<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> <strong>machen</strong> – ein Potenzial der Stadtentwicklung? Sonja Broy, Thomas Kuder 6
<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> verfügen in der Regel über einen gewissen Bedeutungsüberschuss beziehungsweise einen geistigen Mehrwert, der sich nicht allein aus einem physischen Ort und dessen Gestalt ergibt. Vielmehr berichtet der Ort indirekt über Geschichten, Ereignisse und immaterielle Mehrwerte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden können und für die ein solcher Ort symbolisch steht. So war zum Beispiel das Brandenburger Tor, um ein einfaches und besonders anschauliches Beispiel zu nennen, einst ein Stadttor von vielen in Berlin, später Symbol der deutsch-deutschen Teilung, und ist heute das herausragende Symbol des Falles der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands. <strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> sind in der Regel auch mit einem bestimmten Maß an kollektiver Identität verbunden, da der symbolische Gehalt des <strong>Orte</strong>s von vielen geteilt wird. Als wenig erschlossene Potenziale gewinnen symbolische <strong>Orte</strong> in Fragen der strategischen Stadtentwicklung seit vielen Jahren an Bedeutung, wodurch das »<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> <strong>machen</strong>« verstärkt in den Fokus rückt. Ging das »Machen« anfangs häufig auf politische und administrative Bestrebungen zurück, sind es heute verstärkt bürgerschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure, die sich um gehaltvolle symbolische <strong>Orte</strong> bemühen. Der Bedeutungsgewinn gilt insbesondere im Kontext von stagnierenden, schrumpfenden sowie städtebaulich oder sozial benachteiligten Quartieren und Städten. <strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> und damit verknüpfte Identitätsentwürfe, die aktiv im Sinne eines Gemeinwohls gefördert werden können, lassen dort auf positive Impulse und Effekte für die Stadtentwicklung hoffen, so zum Beispiel im sozial benachteiligten Stadtteil Schalke in Gelsenkirchen, wo als Beitrag zur Quartiersentwicklung das Eingangsportal der berühmt-berüchtigten Glückauf-Kampfbahn neu errichtet oder die Umnutzung ehemaliger Kirchengebäude angedacht wurde. Ein weiteres Beispiel gibt es in der Stadt Essen, wo die ehemalige Zeche Carl, ein kulturell und historisch wertvolles Ensemble und Baudenkmal, erhalten wurde und dauerhaft für vielfältige Stadtentwicklungsprojekte genutzt wird. Die benannten Beispiele in Gelsenkirchen und Essen haben Herausgeberin und Herausgeber dazu motiviert, sich dem Thema »<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> <strong>machen</strong>« anzunehmen, die diesbezüglichen Reflexionen zahlreicher renommierter Autorinnen und Autoren aus dem In- und Ausland einzuholen und in einem Sammelband zu veröffentlichen. Dabei sollte der Frage nachgegangen werden, welche Merkmale symbolische <strong>Orte</strong> im Kontext kollektiver Identitätsentwürfe auszeichnen, wie sie funktionieren, welchen Anforderungen sie unterliegen, welche Potenziale sie mit Blick auf die integrierte, nachhaltige Quartiers- und Stadtentwicklung aufweisen und nicht zuletzt, auf welche Hemmnisse und an welche Grenzen sie stoßen können. Die Perspektiven reichen dabei von den mitunter fragwürdigen »Top-down«- bis zu den vielfältigen, oft unterschätzten »Bottom-up«-Potenzialen. Sie reichen von persönlichen Erinnerungsorten über unliebsame und schwer zu bändigende <strong>Orte</strong> bis hin zu gesellschaftlich fragwürdigen oder unerwünschten, meist historisch belasteten Symbolorten. 7