160 Zeichen Literatur - Freitagsspiel
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Geschichte, bei der kein Wort fehlt. In der beinahe simpel anmutenden<br />
Wiedergabe des Handlungsstranges und der abschließenden<br />
Bewertung vermitteln sich Sachverhalt, Geschichte und Emotion<br />
aussagestark und passend zum Medium, dessen nüchterne Kälte<br />
als tragendes Medium der Nachricht fungieren kann.<br />
Ein Glücksfall, der in seiner dichterischen Intensität auch<br />
in diesem Wettbewerb einzig war. Wer die drei Bücher zu den<br />
Kategorien <strong>Literatur</strong>, Liebe und Spass liest, in denen der Uzzi ®Verlag<br />
das Ergebnis des Wettbewerbs dokumentiert, findet viele Texte, die<br />
an die Graffitis der 70er Jahre erinnern. Sie machen Vergnügen,<br />
regen zum Nachdenken an und haben durchaus literarische<br />
Qualitäten. Vieles ist eine Bestandsaufnahme, ein Schnappschuss<br />
einer Kommunikationssituation. Und hier lassen sich denn<br />
auch deutliche Unterschiede zur Wand- und Plakatliteratur –<br />
ob gedruckt, gesprüht oder einfach geschrieben – erkennen:<br />
Während sich Graffitis an Passanten wenden, adressieren Texte<br />
im SMS-Stil den Einzelnen. Im Gegensatz zu Graffitis bedienen<br />
sie sich nicht der Öffentlichkeit und lassen sich nicht en passant<br />
aufnehmen. Elektronische Kurznachrichten versuchen den<br />
Empfänger in seiner Privatsphäre zu erreichen, und – gleichgültig<br />
ob hierin ein Moment der Absicht zu erkennen ist oder das<br />
Medium es einfach vorgibt – sie konzentrieren seinen Blick,<br />
bevor er sie aufnehmen kann. Graffitis hingegen werden allein<br />
schon durchs Schweifen des Blickes wahrgenommen.<br />
Doch für noch eine Bestandsaufnahme sind die vorliegenden<br />
Texte ein schönes Reservoir: Sie zeigen, wer Lyrik und Prosa und<br />
die unspezifizierten Übergänge von Graffiti bis SMS prägte. Immer<br />
wieder stößt der aufmerksame Leser auf Texte Gernhardt’scher<br />
Tradition. Sicherlich ist bei aller Wertschätzung, die Robert<br />
Gernhardt, aber auch F.W. Bernstein und Friedrich Karl Waechter<br />
bislang erfahren haben, noch längst nicht gewürdigt, welche<br />
Weichenstellungen für die <strong>Literatur</strong>rezeption und Produktion<br />
des 21. Jahrhunderts ihre „Besternte Ernte“ und die Folgen<br />
hatten. Hierfür stehen nicht nur Texte wie das Rosinen- und das<br />
Sockengedicht, beides Preisträger in der Kategorie Spass.<br />
An anderer Stelle zeigt sich wiederum, wie stark das poetische<br />
Werk von Ernst Jandl in den Sprachgebrauch des moder-<br />
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