der Warteliste mit einem für sie geeigneten Spenderorgan zu helfen und Hoffnung auf ein neues Leben zu<br />
schenken. Und andererseits den Verstorbenen aber auch den Angehörigen einen würdevollen Abschied zu ermöglichen. Dabei<br />
sind medizinische und logistische Herausforderungen zu bewältigen. Alle Krankenhäuser und Transplantationszentren, die<br />
an einer Organspende beteiligt sind, werden durch die bundesweit tätige Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) im<br />
gesamten Ablauf unterstützt – und das rund um die Uhr. Dr. Felix Pfeifer, Facharzt für Anästhesie und Geschäftsführender<br />
Arzt der Region Ost der DSO, erklärt den Ablauf eines Organspendeverfahrens.<br />
Deutsche Stiftung<br />
Organtransplantation (DSO)<br />
Die DSO ist die bundesweite Koordinierungsstelle für die<br />
Organspende in Deutschland. Sie organisiert alle Schritte im<br />
Organspendeprozess zwischen den rund 1 200 Entnahmekrankenhäusern<br />
und 45 Transplantationszentren. Alle Aufgaben<br />
und Befugnisse sind im Transplantationsgesetz verankert.<br />
Mehr Informationen:<br />
www.dso.de<br />
Eurotransplant (ET)<br />
ET ist eine gemeinnützige Stiftung, die für die<br />
Vermittlung aller Spenderorgane in den folgenden<br />
Ländern zuständig ist: Belgien, Deutschland, Kroatien,<br />
Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien<br />
und Ungarn. Bei ET sind alle Patienten dieser Staaten<br />
registriert, die auf ein Organ warten.<br />
Mehr Informationen:<br />
www.eurotransplant.org/region/deutschland<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9<br />
1. Erkrankung oder Verletzung<br />
mit schwerer Hirnschädigung<br />
Rettungsteams, Ärzte und Pflegende<br />
in der Notaufnahme, im OP oder auf<br />
den Intensivstationen im Krankenhaus,<br />
sie alle geben ihr Bestes, um Leben zu<br />
retten – immer. Nicht immer können<br />
aber Patienten mit einer schweren<br />
Kopfverletzung oder Hirnblutung,<br />
beispielsweise nach einem schweren<br />
Unfall, gerettet werden. Ganz selten<br />
tritt dann der unumkehrbare und<br />
endgültige Ausfall der gesamten<br />
Funktion des Großhirns, des Kleinhirns<br />
und des Hirnstamms, der sogenannte<br />
Hirntod, ein, so dass eine Organspende<br />
überhaupt in Frage kommt.<br />
2. Feststellung des Todes<br />
Zwei Fachärzte (mindestens einer von<br />
ihnen muss ein Neurochirurg oder ein<br />
Neurologe sein) führen auf der Intensivstation<br />
unabhängig voneinander<br />
die Diagnostik durch und stellen den<br />
Hirntod fest. Die Untersuchung wird<br />
ganz streng nach den Vorgaben der<br />
Bundesärztekammer durchgeführt<br />
und entweder nach zwölf beziehungsweise<br />
nach 72 Stunden wiederholt oder<br />
durch Zusatzuntersuchungen ergänzt.<br />
Wird durch die Diagnostik der Hirntod<br />
bestätigt, ist der Tod des Menschen<br />
festgestellt. Eine Rückkehr ins Leben<br />
ist ausgeschlossen. Nur das Herz-<br />
Kreislaufsystem des Patienten wird<br />
künstlich aufrechterhalten.<br />
Kriterien:<br />
» Vorliegen einer schweren<br />
Hirnschädigung • Ausschluss, dass<br />
andere Ursachen für den Ausfall der<br />
Gehirnfunktion verantwortlich sind.<br />
» Tiefe Bewusstlosigkeit (tiefes Koma)<br />
» Ausfall der Hirnstammreflexe<br />
» Atemstillstand (Apnoe | Ausfall der<br />
Spontanatmung)<br />
» Prüfung der Unumkehrbarkeit,<br />
z.B. durch Wiederholung der<br />
Untersuchungen.<br />
3. Meldung des Spenders an DSO<br />
Patienten, die möglicherweise als Organspender<br />
in Frage kommen, weil bei ihnen<br />
bereits der Hirntod eingetreten ist oder<br />
mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten<br />
wird, werden durch das Krankenhaus-<br />
Team an die DSO gemeldet, um eine zeitnahe<br />
Unterstützung bei der Organisation<br />
der Organspende zu erhalten.<br />
4. Angehörigengespräch<br />
Schon ganz zeitig suchen Ärzte das<br />
Gespräch mit den Angehörigen. Sensibel<br />
gehen sie dabei auf die Situation ein.<br />
Wenn Patienten, die als potenzielle<br />
Organspender in Frage kommen, zu<br />
Lebzeiten eine Entscheidung für oder<br />
gegen die Organspende nicht schriftlich<br />
festgehalten haben – sei es durch<br />
eine Patientenverfügung oder einen<br />
Organspendeausweis – müssen die<br />
Angehörigen eine Entscheidung nach<br />
dem mündlichen oder mutmaßlichen<br />
Willen des Patienten treffen. Denn nur<br />
mit Zustimmung ist eine Entnahme der<br />
Organe möglich.<br />
5. Medizinische Untersuchung<br />
des Verstorbenen<br />
Kommt der Verstorbene tatsächlich als<br />
Organspender infrage, werden vor Ort<br />
weitere medizinische Untersuchungen<br />
zum Schutz der Empfänger eingeleitet.<br />
Dabei werden noch einmal alle Angaben<br />
zur Person, aber auch der Gesundheitszustand<br />
und der Zustand des Organs<br />
überprüft. Weisen z.B. Laborwerte<br />
auf eine akute Krebserkrankung oder<br />
bestimmte Infektion hin, kann eine<br />
Organentnahme nicht stattfinden.<br />
6. Organvermittlung durch<br />
EUROTRANSPLANT (ET)<br />
Nach der Prüfung übermittelt die DSO<br />
alle Informationen an ET. Die Organisation<br />
gleicht die Daten des Organspenders<br />
mit den Daten aller Patienten ab,<br />
die auf der Warteliste für das jeweilige<br />
Spenderorgan stehen, um den bestmöglichen<br />
Organempfänger bestimmen zu<br />
können. Über ein Computersystem wird<br />
der am besten passende Empfänger<br />
ermittelt. Dabei werden unter anderem<br />
Kriterien der Dringlichkeit, der Übereinstimmung<br />
medizinischer Merkmale und<br />
der Erfolgsaussicht geprüft.<br />
Kriterien:<br />
Für jedes Organ sind unterschiedliche<br />
Kriterien definiert:<br />
» Blutgruppe<br />
» Zellmerkmale<br />
» Größe & Gewicht<br />
» Dringlichkeit<br />
» Erfolgsaussicht<br />
» Wartezeit<br />
» Konservierungszeit<br />
7. Organentnahme<br />
Die Entnahme eines oder mehrerer Organe<br />
aus dem Körper eines Verstorben erfolgt<br />
unter den gleichen Bedingungen wie jede<br />
andere Operation. Mit medizinischer Sorgfalt<br />
entnehmen Chirurgen das Organ und<br />
verschließen im Anschluss die Operationsschnitte.<br />
Danach werden die Geräte, die das<br />
Herz-Kreislauf-System des Verstorbenen<br />
am Laufen gehalten und so einen Herzstillstand<br />
verhindert haben, abgestellt. Das<br />
Krankenhaus-Team ermöglicht es anschließend<br />
den Angehörigen, sich würdevoll von<br />
dem Verstorbenen zu verabschieden.<br />
8. Transport der Organe<br />
Nach der Entnahme der Organe geht es<br />
schnell, schließlich sind die Organe von<br />
der Sauerstoffversorgung des Körpers<br />
getrennt. Ein Eilkurier steht bereit und<br />
bringt das Organ schnellstmöglich in das<br />
Transplantationszentrum, für welches<br />
das jeweilige Spenderorgan bestimmt<br />
ist – manchmal mit dem Auto, manchmal<br />
mit dem Flugzeug.<br />
Konservierungszeit:<br />
Herz & Lunge:<br />
Leber & Pankreas:<br />
Niere:<br />
max. 6 Stunden<br />
max. 12 Stunden<br />
max. 24 Stunden<br />
9. Transplantation<br />
Das Transplantationsteam bereitet den<br />
Empfänger auf den Eingriff vor. Sobald<br />
das Organ im Krankenhaus eintrifft,<br />
beginnt die Organübertragung.<br />
Kristina Holtzsch<br />
14 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
15
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Familienbande<br />
Vater spendet Sohn einen Teil seiner Leber<br />
Jung, sportlich, nach dem Studium in<br />
der Arbeitswelt angekommen: Franz<br />
Schubert stand mit Mitte 20 mitten<br />
im Leben. Gedanken machte er sich<br />
deshalb auch nicht, als er erstmals im<br />
Skiurlaub während des Jahreswechsels<br />
2021/2022 beim Schlucken immer<br />
wieder einen Kloß im Hals spürte. Doch<br />
was zunächst harmlos anmutete, sollte<br />
sich als längerer Leidensweg herausstellen,<br />
der sein Leben grundsätzlich<br />
verändern sollte.<br />
Nach den unbeschwerten Tagen auf<br />
der Piste zurück zu Hause wurden die<br />
Beschwerden zunächst besser, jedoch<br />
verschwand das Engegefühl im Hals nie<br />
Ein starkes Team:<br />
Ulf-Henner Schubert (l.) und Sohn Franz<br />
nach der überstandenen Leberlebendspende.<br />
Foto: Rodigast<br />
ganz. Nach einigen Wochen ging Franz<br />
Schubert der Sache nach und ließ sich<br />
von seinem Hausarzt durchchecken.<br />
Der erste Verdacht des Mediziners:<br />
die Schilddrüse. Ein Blutbild sollte<br />
Aufschluss geben – und das lenkte<br />
die Aufmerksamkeit schließlich auf<br />
ein ganz anderes Organ. „Die Leberwerte<br />
waren um das 15-fache erhöht.<br />
Wir haben erst gedacht, das ist ein<br />
Laborfehler“, erzählt Franz Schubert.<br />
Doch die zweite Blutuntersuchung<br />
sollte das Ergebnis bestätigen. So<br />
führte der nächste Weg des Dresdners<br />
zum Gastroenterologen, der durch ein<br />
großes Blutbild und einen Ultraschall<br />
eine Verengung und Entzündung der<br />
Gallengänge ausmachte. „Ich habe<br />
dann auch festgestellt, dass ich über<br />
das Jahr etwa 20 Kilo an Gewicht<br />
verloren hatte. Das war mir vorher<br />
gar nicht so richtig aufgefallen“, so<br />
Franz Schubert. Auch andere Symptome<br />
machten sich nun bemerkbar:<br />
starker Juckreiz am ganzen Körper,<br />
Fieberschübe und Appetitlosigkeit.<br />
Größte Sorge bereiteten jedoch die<br />
Leberwerte, die sich immer weiter<br />
verschlechterten. „Mein Arzt in<br />
Dresden meinte dann, wir müssen<br />
etwas unternehmen. Er hat mich<br />
deshalb zur weiteren Behandlung ans<br />
Uniklinikum Jena verwiesen“, erinnert<br />
sich Franz Schubert.<br />
Mitte Juli 2022 kam der Dresdner für<br />
eine stationäre Behandlung ans UKJ.<br />
Neben weiteren Untersuchungen wurde<br />
in der Klinik für Innere Medizin IV eine<br />
Gallengangspiegelung durchgeführt<br />
und dabei die Gallengänge geweitet.<br />
Und schließlich konnten hier auch die<br />
einzelnen Puzzleteile zu einem Ganzen<br />
zusammengefügt werden. Die Diagnose:<br />
Primär sklerosierende Cholangitis<br />
(PSC). Bei der Autoimmunerkrankung<br />
entzünden sich zunächst die Gallengänge<br />
in der Leber, wodurch es zum<br />
Gallenstau kommt. Langfristig führt der<br />
chronische Gallenstau zur Vernarbung<br />
der Leber, Zirrhose genannt. Durch die<br />
Krankheit erhöht sich außerdem das<br />
Risiko auf Gallengangkrebs.<br />
Auch wenn das Weiten der Gallengänge<br />
bei Franz Schubert kurzfristig Besserung<br />
brachte, war nach der Diagnose<br />
klar, dass weiterer Handlungsbedarf<br />
besteht. „Da ich einen schweren Verlauf<br />
der Autoimmunerkrankung habe, haben<br />
mir die Ärzte eine Lebertransplantation<br />
empfohlen“, sagt Franz Schubert. Für<br />
den damals 24-Jährigen ein Schock.<br />
„Mental hat mich das sehr mitgenommen.<br />
Ich habe erstmal gedacht,<br />
jetzt ist mein Leben vorbei. In dem<br />
Alter rechnet man nicht mit sowas.<br />
Und natürlich habe ich mir die Frage<br />
gestellt, warum ich ausgerechnet der<br />
Betroffene sein muss“, erinnert er sich<br />
an die schweren Stunden zurück, die<br />
von viel Unsicherheit geprägt waren.<br />
Im August vergangenen Jahres folgte<br />
ein weiterer Aufenthalt am UKJ. Es<br />
standen die nötigen Untersuchungen<br />
an, um auf die Warteliste für eine<br />
postmortale gespendete Leber aufgenommen<br />
zu werden. Bestimmt wird<br />
dabei der sogenannte MELD-Score, der<br />
den Schweregrad der Lebererkrankung<br />
angibt und bei dem bis zu 40 Punkte<br />
erreicht werden können. Franz Schubert<br />
reihte sich mit 22 Punkten ein.<br />
„Damit gab es keine große Hoffnung,<br />
dass ich eine schnelle Transplantation<br />
bekomme. Das war der nächste Rückschlag“,<br />
so der Dresdner.<br />
Die Ärzte am UKJ brachten deshalb<br />
die Leberlebendspende ins Gespräch.<br />
Dieses Therapieverfahren ist Schwerpunkt<br />
des Zentrums für Transplantationschirurgie<br />
der Klinik für Allgemein-,<br />
Viszeral- und Gefäßchirurgie, das<br />
etwa bei chronischen Entzündungen,<br />
Alkoholschädigungen und Krebserkrankungen<br />
zum Einsatz kommt. Bei rund<br />
25 Prozent aller jährlich realisierten<br />
Lebertransplantationen am UKJ handelt<br />
es sich um eine Leberlebendspende.<br />
„Damit ist der durchschnittliche Anteil<br />
der Leberlebendtransplantation am<br />
UKJ wesentlich höher als in anderen<br />
deutschen Transplantationszentren.<br />
Im vergangenen Jahr haben wir<br />
insgesamt 11 Leberlebendtransplantationen<br />
durchgeführt“, sagt Prof. Dr.<br />
Falk Rauchfuß, Oberarzt an der Klinik<br />
für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie.<br />
Das Verfahren, das in Jena<br />
überwiegend bei Erwachsenen zur<br />
Anwendung kommt, bringt mehrere<br />
Vorteile mit sich. „Durch die Leberlebendspende<br />
verkürzt sich die Wartezeit<br />
auf ein Organ. Es ist eine planbare<br />
Operation. Es kann Menschen geholfen<br />
werden, die sonst keine Chance auf<br />
eine Transplantation hätten. Und<br />
man ist nicht Blutgruppengebunden,<br />
wie bei einer postmortalen Spende,<br />
wodurch sich der Spenderpool für den<br />
Empfänger erweitert“, benennt Prof.<br />
Rauchfuß einige Punkte. Außerdem<br />
können die Operationen für Entnahme<br />
und Transplantation im selben Krankenhaus<br />
stattfinden, wodurch die Zeit,<br />
in der das Organ nicht durchblutet wird<br />
und dadurch Schaden nehmen kann,<br />
kürzer ist als bei einer postmortalen<br />
Spende. Da es sich für den Spender<br />
um einen relativ großen Eingriff im<br />
Bauchraum handele, bringe die Leberlebendspende<br />
auch Risiken mit sich,<br />
weiß Prof. Rauchfuß. Auftreten können<br />
etwa Wundheilungsstörungen sowie<br />
Entzündungen und Undichtigkeiten<br />
des Gallenwegssystems. „Gleichzeitig<br />
besitzt die gesunde Leber des Spenders<br />
eine sehr gute Regenerationsfähigkeit.<br />
Die verbleibende Leber wächst nach der<br />
OP in etwa wieder auf die Ausgangsgröße<br />
an. Das gilt auch für das transplantierte<br />
Leberteilstück.“<br />
Um die medizinischen Risiken der<br />
Transplantation so gering wie möglich<br />
zu halten, müssen Spender als auch<br />
Empfänger für eine Lebendorganspende<br />
strenge Voraussetzungen erfüllen. So<br />
ist diese nur dann möglich, wenn beide<br />
in einer engen emotionalen Verbindung<br />
stehen. Das ist zum Beispiel der Fall<br />
bei Verwandten ersten und zweiten<br />
Grades, Verlobten, Lebenspartnern oder<br />
Personen, die sich offensichtlich durch<br />
eine persönliche Verbundenheit nahe<br />
sind. Finanzielle Erwägungen dürfen<br />
keinesfalls eine Rolle spielen. Das stellt<br />
auch die Lebendspendekommission<br />
sicher, die jeden Lebendspendefall<br />
als externes Komitee begutachtet.<br />
Außerdem gilt generell, dass der<br />
Spender gesund und zwischen 18 und<br />
60 Jahre alt sein muss.<br />
16 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
17
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Leber, Herz und Gefäße sollten gut<br />
funktionieren, Größe und Gewicht<br />
nicht wesentlich unter oder über dem<br />
des Empfängers liegen. Ausschlusskriterien<br />
für eine Spende sind unter<br />
anderem starkes Übergewicht<br />
oder relevante Erkrankungen des<br />
Herz-Kreislauf-Systems.<br />
Auch bei Franz Schubert wurde im<br />
engen Umfeld nach einem Spender<br />
gesucht. Vater Ulf-Henner stellte sich<br />
prinzipiell als geeignet heraus. Zwar<br />
stimmten die Blutgruppen von Vater<br />
und Sohn nicht überein, doch dank<br />
einer Blutwäsche war die Transplantation<br />
möglich. „Für mich war gleich<br />
klar, dass ich das machen werde. Uns<br />
wurde ein guter Weg mit der Lebendleberspende<br />
aufgezeigt. Angst hatte ich<br />
vor dem Eingriff nicht. Ich bin positiv<br />
an das Ganze rangegangen“, sagt der<br />
55-Jährige.<br />
Am 24. November 2022 war es dann<br />
soweit: Der Tag der Transplantation.<br />
Zunächst wurde Ulf-Henner Schubert<br />
Gänsehautmomente und Meilensteine<br />
Über die Arbeit der Lebendspendekommission<br />
Jede Beratung der Lebendspendekommission<br />
ist für Patienten und Spender<br />
der letzte Meilenstein auf einem oft<br />
langen Weg und hat ganz viele Gänsehautmomente,<br />
berichtet Uta Block,<br />
Rechtsanwältin und Vorsitzende der<br />
Kommission, die an der Landesärztekammer<br />
Thüringen angesiedelt ist.<br />
Die Lebendspendekommission als<br />
