160 Zeichen Literatur - Freitagsspiel
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Glas hinunterglitten. Und die Geräte bebten vor Wirklichkeit<br />
statt mit Vibrationsalarm, der heute das Eintreffen eines neuen<br />
Anrufs signalisiert, ganz diskret sozusagen von Mobiltelefon<br />
zu Mensch. Wenn Kurznachrichten von Mensch zu Mensch<br />
über GSM-Netze übertragen werden, heißt es wieder: „Fasse<br />
Dich kurz“.<br />
<strong>160</strong> <strong>Zeichen</strong> sind der Standard des Short Message Service,<br />
kurz SMS. Diese zwischenmenschliche Kommunikation erfordert<br />
Fingerspitzengefühl, nicht nur, da die Textlänge äußerst<br />
knapp bemessen ist, sondern auch, da das Eingabemedium<br />
Geschicklichkeit voraussetzt. Immerhin dient in der originären<br />
Form der Neunerblock der numerischen Tastatur der<br />
Darstellung des gesamten Alphabets. Dass hierfür Drei- und<br />
Vierfachbelegungen nötig sind, verstehen selbst Zeitgenossen,<br />
die niemals beabsichtigten, maschinenschreiberische Fertigkeiten<br />
auf numerischen Tastenfeldern zu entwickeln.<br />
Wem es widerstrebt, fürs C dreimal A zu sagen, also 222 zu<br />
drücken, und das Z über 9999 zu erhalten, dem stehen vielfältige<br />
Hilfsmittel für das Schreiben und Versenden von Kurznachrichten<br />
zur Verfügung – von der Softwarelösung der automatischen<br />
Worterkennung (z.B. T9) über das Minikeyboard, das sich als<br />
Tastatur en miniature unter das Handy rasten lässt, bis zu Eingabe<br />
und Versand der Kurznachrichten via Internet. Die Zahl der<br />
maximalen Anschläge indes bleibt gleich: <strong>160</strong> <strong>Zeichen</strong>.<br />
In diesem engen Rahmen bewegen sich alle Texte, die beim<br />
<strong>Literatur</strong>wettbewerb des Uzzi ®Verlags eingereicht wurden, immerhin<br />
8.215. Auch wenn nicht jeder der Autoren seinen Text zuvor<br />
am Handy erprobt hat – was den Ergebnissen anzumerken war<br />
– und sich manche kurze Nachricht kaum oder gar nicht dafür<br />
eignet, im GSM-Netz versandt zu werden, so zeugt das Ergebnis<br />
doch von wortreicher Kreativität und neuer sprachlicher Qualität.<br />
Augenfällig im Vordergrund stehen hierbei die erstaunlich seltenen<br />
Texte, die die neue Schriftlichkeit des Mediums selbst in<br />
den Mittelpunkt stellen. Dass hierbei nicht jedes Elaborat ein<br />
literarischer Glücksgriff ist, gründet nicht zuletzt darauf, dass<br />
der Autor gewohnte Sprachpfade verlassen muss, nicht aber die<br />
Assoziationsfelder seiner Leser außer Acht lassen darf. Der schmale<br />
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