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XPLR Magazin 04/2023

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Q & A<br />

MARKETTE<br />

Q & A<br />

WIE VERÄNDERT KI DAS THEATER?<br />

Beim Staatstheater Augsburg und seiner Digitalsparte halten KI-gestützte Inszenierungen<br />

schon Einzug. Tina Lorenz, Leiterin des Digitaltheaters, erzählt, wie sie KI einsetzt.<br />

Wie wirken sich die aktuellen technologischen<br />

Trends auf den Kulturbereich<br />

aus?<br />

KI ist heute das große Thema. Der<br />

Hype um Blockchain und NFTs hat<br />

dagegen abgenommen. Die Herangehensweise,<br />

wie mit Technologie<br />

im Betrieb gearbeitet wird, hat sich<br />

geändert: So sind Angebote wie<br />

Livestreams, die wir in den letzten<br />

Jahren erschaffen haben, kein bloßes<br />

Pandemiephänomen geblieben<br />

und sind heute immer noch gefragt.<br />

Dazu kommt, dass viele Kulturbetriebe<br />

sich auch inhaltlich mit technologischen<br />

Entwicklungen auseinandersetzen.<br />

Und zwar nicht, weil es<br />

hip ist, sondern weil es wirklich ein<br />

gesellschaftliches Thema ist.<br />

Stichwort KI – wie gehen das<br />

Staatstheater Augsburg und<br />

das Digitaltheater mit KI um?<br />

Zum einen ganz utilitaristisch.<br />

Wir nutzen KI als Tool<br />

in unserem Betrieb – zum<br />

Beispiel beim Kürzen von<br />

allen möglichen Textarten.<br />

Aber wir gehen damit auch<br />

künstlerisch um, weil wir der<br />

Meinung sind: Um überhaupt<br />

in der Lage zu sein, Kritik<br />

zu äußern, müssen wir uns damit<br />

sehr genau auseinandersetzen.<br />

Das haben wir zum Beispiel beim<br />

Brechtfestival gemacht. Wir hatten<br />

den Brecht-Bot, eine auf Bertolt<br />

Brecht getrimmte KI auf Basis von<br />

GPT-3, mit dem wir gemeinsam<br />

Theaterstücke geschrieben haben.<br />

Die Resonanz war sehr positiv und<br />

es war ein Riesenspaß.<br />

Wo liegen die Chancen von KI für<br />

Ihr Theater und allgemein für das<br />

Theater?<br />

Vor allem in Verwaltungsprozessen<br />

des Betriebs sowie bei der Besucher:innen-Forschung.<br />

Hier wird<br />

noch so viel manuell erledigt. Mit<br />

KI kann ich effizienter arbeiten und<br />

meine Besucher:innen und ihre<br />

Vorlieben besser kennenlernen. Der<br />

Einsatz kann auch künstlerische<br />

Arbeitsabläufe erleichtern: Die KI<br />

nimmt Aufgaben ab und betreibt<br />

so Mitarbeiter:innen-Fürsorge. So<br />

entlastet man zum Beispiel Dramaturg:innen,<br />

die so mehr Zeit für die<br />

Textbearbeitung bekommen.<br />

Und wo sehen Sie Risiken?<br />

Am Theater gibt es nicht so viele Risiken,<br />

aber eines darf nicht passieren:<br />

Die menschliche Kuration darf nicht<br />

unter die Räder kommen. Eine KI<br />

als Large Language Model braucht<br />

immer Prompts, muss immer begleitet<br />

werden und braucht immer<br />

menschliche Kuration.<br />

FOTOS: JAN-PIETER FUHR, MAGNUS GLANS, LISA HINDER<br />

Wie genau kommt das KI-Tool ChatGPT<br />

bei gutefrage.net zum Einsatz?<br />

Seit Anfang des Jahres nutzen wir als<br />

Test in ausgewählten Themenwelten<br />

das GPT-3-Modell Davinci zur Beantwortung<br />

von Fragen, auf die es nach<br />

zwölf Stunden noch keine Antwort aus<br />

der Community gegeben hat. Dies ist<br />

bei etwa sechs Prozent aller User:innen-Fragen<br />

der Fall. Dabei werden alle<br />

durch das Sprachmodell gegebenen<br />

Antworten entsprechend gekennzeichnet.<br />

Die Antworten kommen von<br />

einem Account namens „brAIny“.<br />

WIE ARBEITET<br />

DER BR MIT KI?<br />

Uli Köppen ist Leiterin des AI + Automation<br />

Lab im Bayerischen Rundfunk. Das<br />

interdisziplinäre Team ist die Schnittstelle<br />

von Journalismus, Informatik und<br />