interdisziplinär besetztes Gremium<br />
aus nicht an der Transplantation<br />
beteiligten Ärzten, Psychologen und<br />
Juristen ist die letzte Instanz, wenn es<br />
darum geht, ob Angehörige oder enge<br />
Freunde einem Patienten oder einer<br />
Patientin z.B. einen Teil ihrer Leber<br />
oder eine Niere spenden dürfen. In<br />
Thüringen werden sowohl Patienten als<br />
auch Spender in einem persönlichen<br />
Prof. Dr. Falk Rauchfuß operierte<br />
Vater und Sohn. Foto: Rodigast<br />
operiert, nach rund zweieinhalb<br />
Stunden konnte dann Sohn Franz das<br />
Leberteilstück seines Vaters transplantiert<br />
werden. „Bei erwachsenen<br />
Spendern werden rund 60 Prozent<br />
der Leber entnommen. Übertragen<br />
wird in aller Regel der rechte Leberlappen“,<br />
erklärt Prof. Rauchfuß. Nach<br />
dem Eingriff sind noch einige Tage<br />
Aufenthalt im Krankenhaus nötig. „Der<br />
Empfänger bleibt zwischen drei und<br />
vier Wochen in der Klinik, der Spender<br />
acht bis 14 Tage, wenn keine Komplikationen<br />
auftreten“, so der Chirurg.<br />
Gespräch angehört. Die Kommissionsmitglieder<br />
bringen nicht nur viel Fachwissen,<br />
sondern auch Lebenserfahrung<br />
mit und gehen ganz einfühlsam auf die<br />
Schicksale der Patienten und Motivation<br />
der Spender ein. Schließlich ist<br />
solch ein Gespräch mit der Kommission<br />
für viele Patienten wie eine Prüfungssituation,<br />
sie sind aufgeregt und geben<br />
ganz intime Einblicke in ihr Schicksal.<br />
„Da ist ganz viel Fingerspitzengefühl<br />
gefragt,“ betont Uta Block und ergänzt:<br />
„Die Unterlagen aus dem Transplantationszentrum<br />
sind sehr gut vorbereitet,<br />
ein Arzt der Klinik stellt den Fall der<br />
Kommission vor. Dann bringt das<br />
persönliche Gespräch mit Empfänger<br />
und Spender die Nuancen hervor, so,<br />
dass wir gut beurteilen können, ob die<br />
Bei Franz Schubert verlief die Transplantation<br />
erfolgreich. Nach Monaten<br />
der Ungewissheit und des Leidens<br />
ist der Dresdner zurück in einem fast<br />
normalen Leben. Sein Körper hat das<br />
neue Organ angenommen. Seit Mitte<br />
Mai dieses Jahres geht der 25-Jährige<br />
wieder normal arbeiten, Sport treiben<br />
in Maßen ist ebenso möglich. Auch sein<br />
Vater hat die Operation bis auf kleinere<br />
Komplikationen gut verkraftet. Für<br />
Franz Schubert steht deshalb fest: „Es<br />
war der richtige Weg, die Transplantation<br />
zu machen.“ Theresa Wahl<br />
Spende wirklich ganz freiwillig ist und<br />
kein Anzeichen für einen verbotenen<br />
Organhandel, also kein finanzieller<br />
Anreiz für die Spende vorliegt.“ So wie<br />
es § 8 Abs. 3 Transplantationsgesetz<br />
und das Thüringer Heilberufegesetz<br />
(§ 17 c-e) vorschreibt. Und weil auch<br />
Lebend-Organspenden zeitkritisch sein<br />
können, tritt das Gremium auch kurzfristig<br />
zusammen. Liegt das Votum der<br />
Kommission für die geplante Spende<br />
vor, geht es ganz schnell. Sprechen alle<br />
medizinischen Kriterien dafür, so kann<br />
z.B. eine Leberlebendtransplantation<br />
oft schon am nächsten Tag durchgeführt<br />
werden.<br />
(kh)<br />
Mehr Informationen:<br />
www.laek-thueringen.de<br />
Wenn das Spenderorgan nicht ideal ist<br />
Spenderlebern genauer bewerten<br />
Die Demografie und der westliche<br />
Lebensstil führen dazu, dass auch<br />
Organspendewillige selten kerngesund<br />
sind. Es stehen deshalb nicht nur viel<br />
zu wenige Spenderlebern zur Verfügung,<br />
oft sind die Organe auch gezeichnet<br />
vom üppigen Leben, sprich: mehr<br />
oder weniger verfettet. Weil das in die<br />
Leberzellen eingelagerte Fett die Gewebestruktur<br />
verändert, schränkt das die<br />
Eignung als Spenderleber sehr ein. Auch<br />
die Zeitspanne zwischen der Organentnahme<br />
und der Transplantation, in der<br />
das Gewebe gekühlt und nicht durchblutet<br />
wird, spielt eine große Rolle für<br />
den Erfolg der Operation. „Diese beiden<br />
Aspekte bestimmen entscheidend, wie<br />
stark das Spenderorgan bei der Wiederdurchblutung<br />
im Körper des Empfängers<br />
in Mitleidenschaft gezogen wird und wie<br />
es seine Funktion aufnehmen kann“,<br />
betont Prof. Dr. Uta Dahmen. In ihrer<br />
Arbeitsgruppe erforscht die Chirurgin<br />
deshalb, anhand welcher Kriterien<br />
sich dieser kritische Prozess besser<br />
vorhersagen lässt. Das Ziel dabei ist<br />
eine Hilfe in der Entscheidung, ob eine<br />
Spenderleber trotz gewisser Vorschädigungen<br />
für einen bestimmten Wartelistenpatienten<br />
geeignet ist oder ob das<br />
Transplantationsrisiko überwiegt.<br />
Hierfür sammelt Uta Dahmens Arbeitsgruppe<br />
im Rahmen eines Verbundprojektes<br />
Daten im Tierversuch und in der<br />
Klinik. Wie lässt sich die Fettschädigung<br />
genauer beschreiben und quantifizieren?<br />
Welche molekularen Prozesse<br />
greifen das Gewebe an, wenn es wieder<br />
an den Kreislauf des Empfängers angeschlossen<br />
und durchblutet wird? Wie<br />
beeinflussen die Fetteinschlüsse die<br />
Organfunktion kurz nach der Transplantation?<br />
All diese Daten fließen in<br />
Computermodelle ein, die wie bei der<br />
Wettervorhersage das Ausmaß der<br />
Leberschädigung und die frühe Transplantatfunktion<br />
vorhersagen sollen.<br />
„Dabei gilt es auch, die Genauigkeit<br />
abzuwägen, mit der das Spenderorgan<br />
untersucht wird, gegen die Zeit, die das in<br />
Anspruch nimmt. Schließlich verlängert<br />
das die Phase der Nichtdurchblutung“,<br />
so Prof. Dahmen. Diese Phase lässt sich<br />
prinzipiell etwas überbrücken durch<br />
die Methode der Maschinenperfusion,<br />
die seit etwa einem Jahr auch am UKJ<br />
etabliert ist. Je nach Verfahren wird das<br />
Organ mit speziellem körperwarmen<br />
Medium oder mit Blut durchströmt und<br />
mit Sauerstoff angereichert. So lassen<br />
sich sogar bestimmte Parameter der<br />
Organfunktion überwachen. Es gibt<br />
auch experimentelle Ansätze, Vorschädigungen<br />
des potentiellen Spenderorgans<br />
durch die Maschinenperfusion zu<br />
verringern, diese sind jedoch noch nicht<br />
geeignet für die klinische Anwendung.<br />
Das Projekt ist eingebettet in eine<br />
große von der DFG geförderte Kooperation.<br />
„Das übergeordnete Ziel des<br />
Schwerpunktprogramms ist es, die<br />
Vielfalt der Menschen in diese Modelle<br />
zu integrieren und so die Qualität der<br />
Vorhersagen zu verbessern. In unserem<br />
Projekt geht es darum, den hochspezialisierten<br />
Bereich der Lebertransplantation<br />
sicherer und noch individueller<br />
zu machen“, betont Uta Dahmen.<br />
Die klinische Forscherin leitet mit<br />
der Forschungsgruppe QuaLiPerf ein<br />
weiteres leberchirurgisches Konsortium.<br />
Auch hier entsteht auf der Basis von<br />
Daten aus dem Labor, aus Tierversuchen<br />
und aus der Klinik ein rechnerisches<br />
Modell, das die Organfunktion und<br />
den Regenerationsverlauf nach einer<br />
großen Leberoperation simulieren soll.<br />
Das könnte die Planung von Operationen<br />
erleichtern, bei denen ein Teil<br />
der Leber wegen Tumoren oder Metastasen<br />
entfernt werden muss. Oder die<br />
Entnahme eines Teils der Leber, der als<br />
Lebendspende transplantiert werden<br />
soll. In beiden Fällen ist es entscheidend,<br />
dass das verbleibende Organ – und<br />
Prof. Uta Dahmen leitet die AG<br />
Experimentelle Transplantationschirurgie.<br />
Foto: Szabó<br />
natürlich auch die transplantierte Teilleber<br />
– nach dem Eingriff ausreichend<br />
arbeitet. Dann kann die Leber aufgrund<br />
ihres großen Regenerationsvermögens<br />
neues Gewebe bilden und mit der Zeit<br />
wieder zur vollen Größe wachsen.<br />
Neben diesen systemmedizinischen<br />
Ansätzen für die Leberchirurgie<br />
beschäftigt sich die Arbeitsgruppe an<br />
der Klinik für Allgemein-, Viszeral und<br />
Gefäßchirurgie auch mit dem „Biological<br />
Tissue Engineering“, einem neuen<br />
Verfahren zur Herstellung von Ersatzgewebe.<br />
Für Medizinstudierende hat Uta<br />
Dahmen einen digitalen Intensivkurs zu<br />
chirurgischen Techniken etabliert, der<br />
durch eine automatisierte Videoanalyse<br />
ein Feedback ermöglicht. So können<br />
die Studierenden ihre Fehler leichter<br />
erkennen und Fehlervermeidungsstrategien<br />
entwickeln. Uta von der Gönna<br />
Weitere Informationen:<br />
» Schwerpunktprogramm<br />
www.spp<strong>23</strong>11.de<br />
» Forschungsgruppe<br />
www.qualiperf.de<br />
18 03 | <strong>23</strong><br />
03 | <strong>23</strong><br />
19
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Die Brücke zur Transplantation<br />
Die wichtigsten Organersatzverfahren vorgestellt<br />
Die moderne Medizintechnik macht es möglich, dass Geräte und Maschinen<br />
übernehmen, wenn lebenswichtige Organe aufgrund akuter oder chronischer<br />
Erkrankungen nicht mehr funktionieren. Der Einsatz der Systeme ist lebensrettend,<br />
aber immer mit zusätzlichen Risiken wie Gerinnselbildung an körperfremden<br />
Material oder der Gefahr von Infektionen an Kanülen verbunden. Je nach Organ ist<br />
die Hochleistungsmedizin nur wenige Tage im Einsatz, in denen sich das kranke<br />
Organ regeneriert. Manchmal müssen die Systeme aber auch die Zeit überbrücken,<br />
bis ein Spenderorgan zu Verfügung steht. Das können Jahre sein.<br />
vdG<br />
Die wichtigsten Organersatzverfahren stellen wir hier vor.<br />
Leberdialyse<br />
Das Prinzip des Leberersatzverfahrens<br />
ähnelt dem für die<br />
Niere, jedoch mit dem Unterschied,<br />
dass die aus dem Blut zu<br />
entfernenden Lebergiftstoffe<br />
wasserunlöslich sind und<br />
deshalb nicht einfach so durch<br />
eine Dialysemembran wandern.<br />
Die Leberdialyse nutzt das<br />
körpereigene Eiweiß Albumin,<br />
das bei gesunden Menschen die<br />
Giftstoffe im Blut bindet und<br />
zur Leber transportiert. Diese<br />
Aufgabe erfüllt das Eiweiß auch<br />
im Leberdialysegerät, wo es die<br />
Giftstoffe zur Membran bringt,<br />
an der sie abgeschieden werden.<br />
Herzunterstützungssystem oder Kunstherz<br />
Diese Kreislaufunterstützungssysteme<br />
werden bei akuter und chronischer<br />
Herzschwäche eingesetzt<br />
mit dem Ziel Leben zu retten, zu<br />
verlängern, die körperliche Leistungsfähigkeit<br />
und Lebensqualität zu<br />
verbessern. Es gibt Systeme für die<br />
kurzzeitige oder dauerhafte Unterstützung.<br />
Kurzzeit-Systeme werden<br />
vor allem im Notfall verwendet und<br />
können schnell im über Blutgefäße<br />
in der Leiste eingesetzt werden.<br />
Langzeit-Systeme werden über eine<br />
Herzoperation in den Brustkorb<br />
ECMO – die künstliche Lunge<br />
eingesetzt. Hier gibt es zwei Typen:<br />
Die Herzunterstützungssysteme, die<br />
mit dem eigenen Herzen verbunden<br />
werden und gemeinsam das Blut<br />
fördern und die Kunstherzen, welche<br />
anstelle des eigenen Herzens eingesetzt<br />
werden. Alle Systeme fördern<br />
das Blut über elektromechanische<br />
Pumpen. Um eine Blutgerinnselbildung<br />
am Gerätematerial zu<br />
vermeiden, müssen daher Patienten<br />
daher dauerhaft blutverdünnende<br />
Medikamente einnehmen.<br />
Die Systeme dienen als Brücke zur<br />
Herztransplantation, zur Erholung<br />
bei akuter Herzschwäche und zur<br />
langfristigen Therapie. Heutzutage<br />
sind Unterstützungszeiträume von<br />
über zehn Jahren möglich. Davon<br />
profitieren vor allem ältere Herzpatienten,<br />
für die eine Transplantation<br />
nicht in Frage kommt. Frühe Diagnose<br />
und regelmäßige Nachsorge sind<br />
entscheidend für den Therapieerfolg.<br />
Am UKJ werden jährlich etwa 80<br />
Systeme eingesetzt.<br />
Nierenersatzverfahren<br />
Im Durchschnitt neun Jahre müssen<br />
Patienten in Deutschland auf eine<br />
neue Niere warten; meist sind sie<br />
schon jahrelang auf eine Nierenersatztherapie,<br />
die Dialyse, angewiesen.<br />
Es gibt zwei grundsätzlich<br />
verschiedene Möglichkeiten, die<br />
Filterfunktion der Nieren zu ersetzen.<br />
Bei der Hämodialyse oder Blutwäsche<br />
findet die Blutreinigung<br />
maschinell außerhalb des Körpers<br />
statt. In der Regel dreimal wöchentlich<br />
kommen die Patienten in ein<br />
Dialysezentrum, wo ihr Kreislauf an<br />
ein Dialysegerät angeschlossen wird<br />
und ihr Blut dann mehrere Stunden<br />
lang durch spezielle Filter strömt.<br />
Dabei werden Schadstoffe und<br />
überschüssige Flüssigkeit entfernt.<br />
Foto: Szabó<br />
Weniger bekannt ist die Bauchfelloder<br />
Peritonealdialyse, die kontinuierlich<br />
und zu Hause bzw. über<br />
Nacht durchgeführt wird. Das ist die<br />
Dialyseform der Wahl besonders für<br />
Säuglinge und Kinder, weil sie den<br />
Tagesablauf weniger beeinträchtigt.<br />
Über einen kleinen Schlauch in der<br />
Bauchdecke füllen die Patienten bzw.<br />
Eltern selbst mehrmals am Tag sterile<br />
Dialyseflüssigkeit in den Bauchraum.<br />
Die dünne Haut des Bauchfells<br />
fungiert dann als Filtermembran, an<br />
der die harnpflichtigen Stoffe aus<br />
dem Blut in die Flüssigkeit übertreten<br />
und durch deren regelmäßigen<br />
Wechsel ausgespült werden. Diese<br />
Dialyseform bedarf der sehr sorgfältigen<br />
Mitwirkung der Betroffenen,<br />
die dafür speziell geschult werden.<br />
In weiterentwickelten Verfahren<br />
können auch weitere Transporteiweiße<br />
eingesetzt werden, die<br />
mit ihren freien Rezeptoren die<br />
Giftstoffe aus dem Blut durch<br />
die Membranporen hindurchlocken.<br />
Durch die Auswahl dieser<br />
Eiweiße ist die Art und die Menge<br />
des Gifttransports steuerbar. Es<br />
kann jedoch nur ein Teil der vielfältigen<br />
Stoffwechselfunktionen<br />
der Leber maschinell ersetzt<br />
werden und deshalb auch nur<br />
für einige Tage.<br />
Die Leberdialyse wird seit langem<br />
auch am UKJ eingesetzt, etwa<br />
bei plötzlichem Leberversagen,<br />
verursacht zum Beispiel durch<br />
Hepatitis oder Vergiftungen,<br />
bei Leberfunktionsstörung nach<br />
chirurgischen Eingriffen oder<br />
bei Vergiftungserscheinungen<br />
infolge chronischer Leberschädigung.<br />
Ziel ist es, die Leber zu<br />
entlasten, um eine Regeneration<br />
zu ermöglichen, oder die<br />
Zeit bis zur Transplantation zu<br />
überbrücken.<br />
Wenn bei Patienten mit akutem<br />
Lungenversagen eine künstliche<br />
Beatmung nicht ausreicht, weil die<br />
Lungen den zugeführten Sauerstoff<br />
nicht hinreichend ins Blut abgeben<br />
können, muss das Blut außerhalb des<br />
Körpers mit Sauerstoff angereichert<br />
werden. Seit der Corona-Pandemie<br />
ist der Fachbegriff dafür – extrakorporale<br />
Membranoxygenierung, kurz<br />
ECMO – allgemein bekannt.<br />
In diesem intensivmedizinischen<br />
Verfahren wird das Blut, bei Erwachsenen<br />
etwa drei bis fünf Liter pro<br />
Minute, durch eine Kanüle kontinuierlich<br />
aus dem Körper heraus und<br />
durch ein Gerät gepumpt. Dort findet<br />
an einer künstlichen Membran der<br />
Gasaustausch, also die Aufnahme<br />
von Sauerstoff und die Abgabe<br />
von Kohlendioxid, statt. Das sauerstoffreiche<br />
Blut wird durch eine<br />
zweite Kanüle wieder in den Körper<br />
zurückgeleitet.<br />
In der Regel wird die ECMO nur Tage<br />
oder wenige Wochen eingesetzt,<br />
zum Beispiel um die Lunge bei einer<br />
schweren Infektion zu entlasten.<br />
Foto: UKJ<br />
Im Anschluss ist eine schrittweise<br />
Entwöhnung und spezielle Rehabilitation<br />
notwendig. Zunehmend<br />
wird das Verfahren auch anstelle<br />
der Herz-Lungen-Maschine während<br />
einer Lungentransplantation und<br />
kurz danach zur Entlastung des neuen<br />
Organs angewandt.<br />
20 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
21
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Ein neues Herz für Leoni<br />
Happy End nach 19 Monaten im Krankenhaus<br />
Wenn die neue Niere endlich da ist<br />
Ablauf einer Nierentransplantation am UKJ<br />
Bu-bumm, bu-bumm, bu-bumm. Kräftig<br />
und rhythmisch schlägt das Herz von<br />
Leoni. Ein ungewohntes Gefühl. Aber<br />
ein schönes Gefühl. 19 Monate hat<br />
die heute <strong>23</strong>-Jährige darauf gewartet,<br />
dass ein Herz wieder regelmäßig Blut<br />
durch ihren Körper pumpt, ihr Kraft<br />
und Lebensenergie gibt. Eine angeborene<br />
Herzmuskelerkrankung, eine<br />
dilatative Kardiomyopathie, machte<br />
eine Herztransplantation für die junge<br />
