Symbolische Orte machen
ISBN 978-3-98612-039-9
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<strong>Symbolische</strong><br />
<strong>Orte</strong> <strong>machen</strong><br />
Ein Potenzial der Stadtentwicklung<br />
Herausgegeben von<br />
Sonja Broy und Thomas Kuder<br />
für den<br />
vhw – Bundesverband für Wohnen<br />
und Stadtentwicklung e. V.
Vorwort6<br />
Sonja Broy, Thomas Kuder<br />
Bernhard und Molli – ein Seitenblick auf gefühlvolle <strong>Orte</strong> 10<br />
Peter Köddermann<br />
Teil 1<br />
»<strong>Orte</strong> <strong>machen</strong>« und »<strong>Orte</strong> nicht <strong>machen</strong>«<br />
<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> <strong>machen</strong> – ein Potenzial der Stadtentwicklung 18<br />
Thomas Kuder<br />
Die Turmuhr schlägt wieder – Partizipation und Integration 30<br />
am Hauptbahnhof Oberhausen<br />
Sonja Broy<br />
Ressource Industriekultur – Zeche Carl in Essen-Altenessen 42<br />
Klaus Wermker<br />
Unsichtbarmachung des Anderen? Das langjährige Ringen um 56<br />
einen symbolischen Erinnerungsort in Essen<br />
Alfons Kenkmann<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft<br />
Von der IBA Emscher Park bis zu Kirchenräumen – 72<br />
industriekulturelle Entwicklung im Spannungsfeld<br />
des Denkmalschutzes<br />
Achim Pfeiffer<br />
Manchester Means Business? Stadtentwicklung zwischen 78<br />
kreativer Aneignung und ökonomischer Inwertsetzung<br />
des industriellen Erbes<br />
Christine Schoenmakers<br />
Kassel: Das Ringen um die Weiterentwicklung der 92<br />
wiederaufgebauten Stadt als Ausgangspunkt für<br />
baukulturelles Handeln<br />
Uwe Altrock<br />
Das Berliner Olympiagelände: Politische Topografie und 116<br />
Konjunkturen der Erinnerung im geteilten und vereinten Berlin<br />
Jutta Braun
Teil 3<br />
Potenziale<br />
Der Leerstand als Projektionsfläche für Träume über und 136<br />
Verzweiflung an der Stadtentwicklung<br />
Oliver Hasemann<br />
Fußball findet Stadt: Potenziale von Bolzplatz und Stadion für 146<br />
die Stadt- und Quartiersentwicklung<br />
Sonja Broy, Kathleen und Mike Tyldesley, Jill Howitt<br />
Eleanor Rigby: Zur mitunter bemerkenswerten sozialen 170<br />
Konstruktion symbolischer <strong>Orte</strong><br />
Thomas Kuder<br />
Von Homebaked zu Kitty’s Launderette – Quartiersentwicklung 186<br />
über symbolische <strong>Orte</strong> im Norden Liverpools<br />
Sonja Broy<br />
Touristische Potenziale: Das Interesse am Authentischen. 202<br />
Eine Fallstudie über den Brunnenmarkt in Wien<br />
Sandra Guinand, Claudia Bauer-Krösbacher<br />
Der Navarinou Park in Exarcheia (Athen): Ein symbolischer Ort? 218<br />
Charikleia Kazantzidou<br />
Teil 4<br />
Lessons Learned – ein Praxistest<br />
Lessons Learned: <strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> gestalten<br />
Sonja Broy232<br />
Biografien252<br />
Impressum256
<strong>Symbolische</strong><br />
<strong>Orte</strong> <strong>machen</strong> –<br />
ein Potenzial der<br />
Stadtentwicklung?<br />
Sonja Broy, Thomas Kuder<br />
6
<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> verfügen in der Regel über einen gewissen Bedeutungsüberschuss<br />
beziehungsweise einen geistigen Mehrwert, der sich<br />
nicht allein aus einem physischen Ort und dessen Gestalt ergibt. Vielmehr<br />
berichtet der Ort indirekt über Geschichten, Ereignisse und<br />
immaterielle Mehrwerte, die mit ihm in Verbindung gebracht werden<br />
können und für die ein solcher Ort symbolisch steht. So war zum Beispiel<br />
das Brandenburger Tor, um ein einfaches und besonders anschauliches<br />
Beispiel zu nennen, einst ein Stadttor von vielen in Berlin, später Symbol<br />
der deutsch-deutschen Teilung, und ist heute das herausragende Symbol<br />
des Falles der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands.<br />
<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> sind in der Regel auch mit einem bestimmten Maß an<br />
kollektiver Identität verbunden, da der symbolische Gehalt des <strong>Orte</strong>s von<br />
vielen geteilt wird. Als wenig erschlossene Potenziale gewinnen symbolische<br />
<strong>Orte</strong> in Fragen der strategischen Stadtentwicklung seit vielen Jahren<br />
an Bedeutung, wodurch das »<strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> <strong>machen</strong>« verstärkt in den<br />
