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Leseprobe BigShots! Gold Edition

Henry Carroll BIG SHOTS! Gold Edition – Die Geheimnisse der weltbesten Fotografen 144 Seiten, Paperback, Euro (D) 25 | Euro (A) 25.70 | CHF 33 ISBN 978-3-03876-276-8 (Midas Collection) »BIG SHOTS!« führt Sie durch die Grundlagen von Komposition, Belichtung, Licht, Objektiven und Bildgestaltung, ohne Sie mit Technikgefasel zu langweilen. Dieses Buch richtet sich an Einsteigerinnen und Einsteiger, aber auch an Profis und eignet sich für Kompakt- und DSLR-Kameras. Randvoll mit praktischen Tipps und Techniken, die sich sofort in Ihren Fotos zeigen. Mit einer Auswahl der besten Aufnahmen von 50 renommierten Fotografen von Weltrang, die dazu inspirieren, selbst zur Kamera zu greifen.

Henry Carroll
BIG SHOTS! Gold Edition – Die Geheimnisse der weltbesten Fotografen
144 Seiten, Paperback, Euro (D) 25 | Euro (A) 25.70 | CHF 33
ISBN 978-3-03876-276-8 (Midas Collection)

»BIG SHOTS!« führt Sie durch die Grundlagen von Komposition, Belichtung, Licht, Objektiven und Bildgestaltung, ohne Sie mit Technikgefasel zu langweilen. Dieses Buch richtet sich an Einsteigerinnen und Einsteiger, aber auch an Profis und eignet sich für Kompakt- und DSLR-Kameras. Randvoll mit praktischen Tipps und Techniken, die sich sofort in Ihren Fotos zeigen. Mit einer Auswahl der besten Aufnahmen von 50 renommierten Fotografen von Weltrang, die dazu inspirieren, selbst zur Kamera zu greifen.

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BIG SHOTS !<br />

DIE GEHEIMNISSE<br />

DER WELTBESTEN<br />

FOTOGRAFEN.<br />

HENRY<br />

CARROLL<br />

GOLD EDITION<br />

500.000<br />

V E R K A U F T E E X E M P L A R E


BIG SHOTS!<br />

Die Geheimnisse der weltbesten Fotografen<br />

© 2024<br />

Midas Collection<br />

ISBN 978-3-03876-276-8<br />

1. Auflage<br />

Lektorat/Projektleitung: Gregory C. Zäch<br />

Bildrecherche: Peter Kent<br />

Übersetzung: Claudia Koch<br />

Korrektorat: Sabine Müthing<br />

Layout: Ulrich Borstelmann<br />

www.midas.ch<br />

facebook.com/bigshotsbook<br />

Midas Verlag AG<br />

Dunantstrasse 3, CH-8044 Zürich<br />

E-Mail: kontakt@midas.ch<br />

Englische Originalausgabe:<br />

Laurence King Publishing Ltd, London,<br />

an Hachette UK company<br />

Text © 2023 Henry Carroll<br />

Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im<br />

Internet über www.dnb.de abrufbar.<br />

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung<br />

des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Erstellung und Verbreitung von Kopien<br />

auf Papier, Datenträgern oder im Internet. Die Erstellung einer PDF- oder eBook-Version des vorliegenden Werks ist<br />

nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet und wird bei Zuwiderhandlung strafrechtlich verfolgt.<br />

In diesem Buch werden eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet. Auch wenn<br />

diese nicht als solche ausgezeichnet sind, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen.