Frau aus Gera unumgänglich. Nun hat<br />
sie ihr Herz. Endlich. Dass eine Patientin<br />
so lange auf ein Spenderherz warten<br />
muss, ist sehr ungewöhnlich – und<br />
verlangt von den Experten um Professor<br />
Torsten Doenst, Direktor der Klinik für<br />
Herz-Thorax-Chirurgie, einiges ab. Es ist<br />
ein Wettlauf gegen die Zeit.<br />
Als Leoni Mitte 2021 ins UKJ kommt,<br />
geht es ihr so schlecht, dass sie das<br />
erste halbe Jahr auf der Intensivstation<br />
verbringt. Ihr Herz ist schwer<br />
geschwächt und geschädigt. So sehr,<br />
dass sie nicht nur ein neues Herz benötigt.<br />
Sie benötigt es dringend. Auf der<br />
Transplantationsliste wird sie daher auf<br />
die höchste Dringlichkeitsstufe „high<br />
urgency“ gesetzt. Doch bis ein neues<br />
Herz für sie gefunden wird, braucht ihr<br />
eigenes Herz Unterstützung. In einer<br />
großen Operation rekonstruieren die<br />
Herzchirurgen um Professor Torsten<br />
Doenst zunächst drei von Leonis Herzklappen<br />
und setzen ihr schließlich<br />
ein Kunstherz ein: das Linksherzunterstützungssystem,<br />
kurz LVAD, fest,<br />
ein Rechtsherzunterstützungssystem<br />
vorübergehend. Das stabilisiert Leonis<br />
Zustand zunächst. Dann, zwei Monate<br />
später, eine massive Verschlechterung:<br />
Bei Leoni haben sich zahlreiche Blutgerinnsel<br />
gebildet, die ihre Lungengefäße<br />
verstopfen. Sie erleidet eine Lungenembolie.<br />
Lebensgefährlich. Wieder<br />
müssen die Herzchirurgen eingreifen.<br />
In einer komplizierten Operation<br />
räumen sie die Blutgerinnsel aus und<br />
schaffen es tatsächlich, Leonis Leben<br />
zu retten. „Wenn Leoni eine Katze<br />
wäre, dann hätte sie schon lange keine<br />
sieben Leben mehr“, beschreibt Torsten<br />
Doenst die Situation.<br />
Als sich Leoni von den Eingriffen erholt<br />
hat, kommt sie Anfang 2022 auf die<br />
Normalstation der Herz-Thorax-Chirurgie.<br />
Hier heißt es für sie nun warten<br />
auf ein Spenderherz – und überleben.<br />
Ihr Kunstherz ist batteriebetrieben,<br />
regelmäßig müssen die Batterien<br />
gewechselt werden. Zudem nimmt<br />
Leoni täglich eine Vielzahl an Medikamenten.<br />
Die Einordnung als „high<br />
urgency“ auf der Transplantationsliste<br />
bedeutet außerdem, dass sie das<br />
Klinikum nicht verlassen kann und darf.<br />
Ihr Krankenzimmer wird, bis ein Herz<br />
für sie gefunden wird, sozusagen ihre<br />
Wohnung. Ihren Lebensmut und ihre<br />
Lebensfreude lässt sich Leoni davon<br />
aber nicht nehmen. „Mit dem Kunstherz<br />
ging es Leoni besser, eine Dauerlösung<br />
war das aber nicht“, erinnert sich der<br />
erfahrene Herzchirurg Doenst zurück.<br />
Und: „Wir sind stolz, dass wir Leoni<br />
nach den schweren Eingriffen und<br />
Leoni mit<br />
ihrem neuen<br />
Herz. Im Bild<br />
zu sehen: Leonis<br />
behandelnde<br />
Ärzte, PD Dr.<br />
Gloria Färber<br />
und Prof. Torsten<br />
Doenst.<br />
Foto: UKJ<br />
der weiterhin schlechten Herzleistung<br />
sogar mobilisieren konnten. Dennoch<br />
war es ein Wettlauf gegen die Zeit: Je<br />
länger sie das Kunstherz benötigte,<br />
desto wahrscheinlicher das Auftreten<br />
von Komplikationen“, erklärt er.<br />
Mehrfach scheint ein passendes Organ<br />
für Leoni gefunden. Einmal sogar liegt<br />
sie schon in tiefer Narkose. Doch als<br />
sie aufwacht: kein neues Herz. Dass<br />
ein Spenderherz letztlich doch nicht<br />
infrage kommt, hat unterschiedliche<br />
Gründe. „Einmal war das Herz des<br />
Spenders doch so geschädigt, dass wir<br />
es nicht nehmen konnten“, berichtet<br />
Doenst. Erst das vierte Organangebot<br />
stellt sich als das für sie passende Herz<br />
raus. Im Februar 20<strong>23</strong> wird es ihr von<br />
Torsten Doenst transplantiert. Alles<br />
läuft gut. Leoni erholt sich von dem<br />
erneut langen Eingriff und gewöhnt sich<br />
jeden Tag mehr an ihr neues, rhythmisch<br />
und kräftig schlagendes Herz. Wie sie<br />
sich bei Professor Doenst und seinem<br />
Team jemals bedanken kann, fragt sie<br />
bei der Entlassung. Der Herzchirurg<br />
hat nur einen Wunsch: „Leben Sie ein<br />
schönes Leben!“ Katrin Bogner<br />
Mit ihr hat die lange Zeit des Wartens,<br />
der Einschränkungen und Ungewissheit<br />
endlich ein Ende: die Nierentransplantation.<br />
Ob plötzlich als postmortale<br />
Organspende oder als geplante Lebendnierenspende<br />
– den Empfängern wird<br />
mit der neuen Niere auch ein neues<br />
Leben geschenkt. Seit mehr als 30 Jahren<br />
wird auf diese Weise auch Menschen am<br />
Nierentransplantationszentrum (NTZ)<br />
am UKJ geholfen. Das einzige Nierentransplantationszentrum<br />
Thüringens<br />
wurde 1991 gegründet. 2022 wurden<br />
insgesamt 36 Nieren transplantiert,<br />
davon sieben als Lebendnierenspenden.<br />
Das NTZ am UKJ ist ein enges Zusammenspiel<br />
der Klinik für Urologie und der<br />
Klinik für Innere Medizin III. Gemeinsam<br />
werden Patienten vor der Aufnahme auf<br />
die Warteliste bzw. während der Zeit des<br />
Wartens betreut. Während die Urologen<br />
dann hauptsächlich den operativen Teil<br />
der Transplantation übernehmen, sind<br />
Dr. Susan<br />
Foller, Leitende<br />
Oberärztin an<br />
der Klinik für<br />
Urologie, mit<br />
einer Niere.<br />
Foto: UKJ<br />
die Nephrologen vor allem für die Vorund<br />
Nachsorge mit der medikamentösen<br />
Einstellung sowie gelegentlich<br />
für die Behandlung erster Infekte nach<br />
dem Eingriff verantwortlich.<br />
Ist der Tag der Transplantation<br />
gekommen, wird der Empfänger noch<br />
einmal gründlich untersucht und<br />
vorbereitet, z.B. wenn notwendig mit<br />
einer Dialyse. Ist dies geschafft, geht es<br />
in den OP. „Was viele nicht wissen, ist,<br />
dass die neue Niere gar nicht dorthin<br />
kommt, wo die Nieren eigentlich im<br />
Körper sitzen. Sie wird in der Regel ins<br />
kleine Becken links oder rechts neben<br />
die Harnblase eingesetzt“, erklärt Dr.<br />
Susan Foller, leitende Oberärztin an der<br />
Klinik für Urologie. Häufig nimmt die<br />
Niere schon während der Operation ihre<br />
Tätigkeit auf. „Manchmal dauert es aber<br />
auch noch einige Tage, bis das Organ<br />
anspringt, sodass unter Umständen<br />
auch nach der OP noch eine Dialyse<br />
nötig werden kann“, so Dr. Foller. Die<br />
ersten Tage nach der Operation werden<br />
die Patienten engmaschig und interdisziplinär<br />
auf der Station der Urologie<br />
überwacht. Anschließend werden sie in<br />
die Nephrologie verlegt. Dort werden<br />
die Patienten unter anderem weiter auf<br />
die immunsupressiven Medikamente<br />
eingestellt, die es nach einer Transplantation<br />
braucht, damit das neue<br />
Organ nicht vom Körper abgestoßen<br />
wird. „Wichtig ist, die richtige Dosis<br />
der Immunsupressiva zu finden. Nach<br />
der Transplantation soll eine Abstoßungsreaktion<br />
verhindert werden,<br />
allerdings darf die Funktionsfähigkeit<br />
des Immunsystems nicht übermäßig<br />
heruntergefahren werden, weil sonst<br />
die Wahrscheinlichkeit für Infektionen<br />
und im Langzeitverlauf für Tumore<br />
höher ist. Ziel ist deshalb, die Dosis der<br />
Medikamente so hoch wie nötig, aber<br />
so niedrig wie möglich zu halten“, sagt<br />
Dr. Mandy Schlosser, Nephrologin in der<br />
Klinik für Innere Medizin III.<br />
Um langfristig eine Abstoßung zu<br />
vermeiden und frühzeitig gesundheitliche<br />
Probleme zu erkennen, stehen<br />
auch nach der Entlassung aus dem<br />
Krankenhaus regelmäßige Kontrolluntersuchungen<br />
an. „Die Nachsorge<br />
ist sehr wichtig. Nach der oftmals<br />
sehr langen Wartezeit sollte das<br />
Organ, das man bekommen hat, gut<br />
behütet und der Patient optimal und<br />
interdisziplinär versorgt werden. Dafür<br />
trägt jeder Patient selbst eine große<br />
Verantwortung“, so Dr. Schlosser.<br />
Denn: „Es obliegt dem Patienten und<br />
seiner Zuverlässigkeit, regelmäßig die<br />
Arztbesuche wahrzunehmen und die<br />
Medikamente einzunehmen sowie sich<br />
korrekt nach der Transplantation zu<br />
verhalten.“ Die Untersuchungen finden<br />
in den ersten zwölf Monaten nach der<br />
Transplantation in der Regel einmal<br />
im Quartal statt. Begutachtet werden<br />
ausgiebig die Transplantatfunktion<br />
ebenso seine speziellen Nebenerkrankungen.<br />
Darüber hinaus gibt es die<br />
Jahres-Kontrolluntersuchung, bei der<br />
unter anderem ein körperlicher Checkup,<br />
spezielle Blutuntersuchungen<br />
und eine Sonographie durchgeführt<br />
werden. Hinzu kommen diverse<br />
Termine, um chronische Infekte und<br />
Tumore auszuschließen. Sollte das<br />
Transplantat nicht wie gewünscht<br />
funktionieren, ist eine Nierentransplantatbiopsie<br />
erforderlich. Die<br />
Nachsorge erhalten im Übrigen nicht<br />
nur Empfänger: Nach einer Lebendnierenspende<br />
werden auch die Spender<br />
am NTZ körperlich und psychosozial<br />
nachbetreut.<br />
Werden die Kontrolluntersuchungen<br />
regelmäßig wahrgenommen, die<br />
verordneten Medikamente gewissenhaft<br />
eingenommen, auf eine gesunde<br />
Ernährung sowie ausreichend Bewegung<br />
geachtet, stehen die Aussichten<br />
gut, zirka 15 Jahre mit einer Spenderniere<br />
zu leben. Theresa Wahl<br />
22 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
<strong>23</strong>
DEZEMBER 20<strong>23</strong> JANUAR FEBRUAR MÄRZ APRIL MAI JUNI JULI AUGUST SEPTEMBER OKTOBER NOVEMBER DEZEMBER JANUAR 2025<br />
1 Fr<br />
01 Mo Neujahr 01 01 Do 01 Fr 01 Mo Ostermontag 14 01 Mi Tag der Arbeit 01 Sa 01 Mo 27 01 Do 01 So 01 Di 01 Fr 01 So<br />
1 Mi<br />
2 Sa<br />
3 So<br />
02 Di 02 Fr 02 Sa 02 Di 02 Do 02 So 02 Di 02 Fr 02 Mo 36 02 Mi 02 Sa 02 Mo 49<br />
03 Mi 03 Sa 03 So 03 Mi 03 Fr 03 Mo <strong>23</strong> 03 Mi 03 Sa 03 Di 03 Do<br />
Tag d. Deutschen<br />
Einheit 03 So 03 Di<br />
2 Do<br />
3 Fr<br />
4 Mo 49<br />
04 Do 04 So 04 Mo 10 04 Do 04 Sa 04 Di 04 Do 04 So 04 Mi 04 Fr 04 Mo 45 04 Mi<br />
4 Sa<br />
5 Di<br />
05 Fr 05 Mo 06 05 Di 05 Fr 05 So 05 Mi 05 Fr 05 Mo 32 05 Do 05 Sa 05 Di 05 Do<br />
5 So<br />
6 Mi<br />
06 Sa 06 Di 06 Mi 06 Sa 06 Mo 19 06 Do 06 Sa 06 Di 06 Fr 06 So 06 Mi 06 Fr<br />
6 Mo 02<br />
7 Do<br />
07 So 07 Mi 07 Do 07 So 07 Di 07 Fr 07 So 07 Mi 07 Sa 07 Mo 41 07 Do 07 Sa<br />
7 Di<br />
8 Fr<br />
9 Sa<br />
08 Mo 02 08 Do 08 Fr 08 Mo 15 08 Mi 08 Sa 08 Mo 28 08 Do 08 So 08 Di 08 Fr 08 So<br />
09 Di 09 Fr 09 Sa 09 Di 09 Do<br />
Christi<br />
Himmelfahrt 09 So 09 Di 09 Fr 09 Mo 37 09 Mi 09 Sa 09 Mo 50<br />
8 Mi<br />
9 Do<br />
10 So<br />
10 Mi 10 Sa 10 So 10 Mi 10 Fr 10 Mo 24 10 Mi 10 Sa 10 Di 10 Do 10 So 10 Di<br />
10 Fr<br />
11 Mo 50<br />
11 Do 11 So 11 Mo 11 11 Do 11 Sa 11 Di 11 Do 11 So 11 Mi 11 Fr 11 Mo 46 11 Mi<br />
11 Sa<br />
12 Di<br />
12 Fr 12 Mo 07 12 Di 12 Fr 12 So 12 Mi 12 Fr 12 Mo 33 12 Do 12 Sa 12 Di 12 Do<br />
12 So<br />
13 Mi<br />
13 Sa 13 Di 13 Mi 13 Sa 13 Mo 20 13 Do 13 Sa 13 Di 13 Fr 13 So 13 Mi 13 Fr<br />
13 Mo 03<br />
14 Do<br />
14 So 14 Mi 14 Do 14 So 14 Di 14 Fr 14 So 14 Mi 14 Sa 14 Mo 42 14 Do 14 Sa<br />
14 Di<br />
15 Fr<br />
15 Mo 03 15 Do 15 Fr 15 Mo 16 15 Mi 15 Sa 15 Mo 29 15 Do 15 So 15 Di 15 Fr 15 So<br />
15 Mi<br />
16 Sa<br />
16 Di 16 Fr 16 Sa 16 Di 16 Do 16 So 16 Di 16 Fr 16 Mo 38 16 Mi 16 Sa 16 Mo 51<br />
16 Do<br />
17 So<br />
17 Mi 17 Sa 17 So 17 Mi 17 Fr 17 Mo 25 17 Mi 17 Sa 17 Di 17 Do 17 So 17 Di<br />
17 Fr<br />
18 Mo 51<br />
18 Do 18 So 18 Mo 12 18 Do 18 Sa 18 Di 18 Do 18 So 18 Mi 18 Fr 18 Mo 47 18 Mi<br />
18 Sa<br />
19 Di<br />
19 Fr 19 Mo 08 19 Di 19 Fr 19 So P fi n g s t s o n n t a g 19 Mi 19 Fr 19 Mo 34 19 Do 19 Sa 19 Di 19 Do<br />
19 So<br />
20 Mi<br />
20 Sa 20 Di 20 Mi 20 Sa 20 Mo Pfingstmontag 21 20 Do 20 Sa 20 Di 20 Fr 20 So 20 Mi 20 Fr<br />
20 Mo 04<br />
21 Do<br />
21 So 21 Mi 21 Do 21 So 21 Di 21 Fr 21 So 21 Mi 21 Sa 21 Mo 43 21 Do 21 Sa<br />
21 Di<br />
22 Fr<br />
22 Mo 04 22 Do 22 Fr 22 Mo 17 22 Mi 22 Sa 22 Mo 30 22 Do 22 So Weltkindertag 22 Di 22 Fr 22 So<br />
22 Mi<br />
<strong>23</strong> Sa<br />
<strong>23</strong> Di <strong>23</strong> Fr <strong>23</strong> Sa <strong>23</strong> Di <strong>23</strong> Do <strong>23</strong> So <strong>23</strong> Di <strong>23</strong> Fr <strong>23</strong> Mo 39 <strong>23</strong> Mi <strong>23</strong> Sa <strong>23</strong> Mo 52<br />
<strong>23</strong> Do<br />
24 So Heiligabend<br />
24 Mi 24 Sa 24 So 24 Mi Abendvorlesung 24 Fr 24 Mo 26 24 Mi 24 Sa 24 Di 24 Do 24 So 24 Di<br />
24 Fr Heiligabend<br />
25 Mo 1. Weihnachtstag<br />
25 Do 25 So 25 Mo 13 25 Do 25 Sa 25 Di 25 Do 25 So 25 Mi Abendvorlesung 25 Fr 25 Mo 48 25 Mi<br />
25 Sa 1. Weihnachtstag<br />
26 Di 2. Weihnachtstag<br />
26 Fr 26 Mo 09 26 Di 26 Fr 26 So 26 Mi Abendvorlesung 26 Fr 26 Mo 35 26 Do 26 Sa 26 Di 26 Do<br />
26 So 2. Weihnachtstag<br />
27 Mi 52<br />
27 Sa 27 Di 27 Mi Abendvorlesung 27 Sa 27 Mo 22 27 Do 27 Sa 27 Di 27 Fr 27 So 27 Mi Abendvorlesung 27 Fr<br />
27 Mo 05<br />
28 Do<br />
28 So 28 Mi Abendvorlesung 28 Do 28 So 28 Di 28 Fr 28 So 28 Mi 28 Sa 28 Mo 44 28 Do 28 Sa<br />
28 Di<br />
29 Fr<br />
29 Mo 05 29 Do 29 Fr Karfreitag 29 Mo 18 29 Mi Abendvorlesung 29 Sa 29 Mo 31 29 Do 29 So 29 Di 29 Fr 29 So<br />
29 Mi<br />
30 Sa<br />
30 Di 30 Sa 30 Di 30 Do 30 So 30 Di 30 Fr 30 Mo 40 30 Mi Abendvorlesung 30 Sa 30 Mo 01<br />
30 Do<br />
31 So Silvester<br />
31 Mi Abendvorlesung 31 So Ostersonntag 31 Fr 31 Mi 31 Sa 31 Do Reformationstag 31 Di<br />
31 Fr Silvester<br />
2024
TITELTHEMA<br />
TITELTHEMA<br />
Transfusionen voller Leben<br />
Mit Stammzelltransplantation gegen die Leukämie<br />
Ein Ausweis, der Gewissheit schafft<br />
Der Organspendeausweis erklärt<br />
Auf den ersten Blick sieht man nicht, was<br />
Lennert Otto in den vergangenen fünf<br />
Jahren erlebt hat. Wenn er mit medizinischen<br />
Begriffen wie Blinatumomab,<br />
DLI oder Chimärismus jongliert, als<br />
wären es Wörter aus seiner Ausbildung<br />
zum Fertigungsmechaniker, und er alle<br />
Schwestern der kinderonkologischen<br />
Station E130 am UKJ per Vornamen<br />
grüßt, lieg die Vermutung nahe, dass<br />
es keine leichte Zeit für ihn war.<br />
Lennert Otto bei der<br />
Behandlung durch<br />
Prof. Bernd Gruhn.<br />
Foto: Hellmann<br />
Aktuell besteht in Deutschland noch nicht die Möglichkeit,<br />
die eigene Entscheidung zur Organ- und Gewebespende in<br />
einem Register zu erfassen. Deshalb ist es wichtig, diese<br />
Entscheidung – egal ob Zustimmung oder Ablehnung – in<br />
einem Organspendeausweis zu dokumentieren und diesen<br />
für den Ernstfall immer bei sich zu tragen. Die auf dem<br />
Ausweis vermerkte Entscheidung ist rechtlich bindend<br />
für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Nur<br />
wenn kein Organspendeausweis vorliegt, werden<br />
die Angehörigen des Verstorbenen um eine<br />
Entscheidung zur Spende gebeten.<br />
2018 stellten die Experten um Prof.<br />
Bernd Gruhn, Oberarzt an der Klinik für<br />
Kinder- und Jugendmedizin, den Grund<br />
für den starken Gewichtsverlust und die<br />
Schmerzen des damals 14-Jährigen fest:<br />
Er litt an akuter lymphoblastischer Leukämie,<br />
einer bösartigen Erkrankung des<br />
blutbildenden Systems. „Lennert sprach<br />
zunächst sehr schlecht auf die Chemotherapie<br />
an“, so Gruhn. Trotz einiger<br />
Unverträglichkeiten und Komplikationen<br />
waren zu Beginn des Jahres 2020<br />
alle Leukämiezellen restlos vernichtet.<br />
Lennert konnte langsam in sein altes<br />
Leben zurückkehren – zumindest kurz.<br />
Denn schon Mitte 2021 ging es ihm<br />
zunehmend schlechter. Starke Beinschmerzen,<br />
Übelkeit und blaue Flecken<br />
prägten seinen Alltag. „Da wusste<br />
ich gleich, dass der Krebs wieder<br />
zurück ist“, erinnert sich Lennert. Die<br />
Untersuchungen auf der Station E130<br />
bestätigten den Rückfall: Er hatte ein<br />
spätes isoliertes Knochenmarkrezidiv.<br />
Die Leukämiezellen befanden sich<br />
ausschließlich im Knochenmark. Sofort<br />
begann die Chemotherapie – auf die<br />
Lennert wieder nicht gut ansprach. „In<br />
dieser Situation konnte ihm nur eine<br />
Stammzellspende helfen“, weiß Prof.<br />
Gruhn. „Alternativ zu einer weiteren<br />
Chemotherapie haben wir uns für<br />
eine Therapie mit dem Antikörper<br />
Blinatumomab entschieden, um<br />
die Leukämiezellen vorab gezielt zu<br />
bekämpfen.“ Direkt im Anschluss an die<br />
26 03 | <strong>23</strong><br />