Fokus rückt. Ging das »Machen« anfangs häufig auf politische und<br />
administrative Bestrebungen zurück, sind es heute verstärkt bürgerschaftliche<br />
und zivilgesellschaftliche Akteure, die sich um gehaltvolle<br />
symbolische <strong>Orte</strong> bemühen.<br />
Der Bedeutungsgewinn gilt insbesondere im Kontext von stagnierenden,<br />
schrumpfenden sowie städtebaulich oder sozial benachteiligten Quartieren<br />
und Städten. <strong>Symbolische</strong> <strong>Orte</strong> und damit verknüpfte Identitätsentwürfe,<br />
die aktiv im Sinne eines Gemeinwohls gefördert werden<br />
können, lassen dort auf positive Impulse und Effekte für die Stadtentwicklung<br />
hoffen, so zum Beispiel im sozial benachteiligten Stadtteil<br />
Schalke in Gelsenkirchen, wo als Beitrag zur Quartiersentwicklung das<br />
Eingangsportal der berühmt-berüchtigten Glückauf-Kampfbahn neu<br />
errichtet oder die Umnutzung ehemaliger Kirchengebäude angedacht<br />
wurde. Ein weiteres Beispiel gibt es in der Stadt Essen, wo die ehemalige<br />
Zeche Carl, ein kulturell und historisch wertvolles Ensemble und Baudenkmal,<br />
erhalten wurde und dauerhaft für vielfältige Stadtentwicklungsprojekte<br />
genutzt wird.<br />
Die benannten Beispiele in Gelsenkirchen und Essen haben Herausgeberin<br />
und Herausgeber dazu motiviert, sich dem Thema »<strong>Symbolische</strong><br />
<strong>Orte</strong> <strong>machen</strong>« anzunehmen, die diesbezüglichen Reflexionen zahlreicher<br />
renommierter Autorinnen und Autoren aus dem In- und Ausland<br />
einzuholen und in einem Sammelband zu veröffentlichen. Dabei sollte der<br />
Frage nachgegangen werden, welche Merkmale symbolische <strong>Orte</strong> im<br />
Kontext kollektiver Identitätsentwürfe auszeichnen, wie sie funktionieren,<br />
welchen Anforderungen sie unterliegen, welche Potenziale sie mit Blick<br />
auf die integrierte, nachhaltige Quartiers- und Stadtentwicklung aufweisen<br />
und nicht zuletzt, auf welche Hemmnisse und an welche Grenzen<br />
sie stoßen können. Die Perspektiven reichen dabei von den mitunter<br />
fragwürdigen »Top-down«- bis zu den vielfältigen, oft unterschätzten<br />
»Bottom-up«-Potenzialen. Sie reichen von persönlichen Erinnerungsorten<br />
über unliebsame und schwer zu bändigende <strong>Orte</strong> bis hin zu gesellschaftlich<br />
fragwürdigen oder unerwünschten, meist historisch belasteten<br />
Symbolorten.<br />
7
Die Publikation hat nicht den Anspruch, diesem Thema in ganzer Breite<br />
gerecht zu werden. Mit den vorgestellten Beispielen soll sie vielmehr<br />
Mut <strong>machen</strong>, sich mit symbolisch gehaltvollen, von vielen Menschen<br />
anerkannten, aber auch mit umstrittenen symbolischen <strong>Orte</strong>n auseinanderzusetzen<br />
und sie gegebenenfalls in kollektiven Diskussions- und<br />
Entscheidungsprozessen weiterzuentwickeln – oder, wofür der Titel des<br />
Sammelbands steht, »zu <strong>machen</strong>«. Neben der Erörterung und Diskussion<br />
anschaulicher Fallbeispiele werden dabei verschiedene wissenschaftliche<br />
Perspektiven zu Wort kommen, etwa der Geschichtsforschung, Gesellschaftswissenschaften,<br />
Stadtplanung und des Stadtmarketings. Zum<br />
Abschluss und zur Abrundung des Sammelbands werden die gewonnenen<br />
Erkenntnisse beispielhaft auf den Stadtteil Schalke in Gelsenkirchen<br />
übertragen und angewandt.<br />
8
9
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit<br />
in die Zukunft
Von der IBA<br />
Emscher Park<br />
bis zu Kirchenräumen<br />
–<br />
industriekulturelle<br />
Entwicklung im<br />
Spannungsfeld des<br />
Denkmalschutzes<br />
Achim Pfeiffer<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 72
Das Ruhrgebiet ist keine Stadt, sondern ein Gebiet, wie der Name schon<br />
sagt. Demzufolge sprechen wir hier also eher von Gebietsentwicklung als<br />
von Stadtentwicklung. Ohne weiter auf die Definitionen von Gebiet und<br />
Stadt einzugehen, setze ich diese Feststellung an den Anfang meines<br />
Textes, um im Folgenden auf den Begriff der Identität einzugehen. Wenn<br />
es um symbolische <strong>Orte</strong> als Potenzial der Stadtentwicklung geht, scheint<br />
mir die Frage der Stadtidentität zentral zu sein – oder, im Falle des<br />
Ruhrgebiets, die Gebietsidentität.<br />