BIG SHOTS !<br />

DIE GEHEIMNISSE<br />

DER WELTBESTEN<br />

FOTOGRAFEN.<br />

HENRY<br />

CARROLL


EINFÜHRUNG<br />

Alles auf Anfang 6<br />

KOMPOSITION 8<br />

Führungslinien 10<br />

Quer- oder Hochformat 12<br />

Rahmen 14<br />

Vordergrund 16<br />

Nah rangehen 19<br />

Symmetrie 20<br />

Die Drittelregel 22<br />

Funktionierender Bildausschnitt 25<br />

Optisches Gewicht 26<br />

Regeln brechen 28<br />

BELICHTUNG 30<br />

Modi 32<br />

»Programm«-Modus 33<br />

Belichtungszeit und<br />

»Blendenautomatik« 34<br />

Lange Belichtungszeiten 36<br />

Lange Belichtungszeiten in der<br />

Dunkelheit 39<br />

Kurze Belichtungszeiten 40<br />

Blende und »Zeitautomatik« 42<br />

Geringe Schärfentiefe 44<br />

Große Schärfentiefe 48<br />

ISO 50<br />

»Manuell« 54<br />

Belichtungskorrektur 55<br />

LICHT 60<br />

Hartes Licht 62<br />

Weiches Licht 64<br />

Hartes Licht (Fortsetzung) 66<br />

Weiches Licht (Fortsetzung) 69<br />

Hartes Licht (Fortsetzung) 70<br />

Weiches Licht (Fortsetzung) 72<br />

Natürliches und künstliches Licht 74<br />

Weißabgleich 76


Eingebauter Blitz 78<br />

Aufhellblitz 80<br />

Die Macht eines Projektes 118<br />

Das zusätzliche Etwas 120<br />

OBJEKTIVE 82<br />

Objektive leicht gemacht 84<br />

Weitwinkel / kurze Brennweite 86<br />

Tele / lange Brennweite 90<br />

Normale Brennweite 94<br />

Objektive mit fester Brennweite 97<br />

Makrofotografie 99<br />

SEHEN 100<br />

Entscheidende Augenblicke 102<br />

Unerwartete Schönheit 104<br />

Die Welt ohne Kamera 107<br />

Eine andere Sichtweise 108<br />

Das Gute vom Schlechten 110<br />

Wie Sie die Aufnahme machen 112<br />

Ein Motiv, eine Aufnahme 115<br />

Die Bedeutung der Faszination 116<br />

FÜHLEN 122<br />

Die Stimmung 124<br />

Die Gegenwart 127<br />

Ihre Einzigartigkeit 128<br />

Ihre Fehler 130<br />

Die Magie 132<br />

ANHANG<br />

Fehlerbehebung 134<br />

Bestmögliche Fotos mit<br />

der Handykamera 136<br />

Index 138<br />

Bildnachweise 141<br />

Danksagungen 142


Alles auf Anfang<br />

Wahrscheinlich kennen Sie sich schon ein wenig mit der<br />

Fotografie aus. Ob mit einem Film, einem Handy oder<br />

etwas Ausgefallenerem – eine Kamera haben Sie auf<br />

jeden Fall. Aber vielleicht läuft es immer noch nicht ganz<br />

so, wie Sie es gerne hätten. Vielleicht sind Ihre Bilder gut,<br />

aber Sie wollen, dass sie großartig werden.<br />

Dieses Buch konzentriert sich auf die zeitlosen kreativen<br />

Grundlagen großartiger Fotografie. Selbst wenn<br />

ein Handy die einzige Kamera ist, die Sie im Moment<br />

in Ihrem Leben brauchen, gelten diese Grundlagen<br />

immer noch. Bei den »richtigen« Kameras sind im Laufe<br />

der Jahre viele neue Dinge hinzugekommen. Einige<br />

Merkmale und Funktionen sind recht praktisch. Viele<br />

von ihnen sind es nicht. Ich werde Ihnen die praktischen<br />

Funktionen vorstellen – die, die tatsächlich funktionieren<br />

und Ihnen die kreative Freiheit geben, die Sie für<br />

großartige Fotos brauchen.<br />

Dies ist kein Lehrbuch, und ich werde keine Kurven<br />

oder keinen Fotoforen-Jargon verwenden, um Ihnen die<br />

Grundlagen der Fotografie zu erläutern. Das brauchen<br />

Sie erst einmal nicht zu wissen. Vielmehr steht Ihnen das<br />

alles anfangs nur im Weg und hält Sie davon ab, wirklich<br />

kreativ zu sein. Stattdessen enthält dieses Buch inspirierende<br />

Arbeiten von Fotografinnen und Fotografen von<br />

