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EINST AN DER WEINSTRASSE<br />
Ein¾ an der<br />
Wein¾raße<br />
Gotthard Andergassen<br />
NICHT MEHR DEUTSCH BEICHTEN<br />
Salurn, 13. <strong>November</strong> 1923 - Gestern war der erste<br />
Schultag. Als die Kinder mittags heimkamen und gefragt<br />
wurden, was sie gelernt haben, war die Antwort<br />
eines Mädchens der letzten Schuljahre: „Uns ist gesagt<br />
worden, wir dürfen nicht mehr deutsch beten und auch<br />
nicht mehr deutsch beichten. Ist das wirklich wahr, dass<br />
jetzt auch der Herrgott nicht mehr deutsch versteht?“<br />
Volksbote vom 15.11.1923<br />
ˆ<br />
- Sind Sie gegen unsittliche Stücke, Herr Direktor?<br />
- Gewiss! Unsittlichkeit gehört nicht auf die Bühne, sondern<br />
ins praktische Leben.<br />
Quelle: Wochenschrift „<strong>Die</strong> Bombe“ vom 01.03.1921<br />
ZÜNDHÖLZER RAR<br />
Bozen, 19. <strong>November</strong> 1923 - Gegenwärtig herrscht in<br />
Bozen großer Mangel an Zündhölzern, sowohl schwedischen<br />
als auch Schwefelhölzer. Etwas muss alleweil<br />
sein, bald gehen verschiedene Serien von Briefmarken<br />
aus, dann wieder mangelt es an Kleingeld und jetzt sind<br />
halt auch die Zündhölzer rar.<br />
Volksbote vom 22.11.1923<br />
DON ZANONI ATTACKIERT VORBETERIN<br />
Salurn, 4. <strong>November</strong> 1923 - Bei der Allerseelenprozession<br />
ereignete sich heute ein aufsehenerregender<br />
Zwischenfall. Hinter der Geistlichkeit marschierte der<br />
Frauenbund mit seiner Fahne. <strong>Die</strong> Vorbeterin betete,<br />
wie immer bisher, in ihrer Muttersprache, also deutsch,<br />
vor. <strong>Die</strong> Frauen beteten deutsch nach. Da wandte sich<br />
der erst vor Jahresfrist in unser Dorf gekommene italienische<br />
Geistliche Don Zanoni plötzlich um, trat<br />
vor die Vorbeterin und verbot ihr, deutsch zu beten.<br />
<strong>Die</strong> Frau antwortete, sie bete, wie sie könne. Darauf<br />
attackierte der Geistliche die Frau und zerrte sie mit<br />
Gewalt aus der Reihe. Entsetzt über dieses Vorgehen,<br />
ergriffen die Frauen Partei für ihre Mitschwester. <strong>Die</strong><br />
Präsidentin zog das Banner ein und verließ mit den<br />
Frauen die Prozession.<br />
Volksblatt vom 07.11.1923<br />
KEIN DEUTSCH IM RELIGIONSUNTERRICHT<br />
Vor 100 Jahren - Mit Dekret vom 13. <strong>November</strong><br />
1923 hat das Schulamt in Trient verboten, dass den<br />
kleinen Kindern der Religionsunterricht weiterhin in<br />
ihrer Muttersprache erteilt werden darf. So soll selbst<br />
die innere Aussprache des armen Menschenherzens<br />
mit seinem Gott in seiner Muttersprache nunmehr<br />
polizeilich geahndet werden. Wahnsinnig! Seit Nero<br />
und Diokletian das Christentum mit blutigem Schwert<br />
ausrotten wollten, dürfte eine solche Einmischung in<br />
die heiligsten Menschenrechte wohl kaum in der Geschichte<br />
zu finden sein.<br />
Volksblatt vom 28.11.1923<br />
REINE AUSBEUTEREI<br />
Überetsch, 18. August 1920 - Eine Ausbeutung der<br />
Arbeiter und Arbeiterinnen, wie sie von den Großgrundbesitzern<br />
hier betrieben wird, dürfte man wohl<br />
nirgends in ähnlichem Maße finden. So zahlen zum<br />
Beispiel die Großgrundbesitzer ihren <strong>Die</strong>nstmädchen<br />
1 Lira samt Verpflegung pro Tag, den Feldarbeiterinnen<br />
4 Lire ohne Verpflegung und den Arbeitern 8 Lire ohne<br />
Verpflegung. Wie sich diese christlichen Herrschaften<br />
ein Auskommen der kinderreichen Familien mit solchen<br />
Schundlöhnen vorstellen, weiß man nicht.<br />
Volksrecht vom 18.08.1920<br />
54 // NOVEMBER <strong>2023</strong>