Die war lange Jahre sehr klar: das Ruhrgebiet war das größte Industriegebiet<br />
Europas. Als symbolische <strong>Orte</strong> für diese Identität standen die Werksanlagen<br />
mit ihren Silhouetten aus Fördergerüsten, Hochöfen und<br />
Schornsteinen. Wobei es keine klare Fokussierung auf den einen symbolischen<br />
Ort gab, wie etwa auf den einen Dom in Köln, sondern ein diffuses<br />
Ganzes aus vielen einzelnen Elementen, die zur Bezeichnung von »Gebiet«<br />
oder »Revier« führten.<br />
Die Identität der einzelnen Städte im Ruhrgebiet verschwindet bis heute<br />
hinter dem Bild des großen Ruhrgebiets. Die in den 1990er Jahren vom<br />
Land durchgeführte IBA Emscher Park war ein großes Experimentierfeld,<br />
hier wurde aus dem »Gebiet« ein »Park«, doch eigentlich ging es um<br />
Stadtentwicklung. Als Einwohner des Ruhrgebiets, der während der<br />
1990er Jahre in Aachen studierte (eine Stadt, die mit Identitätsfragen<br />
keine Probleme hat), möchte ich einen sehr erstaunlichen Effekt der<br />
Stadtentwicklung mithilfe symbolischer <strong>Orte</strong> beschreiben.<br />
Der Vergleich zu Aachen macht es aus meiner Sicht besonders deutlich:<br />
Die Identität der Stadt wird vorwiegend durch historische Gebäude<br />
geprägt, die für die geschichtliche Entwicklung der Stadt von großer<br />
Bedeutung waren. Allen voran Dom und Rathaus, die baulich auf die<br />
Regierungszeit Karls des Großen vor über tausend Jahren zurückgehen<br />
und deren bauliche Existenz niemand infrage stellen würde. Zumal beide<br />
Gebäude bis heute in derselben Nutzung sind, für die sie von Anfang an<br />
vorgesehen waren. Solche Bauwerke besitzt das Ruhrgebiet nicht. Die<br />
Bauten, die für die Identität des Ruhrgebiets von Bedeutung sind, sind<br />
keine 200 Jahre alt, ihre geschichtliche Bedeutung erscheint daher deutlich<br />
geringer. Außerdem sind sie nicht mehr in Nutzung, die Eigentümer haben<br />
in der Regel nach Ende der Nutzung Abbruchanträge gestellt.<br />
An dieser Stelle komme ich zu der Frage, welche Relevanz der Denkmalschutz<br />
für die Stadtentwicklung des Ruhrgebiets hat. Aus meiner Sicht<br />
kommt ihm ein ganz wesentlicher Verdienst als Pionier einer neuen Idee<br />
von Stadtentwicklung zu, auch wenn das vielleicht gar nicht seine Absicht<br />
war. Aber bereits Mitte der 1980er Jahre wurden zwei Zechen im Essener<br />
Stadtgebiet unter Denkmalschutz gestellt: 1985 die Zeche Carl, 1986 die<br />
Zeche Zollverein. Zu diesem Zeitpunkt gab es den Begriff der Industriekultur<br />
als Element der Stadtentwicklung im allgemeinen Bewusstsein<br />
noch nicht. Die Erkenntnis, dass die Dokumentation der Geschichte dieser<br />
Region sich an Bauten der Industrie fest<strong>machen</strong> lässt und daraus folgerichtig<br />
die Notwendigkeit eines Denkmalschutzes erwächst, fand zunächst<br />
keine allgemeine Zustimmung. Selbst die Stadt Essen hatte noch dem<br />
Abbruchantrag für die Zeche Zollverein weitgehend entsprochen, und nur<br />
die Landesebene widersetzte sich diesem Ansinnen.<br />
73
Das Ende der Geschichte ist bekannt: Auf Zollverein wurde neben<br />
Schacht XII später noch die benachbarte Gründungsschachtanlage sowie<br />
die Kokerei unter Schutz gestellt. Als die UNESCO 2001 Zollverein den<br />
Status als Welterbe zuerkannte, befand man sich schließlich auf Augenhöhe<br />
mit dem Aachener Dom.<br />
Die von 1989 bis 1999 stattfindende Internationale Bauausstellung<br />
Emscher Park hatte inzwischen den Begriff der Industriekultur etabliert<br />
und damit einen ganz wesentlichen Impuls zur Stadtentwicklung über<br />
Identitätsbildung geleistet. Die für die Identität des Ruhrgebiets wesentlichen<br />
Bauten sind seitdem stillgelegte Zeugen der industriellen Vergangenheit,<br />
die eigentlich zum Abbruch vorgesehen waren: Zollverein, Gasometer,<br />
Landschaftspark Duisburg, Jahrhunderthalle und viele mehr.<br />
Zur Frage, inwieweit der Denkmalschutz dabei eine relevante Rolle<br />
gespielt hat, wurde bereits auf die Pionierleistung des »Überhaupt-Erhaltens«<br />
verwiesen. Um die Frage zu vertiefen, welche Herausforderung der<br />
Denkmalschutz für den Umgang mit den Relikten der Industrie darstellt,<br />
möchte ich nun auf die Zeche Zollverein eingehen.<br />
Das Architekturbüro Heinrich Böll und Hans Krabel hat alle Sanierungen<br />