früher und heute. Schauen Sie sich die Bilder an, verstehen<br />

Sie ihre Ideen und lernen Sie, wie Sie die Techniken<br />

selbst umsetzen können.<br />

6


Sie werden feststellen, dass es bei<br />

genialen Fotos weniger um technisches<br />

Know-How geht, sondern vielmehr darum,<br />

Ihr wertvollstes Instrument zu bedienen –<br />

Ihre Augen.<br />

Das Wichtigste zuerst. Bevor wir anfangen, sollten<br />

wir sicherstellen, dass wir uns über den Unterschied<br />

zwischen gut und großartig im Klaren sind. Wer auch<br />

immer Sie sind, was auch immer Sie fotografieren wollen<br />

und welche Kamera Sie auch benutzen, gute Fotos zeigen<br />

etwas, großartige Fotos sagen etwas aus. Und genau<br />

dorthin wird Sie dieses Buch führen – auf eine Reise von<br />

gut zu großartig. Warum? Weil die Menschen Ihre Fotos<br />

nicht nur sehen sollen. Sie sollen sie auch hören. Sie<br />

sollten Sie hören.<br />

7


Blue Courtyard aus »Floridas«<br />

Anastasia Samoylova<br />

2019


»Ein Foto nimmt man nicht<br />

auf, ein Foto macht man.«<br />

(Ansel Adams)<br />

In diesem Buch finden Sie Fotos von über 50 verschiedenen<br />

Fotografen. Ein bunter Mix, jeder mit<br />

eigenem Stil, eigenen Interessen und Techniken. Alle<br />

gemeinsam in einem Raum versammelt würden sicher<br />

lebhaft miteinander diskutieren.<br />

So vielseitig sie jedoch alle sein mögen, eines haben<br />

sie gemeinsam. Sie alle teilen ihre Leidenschaft für<br />

einen der wichtigsten Aspekte der Fotografie – die<br />

Komposition.<br />

Stellen Sie sich die Komposition als<br />

Fundament Ihres Bildes vor. Wie bei jedem<br />

Bauwerk muss es stark sein.<br />

Hier können Sie sehen, wie Anastasia Samoylova dieses<br />

überschwemmte Parkhaus perfekt in Szene gesetzt hat.<br />

Alles ist genau da, wo es sein soll: die Reflexionen, die<br />

starken vertikalen Linien, sogar das Verhältnis zwischen<br />

Gelb und Blau. Durch die Komposition hat Samoylova<br />

Gleichgewicht und Schönheit in einer Szene geschaffen,<br />

die viele als »unfotogen« bezeichnen würden.<br />

Bei der Komposition geht es um die Anordnung der<br />

visuellen Elemente in einem Bild. Das ist nicht einfach<br />

und sehr subjektiv, und oftmals siegt das Bauchgefühl<br />

über zählbare Argumente. Aber lassen Sie sich durch<br />

diese Gefühlseinflüsse nicht nervös machen, ich werde<br />

Ihnen einige Grundtechniken für den Einstieg zeigen.<br />

Diese Techniken werden auch von den großen Fotografen<br />

immer und immer wieder verwendet. Schließlich<br />

sind es auch diejenigen, die Ihre Bilder augenblicklich<br />

zum Leben erwecken.<br />

KOMPOSITION


KOMPOSITION<br />

Führungslinien<br />

Führungslinien suchen<br />

Weitere Beispiele:<br />

Luca Campigotto S. 38<br />

Joel Sternfeld S. 68<br />

Jeanloup Sieff S. 88<br />

Großartige Kompositionen nehmen Sie mit auf eine Reise.<br />

Ihre Augen werden auf einem bestimmten Pfad durchs<br />

Bild dorthin geführt, wo Sie der Fotograf haben will.<br />

Hier hat Henri Cartier-Bresson aus einer einfachen<br />

Szene etwas Wunderschönes gemacht. Der steil nach<br />

unten geneigte Blickwinkel weckt sofort das Gefühl,<br />

in die Komposition zu fallen. Unser Auge erfasst sehr<br />

schnell das Geländer im Vordergrund und klettert die<br />

Stufen hinab. Wo das Geländer nach links abbiegt, wird<br />

die Straße dominant. Erst dann kriegen wir den Bogen<br />

zum eigentlichen Motiv – einem Mann auf dem Fahrrad.<br />

Diese eng eingegrenzte visuelle Reise<br />