Antikörpertherapie sollte die Knochenmarktransplantation<br />
stattfinden.<br />
Doch Lennert erkrankt an Covid-19.<br />
„Deshalb mussten wir die Transplantation<br />
verschieben“, sagt Prof. Gruhn.<br />
Da die Knochenmarkentnahme bei<br />
seinem passenden Fremdspender aber<br />
wie geplant stattfinden musste, wurden<br />
die Knochenmarkzellen bis zur Transplantation<br />
eingefroren. Denn das ist<br />
bei Knochenmarkzellen im Gegensatz<br />
zu Organspenden durchaus möglich<br />
„Wir versuchen es aber zu vermeiden.<br />
Denn durch das Einfrieren gehen etwa<br />
ein Drittel der Zellen verloren“, so Prof.<br />
Gruhn. Im März 2022 erhielt Lennert<br />
die Knochenmarktransplantation,<br />
damit sein Blut künftig ausschließlich<br />
aus dem gespendeten Knochenmark<br />
gebildet wird. So aber nicht bei ihm.<br />
„Bei Lennert lag ein gemischter Chimärismus<br />
vor, d.h. auch seine eigenen<br />
Zellen haben weiterhin Blut gebildet“,<br />
so Prof. Gruhn. „Das erhöht das Risiko<br />
für einen Rückfall.“ Da der Spenderanteil<br />
im Blut immer weiter sank, erhielt<br />
der mittlerweile 18-Jährige einmal<br />
monatlich Spenderlymphozyten, sogenannte<br />
DLIs. Da die Experten zusätzlich<br />
erneut Leukämiezellen im Knochenmark<br />
feststellten, ein sogenanntes molekulares<br />
Rezidiv, setzten sie auch die<br />
Antikörpertherapie fort. Sie schlug<br />
aber nicht wie gewünscht an. „Deshalb<br />
haben wir den neuartigen Antikörper<br />
Inotuzumab eingesetzt“, so Prof. Gruhn.<br />
Erst diese Therapiekombination führte<br />
dazu, dass weder eigene Zellen noch<br />
Leukämiezellen nachweisbar sind.<br />
„Um dieses Ergebnis zu stabilisieren,<br />
soll Lennert zwei weitere Zyklen des<br />
Antikörpers Inotuzumab erhalten und<br />
sieben weitere Gaben der Spenderlymphozyten“,<br />
sagt Prof. Gruhn. Insgesamt<br />
kann er dann auf 21 Spenderlymphozyten-Gaben<br />
zurückblicken – auf so<br />
viele wie nur wenige Patienten weltweit.<br />
„Wir sind sehr zuversichtlich, ihn mit<br />
dieser Strategie dauerhaft zu heilen“,<br />
versichert Prof. Gruhn. Auch Lennert<br />
Otto ist hoffnungsvoll: „Es ist alles ok<br />
und so soll es auch bleiben“. Mit diesen<br />
Worten holt er einen Brief für seinen<br />
Spender aus der Tasche, einen jungen<br />
Mann, der nur etwa drei Jahre älter ist<br />
als er. Sie stehen in Kontakt – laut Gesetz<br />
noch anonym. Erst zwei Jahre nach der<br />
Transplantation dürfen sie sich persönlich<br />
kennen lernen. Und das werden<br />
sie – im März 2024. Anne Curth<br />
2<br />
Der Ausweis bietet verschiedene Optionen,<br />
mit denen die eigene Entscheidung<br />
zur Organ- und Gewebespende<br />
dokumentiert werden kann:<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Hiermit stimmt man der Entnahme von<br />
Organen/ Gewebe uneingeschränkt zu.<br />
Mit dieser Option kann man die Entnahme bestimmter<br />
Organe/ Gewebe ausschließen. Die betroffenen<br />
Organe/ Gewebe müssen direkt benannt werden.<br />
Hiermit beschränkt man die Entnahme auf bestimmte<br />
Organe/ Gewebe. Auch hier müssen die Organe/<br />
Gewebe direkt benannt werden.<br />
3 4 Diese Option lehnt die Entnahme von Organen/ Gewebe ab.<br />
4<br />
5<br />
6<br />
5<br />
6<br />
7<br />
Mit einem Kreuz in diesem Bereich überträgt man<br />
die Entscheidung über die Entnahme von Organen/<br />
Gewebe auf eine andere Person, dessen Name und<br />
Kontaktdaten angegeben werden müssen.<br />
Der Organspendeausweis wird unter Angabe des<br />
aktuellen Datums unterschrieben.<br />
Neben dem eigenen Namen und Geburtsdatum muss<br />
auch die aktuelle Adresse angegeben werden.<br />
22202_Organspende_Ausweis.qxp 11.03.2008<br />
Organspendeausweis<br />
Organspende<br />
nach § 2 des Transplantationsgesetzes<br />
Name, Vorname<br />
Straße<br />
PLZ, Wohnort<br />
Geburtsdatum<br />
rganspende<br />
schenkt Leben.<br />
Antwort auf Ihre persönlichen Fragen erhalten Sie beim Infotelefon Organspende unter<br />
der gebührenfreien Rufnummer 0800 / 90 40 400.<br />
Die Bundeszentrale<br />
für gesundheitliche Aufklärung<br />
(BZgA) bietet verschiedene<br />
Möglichkeiten, einen Organspendeausweis<br />
zu erhalten: Interessierte können den Ausweis zum einen<br />
direkt auf der Internetseite der BZgA<br />
ausfüllen, herunterladen und ausdrucken.<br />
Zum anderen können Sie den Ausweis<br />
als Plastikkarte zum Selbstausfüllen<br />
bestellen. Weitere Informationen unter<br />
www.organspende-info.de<br />
Selbstverständlich können Sie auch den folgenden Vordruck<br />
nutzen, um Ihre individuelle Entscheidung zur Organ- und<br />
Gewebespende zu dokumentieren. Füllen Sie in diesem<br />
Fall einfach das untenstehende Dokument vollständig aus,<br />
schneiden es aus und tragen es immer bei sich. ac<br />
12:04 Uhr 22202_Organspende_Ausweis.qxp Se<br />
11.03.2008<br />
Erklärung zur Organ- und Gewebespende<br />
Für den Fall, dass nach meinem Tod eine Spende von Organen/Geweben zur<br />
Transplantation in Frage kommt, erkläre ich:<br />
oder<br />
oder<br />
oder<br />
oder<br />
JA, ich gestatte, dass nach der ärztlichen Feststellung meines Todes meinem<br />
Körper Organe und Gewebe entnommen werden.<br />
JA, ich gestatte dies, mit Ausnahme folgender Organe/Gewebe:<br />
JA, ich gestatte dies, jedoch nur für folgende Organe/Gewebe:<br />
NEIN, ich widerspreche einer Entnahme von Organen oder Geweben.<br />
Über JA oder NEIN soll dann folgende Person entscheiden:<br />
Name, Vorname<br />
Straße<br />
Platz für Anmerkungen/Besondere Hinweise<br />
DATUM<br />
PLZ, Wohnort<br />
Telefon<br />
UNTERSCHRIFT<br />
12:04 Uhr Se<br />
27
AKTUELLES<br />
AKTUELLES<br />
„Jede Rückmeldung ist ein Geschenk“<br />
Neue Koordinatorin für Lob- und Beschwerdemanagement am UKJ<br />
Schneller Retter in der Not<br />
Seit 25 Jahren ist Rettungshubschrauber "Christoph 70" im Einsatz<br />
Jana Schleitzer an einem der Briefkästen,<br />
in den die Patientenbefragungen<br />
eingeworfen werden können. Neben den<br />
Papierfragebögen wird nun zusätzlich eine<br />
digitale Patientenbefragung eingeführt.<br />
Foto: Hellmann<br />
Nettes Personal, die fachliche Kompetenz<br />
der Ärztinnen und Ärzte, aber<br />
auch lange Wartezeiten in der Ambulanz<br />
oder die nicht mehr vollständige<br />
Spielesammlung – das und vieles mehr<br />
ist auf den Vordrucken der Patientenbefragung<br />
festgehalten, die ordentlich<br />
sortiert in Jana Schleitzers Büro liegen.<br />
Sie sind eine wichtige Quelle für die<br />
45-Jährige, denn sie ist die neue Lobund<br />
Beschwerdemanagerin am UKJ<br />
und hat damit für die Anliegen der<br />
Patientinnen und Patienten ein offenes<br />
Ohr. Sie sorgt dafür, dass sie sich zu<br />
Problemen äußern können, sich ernst<br />
genommen und gehört fühlen. Bisher<br />
kann Jana Schleitzer ein positives Fazit<br />
ziehen: „In fast jeder Befragung wird die<br />
pflegerische und ärztliche Betreuung<br />
lobend erwähnt“, berichtet sie.<br />
Das eingehende Lob und die Kritik<br />
geben Jana Schleitzer jedoch nicht<br />
nur Auskunft über die Zufriedenheit,<br />
sondern dienen auch dazu,<br />
funktionierende Prozesse auf einem<br />
gleichbleibend hohen Niveau zu halten<br />
oder sind Anregungen, Abläufe und<br />
Strukturen neu zu betrachten und<br />
gegebenenfalls zu verbessern. „Jede<br />
Rückmeldung ist ein Geschenk. Das<br />
Besondere bei Patienten ist, dass sie<br />
Dinge noch einmal anders einschätzen,<br />
weil sie den Blick von außen haben.<br />
Daher sind diese Informationen für das<br />
UKJ von unschätzbarem Wert“, weiß sie.<br />
Besonders wichtig für einen reibungslosen<br />
Arbeitsablauf beziehungsweise<br />
für dessen Optimierung sind die Mitarbeitenden,<br />
weshalb auch sie angehalten<br />
sind, ihre Erfahrungen und Anregungen<br />
an die Lob- und Beschwerdemanagerin<br />
heranzutragen.<br />
Gibt es im täglichen Ablauf Schwierigkeiten,<br />
können diese häufig gleich vor<br />
Ort geklärt werden. Gelingt das nicht,<br />
haben die Patientinnen und Patienten<br />
die Möglichkeit, eine Beschwerde<br />
einzureichen, die ebenfalls auf Jana<br />
Schleitzers Schreibtisch landet. Ihr<br />
kommt dann die Aufgabe zu, durch den<br />
Austausch mit den entsprechenden<br />
Stellen im UKJ sowie mit den Patientinnen<br />
und Patienten eine Lösung<br />
zu finden. Nicht immer eine leichte<br />
Aufgabe – gerade in einem Krankenhaus,<br />
weiß Jana Schleitzer. „Die Patienten<br />
und ihre Angehörigen befinden<br />
sich in einer Ausnahmesituation, wenn<br />
sie Hilfe am Uniklinikum suchen. Gibt<br />
es Beschwerden, hängen die häufig mit<br />
dieser persönlichen Krise zusammen.<br />
Eine Situation, die man erkennen und<br />
beim Finden einer Lösung einbeziehen<br />
muss“, erklärt sie. Das erfordert viel<br />
Fingerspitzengefühl. Zu Gute kommt der<br />
Lob- und Beschwerdemanagerin dabei<br />
ihr umfangreiches Wissen und ihre<br />
langjährige Erfahrung im Krankenhaus.<br />
Jana Schleitzer ist seit 26 Jahren im<br />
Gesundheitswesen tätig. Sie ist ausgebildete<br />
Krankenschwester, arbeitete<br />
zudem als Care und Case Managerin,<br />
absolvierte ein Betriebswirtschaftliches<br />
Studium und arbeitete viele Jahre<br />
als Medizincontrollerin, der Abschluss<br />
im Pflegemanagement steht kurz bevor.<br />
Durch ihre Qualifikationen und langjährige<br />
Tätigkeit im Krankenhaus kennt sie<br />
die medizinischen Handlungsprozesse<br />
in Gänze und – ein entscheidender<br />
Vorteil – auch aus verschiedenen Blickwinkeln,<br />
weshalb sie weiß, an welchen<br />
Stellschrauben gedreht werden kann<br />
beziehungsweise muss.<br />
Die Nähe zur Praxis ist Jana Schleitzer<br />
auch als Lob- und Beschwerdemanagerin<br />
weiterhin sehr wichtig. Deshalb<br />
ist sie regelmäßig im UKJ unterwegs.<br />
Denn sie weiß: „Wenn man nah dran<br />
ist an den Patienten und Mitarbeitern,<br />
bekommt man den besten Einblick.“<br />
Theresa Wahl<br />
Einführung der Digitalen Patientenbefragung<br />
ab Oktober geplant<br />
Mehr Beteiligung und höhere Akzeptanz sind die Ziele der Digitalen Patientenbefragung.<br />
Geplant ist die Einführung des Moduls „Patientenbefragung<br />
& Beschwerde“ der Firma Bewatec im Oktober 20<strong>23</strong>. Unsere Patienten<br />
haben so die Möglichkeit, direkt vom Bedside-Terminal aus oder über einen<br />
QR-Code ein Feedback oder eine Beschwerde zu äußern.<br />
Ein hybrides Vorgehen ist vorgesehen, d.h. die Papierfragebögen werden<br />
in einer angepassten Version auch weiterhin zur Verfügung stehen.<br />
Um 7 Uhr morgens beginnt der Dienst<br />
für die Luftrettung in Jena-Schöngleina.<br />
Zweieinhalb Stunden später geht der<br />
erste Notruf an diesem Tag ein – es soll<br />
nicht der letzte bleiben. Noch unterwegs<br />
wird das Team um Dr. Jens Reichel,<br />
Notarzt am UKJ, ADAC-Pilot Mario Klose<br />
und Alex Meixner, Notfallsanitäter beim<br />
Deutschen Roten Kreuz (DRK) Jena,<br />
zum nächsten Einsatz gerufen. Als<br />
Hubschrauber „Christoph 70“ gegen<br />
Mittag wieder an seiner Basis landet,<br />
bleibt kaum Zeit zum Verschnaufen.<br />
Dr. Jens Reichel hat gerade die Schuhe<br />
ausgezogen und auf einem Stuhl Platz<br />
genommen, seine Kollegen sind noch<br />
am Helikopter beschäftigt, als die<br />
Rettungsleitstelle ein weiteres Mal<br />
Alarm schlägt. Keine zwei Minuten<br />
später hebt die Crew erneut ab, um<br />
einem Menschen in der Not zu helfen.<br />
Seit 29 Jahren ist der Rettungshubschrauber<br />
in Jena-Schöngleina stationiert.<br />
Zunächst eine Bundeswehr-<br />
Maschine Bell-UH1, die im Juni 1994<br />
unter dem Rufnamen „SAR 77“ erstmals<br />
im Einsatz war und zuvor unter anderem<br />
ihren Dienst in Vietnam geleistet hatte.<br />
Mit dem Rückzug der Bundeswehr aus<br />
der zivilen Luftrettung übernahm 1998<br />
der ADAC die Station – seither steigt<br />
„Christoph 70“ von Jena-Schöngleina<br />
aus in den Himmel. Seit nunmehr<br />
25 Jahren leisten die ADAC-Piloten<br />
gemeinsam mit Notärzten des UKJ und<br />
Notfallsanitätern DRK Jena schnelle<br />
Hilfe, starteten insgesamt zu mehr als<br />
30 000 Einsätzen. Allein im vergangenen<br />
Jahr wurden sie 1 190 Mal angefordert.<br />
„Wir werden im Schnitt zwischen drei<br />
und vier Mal am Tag gerufen. 13 Einsätze<br />
waren mal die meisten am Tag, die wir<br />
hatten. Da waren wir wirklich ohne<br />
Unterbrechung von Dienstbeginn bis<br />
zum Sonnenuntergang unterwegs“,<br />
erzählt Dr. Jens Reichel.<br />
Die Einsätze der Luftrettung sind breit<br />
gefächert, reichen von Geburten bis<br />
hin zu psychiatrischen Notfällen. Im<br />
Vergleich zu den Anfangsjahren sei<br />
die Anforderung nach dem fliegenden<br />
Notarzt deutlich mehr geworden.<br />
„Viele denken, dass wir vor allem bei<br />
den schweren Unfällen zum Einsatz<br />
kommen. Das ist aber nicht so. Wir<br />
ergänzen mittlerweile den bodengebundenen<br />
Rettungsdienst“, erklärt Dr.<br />
Jens Reichel, der von Beginn an Teil der<br />
Luftrettung in Jena-Schöngleina und<br />
dienstältester Notarzt am UKJ ist. „Am<br />
häufigsten werden wir jedoch zu Verletzungen<br />
nach Verkehrs-, Arbeits- und<br />
Freizeitunfällen, zu Notfällen des Herz-<br />
Kreislaufsystems wie Herzinfarkten<br />
und Herzrhythmusstörungen sowie zu<br />
neurologischen Notfällen wie Schlaganfällen<br />
gerufen.“ Die Gründe, weshalb<br />
der Helikopter statt des Notarztwagens<br />
kommt, sind einfach. Ist das Aufkommen<br />
an Notfällen hoch, können die Kollegen<br />
am Boden schlicht nicht alle Einsätze<br />
abdecken und brauchen daher Unterstützung<br />
aus der Luft. Das ist auch der<br />
Fall, wenn der Rettungswagen nicht<br />
schnellstmöglich vor Ort sein kann.<br />
„Wir haben mit dem Hubschrauber eine<br />
vierfach höhere Reisegeschwindigkeit,<br />
sind mit etwa 220 km/h unterwegs. Das<br />
hat den Vorteil, dass wir einfach eher<br />
beim Patienten sein können“, sagt Dr.<br />
Jens Reichel. Angefordert wird der fliegende<br />
Notarzt aber auch dann, wenn an<br />
Orten Hilfe benötigt wird, die mit dem<br />
Rettungswagen nicht zu erreichen sind.<br />
So sind auch die Einsatzorte, zu denen<br />
Dr. Jens Reichel mit dem Helikopter als<br />
Notarzt gebracht wurde, vielfältig – vom<br />
Johannisplatz mitten in der Jenaer<br />
Innenstadt bis hin zu unwegsamen<br />
Gelände an der Bleilochtalsperre. Hilfe<br />
leisten die Luftretter jedoch nicht nur<br />
in Thüringen, sondern auch in den<br />
angrenzenden Bundesländern Bayern,<br />
Sachsen und Sachsen-Anhalt.<br />
Langweilig wird es also bei der Luftrettung<br />
nie. Diese Abwechslung ist es, die<br />
Dr. Jens Reichel besonders an seinem<br />
Job als fliegender Notarzt gefällt. Und<br />
der 63-Jährige – der sich selbst als Vollblut-Notfallmediziner<br />
bezeichnet – weiß<br />
noch einen Vorzug mit der Luftrettung<br />
im Dienst zu sein: „Thüringen ist von<br />
oben einfach schön anzusehen.“<br />
Theresa Wahl<br />
Kurz noch die Lage checken, bevor<br />
„Christoph 70“ zum nächsten Einsatz<br />
abhebt: UKJ-Notarzt Dr. Jens Reichel (links)<br />
und ADAC-Pilot Mario Klose. Foto: UKJ<br />
28 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
29
AKTUELLES<br />
HEILEN<br />
Neue interdisziplinäre JECTU am UKJ<br />
Station für frühe klinische Studien in der Onkologie seit August in Betrieb<br />
Mit Hitze gegen den Knochentumor<br />
SarkomCentrum hilft jungem Sportstudenten zurück in normales Leben<br />
In den vergangenen Jahren hat die<br />
Forschung und Behandlung von Krebserkrankungen<br />
erhebliche Fortschritte<br />
gemacht. Wichtiger Teil für diesen<br />
Erfolg sind die klinischen Forschungsstrukturen,<br />
die Tumorpatientinnen<br />
und –patienten an der medizinischen<br />
Entwicklung teilhaben lassen. Allerdings<br />
steht Betroffenen mit einer<br />
fortgeschrittenen Krebserkrankung<br />
teilweise nur ein begrenztes Angebot<br />
an zugelassenen Therapien zur Verfügung.<br />
Interessant kann für sie daher die<br />
Teilnahme an einer klinischen Studie in<br />
einer frühen Entwicklungsphase sein,<br />
die ihnen den Zugang zu neuen Medikamenten,<br />
innovativen Therapieansätzen<br />
und Medizinprodukten gewährt. Am UKJ<br />
bietet diese Möglichkeit die sogenannte<br />
Jena Early Clinical Trial Unit (JECTU) des<br />
UniversitätsTumorCentrums (UTC).<br />