und Umnutzungen auf Schacht XII während der IBA Emscher Park<br />
begleitet. Ich selbst bin seit 1997 für dieses Büro tätig und war von 2002<br />
bis 2006 in leitender Position am Umbau der Kohlenwäsche zum Ruhrmuseum<br />
beteiligt. Wir planten dieses Projekt, welches das erste dieser Art<br />
war, nachdem Zollverein zum Welterbe ernannt wurde, damals in einer<br />
Arbeitsgemeinschaft mit dem Büro OMA Rotterdam. Die Denkmalpflegebehörden,<br />
die bereits seit 1986 Zollverein betreut hatten, standen nun also<br />
Abb. 1<br />
Gasometer Oberhausen<br />
(Foto: Bernd Langmack)<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 74
Abb. 2<br />
Umbau der Zeche Zollverein<br />
(Foto: Bernd Langmack)<br />
zusätzlich unter dem Druck einer erweiterten Fachöffentlichkeit.<br />
In den 1990er Jahren wurde mit dem Leitmotiv »Erhalt durch Nutzung«<br />
saniert. Die Haltung der Denkmalpflege, dass Nutzung den besten<br />
Garanten für den dauerhaften Erhalt eines Denkmals darstellt, ermöglichte<br />
tiefgreifende Eingriffe in die stillgelegten Bauten. Die innere<br />
Ausstattung wurde oft stark reduziert, Gebrauchsspuren wurden in aller<br />
Regel beseitigt. Als besonders schützenswert galt das äußere Erscheinungsbild,<br />
da es nahezu ein Alleinstellungsmerkmal Zollvereins gegenüber<br />
anderen Zechenanlagen darstellte. Der Erhalt dieses Erscheinungsbilds<br />
schränkte die Nutzungsmöglichkeiten jedoch von Anfang an stark ein. Die<br />
historischen Fassaden erlaubten keinerlei Sichtverbindung nach außen, da<br />
die Fenster mit durchscheinendem, nicht mit durchsichtigem Drahtglas<br />
verglast waren und dieser Aspekt wesentlich zum schützenswerten<br />
Erscheinungsbild der Gesamtanlage beitrug.<br />
Der Umbau der Kohlenwäsche ist in der Denkmalpflege bis heute<br />
umstritten. Der von OMA 2001 entwickelte Masterplan für Zollverein sah<br />
Ergänzungsbauten an der Kohlenwäsche vor, um die Nutzung als Ruhrmuseum<br />
zu ermöglichen. Als wir dann in der bereits benannten Arbeitsgemeinschaft<br />
in einem Projektbüro auf dem Areal der Kokerei Zollverein<br />
das Umbaukonzept entwickelten, schlugen wir eine Lösung ohne<br />
Anbauten vor. Stattdessen sahen wir eine Reduzierung der maschinellen<br />
Ausstattung auf wesentliche Kernfunktionen vor, um innerhalb des<br />
bestehenden, bereits gewaltigen Gebäudevolumens Ausstellungsflächen<br />
für das Museum zu schaffen. Wir waren überzeugt, dass dies der richtige<br />
Kompromiss zwischen Erhalt und Nutzung sei. Die Besucher und<br />
75
Besucherinnen des Ruhrmuseums sollten nicht in neuzeitlichen Anbauten,<br />
sondern in der Kohlenwäsche selbst die Ausstellung erleben. Dieser<br />
Vorschlag, neben weiteren strittigen Themen (unter anderem der Austausch<br />
der Fassaden), führte zu einer mehrmonatigen Abstimmungsphase<br />
mit mehreren Überarbeitungen. Letztendlich folgte die Denkmalpflege<br />
unserem Vorschlag – wie gesagt, bis heute nicht unumstritten.<br />
Nach der Hochphase der Entwicklung von symbolischen <strong>Orte</strong>n der<br />
Industriekultur während der IBA beschäftigt uns als Planende heute<br />
zunehmend ein anderer Strukturwandel, der weite Teile unserer Gesellschaft<br />
betrifft: das Schrumpfen der christlichen Gemeinden. Auch dieser<br />
Wandel hat starke Auswirkungen auf symbolische <strong>Orte</strong>, viele Gemeinden<br />
geben Kirchengebäude auf. Diese Gebäude spielen keine Rolle für die<br />
Gesamtidentität des Ruhrgebiets, umso größer ist aber ihre Bedeutung für<br />
die Identität von Quartieren und Stadtteilen. Die »Kirche im Dorf« als Bild<br />
einer eher kleinräumlichen Identität funktioniert auch im großstädtischen<br />
Kontext. Wir erleben den Denkmalschutz hier in einer anderen Rolle als bei<br />
den Industriedenkmalen, da der Abbruch von Kirchen eher auf allgemeines<br />
Unverständnis stößt, als es in den 1980er Jahren bei Industriebauten der<br />
Fall war. Der Denkmalschutz tritt nicht als Retter auf, stattdessen wird er<br />
von vielen Gemeinden als Hindernis bei Umnutzungsplanungen gefürchtet.<br />
Die meisten aufgegebenen Kirchen stehen zwar nicht unter Denkmalschutz,<br />
trotzdem gestaltet sich eine Umnutzung oft schwieriger als gedacht.<br />
Gerade der introvertierte, nach innen gekehrte Charakter der meisten<br />
Kirchenräume bringt große Probleme bei der Belichtung mit sich. Unser<br />