bezeichnet man auch als »Führungslinien«,<br />

Fotografen lieben sie.<br />

Setzen Sie Führungslinien ein, um Ihre Komposition<br />

zu strukturieren und den Blick des Betrachters auf das<br />

Wesentliche zu lenken. Häufig ist nur eine Führungslinie<br />

notwendig, und am stärksten ist ihre Wirkung, wenn sie<br />

vom Rand ins Bild verläuft.<br />

Wenn Sie die Augen offen halten, finden Sie überall<br />

Führungslinien, von aufeinander zulaufenden Bahnschienen<br />

über Zweige eines Baumes bis hin zu den<br />

Rissen in einem Felsen – lassen Sie solche Linien ruhig<br />

prominent im Bild erscheinen.<br />

In diesem Fall lässt Cartier-Bresson das Auge in einer<br />

Schleife durchs Bild schweifen und betont so das<br />

Wesentliche – die Bewegung.<br />

10


Department Var<br />

Hyères, Frankreich<br />

Henri Cartier-Bresson<br />

1932


KOMPOSITION<br />

Quer- oder Hochformat<br />

Das Format der Dinge<br />

Weitere Beispiele:<br />

Anastasia Samoylova S. 8<br />

Zora J. Murff S. 59<br />

Dorothea Lange S. 115<br />

Nicht nur die Linien in Ihrem Bild geben vor, wie sich<br />

das Auge bewegen soll. Das Format des Bildes (die Form)<br />

ist ebenso wichtig.<br />

Horizontale Bilder (im Querformat)<br />

ermutigen das Auge zur seitlichen<br />

Bewegung. Vertikale Bilder (Hochformat)<br />

animieren zur Bewegung nach unten<br />

und oben.<br />

Die Wahl des Formats hat nichts damit zu tun, ob Sie<br />

Landschaften oder Porträts fotografieren. Versuchen Sie<br />

stattdessen, das Format Ihres Bildes an die dominanten<br />

Linien anzupassen – den natürlichen Fluss Ihres Motivs.<br />

Bildformat und Motiv müssen also kooperieren, um dem<br />

Auge eine klare Richtung zu geben.<br />

In diesem Foto von Marc Asnin animiert das Querformat,<br />

den Blick von links nach rechts über die geschwungene<br />

Linie der Köpfe schweifen zu lassen. Die Szene ist<br />

geschäftig, das Querformat schafft durch diese Führungslinie<br />

jedoch Ordnung, was wiederum das spürbare<br />

Gefühl von Dramatik verstärkt.<br />

Das Bild von Anastasia Samoylova auf Seite 8 zeigt, wie<br />

das Hochformat die Reflexionen hervorhebt: Die Eleganz<br />

der langen, sich wiederholenden Linien geht mit der<br />

vertikalen Form des Bildes einher und lässt den Blick auf<br />

und ab wandern.<br />

12


Der Rebbe<br />

Marc Asnin<br />

1992


KOMPOSITION<br />

Rahmen<br />

Denken Sie in Kästen<br />

Weitere Beispiele:<br />

Ernst Haas S. 37<br />

Denis Darzacq S. 53<br />

Rakeem Cunningham S. 133<br />

Dieses fröhliche Bild ist eine Hommage an Ethyl<br />

Eichelberger, einen legendären New Yorker Drag-<br />

Performer. Als bei ihm in den späten 1980er-Jahren<br />

AIDS diagnostiziert wurde, nahm er sich jedoch<br />

das Leben..<br />

Der Fotograf Michael Bailey-Gates schafft in dieser<br />

energiegeladenen Szene durch den Einsatz von Rahmen<br />

Ordnung. Während ein Model von oben herabblickt,<br />

wird unser Blick auf das Geschehen unter dem Tisch<br />

gelenkt. Eingerahmt von den Möbeln werden die<br />

drei Figuren vom Rest der Komposition isoliert, als<br />

würden sie ein überladenes kleines Bild innerhalb des<br />

Ganzen schaffen.<br />

Rahmen lenken die Aufmerksamkeit<br />

in einen bestimmten Bereich der<br />

Komposition. Das ist vor allem bei sehr<br />

unruhigen Szenen praktisch.<br />

Halten Sie nach Türen, Fenstern oder anderen Öffnungen<br />

Ausschau – nach allem, was helfen könnte, den<br />