Die JECTU hat im August in neuen<br />
Räumlichkeiten ihren Betrieb aufgenommen.<br />
Dazu wurde in den vergangenen<br />
Monaten die Station B410<br />
umfangreich umgebaut und renoviert.<br />
Bot die JECTU bisher nur zwei Behandlungsplätze,<br />
stehen jetzt neben<br />
moderner technischer Ausstattung<br />
zwei Behandlungsräume mit insgesamt<br />
vier Betten und sechs Infusionsstühlen<br />
zur Verfügung. So können nun auch<br />
eine Vielzahl der angefragten Studien<br />
durchgeführt werden, die bislang<br />
aufgrund fehlender räumlicher und<br />
personeller Kapazitäten nicht möglich<br />
waren. „Mit dem Ausbau der Therapiekapazitäten<br />
und des speziell ausgebildeten<br />
Studienpersonals kann auch<br />
die Zahl der klinischen Studien und<br />
der Patienten-Neueinschlüsse am UKJ<br />
deutlich gesteigert werden“, sagt Prof.<br />
Dr. Thomas Ernst, ärztlicher Leiter des<br />
UTC und der JECTU.<br />
In der Einrichtung des Mitteldeutschen<br />
Krebszentrums werden die wichtigen<br />
ersten Schritte in der Erprobung<br />
Prof. Thomas Ernst, ärztlicher Leiter des UTC und der JECTU, bespricht sich mit Christina<br />
Schenkl (l.), Projektleitung Forschung des Mitteldeutschen Krebszentrums, und Silke<br />
Lindig, leitende Schwester der JECTU, auf der neu eingerichteten Station. Foto: Hellmann<br />
und Zulassung neuer Wirkstoffe und<br />
Produkte direkt an betroffenen Patientinnen<br />
und Patienten durchgeführt, in<br />
denen die Verträglichkeit (Phase I) und<br />
Wirksamkeit (Phase II) unter intensiver<br />
Überwachung und Betreuung getestet<br />
werden. „Der Ausbau der JECTU und<br />
die Erweiterung klinischer Forschung<br />
sichert die unmittelbare Übertragung<br />
der Ergebnisse aus Grundlagenforschung<br />
und Medikamentenentwicklung<br />
in die klinische Praxis und ermöglicht<br />
die frühe Anwendung neuer Therapieverfahren“,<br />
so Prof. Dr. Ernst. Und: „Die<br />
JECTU stellt zudem für Sponsoren klinischer<br />
Studien aus Universitäten und<br />
forschender Pharmaindustrie einen<br />
kompetenten Partner mit langjähriger<br />
Erfahrung in der Durchführung von<br />
klinischen Prüfungen dar.“<br />
Nach dem Bezug der neuen JECTU-<br />
Station Anfang August werden dort<br />
zunächst die frühen klinischen Studien<br />
der Klinik für Innere Medizin II und<br />
der Klinik für Urologie durchgeführt.<br />
Nachfolgend werden weitere Kliniken<br />
des UKJ eingebunden. „Die JECTU steht<br />
allen beteiligten Kliniken offen, um<br />
ein breites Spektrum an innovativen<br />
Therapien durchführen zu können und<br />
die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />
zu fördern“, betont Prof. Dr. Ernst.<br />
Anfang November wird mit einem<br />
Kick-off -Symposium die neue JECTU-<br />
Station offiziell vorgestellt, bei dem<br />
sich nicht nur ein Eindruck von den<br />
neuen Räumlichkeiten und der Ausstattung<br />
verschafft werden kann, sondern<br />
auch fachliche Informationen gegeben<br />
werden. Zudem besteht bei der Veranstaltung<br />
die Möglichkeit, mit den beteiligten<br />
Ärzten und Wissenschaftlern<br />
unterschiedlicher Fachrichtungen in<br />
den Austausch zu kommen.<br />
Theresa Wahl<br />
Sieben Monate lang leidet Sportstudent<br />
Dominik Streitz an immer stärker<br />
werdenden Knochenschmerzen am<br />
rechten Oberschenkel. Erst im Sarkom-<br />
Centrum des UKJ kommen die Experten<br />
aus der Klinik für Unfall-, Hand- und<br />
Wiederherstellungschirurgie der<br />
Ursache auf die Spur: Ein sehr seltener,<br />
aber gutartiger Tumor, ein sogenanntes<br />
Osteoidosteom, ist der Übeltäter. Für<br />
die besondere Behandlung haben sie<br />
sich mit den Fachkollegen aus der<br />
Interventionellen Radiologie zusammengetan<br />
und die gutartige Raumforderung<br />
mithilfe einer speziellen Sonde<br />
durch Hitzeeinwirkung zerstört – ein<br />
Verfahren, das in Thüringen nur am UKJ<br />
angewendet wird.<br />
Dominik Streitz studiert Sportwissenschaft<br />
in Jena. Der 21-Jährige hat<br />
plötzlich Schmerzen am Oberschenkel,<br />
die er zunächst als Sportverletzung<br />
abtut. Die Schmerzen verschwinden<br />
aber auch nach Wochen nicht, nehmen<br />
sogar zu, besonders nachts. Was ihm<br />
dann hilft, zumindest vorübergehend,<br />
Mit einer speziellen Sonde hat Dr. Florian<br />
Bürckenmeyer, Oberarzt am Institut für Diagnostische<br />
und Interventionelle Radiologie,<br />
den gutartigen Tumor hitzebehandelt.<br />
Seine Krücken braucht Dominik Streitz<br />
nicht mehr: Dank der Ärzte im Jenaer<br />
SarkomCentrum. v.l.: Dr. Wolfram<br />
Weschenfelder, Dr. Christian Spiegel, beide<br />
Chirurgen in der Klinik für Unfall-, Handund<br />
Wiederherstellungschirurgie und<br />
Leiter des SarkomCentrums; apl. Prof. René<br />
Aschenbach, Institut für Diagnostische<br />
und Interventionelle Radiologie und<br />
Stellvertretender Direktor. Fotos: UKJ<br />
sind Schmerzmittel, sogenannte nicht<br />
steroidale Antirheumatika. Diese Symptome<br />
sind es, die letztlich Dr. Christian<br />
Spiegel aus dem Jenaer SarkomCentrum<br />
auf die richtige Fährte bringen.<br />
„Das sind ganz typische Anzeichen für<br />
ein solches Osteoidosteom“, erklärt er.<br />
Die endgültige Diagnose stellen er und<br />
sein Kollege Dr. Wolfram Weschenfelder<br />
schließlich anhand der Bildgebung,<br />
denn diese gutartigen Knochentumore<br />
sind nur mit Kontrastmittel<br />
zu erkennen. „Osteoidosteome sind<br />
selten, wir sehen pro Jahr vielleicht<br />
sechs bis acht Fälle“, so Spiegel. „Sie<br />
sind zum Glück gutartig, verursachen<br />
aber sehr starke Schmerzen.“<br />
Aber wie den Sportstudenten am besten<br />
behandeln? Schließlich ist es für den<br />
jungen Mann unerlässlich, sich schnell<br />
wieder schmerzfrei bewegen zu können.<br />
Im interdisziplinären SarkomCentrum<br />
besprechen sich die Unfallchirurgen<br />
mit ihren beiden Kollegen Prof. René<br />
Aschenbach und Dr. Florian Bürckenmeyer<br />
aus dem Institut für Diagnostische<br />
und Interventionelle Radiologie – und<br />
entscheiden sich gemeinsam für ein<br />
besonders schonendes Verfahren, das<br />
nur wenige Kliniken deutschlandweit<br />
anwenden: die sogenannte thermische<br />
Ablation. Hierbei führen die Radiologen<br />
über eine schmale Bohrung in den Oberschenkelknochen<br />
eine spezielle, etwa<br />
neun Zentimeter lange Sonde bis zum<br />
Tumor ein, der dann fünf Minuten bei<br />
50 Watt erhitzt wird. Dadurch löst sich<br />
der Tumorkern vollständig auf. Anders<br />
als bei einer operativen Entfernung<br />
des Tumors kann der Patient nach der<br />
Hitzebehandlung schnell wieder auf<br />
den Beinen stehen – so auch Dominik<br />
Streitz. Der verbringt nach dem minimalinvasiven<br />
Eingriff keine zwei Tage<br />
im UKJ. „Bei den Dauerschmerzen habe<br />
ich wirklich schon gedacht, das war’s<br />
jetzt mit dem Sportstudium. Ich kann<br />
es kaum glauben, dass ich jetzt einfach<br />
ohne Schmerzmittel und ohne Krücken<br />
laufen kann“, beschreibt Dominik Streitz<br />
seine Erleichterung. Der Fortsetzung<br />
seines Sportstudiums steht nun nichts<br />
mehr im Weg.<br />
Katrin Bogner<br />
30 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
31
HEILEN<br />
FORSCHEN<br />
Noch präziser, beweglicher und schonender<br />
Neuer DaVinci-Roboter im OP-Saal des UKJ im Einsatz<br />
‚Botox‘ nach Schlaganfall<br />
Empfohlene Behandlung gegen Spastik viel zu selten angewandt<br />
Der Patient liegt auf dem Operationstisch, um ihn herum der<br />
Anästhesist, ein assistierender Arzt und die OP-Schwester.<br />
Der Urologe, der heute die Entfernung der Prostata vornimmt,<br />
fehlt jedoch in deren Mitte. Stattdessen sitzt er in der Ecke des<br />
OP-Saals an einer Konsole, schaut auf ein dreidimensionales,<br />
bis zu zwölffach vergrößertes Bild und steuert die Roboterarme<br />
mit daran befestigten OP-Werkzeugen im Körper des Mannes.<br />
Es ist der erste Eingriff am UKJ mit dem neuen OP-Roboter<br />
DaVinci Xi. Und der wird nicht zufällig an der Prostata vorgenommen,<br />
denn die Operateure der Klinik für Urologie haben<br />
die größte Erfahrung auf diesem Gebiet: Jährlich nehmen sie<br />
etwa 150 Operationen mit dem OP-Roboter vor.<br />
Bereits seit 2011 wird im UKJ auf die roboter-assistierte<br />
Chirurgie gesetzt, die minimal-invasive Eingriffe ermöglicht.<br />
Damals zog der erste DaVinci-Roboter überhaupt<br />
in den OP-Saal eines Klinikums in Thüringen ein. Ersetzt<br />
wird dieser nun durch das neue System mit modernster<br />
Computer- und Rotationstechnik. So positioniert sich der<br />
Roboter etwa auf Grundlage von Patientendaten mittels<br />
Lasersteuerung am OP-Tisch, die mit Joysticks durch den<br />
Operateur bedienten Werkzeugarme sind noch feiner justiert<br />
und ermöglichen so eine optimale 360-Grad-Bewegung der<br />
Instrumente im Körper der Patienten. Ein technischer Vorzug,<br />
der sich vor allem bei schwer erreichbaren Körperstellen<br />
auszahlt. Ein weiterer Vorteil: Der neue OP-Roboter bietet<br />
dank einer Doppelkonsole noch bessere Möglichkeiten in<br />
der Aus- und Weiterbildung, da zwei Operateure zeitgleich<br />
agieren und sich die Instrumente übergeben können.<br />
Trotz aller technischen Raffinessen –<br />
alleine arbeitet der DaVinci-Roboter<br />
nicht. „Es kommt entscheidend auf<br />
den Operateur an. Und hier haben<br />
wir aufgrund unserer langjährigen<br />
Erfahrung einen erheblichen Vorteil<br />
gegenüber allen anderen Kliniken<br />
in Thüringen“, weiß Prof. Dr. Marc-<br />
Oliver Grimm, Direktor der Klinik für<br />
Urologie am UKJ. Seit 2011 wurden<br />
insgesamt fast 2 300 Operationen<br />
mit dem DaVinci-Roboter realisiert.<br />
Neben der Urologie setzen auch die<br />
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und<br />
Gefäßchirurgie, die Herz-Thorax-<br />
Chirurgie sowie die Kliniken für<br />
Hals-Nasen und Ohrenheilkunde<br />
und Frauenheilkunde auf die roboterassistierten<br />
Eingriffe.<br />
Viel Erfahrung am DaVinci-Roboter:<br />
Dr. Frank Berger, Oberarzt in der Klinik für<br />
Urologie am UKJ.<br />
Foto: Hellmann<br />
Wichtig bei solch einer komplexen Operation ist jedoch<br />
nicht nur der technische Assistent des Operateurs. „Die<br />
Roboter-OPs sind Teamarbeit. Deshalb ist ein erfahrenes<br />
Team ein wichtiger Faktor für die Behandlungsqualität und<br />
die Patientensicherheit. Wir können auf diese Ressource<br />
aus erfahrenen Operateuren, OP-Pflege und Anästhesie<br />
zurückgreifen“, weiß Oberarzt Dr. Frank Berger, der neben<br />
der leitenden Oberärztin Dr. Susan Foller in der Klinik für<br />
Urologie einer der Hauptoperateure mit dem DaVinci-<br />
Roboter ist.<br />
Zu den am meisten ausgeführten roboter-assistierten<br />
chirurgischen Eingriffen der Urologen zählt die radikale<br />
Prostataentfernung bei Prostatakrebs, der je nach Umfang<br />
durchschnittlich zwei bis drei Stunden dauert. „Für diese<br />
Art der OP stellt der Roboter das beste ‚Werkzeug‘ dar.<br />
Hauptgründe hierfür sind die exzellente Sicht und die<br />
Feinheit und Gelenkigkeit der Instrumente“, sagt Dr. Berger.<br />
Dr. Foller ergänzt: „Die eben genannte Präzision ist ein<br />
entscheidender Faktor, wenn es um funktionelle Ergebnisse<br />
der Operation geht. Bei der radikalen Prostataentfernung<br />
kommt es neben der vollständigen Tumorentfernung<br />
schließlich auf den Erhalt von Kontinenz und Potenz an.<br />
Durch das minimal-invasive Vorgehen ist der Eingriff für<br />
den Patienten mit weniger Schmerzen verbunden, es kommt<br />
seltener zu Wundheilungsstörungen und der Blutverlust ist<br />
geringer. Dadurch kommt der Patient in der Regel insgesamt<br />
schneller wieder auf die Beine.“ Das Einsatzgebiet<br />
des DaVinci-Roboters am zertifizierten Uroonkologischen<br />
Zentrum des UKJ ist aber noch weitaus<br />
vielfältiger: „Neben der präzisen und<br />
schonenden Operation bei Prostatakrebs<br />
gibt es eine Reihe von bösartigen<br />
und gutartigen Erkrankungen an<br />
Niere, Harnblase und -leiter, die damit<br />
operativ behandelt werden können.<br />
Auch die Anlage einer künstlichen<br />
Harnblase bei Harnblasenkrebs kann<br />
damit erfolgen“, so Prof. Grimm. Das<br />
Therapiespektrum wurde 2022 zudem<br />
um die Rekonstruktionen bei Engen an<br />
Blasenhals und Harnleiter erweitert.<br />
Mit dem neuen DaVinci-Roboter wird<br />
sich das Einsatzgebiet in der Urologie<br />
nun noch einmal ausweiten.<br />
Theresa Wahl<br />
Etwa ein Drittel der Patientinnen und<br />
Patienten, die einen Schlaganfall<br />
erlitten haben, leiden anschließend<br />
unter spastischen Bewegungsstörungen.<br />
Vom Schlaganfall verursachte<br />
Hirnschädigungen führen dabei zu<br />
schweren Bewegungsstörungen und<br />
Verkrampfungen der Muskulatur, die je<br />
nach Ausprägung und den betroffenen<br />
Bereichen mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen<br />
verbunden sind.<br />
Die Lebensqualität der Betroffenen ist<br />
meist erheblich reduziert. Die deutsche<br />
Behandlungsleitlinie sieht zur Therapie<br />
der Spastik regelmäßige Physio- und<br />
Ergotherapie sowie, falls notwendig,<br />
eine ergänzende medikamentöse<br />
Behandlung vor. Für diese werden in<br />
erster Linie regelmäßige Injektionen mit<br />
Botulinumtoxin (‚Botox‘) in die spastischen<br />
Muskeln empfohlen. Das führt zu<br />
einer raschen Muskelentspannung und<br />
kann die Lebensqualität der Schlaganfallpatienten<br />
deutlich verbessern.<br />
Wegen erheblicher Nebenwirkungen<br />
wie Müdigkeit und Schwindel sollte<br />
die Einnahme weiterer antispastischer<br />
Medikamente nur nach strenger Abwägung<br />
verordnet werden.<br />
Anhand einer repräsentativen Stichprobe<br />
aus Krankenkassendaten<br />
untersuchte ein Forschungsteam, wie<br />
diese Behandlungsempfehlungen in<br />
Deutschland umgesetzt werden. Dafür<br />
betrachteten Neurologen des Universitätsklinikums<br />
Jena zusammen mit<br />
Epidemiologen des Instituts InGef in<br />
Berlin die anonymisierten Versicherungsdaten<br />
von knapp 8 000 Patientinnen<br />
und Patienten, die in den Jahren<br />
2015 bis 2019 wegen einer Spastik nach<br />
einem Schlaganfall behandelt wurden.<br />
Fast die Hälfte dieser Diagnosen wurde<br />
in der Hausarztpraxis gestellt. Zwar<br />
wurden drei Viertel der Patienten<br />
nach der Diagnose mindestens einmal<br />
physiotherapeutisch behandelt, jedoch<br />
erhielt nur knapp die Hälfte regelmäßige<br />
Verordnungen und nur ein Viertel<br />
spezifisch zur Therapie einer schlaganfallbedingten<br />
Spastik. „Bemerkenswert<br />
ist, dass nur ein Prozent der Patienten<br />
Botulinumtoxin-Injektionen erhielten,<br />
aber zehn Prozent mit Tabletten gegen<br />
Spastik behandelt wurden“, sagt Erstautor<br />
PD Dr. Florian Rakers. „Damit<br />
werden die Empfehlungen der deutschen<br />
Spastikleitlinie nicht konsequent<br />
umgesetzt“, führt Rakers weiter aus.<br />
Für eine bessere Umsetzung der Leitlinien<br />
und zur Erhöhung der Qualität in<br />
der Schlaganfallnachsorge empfehlen<br />
Die Neurologen Albrecht Günther und<br />
Florian Rakers (v.l.) vom Uniklinikum Jena<br />
belegen in einer Versorgungsforschungsstudie,<br />
dass ‚Botox‘-Injektionen gegen<br />
Spastiken nach Schlaganfall zu selten<br />
durchgeführt werden. Foto: Szabó<br />
die Autoren eine Ausweitung der regelmäßigen<br />
spezifischen Physiotherapie<br />
und die regelmäßige Botulinumtoxinbehandlung.<br />
Diese sollte vor allem bei<br />
den Patienten erwogen werden, die<br />
bislang ausschließlich antispastische<br />
Medikamente einnehmen und noch<br />
keine Injektionen erhielten. „Bei diesen<br />
Patientinnen und Patienten ist häufig<br />
von schmerzhaften und behindernden<br />
Spastiken auszugehen, die durch Botulinumtoxin<br />
sehr nebenwirkungsarm<br />
gemildert werden könnten“, so Dr.<br />
Albrecht Günther, Letztautor der im<br />
Deutschen Ärzteblatt erschienenen<br />
Studie. Er hebt dabei die besondere<br />
Bedeutung von Allgemeinmedizinern<br />
in der Schlaganfallnachsorge hervor,<br />
weil eine Spastik nach einem Schlaganfall<br />
sehr oft in der Hausarztpraxis<br />
diagnostiziert wird. „Patientinnen und<br />
Patienten mit einer schlaganfallbedingten<br />
Spastik sollten möglichst an<br />
erfahrene Spastiktherapeuten überwiesen<br />
werden, um so die Qualität der<br />