Büro hat in Essen-Holsterhausen beim Umbau der ehemaligen Lukaskirche<br />
zu einem Wohnhaus die Potenziale einer solchen Architektur<br />
Abb. 3<br />
Umbau der Zeche Zollverein<br />
zum Ruhrmuseum: Bau der<br />
Rolltreppe zur 24-Meter-<br />
Ebene der Kohlenwäsche,<br />
Essen 2006 (Foto: Bernd<br />
Langmack)<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 76
Abb. 4<br />
Gemengelage in Duisburg-<br />
Hamborn: Wasserturm,<br />
ehem. Gaststätte Krinn<br />
und Kirche St. Joseph,<br />
Duisburger Straße/Ecke<br />
Alleestraße, 2006 (Foto:<br />
Bernd Langmack)<br />
ausloten können. Hier wurde beim Einbau zusätzlicher Geschossdecken<br />
der innere Kirchenraum vollständig aufgegeben. Die Eingangsfassade mit<br />
Kirchenfenstern und einem Mosaikfeld über dem Portal blieb hingegen<br />
nahezu unverändert. Ziel war es, ein gutes Wohnhaus zu bauen, das durch<br />
Zitate noch an seine Vergangenheit als Kirche erinnert. Der Umbau findet<br />
breite Zustimmung im Quartier: Zum einen entstand der dringend benötigte<br />
barrierefreie Wohnraum, zum anderen blieb die Kirche im Grundsatz<br />
erhalten. Ein solch »kreativer« Umgang mit bestehenden Bauten wird<br />
durch den Denkmalschutz deutlich erschwert. Wäre sie ein Denkmal<br />
gewesen, hätte die Lukaskirche so nicht umgebaut werden können.<br />
Das Spannungsfeld im Umgang mit denkmalgeschützten Bauten reicht<br />
für mich vom Retten identitätsstiftender Bauten, die ohne den Denkmalschutz<br />
verloren gegangen wären, bis hin zur Blockade von notwendigen<br />
Umnutzungskonzepten, sodass ein dauerhafter Leerstand droht.<br />
Die symbolischen <strong>Orte</strong> des Ruhrgebiets stellen uns vor eine langfristige<br />
Aufgabe. Die aus meiner Sicht richtige Devise »Erhalt durch Nutzung«<br />
stößt gerade bei den symbolischen <strong>Orte</strong>n der Industriekultur an Grenzen.<br />
Welche Nutzung sollen die Hochöfen in Duisburg oder die Ofenbatterie der<br />
Kokerei Zollverein erhalten? Es handelt sich im Grunde um riesige<br />
Maschinen, die nie dafür gedacht waren, ausgekühlt im Regen zu stehen.<br />
Vielleicht müssen wir in Richtung Schutzbauten denken, die für sich<br />
gesehen wiederum einen symbolhaften Charakter haben. Wir werden diese<br />
Idee der Denkmalpflege vorschlagen. Ich bin gespannt, wohin die Reise geht.<br />
77
Kassel: Das<br />
Ringen um die<br />
Weiterentwicklung<br />
der wiederaufgebauten<br />
Stadt als<br />
Ausgangspunkt<br />
für baukulturelles<br />
Handeln<br />
Uwe Altrock<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 92
Einführung<br />
Die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg haben viele deutsche Städte<br />
nachhaltig geprägt. Gerade dort, wo der Wiederaufbau als Chance für eine<br />
gravierende Veränderung von Stadtstruktur und Stadtbild genutzt wurde,<br />
hat sich dies auf sehr widersprüchliche Art in einer gebrochenen städtischen<br />
Identität niedergeschlagen. Hierüber wurde bereits viel geschrieben,<br />
sodass im Folgenden auf Fragen nach einer Definition von städtischer<br />
Identität verzichtet werden soll. Vielmehr wollen die nachfolgenden Beobachtungen<br />
und Überlegungen aufzeigen, wie sich im Spannungsfeld<br />
zwischen einer Erinnerung an das verlorene und dem allmählich entstandenen<br />
neuen Stadtbild eine ganz eigene Form von hybridem Bekenntnis zu<br />
Städten ergibt. Die sich hieraus entwickelnde Reflexion über die unterschiedlichen<br />
Zeitschichten der Stadtentwicklung und die kontextbezogene<br />
Weiterentwicklung der Stadt stellt ein wesentliches Merkmal von Baukultur<br />
dar. Die symbolische Rolle des <strong>Orte</strong>s ergibt sich dabei nicht aus der Zeichenhaftigkeit<br />
eines vermeintlich kohärenten Ganzen, das beispielsweise<br />
für eine »Blütezeit« steht, in der die Stadt wesentliche prägende Strukturen<br />
in kurzer Zeit hervorgebracht hat (Landshut, Regensburg – Mittelalter;<br />
Karlsruhe – Absolutismus etc.), sondern vielmehr aus der Tatsache der<br />
Widersprüchlichkeit, die in das Stadtbild eingeschrieben ist und als solche<br />
zeichenhaft für die Zerrissenheit und wechselvolle Geschichte steht.<br />
Anknüpfungspunkte ergeben sich daraus für die Stadtentwicklung immer<br />
wieder. So wurden die Brandwände in Berlin als besonders prägend<br />