Produktentwicklung. KI und Automatisierung<br />

werden hier täglich für nutzerzentrierten<br />

Journalismus eingesetzt.<br />

WER BEANTWORTET DIE<br />

FRAGEN AUF „GUTEFRAGE.NET“?<br />

Die Frage-Antwort-Plattform gutefrage.net nutzt KI zur Moderation der<br />

Community-Beiträge. Neuerdings ist zudem ChatGPT im Einsatz, um<br />

Fragen der User:innen zu beantworten. Philipp Graf Montgelas steuert<br />

als CEO die Plattform seit Anfang 2021.<br />

KI-Bots wie ChatGPT beantworten<br />

heute jede Frage in Sekundenschnelle<br />

in einem einzigen Thread. Braucht es<br />

überhaupt noch ein Portal wie gute-<br />

frage.net?<br />

Wir bieten unseren User:innen den<br />

Austausch zu spannenden und<br />

aktuellen Themen, da geht es oft um<br />

persönliche Meinungen. Und unsere<br />

neuen Sub-Communitys sind von<br />

Dialogen geprägt – Meinungsvielfalt<br />

ist hier ein wichtiges Stichwort. Im<br />

Gegensatz zu den Wissensfragen, die<br />

KI beantworten kann, braucht es hier<br />

eine menschliche Komponente.<br />

Sie haben Anfang 2020 das AI + Automation<br />

Lab im BR gegründet, drei Jahre<br />

später kommt der KI-Boom. Hat die<br />

aktuelle Dynamik Auswirkungen auf<br />

Ihre tägliche Arbeit?<br />

Natürlich – das merken wir stark.<br />

Einerseits macht der Boom um KI die<br />

Zusammenarbeit mit vielen Redaktionen<br />

und Journalist:innen einfacher,<br />

weil wir unsere Arbeit weniger erklären<br />

müssen. Jetzt, wo jede:r selbst Erfahrungen<br />

mit KI machen kann, haben<br />

viele eine bessere Vorstellung von<br />

dem, was wir tun. Andererseits kommen<br />

durch generative KI auch viele<br />

Missverständnisse ins Spiel. Häufig<br />

ist die Rede von falschen Fakten, die<br />

durch KI entstehen – das kann stimmen<br />

bei Tools wie ChatGPT, aber nicht<br />

bei jeder Form der Automatisierung.<br />

Die Wahl des Tools hängt immer vom<br />

Use Case ab.<br />

Woran arbeiten Sie langfristig im AI +<br />

Automation Lab?<br />

Wir arbeiten an zwei großen Fragen:<br />

Wie können wir unsere Workflows<br />

Als eines der größten deutschen Online-Portale<br />

ist gutefrage.net auch von<br />

Hass und Hetze im Netz betroffen. Wie<br />

hilft die künstliche Intelligenz beim Aufspüren<br />

von digitaler Kriminalität?<br />

Wir nutzen dafür eine Vier-Säulen-Strategie.<br />

Diese besteht aus der<br />

Meldung kritischer Inhalte durch<br />

unsere Nutzer:innen, der Prüfung<br />

durch bezahlte Moderator:innen sowie<br />

User-Moderator:innen. KI unterstützt<br />

die menschliche Prüfung durch eine<br />

Pre-Moderation, die seit 2019 zum Einsatz<br />

kommt. Sie filtert direkt Hass- und<br />

Hetz-Kommentare heraus, die gegen<br />

unsere Richtlinien verstoßen.<br />

und Prozesse verbessern? Und<br />

welche journalistischen Produkte<br />

können wir basierend auf diesen<br />

Workflows entwickeln? Außerdem<br />

laufen parallel investigative Recherchen<br />

zu Algorithmen und Daten, die<br />

meist mittel- bis langfristig sind.<br />

Haben Sie Beispiele?<br />

Wir entwickeln mithilfe von Sprachmodellen<br />

neue Textservices für Journalist:innen.<br />

Diese Services können<br />

zum Beispiel Zusammenfassungen<br />

erstellen oder User:innen-Kommentare<br />

herausfiltern. Außerdem entwickeln<br />

wir automatisierte Formen, um<br />

unseren Content auszuspielen – zum<br />

Beispiel personalisierte Audioformate.<br />

Und wir arbeiten an größeren<br />

Recherchen zu Algorithmen, etwa<br />

zu KI-Recruiting-Systemen oder<br />

KI-Trainingsdaten. Dazu haben wir<br />

ein Whitepaper veröffentlicht, in dem<br />

man unsere Recherchemethoden<br />

nachvollziehen kann.<br />

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