Schlaganfallnachsorge zu verbessern“<br />
empfehlen die Forscher abschließend.<br />
Uta von der Gönna<br />
Originalpublikation:<br />
DOI: 10.3<strong>23</strong>8/arztebl.m20<strong>23</strong>.0004<br />
KONTAKT<br />
PD Dr. Florian Rakers<br />
Dr. Albrecht Günther<br />
Klinik für Neurologie<br />
Florian.Rakers@med.uni-jena.de<br />
Albrecht.Guenther@med.uni-jena<br />
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03 | <strong>23</strong><br />
33
FORSCHEN<br />
FORSCHEN<br />
Unter Nobelpreisträgern<br />
Nachwuchswissenschaftler bei der 72. Lindauer Nobelpreisträgertagung<br />
Das Alter geht Männern mehr an die Nieren<br />
Gendermedizinische Forschung in der Nephrologie des UKJ<br />
So oft in seinem Leben erhält man<br />
nicht die Chance, einen Nobelpreisträger<br />
hautnah zu erleben. Es ist<br />
durchaus eine Ehre. Und die wurde<br />
in diesem Jahr zwei jungen Nachwuchswissenschaftlern<br />
des UKJ zuteil:<br />
Edda Matthees, Doktorandin am<br />
Institut für molekulare Zellbiologie,<br />
und Denys Oliinyk, Doktorand in der<br />
Jenaer Arbeitsgruppe Funktionelle<br />
Proteomanalyse. Beide gehören zum<br />
ausgewählten Kreis derer, die an der<br />
72. Lindauer Nobelpreisträgertagung<br />
mit dem diesjährigen Schwerpunkt<br />
Medizin und Physiologie teilnehmen<br />
durften. Mit exzellenten wissenschaftlichen<br />
und akademischen Leistungen<br />
überzeugten ihre Bewerbungen das<br />
Kuratorium. Sechs Tage lang, in der<br />
letzten Juniwoche 20<strong>23</strong>, erlebten die<br />
beiden die besondere Atmosphäre<br />
der renommierten Konferenz mit über<br />
600 jungen Wissenschaftlern aus 98<br />
Ländern und 40 Nobelpreisträgern. Ihr<br />
Fazit: Inspirierend!<br />
„Für mich war es sowohl wissenschaftlich<br />
als auch persönlich eine sehr intensive<br />
Erfahrung, die ich keinesfalls missen<br />
möchte“, schwärmt Edda Matthees.<br />
Vor allem der intensive Austausch mit<br />
anderen Nachwuchswissenschaftlern in<br />
Kombination mit dem offenen Austausch<br />
mit den Nobelpreisträgern habe sie am<br />
meisten inspiriert. Unter anderem lernte<br />
sie den US-amerikanischen Onkologen<br />
und Nobelpreisträger William G. Kaelin<br />
kennen und nahm an Diskussionsrunden<br />
mit Emmanuelle Charpentier teil. Die<br />
hatte 2020 den Nobelpreis für Chemie<br />
erhalten für die Entwicklung von CRISPR-<br />
Cas 9, umgangssprachlich als Genschere<br />
bekannt. Ein molekularbiologisches<br />
Verfahren, das Edda Matthees im Labor<br />
schon genutzt hat. Ganz ähnlich berichtet<br />
auch Denys Oliinyk von seiner Teilnahme<br />
am Lindauer Nobelpreisträgertreffen:<br />
„Ich habe diese großartige Gelegenheit<br />
genutzt, so viel Wissen wie möglich<br />
sowohl von gestandenen Legenden der<br />
Wissenschaftswelt als auch den vielen<br />
aufstrebenden jungen Wissenschaftlern<br />
aufzusaugen.“ Dabei hatte Denys Oliinyk<br />
noch einen ganz persönlichen Moment,<br />
den er nicht so schnell vergessen wird:<br />
Im Gespräch mit einem Nobelpreisträger<br />
nutzte er die Gelegenheit, eine seiner<br />
Ideen zu präsentieren und schaffte es<br />
tatsächlich, den Nobelpreisträger damit<br />
zu beeindrucken.<br />
Ihre Erfahrungen sind sicherlich<br />
ein weiterer Motivationsschub für<br />
die ohnehin schon begeisternde<br />
Forschungsaktivität von Edda Matthees<br />
und Denys Oliinyk.<br />
Edda Matthees arbeitet viel am Mikroskop.<br />
Denys Oliinyk am Massenspektrometer.<br />
Fotos: UKJ<br />
Edda Matthees arbeitet seit ihrem<br />
Masterabschluss in Molecular Medicine<br />
2020 in Jena als Doktorandin am<br />
Institut für molekulare Zellbiologie<br />
in der Arbeitsgruppe von Professor<br />
Carsten Hoffmann. Dort beschäftigt sie<br />
sich mit den Regulationsmechanismen<br />
von verschiedenen Rezeptoren, die in<br />
unserem Körper verteilt ganz unterschiedliche<br />
Aufgaben erfüllen und<br />
bei diversen Krankheiten fehlreguliert<br />
sind. „Mich begeistern an diesem<br />
Forschungsfeld die methodischen<br />
Fortschritte der letzten Jahre, die uns<br />
nochmal ganz neue Möglichkeiten<br />
bieten, auf unterschiedlichste Weise<br />
bisher ungeklärte Fragen zu untersuchen“,<br />
sagt Edda Matthees.<br />
Nach seinem Masterabschluss in Molecular<br />
Biology 2021 in Göttingen wechselte<br />
Denys Oliinyk ans UKJ. Seither<br />
beschäftigt sich der Doktorand in der<br />
Arbeitsgruppe von Professor Florian<br />
Meier mit der sogenannten Funktionellen<br />
Proteomanalyse, bei der mithilfe<br />
eines Hochleistungsmassenspektrometers<br />
individuelle Proteomprofile<br />
erstellt werden können. Die sollen ein<br />
besseres Verständnis für die Entstehung<br />
und Behandlung von Krankheiten<br />
liefern, wobei sich Denys Oliinyk insbesondere<br />
auf Blutkrebs konzentriert.<br />
„Was mich am meisten an meiner<br />
Arbeit begeistert ist es, Herausforderungen<br />
zu meistern und Antworten auf<br />
die kniffligsten Fragen zu finden“, so<br />
Denys Oliinyk. „Es ist faszinierend, wie<br />
aus eigenen Ideen über Experimente<br />
und viel Arbeit Wirklichkeit wird, die<br />
von den Kolleginnen und Kollegen dann<br />
auch anerkannt wird.“ Katrin Bogner<br />
Bei gebratenem Fleisch oder knusprigem Gebäck sorgt<br />
die Maillard-Reaktion für den typischen Geschmack. Die<br />
Reaktion verbindet Zucker- mit Eiweißmolekülen oder Fettbestandteilen<br />
ohne die Mitwirkung von Enzymen. Im Körper<br />
reagieren auf diese Weise Kohlenhydrate, wie z. B. Glukose,<br />
mit körpereigenen Eiweißstoffen zu sogenannten Advanced<br />
Glycation Endproducts, kurz AGEs. Solche AGEs bildet auch<br />
der Blutfarbstoff Hämoglobin mit im Blut vorhandenem<br />
Zucker – das dadurch entstehende HbA1c wird als Wert für<br />
den Langzeitblutzucker verwendet und ist umso höher, je<br />
schlechter die Blutzuckereinstellung eines Patienten mit<br />
Diabetes mellitus ist.<br />
Die AGEs entstehen kontinuierlich und summieren sich mit<br />
steigendem Alter, sie treten aber auch verstärkt bei Diabetes<br />
mellitus, Alzheimer-Demenz und Arteriosklerose auf. „Die<br />
AGEs stehen im Verdacht, eine wichtige Rolle bei der Entstehung<br />
von Gefäßschäden und einer Reihe von chronischen<br />
Erkrankungen zu spielen“, sagt Prof. Dr. Gunter Wolf, MHBA,<br />
Direktor der Klinik für Innere Medizin III. Im nephrologischen<br />
Forschungslabor der Klinik untersucht die Gruppe von PD Dr.<br />
Ivonne Löffler die molekularen Mechanismen der Nierenschädigung<br />
im Alter und bei Diabetes. „Auch im Nierengewebe<br />
beobachten wir eine Anhäufung von AGEs mit dem Alter und<br />
einen Rückgang der Organfunktion“, so die Biologin, die jetzt<br />
einen der Rezeptoren für AGEs im Nierengewebe genauer<br />
unter die Lupe genommen hat.<br />
Es gibt etwa ein halbes Dutzend solcher Rezeptoren, die in<br />
der Zellmembran sitzen und AGEs und andere Substanzen<br />
erkennen. Aktivieren diese Stoffe den Rezeptor, so löst das in<br />
der Zelle Dauerstress und eine Entzündungsreaktion aus. Es<br />
gibt aber auch AGE-Rezeptorformen im Blut, die dort AGEs an<br />
sich binden, bevor diese ihren negativen Einfluss auf die Zelle<br />
haben können. Das Forschungsteam untersuchte nun Mäuse,<br />
die aufgrund einer Genveränderung den Rezeptor RAGE nicht<br />
ausbilden konnten, und verglich sie mit nicht genetisch<br />
veränderten Wildtyptieren – jeweils in unterschiedlichen<br />
Altersstufen und beiden Geschlechtern. Ivonne Löffler: „Wir<br />
wissen, dass Männer ein höheres Risiko für altersbedingte<br />
Nierenschwäche haben als Frauen, deshalb interessierten<br />
wir uns besonders für eventuelle Geschlechtsunterschiede.“<br />
Detailliert analysierten die Wissenschaftler die Effekte des<br />
Rezeptors bzw. seines Nichtvorhandenseins. „Wir erfassten<br />
die AGEs im Nierengewebe und eine Reihe von Biomarkern, die<br />
den Entzündungsprozess, die Gewebeveränderungen und die<br />
Schädigung der Niere kennzeichnen“, so der Medizinstudent<br />
Alexander Lübbe. Er führte einen Großteil der Messungen<br />
PD Dr. Ivonne Löffler – untersuchte geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede der Alterungsprozesse im Nierengewebe. Foto: vdG<br />
im Rahmen seiner Doktorarbeit durch. Die Messergebnisse<br />
verglichen die Forscher jeweils für junge und alte, weibliche<br />
und männliche Mäuse mit und ohne RAGE-Rezeptor.<br />
Die Befunde: Die altersbedingte Ansammlung der AGEs im<br />
Nierengewebe war bei beiden Geschlechtern ähnlich. Bei<br />
Wildtypmäusen zeigten sich erwartungsgemäß im Alter bei<br />
den Weibchen weniger Nierenschäden als bei den Männchen.<br />
In den Nieren der alten Mäuse ohne Rezeptor wurden in<br />
beiden Geschlechtern massive Einwanderungen von Entzündungszellen<br />
in das Nierengewebe beobachtet. Dies kann<br />
Reparaturmechanismen, aber auch einen Gewebeumbau zur<br />
Folge haben, der die Funktion der Nierenzellen einschränkt.<br />
Die Untersuchungen zu Gewebe- und Nierenfunktions-<br />
Markern zeigten dann, dass der Rezeptormangel vorrangig<br />
bei männlichen Tieren die alters-induzierte Nierenschädigung<br />
verstärkt. Bei den weiblichen Tieren war dieser Effekt<br />
nicht signifikant ausgeprägt.<br />
„Dass das Fehlen eines AGE-Rezeptors nicht einfach zur<br />
Verringerung der schädlichen Wirkung der AGEs führt, zeigt<br />
das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Rezeptoren<br />
und wahrscheinlich auch Rezeptor-unabhängiger Mechanismen“,<br />
fasst Ivonne Löffler zusammen. „Die Beteiligung der<br />
Sexualhormone dabei wird in den Geschlechtsunterschieden<br />
deutlich.“ Ihre Arbeitsgruppe wird die Vertreter der Rezeptorgruppe<br />
und ihre Rolle für die chronischen Nierenerkrankungen<br />
weiter untersuchen.<br />
Uta von der Gönna<br />
Originalpublikation: doi: 10.3389/fphys.20<strong>23</strong>.1154551<br />
34 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
35
Super-Ager sind widerstandsfähiger<br />
gegen<br />
altersbedingte Veränderungen<br />
der Hirnstruktur.<br />
Foto: Schroll<br />
FORSCHEN<br />
LEHREN<br />
Ärztliche Basisfertigkeiten trainieren<br />
SkillsLab (UKJ) von der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung zertifiziert<br />
Geistig fit im hohen Alter<br />
Widerstandsfähigkeit gegen Abbauprozesse im Hirn<br />
Vor mehr als zehn Jahren startete die<br />
Vallecas-Studie in Spanien, an der<br />
weit über 1 000 Menschen jenseits der<br />
70 ohne neurologische oder schwere<br />
psychiatrische Störungen teilnehmen.<br />
Das Studienteam bittet die Senioren<br />
einmal im Jahr zu Tests und Untersuchungen,<br />
darunter auch MRT-Scans<br />
des Gehirns. Ziel des Gesamtprojektes<br />
ist es, frühe Anzeichen für kognitive<br />
Beeinträchtigungen und beginnende<br />
Demenz zu identifizieren. Zusammen<br />
mit spanischen Kollegen wertete der<br />
Neurowissenschaftler Prof. Dr. Christian<br />
Gaser vom Universitätsklinikum Jena<br />
jetzt im Projekt erhobene MRT-Daten<br />
zur Hirnstruktur aus und interessierte<br />
sich dabei vor allem für Super-Ager. So<br />
werden Menschen im Alter von 80 Jahren<br />
und älter bezeichnet, wenn sie über<br />
eine Gedächtnisleistung verfügen, die<br />
eigentlich für 30 Jahre jüngere Menschen<br />
typisch ist. Die Analyse ging der Frage<br />
nach, warum Super-Ager anders altern<br />
als die Mehrheit der Bevölkerung.<br />
Mithilfe eines Gedächtnistests filterte<br />
das Studienteam 64 Super-Ager aus der<br />
gesamten Kohorte und stellte ihnen 55<br />
ältere Erwachsene mit alterstypischer<br />
Gedächtnisfunktion gegenüber. In<br />
diesen Gruppen verglichen die Wissenschaftler<br />
die Hirnstrukturscans, Testergebnisse<br />
und Laborwerte, die im Schnitt<br />
über mehrere Jahre erhoben wurden.<br />
“Diese Studie ist eine der bisher größten<br />
Beobachtungsstudien über Super-Ager<br />
und die erste, die die Gehirnstruktur<br />
von Super-Agern im Laufe der Zeit<br />
untersucht”, sagt Christian Gaser und<br />
erklärt, dass dieses Längsschnittdesign<br />
der Studie entscheidend ist, um zu<br />
verstehen, warum Super-Ager anders<br />
altern. Im Ergebnis wurden frühere<br />
Studien bestätigt, die zeigten, dass die<br />
Gehirne von Super-Agern mehr graue<br />
Substanz haben als typisch alternde<br />
Erwachsene. Die aktuelle Analyse<br />
ergab zudem, dass bei Super-Agern die<br />
graue Substanz in Schlüsselbereichen<br />
des Gehirns im Laufe von fünf Jahren<br />
insgesamt langsamer abnahm als bei<br />
der Vergleichsgruppe. Die Konzentration<br />
von Demenz-Biomarkern im Blut war<br />
dagegen in beiden Gruppen ähnlich. „Wir<br />
schließen daraus, dass es nicht einfach<br />
bessere Bewältigungsmechanismen<br />
sind, die Super-Ager vor altersbedingtem<br />
Gedächtnisverlust bewahren,<br />
sondern dass sie widerstandsfähiger<br />
gegen altersbedingte Veränderungen<br />
der Hirnstruktur sind“, so Christian<br />
Gaser. „Die genauen Gründe dafür sind<br />
jedoch noch unklar."<br />
Unter insgesamt 89 demografischen,<br />
lebensstilbezogenen und klinischen<br />
Faktoren suchten die Forscher<br />
schließlich mit einem maschinellen<br />
Lernmodell nach denjenigen, die mit<br />
Super-Agern in Verbindung stehen.<br />
Dabei zeigte sich, dass Super-Ager über<br />
eine bessere geistige Gesundheit und<br />
mehr Mobilität verfügen als andere in<br />
ihrer Altersgruppe. "Allerdings war das<br />
Modell nur in zwei Dritteln der Fälle<br />
in der Lage, Super-Ager von typischen<br />
älteren Erwachsenen zu unterscheiden",<br />
so Gaser. Dies deutet darauf hin, dass<br />
das Superaging möglicherweise durch<br />
zusätzliche genetische Faktoren beeinflusst<br />
wird.<br />
Gaser merkt an, dass es nicht klar ist,<br />
ob alle Menschen das Potenzial haben,<br />
Super-Ager zu werden. Er betont jedoch,<br />
dass lebenslanges Lernen, soziale Aktivitäten,<br />
ein aktiverer Lebensstil und die<br />
Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit<br />
im täglichen Leben dazu beitragen<br />
können, dass man ein Super-Ager<br />
werden kann. "Ein aktiverer Lebensstil<br />
in der Lebensmitte und Aktivitäten wie<br />
das Spielen eines Instruments sowie<br />
die Aufrechterhaltung der Beweglichkeit<br />
und Kontrolle des Bluthochdrucks<br />
und des Blutzuckerspiegels<br />
könnten dazu beitragen, ein gesundes<br />
Gedächtnis im Alter zu erhalten", sagt<br />
er. Die Forschungsarbeit wurde im<br />
Rahmen des IMPULS-Verbundes von<br />
der Carl-Zeiss-Stiftung und als Teil des<br />
Promotionsnetzwerkes SmartAge von<br />
der EU gefördert. Uta von der Gönna<br />
Originalpublikation:<br />
doi: 10.1016/S2666-7568(<strong>23</strong>)00079-X.<br />
Weitere Informationen:<br />
» www.impuls.uni-jena.de<br />
» www.uniklinikum-jena.de/etnsmartage<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Christian Gaser<br />
Structural Brain Mapping Group<br />
03641 9-32 57 78<br />
christian.gaser@uni-jena.de<br />
Spätestens im klinischen Teil des<br />
Studiums ist es für Medizinstudierende<br />
soweit: Sie nehmen erstmals ihre<br />
spätere Rolle als Ärzte ein – und eigene<br />
kleinere Untersuchungen vor. Um<br />
vorab ein Gefühl dafür zu bekommen,<br />
wie es ist, an echten Patienten Blut<br />
abzunehmen, ihr Ohr zu untersuchen<br />
oder Erste Hilfe zu leisten, gibt es das<br />
sogenannte SkillsLab an der Medizinischen<br />
Fakultät der Uni Jena. Hier<br />
können angehende Medizinerinnen und<br />
Medizinern in einem geschützten Raum<br />
an lebensechten Modellen und mit<br />
Schauspielpatienten ihre praktischen<br />
Basisfertigkeiten trainieren – angeleitet<br />
von Tutorinnen und Tutoren, die selbst<br />
noch studieren. Auf Augenhöhe, eng<br />
verflochten mit dem Lehrplan und in<br />
enger Verbindung mit Ärztinnen und<br />
Ärzten am UKJ, die sich für die studentische<br />
Lehre als klinische Partner engagieren.<br />
Dass das Lehrkonzept nicht nur<br />
die Medizinstudierenden selbst begeistert,<br />
sondern auch objektiv ausgezeichnete<br />
Qualitätskriterien erfüllt, zeigt<br />
die erfolgte Zertifizierung durch den<br />
Ausschuss für praktische Fertigkeiten<br />
der Gesellschaft für Medizinische<br />
Ausbildung (GMA). Dieser bescheinigt<br />
dem SkillsLab Jena den Goldstandard in<br />
der simulationsbasierten Lehre. Besonders<br />
überzeugt haben die Gutachter<br />
die Ausbildung der studentischen<br />