erachtet, obwohl sie gerade einen unfertigen und uneinheitlichen Zustand<br />
verkörperten. Unter hohem Entwicklungsdruck und angesichts der »Sperrigkeit«,<br />
die ein solches prägendes Merkmal mit sich bringt, lassen sich<br />
daraus auch nur mit Mühe tragfähige Folgerungen für die Stadtentwicklung<br />
ziehen. Letztlich lässt sich ein zerrissen wirkendes Stadtbild nur<br />
schwer romantisieren oder popularisieren, und so sind inzwischen sogar<br />
Brandwände in Berlin bebaut worden, die über zusätzliche symbolische<br />
Überhöhungen durch überregional bekannte Wandbilder verfügten. Dies<br />
gilt sogar bisweilen für solche, die so politisch aufgeladen waren wie der<br />
»Baumpate« von Ben Wagin am S-Bahnhof Tiergarten oder die Wände des<br />
Tacheles in Berlin-Mitte. Die genannte »Sperrigkeit« ist eben doch für viele<br />
ein nicht leicht ertragbarer Zustand, und überdies schwer konservierbar<br />
oder gar weiterentwicklungsfähig im Sinne eines »lebendigen Erbes«.<br />
Ähnliche »Brüche« im Stadtbild oder komplexe Überschreibungen sind<br />
nicht immer leicht »lesbar«. Sie stellen eine intellektuelle Herausforderung<br />
dar, sowohl was das Bekenntnis zu ihnen trotz ihres eher »unharmonischen«<br />
Erscheinungsbilds als auch was die Entschlüsselung und<br />
Würdigung der vielfältigen Spuren anbetrifft. Mitunter ist es gelungen,<br />
denkmalpflegerische Forschung und Inventarisierung, populäre stadtgeschichtliche<br />
Neugier und Staunen<strong>machen</strong>, didaktisch hochkarätige<br />
Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit sowie kreative<br />
Spannung und Inspiration für die weitere Stadtentwicklung zusammenzuführen,<br />
beispielsweise an einigen <strong>Orte</strong>n um die ehemalige Berliner<br />
»Mauer« – bis hin zur immer weiter gesteigerten Komplexität des<br />
Mauergedenkens an der Bernauer Straße.<br />
93
Hierbei handelt es sich um glückliche Ausnahmefälle, die nicht zuletzt<br />
durch die herausragende Bedeutung der geschichtlichen Ereignisse und die<br />
intensive Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit möglich<br />
geworden sind. Der Alltag des Umgangs mit den Hinterlassenschaften von<br />
Krieg, Zerstörung, Wiederaufbau und Weiterentwicklung ist weniger<br />
spektakulär und perspektivenärmer. Vielfach werden die Ergebnisse vom<br />
stadtgesellschaftlichen Mainstream als hässlich erachtet oder bewusst<br />
kulturell entwertet. Hiervon zeugt die reichhaltige Geschichte später<br />
Wiederaufbaumaßnahmen und ihre intensive Diskussion in der Gesellschaft,<br />
die in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat – von der Frankfurter<br />
Altstadt über das Hildesheimer Knochenhaueramtshaus bis zum<br />
Berliner Schloss und zum Dresdner Neumarkt. Es lässt sich dabei beobachten,<br />
dass eine Verteidigung der Zeugnisse der städtebaulich-architektonischen<br />
Moderne häufig schwierig ist – aus unterschiedlichsten Gründen,<br />
wie beispielsweise der geringen Dichte und der für Innenstädte von vielen<br />
als unpassend empfundenen offenen Gestaltung öffentlicher Räume oder<br />
einem Fremdeln mit der zurückhaltend bis spröd empfundenen Fassadenästhetik.<br />
Bis heute werden Wiederaufbaustädte, so sie einem derartigen<br />
Geist der »Moderne« entstammen, landläufig als »hässlich« empfunden.<br />
Dagegen stemmen sich unterschiedlichste Fachleute, nicht zuletzt Architekten,<br />
die für eine Neubewertung der Architektur der Nachkriegsmoderne<br />
eintreten und diese zumindest innerhalb der Fachwelt an vielen<br />
Stellen erreicht haben. Bisweilen plädieren sie dafür, die Zeugnisse des<br />
Nachkriegsstädtebaus »lieben zu lernen«, wenn diese mit hoher zeitgenössischer<br />
Qualität ausgeführt sind und ihrerseits Ensemblecharakter entfalten<br />
beziehungsweise inzwischen zu einem wesentlichen Teil des<br />
städtischen »Erbes« geworden sind. Diese Sensibilisierung erreicht allerdings<br />
eine sehr eingeschränkte Massenwirkung – die explizit »modernen«<br />
Stadtbilder des Wiederaufbaus finden nur sehr allmählich außerhalb der<br />
Fachwelt breiteren Respekt oder Anklang. Aus dieser schwierigen Lage<br />
kann eine Motivation für ein weitergehendes baukulturelles Engagement<br />
erwachsen, das sich mit der Komplexität der gewordenen Stadt intensiver<br />
auseinandersetzen will. Am Beispiel der Stadt Kassel soll im Folgenden<br />