Tutorinnen und Tutoren, die enge<br />
Einbettung ins Medizinstudium sowie<br />
die interprofessionellen Lehrangebote.<br />
Rund 50 studentische Tutorinnen und<br />
Tutoren betreuen im SkillsLab Jena<br />
unterschiedliche Kurse, von Händedesinfektion<br />
über das Anlegen eines<br />
EKG hin zum Angehörigengespräch, und<br />
schulen so die angehenden Ärztinnen<br />
und Ärzte in Diagnostik, Therapie und<br />
Kommunikation. Angelehnt an die<br />
spätere Ausbildung am Krankenbett<br />
auf Station bestehen die Kurse aus<br />
Kleinstgruppen, in der Regel betreut ein<br />
Tutor sechs Studierende. Die Tutoren<br />
selber werden auf ihre Rolle eingehend<br />
vorbereitet und sowohl medizinisch als<br />
auch didaktisch geschult und eingearbeitet.<br />
Das strukturierte Einarbeitungskonzept<br />
setzt dabei vor allem auf<br />
peer to peer – Tutoren arbeiten künftige<br />
Tutoren ein –, aber auch auf die<br />
Vermittlung didaktischer Fertigkeiten<br />
durch Pädagoginnen des SkillsLab<br />
sowie die enge Zusammenarbeit mit<br />
den klinischen Partnern am UKJ. „Wir<br />
sind hier keine Insel“, beschreibt es<br />
Urte Mille, Leiterin des SkillsLab. „Die<br />
Kursinhalte am SkillsLab erarbeiten<br />
immer klinische Partner zusammen mit<br />
den Tutoren, damit das, was den Studierenden<br />
hier vermittelt wird, auch den<br />
Lernzielen entspricht.“ Die Fertigkeiten,<br />
welche die Tutoren den Studierenden<br />
im SkillsLab beibringen, sind allesamt<br />
Basisfertigkeiten, beispielsweise<br />
Blutabnehmen oder sich steril im OP<br />
einkleiden. Alle Kurse, die im SkillsLab<br />
angeboten werden, sind vollständig<br />
ins Medizinstudium eingebettet,<br />
also Pflicht- bzw. Wahlpflichtveranstaltungen.<br />
„Man muss natürlich gut<br />
durchdenken: Was kann ein Student<br />
vermitteln und was sollte einem Arzt<br />
vorbehalten sein“, sagt Mille. Spezielle<br />
Fertigkeiten lernen die Studierenden<br />
dann später selbstverständlich im<br />
klinischen Kontext des Studiums. Vom<br />
Tutorin Florika Bestehorn und Adrian Faesel üben die Erste Hilfe an einem Neugeborenen.<br />
Foto: UKJ<br />
SkillsLab werden zukünftig neben den<br />
Studierenden der Human- und Zahnmedizin<br />
auch Berufe profitieren. Schon<br />
jetzt gibt es Kurse für Hebammenstudierende<br />
der Ernst-Abbe-Hochschule<br />
oder die Pflegeauszubildenden des<br />
UKJ, beispielsweise zu Geburt und<br />
Schwangerschaft oder Deeskalation.<br />
Diese interprofessionellen Lehrangebote<br />
sollen zukünftig im Sinne einer<br />
gemeinsamen Patientenversorgung<br />
erweitert werden. Katrin Bogner<br />
36 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
37
LEHREN<br />
LEHREN<br />
Gesundheitsversorgung bedarfsgerecht gestalten<br />
Gesundheitswissenschaftlerin übernimmt die Professur<br />
für Quantitative Versorgungsforschung<br />
Warum die Tigermücke für Medizinstudierende<br />
wichtig ist<br />
Weltweit erster praktischer Prüfungsparcours zur planetaren Gesundheit in Jena<br />
Wann gehen Patientinnen und Patienten<br />
mit welchen Beschwerden in welche<br />
Arztpraxen, was für Untersuchungen<br />
und Behandlungen erhalten sie dort,<br />
wohin werden sie weiter verwiesen,<br />
welchen Erfolg hat diese Versorgung<br />
und was kostet sie? Das sind typische<br />
Fragen der Versorgungsforschung,<br />
die fächerübergreifend Prozesse und<br />
Strukturen im Gesundheitswesen<br />
untersucht, um sie zu verbessern. Die<br />
zentrale Basis zur Beantwortung dieser<br />
Fragen sind die in den verschiedenen<br />
Versorgungsbereichen routinemäßig<br />
erhobenen Daten, zum Beispiel die<br />
der Krankenkassen. Prof. Dr. Verena<br />
Vogt nutzt statistische und datenwissenschaftliche<br />
Methoden, um anhand<br />
dieser Routinedaten den Versorgungsalltag<br />
vor allem im ambulanten<br />
Bereich zu analysieren. Die 36-jährige<br />
Gesundheitswissenschaftlerin hat seit<br />
Juni die Professur für Quantitative<br />
Versorgungsforschung am Universitätsklinikum<br />
Jena inne.<br />
„Wir untersuchen beispielsweise<br />
Versorgungspfade im Gesundheitssystem,<br />
also welche Leistungen im<br />
Rahmen der Abklärung bzw. Versorgung<br />
eines bestimmten Krankheitsbildes in<br />
Anspruch genommen werden – das<br />
sind mitunter etliche Stationen“,<br />
so die Professorin. Ein weiteres<br />
Forschungsgebiet ist die medizinische<br />
Überversorgung, wenn also Risiken<br />
und Aufwand einer Prozedur ihren<br />
Nutzen übersteigen. Beispiele hierfür<br />
sind unnötige bildgebende Untersuchungen<br />
bei unkomplizierten Rückenschmerzen,<br />
unnütze Labortests bei<br />
Schilddrüsenerkrankungen oder die<br />
unkritische Verschreibung von Schlafund<br />
Beruhigungsmitteln. Prof. Vogt:<br />
„Dafür interessieren sich natürlich die<br />
Krankenkassen. In unseren Projekten<br />
haben wir festgestellt, dass auch die<br />
praktizierenden Ärztinnen und Ärzte<br />
erstaunlich aufgeschlossen sind für das<br />
Thema.“ Ihre Forschungsgruppe misst<br />
in einem aktuellen Projekt, wie häufig<br />
solche überflüssigen Leistungen stattfinden.<br />
Darauf aufbauend kann dann<br />
Informations- und Schulungsmaterial<br />
entwickelt werden, um die ärztliche<br />
Entscheidung für eine angemessene<br />
Diagnose und Therapiemethode zu<br />
unterstützen.<br />
Verena Vogt studierte Gesundheitskommunikation<br />
und Public Health an<br />
der Universität Bielefeld, bevor sie an<br />
das Gesundheitsökonomische Zentrum<br />
an der Technischen Universität Berlin<br />
wechselte. Hier untersuchte sie auf der<br />
Basis von Routinedaten der Krankenkassen<br />
regionale Angebotsstrukturen<br />
und Versorgungsprozesse in der ambulanten<br />
Versorgung und promovierte zu<br />
diesem Thema in Gesundheitswissenschaften.<br />
Als Gastwissenschaftlerin<br />
forschte sie am Menzies Centre for<br />
Health Policy der Universität Sydney<br />
in Australien. Zuletzt war Verena Vogt<br />
Juniorprofessorin für Versorgungsforschung<br />
und Qualitätsmanagement im<br />
ambulanten Sektor an der TU Berlin.<br />
Die Gesundheitswissenschaftlerin<br />
Verena Vogt ist neue Professorin für<br />
Quantitative Versorgungsforschung<br />
am Universitätsklinikum Jena.<br />
Foto: Szabó<br />
Ihre Professur in Jena ist im Institut<br />
für Allgemeinmedizin des Uniklinikums<br />
angesiedelt und wird eng mit dem an der<br />
Medizinischen Fakultät neu etablierten<br />
Zentrum Versorgungsforschung zusammenarbeiten.<br />
Vom engeren Kontakt<br />
zum klinischen Versorgungsalltag<br />
erwartet Prof. Vogt wichtige Impulse für<br />
ihre Forschung: „Ich möchte Kooperationen<br />
und Vernetzung ausbauen, um die<br />
Versorgungsforschung am Universitätsklinikum<br />
Jena weiter voran zu bringen<br />
und im In- und Ausland sichtbar zu<br />
machen. Ich bin fest davon überzeugt,<br />
dass die Zusammenarbeit zwischen<br />
klinischer Praxis und versorgungsnaher<br />
Forschung von entscheidender<br />
Bedeutung ist, um die Gesundheitsversorgung<br />
bedarfsgerecht und effizient<br />
zu gestalten.“ Uta von der Gönna<br />
KONTAKT<br />
Prof. Dr. Verena Vogt<br />
Institut für Allgemeinmedizin<br />
Tel.: 03641 9-39 58 33<br />
verena.vogt@med.uni-jena.de<br />
Als Schwangere hat man nur einen<br />
Wunsch: Das Kind soll gesund zur Welt<br />
kommen. Hitzeepisoden, tropische<br />
Nächte und Luftverschmutzung, die<br />
mit dem Klimawandel einhergehen,<br />
erhöhen jedoch auch das Risiko für eine<br />
Frühgeburt. Eine Patientin ist deshalb<br />
besorgt und möchte in einem Gespräch<br />
mit ihrer Ärztin umfassend zu diesem<br />
Thema informiert werden. Nebenan<br />
berät sich der Ortsteilbürgermeister<br />
von Jena-Nord mit dem Amtsarzt der<br />
Stadt. Er hat von Tigermücken auf dem<br />
Nordfriedhof gelesen und möchte nun<br />
über eventuelle Gefahren, die von dem<br />
eigentlich im südostasiatischen Raum<br />
beheimateten Insekt ausgehen, aufgeklärt<br />
werden und wissen, welche vorausschauenden<br />
Maßnahmen getroffen<br />
werden können. Zwei von insgesamt<br />
acht Fällen, denen sich 20 Medizinstudierende<br />
im Mai in Form eines digital<br />
unterstützten praktischen Prüfungsparcours<br />
OSCE – Objective Structured<br />
Clinical Examination – gestellt haben.<br />
OSCE ist ein Prüfungsformat im Medizinstudium,<br />
das die klinische Kompetenz<br />
von Studierenden überprüft. Sie absolvieren<br />
dazu verschiedene Stationen, an<br />
denen mit Hilfe von Schauspielpatienten<br />
ihre konkreten ärztlichen Fertigkeiten<br />
bewertet werden.<br />
Der Jenaer OSCE-Parcours war weltweit<br />
der erste, der sich vollständig<br />
der Planetaren Gesundheit widmete.<br />
Neun Fächer von der Allgemeinmedizin<br />
bis zur Radiologie beteiligten sich<br />
OSCE: Medizinstudierende<br />
absolvierten am Universitätsklinikum<br />
Jena den deutschlandweit ersten<br />
interdisziplinären Prüfungsparcours<br />
zum Thema Planetare Gesundheit.<br />
Foto: Szabó<br />
interdisziplinär. Das Konzept nimmt<br />
die gesellschaftlichen Bedingungen<br />
für Gesundheit wie auch die globalen<br />
Zusammenhänge in den Blick und<br />
ganz besonders die Öko-Systeme<br />
des Planeten, von denen unser Wohlergehen<br />
abhängt. Dr. Ute Teichert,<br />
Leiterin der Abteilung „Öffentliche<br />
Gesundheit“ des Bundesgesundheitsministeriums<br />
betonte: „Das Thema ist<br />
eng mit der Bevölkerungsgesundheit<br />
verbunden. Es ist uns ein gesundheitspolitisches<br />
Anliegen, zusammen mit<br />
den Fakultäten und dem öffentlichen<br />
Gesundheitsdienst das Gesundheitswesen<br />
insgesamt auf diese neuen<br />
Aufgaben vorzubereiten.“<br />
„Das Thema hat eine hohe Aktualität<br />
für die junge Generation an Medizinern.<br />
Planetary Health und die ärztliche<br />
Tätigkeit sind miteinander verbunden.<br />
Zum Beispiel sind aktive Mobilität<br />
wie Radfahren und pflanzenbasierte<br />
Ernährung nicht nur gut für den<br />
Planeten, sondern auch für unsere<br />
Gesundheit. Für diese Aspekte gilt es<br />
eine Sensibilität zu schaffen“, sagte<br />
Max-Johann Sturm, Medizinstudent der<br />
Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die<br />
Medizinische Fakultät in Jena hat diese<br />
Initiative von Anfang an unterstützt.<br />
„Die neue Ärztliche Approbationsordnung<br />
steht kurz bevor. Der OSCE wird<br />
in Zukunft zur universitären Pflichtprüfungsform,<br />
da hier der Transfer von<br />
Wissen in Handlungskompetenz geprüft<br />
wird“, so Prof. Dr. Ulf Teichgräber, Studiendekan<br />
der Medizinischen Fakultät.<br />
Eingebettet waren die ersten OSCE-<br />
Prüfungen zur Planetaren Gesundheit<br />
in ein interaktives Fachsymposium, um<br />
einen gemeinsamen Austausch zum<br />
Thema zu ermöglichen und Raum für<br />
die Entwicklung neuer Ideen zu lassen.<br />
„Der Wissenstransfer in die Gesellschaft<br />
ist eine unserer zentralen Aufgaben<br />
als medizinische Fakultät. Wir bilden<br />
die Ärztinnen und Ärzte von morgen<br />
aus und müssen sie entsprechend auf<br />
die Herausforderungen von morgen<br />
vorbereiten“, ergänzte Prof. Dr. Thomas<br />
Kamradt, Wissenschaftlicher Vorstand<br />
des Universitätsklinikums und Dekan<br />
der Medizinischen Fakultät.<br />
Uta von der Gönna/Theresa Wahl<br />
38 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
39
HINTER DEN KULISSEN<br />
HINTER DEN KULISSEN<br />
Den richtigen Ton treffen<br />
Angehende Ärzte lernen im Schauspielpatienten-<br />
Programm am UKJ auf Patienten einzugehen<br />
Weitere Informationen<br />
Ortsteilbürgermeister mit Sorge vor der<br />
Tigermücke, Patient mit der Diagnose<br />
Magenkrebs im Endstadium, älterer<br />
Herr mit Verdacht auf Demenz – Günter<br />
Platzdasch hat all das bereits durchlebt.<br />
Glücklicherweise nicht im wirklichen<br />
Leben. Der 70-Jährige ist Teil des<br />
Schauspielpatienten-Programms am<br />
UKJ, mit dem angehende Ärzte lernen,<br />
richtig auf Patienten einzugehen. Denn<br />
neben einer fachkundigen Diagnose<br />
ist es vor allem Einfühlungsvermögen,<br />
das sich die Patienten von ihrem Arzt<br />
wünschen. Den richtigen Ton zu treffen<br />
will jedoch geübt sein. Und genau diese<br />
Feinheiten der zwischenmenschlichen<br />
Kommunikation werden mit Hilfe von<br />
Schauspielpatienten wie Günter Platzdasch<br />
vermittelt und geschult.<br />
um Schauspielpatient zu werden,<br />
braucht es nicht. „Man muss kein<br />
ausgebildeter Schauspieler sein. Eine<br />
gewisse Kommunikationsfähigkeit ist<br />
jedoch von Vorteil“, sagt Dr. Swetlana<br />
Philipp, Koordinatorin des Schauspielpatienten-Programms<br />
am UKJ.<br />
Wer Interesse daran hat, Schauspielpatient<br />
zu werden, durchläuft<br />
zunächst ein einstündiges Casting.<br />
Ist der Bewerber geeignet, schließt<br />
sich ein Basisworkshop an. In diesem<br />
bekommen die künftigen Schauspielpatienten<br />
das nötige Rüstzeug für ihre<br />
bevorstehenden Aufgaben. In dem<br />
etwa vierstündigen Kurs werden neben<br />
schauspielerischen Grundlagen auch<br />
Schauspielpatient<br />
Günter Platzdasch<br />
im Gespräch mit<br />
Medizinstudierenden.<br />
Foto: UKJ<br />
zum Schauspielpatienten-Programm<br />
gibt es im Internet unter:<br />
www.uniklinikum-jena.de/mpsy/<br />
Simulationspersonenprogramm.de.<br />
Ansprechpartnerin zum Programm<br />
ist Psychologin Dr. Swetlana Philipp<br />
telefonisch unter 03641 9-398036<br />
oder per E-Mail an Swetlana.<br />
Philipp@med.uni-jena.de<br />
Das nächste Casting für Schauspielpatienten<br />
findet im Oktober statt.<br />
Eine Bewerbung ist jederzeit und ab<br />
18 Jahren möglich. Die Interessenten<br />
sollten zeitlich flexibel sein.<br />
Dazu schlüpfen die Schauspielpatienten,<br />
auch Simulationspersonen<br />
genannt, in verschiedenste Rollen – vom<br />
klassischen Anamnesegespräch bis<br />
hin zu Patienten mit Erektionsstörung<br />
oder Depression. Darbietungen, die<br />
mitunter einiges abverlangen. „Manche<br />
Rollen gehen einem näher als andere.<br />
Die Darstellung eines Patienten, der<br />
die Todesnachricht eines Angehörigen<br />
überbracht bekommt, ist die herausforderndste<br />
und intensivste“, erzählt<br />
Günter Platzdasch. Der 70-Jährige ist<br />
seit fünf Jahren Schauspielpatient. „Ich<br />
bin dem UKJ verbunden, habe schon an<br />
verschiedenen Studien teilgenommen.<br />
Dabei habe ich gemerkt, dass es nicht<br />
nur ein Dienst an der Wissenschaft ist,<br />
bei so etwas mitzumachen, sondern<br />
ich für mich auch etwas mitnehme.<br />
Daher fand ich auch die Sache mit den<br />
Schauspielpatienten interessant und<br />
habe mich beworben“, erinnert sich<br />
Günter Platzdasch, der früher als Jurist<br />
und Journalist tätig war und mit der<br />
Schauspielerei zuvor keinen Kontakt<br />
hatte. Besondere Voraussetzungen,<br />
Kommunikations- und Feedbacktechniken<br />
vermittelt. Diese sind besonders<br />
wichtig. Denn jedes Simulationsgespräch<br />
ist anders. Daher muss auch<br />
der Schauspielpatient flexibel sein,<br />
sich auf die Situation einlassen, um so<br />
passend auf den Medizinstudierenden<br />
eingehen und reagieren zu können.<br />
Wesentlich ist auch, eine konstruktive<br />
Rückmeldung nach dem Rollenspiel<br />
geben zu können. Immerhin erfahren<br />
die Studierenden dadurch, wie kompetent<br />
sie sich während des Gesprächs<br />
verhalten haben, wie einfühlsam sie<br />
auf ihr Gegenüber eingegangen sind<br />
und wie wohl sich der Patient gefühlt<br />
hat. „Ich sage immer zu den Schauspielpatienten:<br />
‚Ihr seid das Medium,<br />
mit dem Medizinstudierende etwas<br />
über sich selbst lernen‘“, fasst es Dr.<br />
Swetlana Philipp zusammen. Denn in<br />
den Gesprächen gehe es für die Studierenden<br />
darum, das im Studium erlernte<br />
Wissen anzuwenden, sich in einem<br />
geschützten Raum auszuprobieren,<br />
die Patientenperspektive zu verstehen<br />
und Reflexionsfähigkeit zu üben. Bei<br />
den Medizinstudierenden kommen<br />
die Rollenspiele jedenfalls an. „Ich<br />
erhalte viele positive Rückmeldungen“,<br />
berichtet Dr. Swetlana Philipp.<br />
Haben die Schauspielpatienten<br />
die Grundschulung durchlaufen,<br />
wird es langsam ernst. Sie erhalten<br />
ein Skript mit der darzustellenden<br />
Krankheitsgeschichte, üben ein letztes<br />
Mal in einem zweistündigen Rollentraining<br />