aufgezeigt werden, wie die schwierige neue Komplexität symbolische<br />
Wirkung für das »Schicksal« der Stadt entfaltet und wie sich diese auf<br />
städtebaulich-architektonische Positionen und Entscheidungen auswirkt.<br />
Die gebrochene Identität der Stadt Kassel: Ablehnung und<br />
Bekenntnis zur wiederaufgebauten Stadt<br />
Zerstörung und Wiederaufbau als Ausgangspunkt für Identitätswandel<br />
Die heutige Identität der Stadt Kassel wurde maßgeblich durch die<br />
Zerstörung im Zweiten Weltkrieg mitbestimmt. Die im Zuge der Bombardierung<br />
am 22. Oktober 1943 abgebrannte Altstadt (Abb. 1), zuvor<br />
bisweilen als »schönste Fachwerkstadt Deutschlands« tituliert, wurde<br />
hiernach durch Enttrümmerung, eine jahrelange Bausperre und eine<br />
Neuordnung der Grundstücke in ihrem Wesen völlig verändert. In den<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 94
Abb. 1<br />
Ansicht der Kasseler<br />
Altstadt vor der Zerstörung<br />
(© Library of Congress)<br />
1950er Jahren wurde die Gelegenheit ergriffen, die vor dem Krieg trotz<br />
ihres schlechten Erhaltungszustands nur punktuell erneuerte Altstadt<br />
und ihr Umfeld mit den städtebaulich-architektonischen Prinzipien der<br />
»Moderne« wieder zu errichten.<br />
Damit war vor allem die Schaffung von prägenden Ensembles wie der<br />
»Treppenstraße« (Abb. 3), der die Innenstadt in Richtung Bahnhof<br />
ausrichtenden ersten Fußgängerzone Deutschlands, der Bau eines<br />
Straßenrings um die künftige, westlich der Altstadt liegende Innenstadt<br />
und der Wiederaufbau von wesentlichen Teilen der Altstadt (Abb. 4), auf<br />
gänzlich veränderten Parzellen verbunden, der in Bezug auf den Stadtgrundriss<br />
lose an die Vorkriegsstruktur anknüpfte. Der Wille zur grundlegenden<br />
Veränderung, aber auch der sich im Wiederaufbau abzeichnende<br />
Geist wurden daran deutlich, dass der Innenstadtring die frühere Altstadt<br />
mittig durchschnitt und damit den Charakter des historischen Altmarkts<br />
völlig veränderte. Die neue Innenstadt, im Wesentlichen westlich der<br />
historischen Altstadt im Bereich der ehemaligen Stadtbefestigung und<br />
der barocken Oberneustadt auf grob rasterförmigem Straßengrundriss<br />
angelegt, gruppierte sich um den kreisförmigen Königsplatz sowie den<br />
rechteckigen Friedrichsplatz entlang der senkrecht zur Treppenstraße<br />
verlaufenden Hauptgeschäftsstraße, der Königstraße. Wesentliche<br />
bauliche Zeugnisse der Vorkriegsbebauung wie das Rathaus, die Martinskirche<br />
und der Marstall (die heutige Markthalle) wurden teilweise<br />
verändert wiederaufgebaut.<br />
95
F<br />
K<br />
B<br />
A Treppenstraße<br />
B Lutherplatz<br />
C<br />
A<br />
L<br />
E<br />
G<br />
D<br />
C Scheidemannplatz<br />
D Altmarkt<br />
E Königsplatz<br />
F Kulturbahnhof<br />
J<br />
G City Point<br />
H Grimm-Museum<br />
I<br />
I Spitzhacke<br />
H<br />
J Rahmenbau<br />
K Man Walking to the Sky<br />
L Obelisk<br />
Trotz der dramatischen Veränderungen im Erscheinungsbild blieben<br />
symbolische Standorte wie etwa der des ehemaligen Stadtschlosses<br />
(durch die Ansiedlung des Regierungspräsidiums in einem über dem<br />
Fuldaufer thronenden, in einen weitläufigen Park eingebetteten modernistischen<br />
Zeilenbau) sowie der des am Friedrichsplatz in völlig veränderter<br />
Form neu gebauten Staatstheaters erhalten. Die historische<br />
Unterneustadt blieb dagegen über Jahrzehnte als kaum bebaute Fläche<br />
mit unterschiedlichen Nutzungen (Parkplatz, Veranstaltungsort, Verkehrsschulgarten)<br />
liegen.<br />
Weitere wesentliche Bezüge zur historischen Identität der Stadt blieben<br />
außerhalb der Innenstadt trotz der massiven Zerstörungen erhalten. Dazu<br />
zählten ansatzweise der kaiserzeitlich geprägte »Vordere Westen« mit<br />
Bauten des Historismus und der Jugendstilzeit, dem beliebten Treffpunkt<br />
Bebelplatz sowie der Achse der Friedrich-Ebert-Straße – ein Stadtteil,<br />
dem noch stärker als in anderen Städten nach der Rehabilitierung und<br />
schließlich erhaltenden Erneuerung der Stadt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts<br />
eine zentrale Bedeutung zukommt. In ihm manifestieren sich<br />
– im Gegensatz zu den Arbeitervierteln aus der gleichen Zeit in den<br />
nördlichen und südlichen Vorstädten – eine bürgerlich-alternative urbane<br />
Wohnkultur, das Ideal innerstädtischer Vielfalt bei hoher Qualität<br />
öffentlicher Räume und eine Konzentration sozialen Kapitals. Weiterhin<br />
von Bedeutung war die Ausrichtung der Stadt auf das Schloss Wilhelmshöhe<br />
mit seinem überregional bekannten Bergpark über eine der längsten<br />
geradlinig verlaufenden innerstädtischen Straßenachsen, die Wilhelmshöher<br />
Allee. Für die städtische Identität sind weitere Elemente zu nennen,<br />
die das Gesicht der Stadt allerdings eher unterbewusst prägen. Zu ihnen<br />
zählt die Verknüpfung von markanter Topografie, industrieller Stadtentwicklung<br />
und sozialräumlicher Struktur. So nehmen Tallagen bis<br />
heute markante Zeugnisse der Industriekultur ein, während sich in<br />
Abb. 2<br />
Karte von Kassel<br />
(© OpenStreetMap)<br />
Teil 2<br />
Aus der Vergangenheit in die Zukunft 96
Abb. 3<br />
Ansicht der Treppenstraße (Foto: Uwe Altrock)<br />
Abb. 4<br />
Ansicht eines Teils der wiederaufgebauten Altstadt<br />
(Haus Pferdemarkt 16) (Foto: GeorgDerReisende/<br />
Wikimedia Commons)<br />
unterschiedlichen Teilen der Stadt ausgedehnte Einfamilienhausquartiere<br />
über Hanglagen erstrecken. Zahlreiche historische Dorfkerne sind zwar<br />
entlang der wichtigen Ausfallstraßen bis heute erkennbar, aber teilweise<br />
stark überformt worden.<br />
Für das erneuerte Selbstverständnis der nach dem Zweiten Weltkrieg im<br />
Zonenrandgebiet liegenden und wirtschaftlich stark geschwächten<br />
Industriestadt spielte die Präsentation der autoverkehrsorientiert wiederaufgebauten<br />
Innenstadt, deren Straßenring durch eine Reihe von Fußgängerunterführungen<br />
frei von Konflikten mit dem fahrenden Verkehr<br />
passiert werden konnte, als »Neue Stadt auf altem Grund« eine wesentliche<br />
Rolle. Der völlig überformte Altmarkt wurde sogar als »modernste<br />
Straßenkreuzung Europas« gepriesen. Angesichts dieser Stilisierung von<br />
Kassel als Modellstadt darf nicht vergessen werden, dass zur gleichen Zeit<br />
beachtliche Teile der inneren Stadt immer noch nicht wiederaufgebaut<br />
waren. Erst im Laufe vieler Jahrzehnte wurden allmählich die verbliebenen<br />
Lücken im Stadtbild geschlossen, die lange Zeit als Stellplatzanlagen<br />
die autoverkehrsorientierte Ausrichtung der Innenstadt<br />
unterstützten. Während mindestens das Ensemble der Treppenstraße und<br />
der sie benachbarten Bereiche (Ständeplatz, Teile der Königstraße) sowie<br />
die aus einer ähnlichen Zeit stammende, gestalterisch aber eher traditionell<br />
anmutende wiederaufgebaute »Altstadt« (Entenanger, Pferdemarkt)<br />
relativ einheitlich im Duktus der 1950er-Jahre-Architektur gestaltet<br />
waren, erfolgten die späteren baulichen Ergänzungen der Innenstadt in<br />
dem jeweiligen Stil der nachfolgenden Epochen. Eine einheitliche gestalterische<br />
Linie war dabei kaum ablesbar, wenngleich die weiteren Neubauten<br />
in weiten Teilen das bestehende Straßenraster respektierten und<br />
somit die Innenstadt auf eine eher unauffällige und insgesamt dennoch<br />
baulich heterogene Weise ergänzten.<br />
97
Impressum<br />
Herausgegeben von<br />
Sonja Broy und Thomas Kuder<br />
für den vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e. V.<br />
Vorstand: Prof. Dr. Jürgen Aring<br />
Fritschestr. 27/28, 10585 Berlin<br />
www.vhw.de<br />
bund@vhw.de<br />
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Das Copyright für die Texte liegt bei den Autor*innen.<br />
Das Copyright für die Abbildungen liegt bei den Fotograf*innen/<br />
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Alle Rechte vorbehalten.<br />
Redaktion: Sabine Rietz, Charikleia Kazantzidou<br />
Projektmanagement jovis Verlag: Franziska Schüffler<br />
Lektorat: Julia Blankenstein<br />
Gestaltung und Satz: Felix Holler, Stoffers Graphik-Design, Leipzig<br />
nach einem Konzept des jovis Verlags<br />
Lithografie: Stefan Rolle, Stoffers Graphik-Design, Leipzig<br />
Gedruckt in der Europäischen Union<br />
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind<br />
im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
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ISBN 978-3-98612-039-9 (Softcover)<br />
ISBN 978-3-98612-043-6 (E-Book)<br />
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