und dann geht es auch schon in die<br />
Interaktion mit den angehenden Ärzten.<br />
Günter Platzdasch hat in seinen Jahren<br />
als Schauspielpatient bereits viele<br />
Rollen übernommen, auch wiederkehrend.<br />
Langweilig wird es trotzdem nicht.<br />
„Man hat ja immer mit jemand anderen<br />
zu tun, dadurch entstehen jedes Mal<br />
wieder völlig neue Situationen“, so der<br />
70-Jährige, der deshalb auch weiterhin<br />
als Schauspielpatient aktiv bleiben will.<br />
Was ihm sonst noch daran gefällt? „Dass<br />
man eine besondere Selbsterfahrung<br />
macht und Seiten an sich entdeckt, die<br />
man vorher in seinem Leben so noch<br />
nicht kannte.“ Freude bereitet ihm auch<br />
einfach die Zusammenarbeit mit den<br />
jungen Menschen. „Es ist ein Erlebnis,<br />
die Medizinstudenten zu begleiten. Ich<br />
bin immer wieder positiv überrascht“,<br />
sagt er. Für Günter Platzdasch steht<br />
fest: „Diesbezüglich müssen wir uns um<br />
den Medizinernachwuchs keine Sorgen<br />
machen.“<br />
Theresa Wahl<br />
40 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
41
KURZ UND KNAPP<br />
Jenaer Medizinabsolventen verabschiedet<br />
Die Medizinische Fakultät Jena verabschiedete ihren Ärztenachwuchs ins Berufsleben. Foto: von der Gönna<br />
Eine Feierstunde am 7. Juli in der<br />
Aula bot den festlichen Rahmen für<br />
die Verabschiedung der Absolventen<br />
des Studienganges Humanmedizin<br />
an der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena. Insgesamt 257 junge Ärztinnen<br />
und Ärzte hatten in den Prüfungszeiträumen<br />
im vergangenen<br />
Herbst und in diesem Frühjahr ihr<br />
drittes Staatsexamen erfolgreich<br />
abschließen können. Etwa ein Drittel<br />
von ihnen nahm mit Angehörigen und<br />
Freunden an der Feier teil, die vom<br />
Studiendekanat der Medizinischen<br />
Fakultät organisiert wurde. Neben<br />
den Lehrenden der Fakultät gehörten<br />
auch Vertreter der akademischen<br />
Lehrkrankenhäuser zu den Gästen.<br />
In seiner Begrüßung unterstrich<br />
Focus Ärzteliste 20<strong>23</strong>: 54 Empfehlungen für UKJ<br />
Jenaer Uniklinikum steigert Weiterempfehlungen kontinuierlich<br />
Von Akutgeriatrie bis Unfallchirurgie: Die Mediziner des Universitätsklinikums<br />
Jena (UKJ) gehören zu Deutschlands Top-Medizinern.<br />
Das bestätigt die aktuelle Sonderausgabe des Magazins<br />
„Focus Gesundheit“ mit der Ärzteliste 20<strong>23</strong>. Im Vergleich zum<br />
Vorjahr konnte sich das Jenaer Uniklinikum erneut steigern und<br />
ist jetzt mit 54 Nennungen in der Liste vertreten. Die Jenaer<br />
Experten zählen nun auch in den Kategorien Depressionen, Gehörerkrankungen,<br />
Kopf-Hals-Tumoren, Nephrologie, Schlafmedizin,<br />
Schwindel und Suchterkrankungen zu den Ärzten in Deutschland<br />
mit herausragender Expertise und Behandlungsqualität. Damit<br />
bleibt das UKJ auch in diesem Jahr das Thüringer Klinikum mit<br />
den meisten Weiterempfehlungen. „Wir freuen uns sehr, dass<br />
wir unsere Empfehlungen nochmals steigern konnten“, so Prof.<br />
Dr. Otto W. Witte, Medizinischer Vorstand am UKJ. „Denn das<br />
zeugt nicht nur von der fachlichen Kompetenz unserer Mediziner,<br />
sondern auch von der Zufriedenheit unserer Patienten.“ (ac)<br />
der Dekan und Wissenschaftliche<br />
Vorstand des Universitätsklinikums<br />
Jena, Prof. Dr. Thomas Kamradt, dass<br />
nur die untrennbare Verbindung des<br />
Medizinstudiums mit der Forschung<br />
und der Patientenversorgung, wie<br />
sie in der Universitätsmedizin gelebt<br />
wird, eine zukunftsfähige Ausbildung<br />
der jungen Ärztinnen und Ärzte für<br />
Thüringen sicherstellen kann. (vdG)<br />
Neu bei den 54 Empfehlungen des UKJ: der Bereich<br />
Kopf-Hals-Tumoren. Patienten mit bösartigen<br />
Tumoren der Kopf-Hals-Region werden hier interdisziplinär<br />
versorgt, zum Beispiel mit passgenauen<br />
Implantaten zur Rekonstruktion von Knochen und<br />
Gewebe. Foto: Schroll<br />
Auszeichnung für<br />
Telemedizinisches Netzwerk<br />
Schöner Erfolg: Das WeCaRe-Bündnis des Uniklinikums<br />
Jena (UKJ) hat beim fünften Thüringer Digitalpreis<br />
des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Digitale Gesellschaft den mit 5000 Euro dotierten<br />
2. Platz erreicht. Beim WeCaRe-Bündnis handelt es<br />
sich um ein vom Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung gefördertes groß angelegtes Projekt, das<br />
sich einer ganzheitlichen Gesundheitsversorgung im<br />
ländlichen Raum mit innovativen digitalen Mitteln<br />
verschrieben hat. Im Mittelpunkt stehen Telemedizin<br />
und Sensorik – zusammengeführt zum Konzept der<br />
Intelligenten Sensorischen Telemedizin. „Wir freuen<br />
uns sehr über diese Auszeichnung, die uns darin<br />
bestärkt, dass wir mit WeCaRe auf dem richtigen Weg<br />
sind für die Gesundheitsversorgung der Zukunft in<br />
Thüringen“, so Bündniskoordinator und Direktor der<br />
Klinik für HNO am UKJ, Prof. Dr. Orlando Guntinas-<br />
Lichius bei der Preisverleihung in Erfurt. Einen besonderen<br />
Dank richtete er an die zahlreichen Partner, die<br />
im WeCaRe-Bündnis so vielfältige innovative eHealth-<br />
Lösungen entwickeln und genau dorthin bringen, wo<br />
sie dringend gebraucht werden – bei den Menschen in<br />
ländlichen Regionen. Mit dem Thüringer Digitalpreis<br />
werden neuartige digitale Geschäftsmodelle, Anwendungen,<br />
Produkte oder Open-Source-Lösungen von<br />
Unternehmen, Institutionen oder Privatpersonen<br />
ausgezeichnet.<br />
(ukj)<br />
Sandra Hillesheim, Koordinatorin WeCaRe-Agentur, und<br />
Prof. Orlando Guntinas-Lichius, Bündniskoordinator<br />
WeCaRe und Direktor der Klinik für HNO am UKJ bei der<br />
Preisverleihung des Thüringer Digitalpreises 20<strong>23</strong>.<br />
Foto: Mothes<br />
Buch Liebe<br />
Jenaer<br />
Universitätsbuchhandlung<br />
Thalia<br />
Neue Mitte Jena«<br />
Leutragraben 1 · 07743 Jena<br />
Tel. 03641 4546-0<br />
E-Mail: thalia.jenaneuemitte@thalia.de<br />
42 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
43
KURZ UND KNAPP<br />
KURZ UND KNAPP<br />
Medizinischer Fakultätentag in Jena<br />
Medizinische Fakultäten diskutieren Zukunftsweichen<br />
für Forschung, Lehre und Patientenversorgung<br />
Was ist das?<br />
Erkennen Sie, was auf diesem Foto<br />
zu sehen ist?<br />
Schreiben Sie uns Ihre Antwort (unbedingt<br />
mit Angabe Ihrer Postadresse) bis<br />
zum 15. November 20<strong>23</strong> an die Redaktion<br />
<strong>Klinikmagazin</strong>, Kastanienstraße 1,<br />
07747 Jena oder per Mail an presse@<br />
med.uni-jena.de. Unter den Einsendern<br />
mit der richtigen Antwort verlosen wir<br />
unter Ausschluss des Rechtswegs einen<br />
Büchergutschein im Wert von 40 Euro<br />
sowie drei Büchergutscheine im Wert<br />
von je zehn Euro, die von der Jenaer<br />
Universitätsbuchhandlung gesponsert<br />
werden.<br />
Auflösung<br />
In Heft 143 suchten wir:<br />
Duodenoskop<br />
Prof. Thomas Kamradt, Wissenschaftlicher Vorstand des UKJ, Thüringens Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee und Prof.<br />
Matthias Frosch, Präsident des MFT, (v.l) beim diesjährigen oMFT in Jena. Foto: UKJ/MFT<br />
Führungskräfte aus der Universitätsmedizin,<br />
Vertreter der Gesundheits-<br />
und Wissenschaftspolitik, der<br />
Wirtschaft, der Presse sowie Studierende<br />
kamen am 8. und 9. Juni in Jena<br />
zum Ordentlichen Medizinischen<br />
Fakultätentag (oMFT) zusammen, um<br />
die Gestaltung des Wandels in der<br />
Hochschulmedizin zu diskutieren.<br />
Eröffnet wurde der diesjährige<br />
oMFT durch den Thüringer Minister<br />
für Wirtschaft, Wissenschaft und<br />
Digitale Gesellschaft, Wolfgang<br />
Tiefensee, der betonte, welch hohe<br />
Priorität die Universitätsmedizin für<br />
das Land Thüringen habe. Im Zentrum<br />
der Diskussionen stand u.a. die<br />
Frage nach dem Verhältnis zwischen<br />
Zusammenarbeit und Wettbewerb in<br />
der Gesundheitsforschung. „Kooperation<br />
und Konkurrenz sind in der<br />
Forschung untrennbar miteinander<br />
verknüpft“, so Prof. Dr. Matthias<br />
Frosch, Präsident des Medizinischen<br />
Fakultätentages (MFT). „Kooperationsfähigkeit<br />
ist ein wichtiges<br />
Wettbewerbskriterium.“ Ein weiteres<br />
Schwerpunktthema war die Reform<br />
der Krankenhausstrukturen und<br />
-finanzierung sowie, damit einhergehend,<br />
die Weiterentwicklung des<br />
Medizinstudiums.<br />
Der Dekan der gastgebenden<br />
Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena und<br />
Wissenschaftliche Vorstand des<br />
Universitätsklinikums Jena, Prof.<br />
Dr. Thomas Kamradt, betonte: „Die<br />
Gespräche und Diskussionen dieses<br />
Fakultätentages machten erneut<br />
deutlich, welche zentrale Rolle die<br />
qualitätsgesicherte Weiterentwicklung<br />
des Medizinstudiums spielt.<br />
Durch unsere wissenschaftliche<br />
Tätigkeit als Universitätsmedizin<br />
in öffentlicher Trägerschaft sehen<br />
wir uns in Thüringen inhaltlich,<br />
methodisch und strukturell dafür<br />
gerüstet und nutzen den Raum für<br />
Innovationen in der Ausbildung, den<br />
wir schon heute haben.“ Seit 1913<br />
fungiert der oMFT als Forum für<br />
ergebnisorientierte Diskussionen<br />
im Bereich medizinische Forschung<br />
und Medizinstudium. (ukj)<br />
Gewinner des 40-Euro-Gutscheins:<br />
Cornelia Knauer<br />
Gewinner der 10-Euro-Gutscheine:<br />
Marcel Knappe, Silke Paul,<br />
Albrecht Hantsch<br />
Impressum<br />
Ausgabe: 3|20<strong>23</strong>, Nummer 144<br />
Herausgeber:<br />
V.i.S.d.P.:<br />
Redaktionsleitung:<br />
Redaktionsteam:<br />
Layout:<br />
Auflage:<br />
Kontakt:<br />
Universitätsklinikum Jena | Kastanienstraße 1 | 07747 Jena<br />
UKJ Förderverein | Am Klinikum 1 | 07747 Jena<br />
Annett Lott, Stabsstelle Unternehmenskommunikation<br />
Theresa Wahl<br />
Katrin Bogner (kbo), Anne Curth (ac),<br />
Dr. Uta von der Gönna (vdG), Kristina Holtzsch (kh),<br />
Annett Lott (ane), Theresa Wahl (tw)<br />
Klinisches Medienzentrum des Universitätsklinikums Jena<br />
5 000 Exemplare<br />
Foto: Hellmann<br />
03641 9-39 11 81, E-Mail: presse@med.uni-jena.de<br />
Wenn aus Gründen der besseren Lesbarkeit im Text die männliche Form gewählt<br />
wurde, beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter. Nachdruck<br />
von Inhalten nur mit Genehmigung der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums<br />
Jena (UKJ) gestattet.<br />
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03 | <strong>23</strong><br />
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TERMINE & KONTAKTE<br />
TERMINE & KONTAKTE<br />
Veranstaltungen Oktober bis Dezember 20<strong>23</strong><br />
Wegweiser für Patienten<br />
GEBURTSVORBEREITUNGSKURSE<br />
Der Kompaktpaarkurs zur Geburtsvorbereitung vermittelt die wesentlichen<br />
Abläufe und Informationen rund um die Geburt und möchte werdenden<br />
Eltern Sicherheit für die bevorstehende Geburt geben.<br />
Jeweils Dienstag: 17.00 bis 20.00 Uhr und Mittwoch: 16.00 bis 20.30 Uhr<br />
Die genauen Termine und Anmeldung unter:<br />
geburtsvorbereitung@med.uni-jena.de<br />
www.uniklinikum-jena.de/geburtsmedizin/Geburtsvorbereitungskurse.html<br />
WELT-<br />
DIABETESTAG<br />
WÖCHENTLICHE<br />
KREISSSAAL-<br />
FÜHRUNGEN:<br />
donnerstags um 18 Uhr<br />
Anmeldung auf der Homepage der<br />
Geburtsmedizin<br />
www.uniklinikum-jena.de/<br />
geburtsmedizin/<br />
2. INTERNATIONALER<br />
LONG-COVID-KONGRESS<br />
ZENTRALE<br />
RUFNUMMERN<br />
ZENTRALE KLINIKUM<br />
03641 9-300<br />
EMPFANG HAUPTEINGANG<br />
03641 9-32 08 50<br />
EMPFANG HAUS E<br />
03641 9-32 80 20<br />
KLINIK-<br />
SOZIALDIENST<br />
Beratung u.a. zu Anschlussheilbehandlung<br />
und Rehabilitation,<br />
häuslicher Krankenpflege, Pflegestufen,<br />
Schwerbehindertenausweis;<br />
pychosoziale Beratung<br />
KONTAKT:<br />
Yvonne Wiese (Leiterin)<br />
03641 9-32 02 91<br />
yvonne.wiese@med.uni-jena.de<br />
KLINIKSEEL-<br />
SORGE<br />
EVANGELISCHE KLINIKSEELSORGE:<br />
Pastorin Babet Lehmann<br />
0151 17 10 14 93<br />
Pastorin Ulrike Spengler<br />
0151 17 10 14 94<br />
KATHOLISCHE KLINIKSEELSORGE:<br />
Pfarrer Michael Ipolt<br />
0151 17 10 54 60<br />
Gemeindereferent<br />
Dominik Gehringer<br />
015<strong>23</strong> 21 87 679<br />
Am 14. November ist der Weltdiabetestag. Zu einer<br />
Veranstaltung lädt an diesem Tag die Klinik für Innere<br />
Medizin III von 16 bis 18 Uhr ins Universitätsklinikum<br />
Jena ein. Schwerpunktthemen werden die Diabetestechnologie,<br />
Diabetes und Mundgesundheit sowie Demenz<br />
sein. Außerdem findet ein gemeinsames Kochen mit<br />
praktischen Tipps für den Alltag statt.<br />
Wann? 14. November 20<strong>23</strong>, 16 bis 18 Uhr<br />
Universitätsklinikum Jena<br />
Wo? 16 bis 17 Uhr Hörsaal 3<br />
17 bis 18 Uhr Gebäude A3, Ebene U1,<br />
Klinik für Innere Medizin III, FB Endokrinologie<br />
und Stoffwechselerkrankungen<br />
Ansprechpartnerin<br />
Dr. rer.nat. Nadine Kuniß<br />
Den 2. Internationalen Long-Covid-Kongress richtet das<br />
Universitätsklinikum Jena vom 24. bis 25. November<br />
20<strong>23</strong> im Volkshaus Jena aus. Die Veranstaltung findet<br />
in Kooperation mit dem Ärzte- und Ärztinnenverband<br />
Long Covid, dem Standort Mitteldeutschland des Deutschen<br />
Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), der<br />
Sepsis Stiftung sowie der Global Sepsis Alliance statt.<br />
Neben Updates zu Pathomechanismen, evidenzbasierten<br />
Therapieansätzen sowie entzündungsassoziierten Folgeerkrankungen<br />
werden die Teilhabe der Betroffenen in<br />
den Lebenswelten, die sozialen und ökonomischen<br />
Dimensionen und die Auswirkungen für die Arbeitswelt<br />
die großen Fokusthemen des Kongresses sein.<br />
Weitere Informationen gibt es im Internet unter<br />
www.long-covid-kongress.de<br />
FÖRDERVEREIN<br />
WIR FÖRDERN PROJEKTE<br />
für Patienten und Mitarbeiter – in<br />
Forschung und Lehre – zur Vernetzung<br />
und Öffentlichkeitsarbeit<br />
SPENDENKONTO:<br />
Sparkasse Jena-Saale-Holzland<br />
IBAN: DE89830530300000028010<br />
BIC: HELADEF1JEN<br />
VORSITZENDER:<br />
PD Dr. Dr. Michael Kiehntopf<br />
foerderverein@med.uni-jena.de<br />
03641 9-32 50 01<br />
BESUCHS-<br />
DIENST DER<br />
KLINIKSEELSORGE<br />
Die ehrenamtlich Tätigen nehmen<br />
sich Zeit zum Zuhören, Plaudern,<br />
Spielen, Vorlesen & erledigen<br />
kleine Besorgungen.<br />
KONTAKT:<br />
Babet Lehmann<br />
0151 17 10 14 93<br />
PATIENTENBEFRAGUNG<br />
AUF ELEKTRONISCHEM WEG<br />
JENAER<br />
ABENDVORLESUNG<br />
EINKAUFS-<br />
MÖGLICHKEITEN<br />
KLINISCHES ETHIKKOMITEE<br />
Um die Zufriedenheit von Patienten einschätzen zu<br />
können und um Anregungen für Verbesserungen zu<br />
erhalten, stellen Befragungen von Patienten ein wichtiges<br />
Instrument dar. Dass diese Befragungen regelmäßig<br />
und mit Hilfe eines geeigneten Fragebogens stattfinden,<br />
ist für Kliniken gesetzlich vorgeschrieben. Um das Procedere<br />
am UKJ zu optimieren, wurde ein neuer Erfassungsbogen<br />
für die Rückmeldungen von Patienten erstellt.<br />
Über diesen QR-Code können Sie den Bogen mit Hilfe<br />
Ihres Mobiltelefons aufrufen, ausfüllen und absenden.<br />
25.10.20<strong>23</strong>:<br />
Antibiotika – Das einstige<br />
Wundermittel unter der Lupe<br />
29.11.20<strong>23</strong>:<br />
Quälende Beinschmerzen:<br />
Die Schaufensterkrankheit<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.uniklinikum-jena.de/<br />
abendvorlesung<br />
IMBISS UND SHOP<br />
Montag bis Freitag:<br />
8.00 – 18.00 Uhr<br />
Samstag:<br />
9.00 – 12.30 Uhr & 13.00 – 17.00 Uhr<br />
Sonntag und Feiertage:<br />
13.00 – 18.00 Uhr<br />
03641 22 62 95<br />
Beratung und Hilfestellung für Patienten, Angehörige und medizinisches<br />
Personal bei ethischen Konflikten in Therapie und Pflege<br />
KONTAKT:<br />
Dr. Ulrike Skorsetz<br />
(Leiterin Geschäftsstelle)<br />
03641 9-33 775<br />
0151 16 35 93 41<br />
ulrike.skorsetz@med.uni-jena.de<br />
46 03 | <strong>23</strong> 03 | <strong>23</strong><br />
47
Ausbildung, Studium & mehr<br />
Deine Zukunft startet hier!<br />
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Mit über 20 Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten bietet das Universitätsklinikum Jena zahlreiche<br />
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