Fokus auf einen bestimmten Bereich Ihrer Komposition<br />

zu lenken. Rahmen sind ein machtvolles Instrument,<br />

verwenden Sie sie also nicht für alles und jedes. Suchen<br />

Sie sich Motive, die sich zu rahmen lohnen. Stellen Sie<br />

sich das vor wie ein Foto im Foto.<br />

14


Ethyl Eichelberger Angels<br />

Michael Bailey-Gates<br />

2019


KOMPOSITION<br />

Vordergrund<br />

Ebenen-Look<br />

Weitere Beispiele:<br />

Henri Cartier-Bresson S. 11<br />

Carolyn Drake S. 49<br />

Joel Sternfeld S. 68<br />

Landschaftsfotografen sind besonders wählerisch. Sie<br />

stellen ihre Stative nicht einfach irgendwo auf. Stattdessen<br />

sind sie ständig auf der Suche nach der perfekten<br />

Position. Dabei geht es nicht um ungefähr hier könnte es<br />

gehen, sondern um genau hier.<br />

In diesem Bild von Edward Burtynsky geht es um ein<br />

rostiges Containerschiff. Aber die Komposition besteht<br />

aus mehr Ebenen als dieser einen. Schauen Sie mal<br />

auf den strukturierten Schlamm im Vordergrund, der<br />

uns zum Spiegelbild und dann zum eigentlichen Motiv<br />

führt. Der Vordergrundschlamm ist nicht zufällig dort.<br />

Burtynsky stellte sich so, dass er zum essentiellen<br />

Teil der Komposition wurde. So sieht ein interessanter<br />

Vordergrund aus.<br />

Ein interessanter Vordergrund bietet dem<br />

Betrachter einen Einstieg ins Bild und<br />

verstärkt das Gefühl der Tiefe.<br />

Ohne den interessanten Vordergrund würde das Auge<br />

die Bildmitte und den Hintergrund zu stark voneinander<br />

trennen und so das Gefühl für Tiefe verlieren. Decken<br />

Sie den Vordergrund einmal mit der Hand ab, dann<br />

stecken Sie plötzlich fest und sind gezwungen, das<br />

schmutzige Wasser vor dem Schiff mit den Augen mutig<br />

zu überspringen.<br />

In der Landschaftsfotografie ist es einfach, sich auf den<br />

großen Blickfang zu konzentrieren. Behalten Sie jedoch<br />

auch das im Auge, was um Sie herum passiert. Häufig<br />

liegt der Schlüssel zu einer kunstvollen Komposition<br />

direkt vor Ihren Füßen.<br />

16


Shipbreaking #31,<br />

Chittagong, Bangladesh<br />

Edward Burtynsky<br />

2001


Benidorm, Spanien<br />

Martin Parr<br />

1997


Nah ran.<br />

Dann noch näher.<br />

KOMPOSITION<br />

Nah rangehen.<br />

Obwohl er dabei Knüffe, Beschimpfungen und böse<br />

Blicke riskiert, ist Martin Parr ein Fotograf, der häufig<br />

seinen Motiven unangenehm nahe kommt. Dabei lenkt<br />

Parr die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Details,<br />

die in einer größeren Komposition verloren wären.<br />

Indem er hier nah herangeht und den Bildausschnitt<br />

komplett mit dem Motiv füllt, zwingt uns der Fotograf,<br />

die besonderen Details des Bildes anzuschauen: der<br />

grell rote Lippenstift auf den leicht geschürzten, unzufriedenen<br />

Lippen; der <strong>Gold</strong>schmuck; die ovalen Augenklappen<br />

mit den echsenartigen Schlitzöffnungen. Mit<br />

all diesen Details kann man gar nicht anders, als sich<br />

eine Meinung über diese Dame zu bilden – willkommen<br />

in Benidorm!<br />

Weitere Beispiele:<br />

Zoë Ghertner S. 46<br />

Shikhei Goh S. 98<br />

Häufig leidet ein Bild unter nichts mehr als<br />

unter zu großem Abstand.<br />

Indem Sie nah rangehen – also richtig nah – und den<br />

Bildausschnitt mit Ihrem Motiv füllen, kommunizieren<br />

Sie diese einzigartige, entscheidende Beobachtung, die<br />

Ihr Interesse geweckt hat.<br />

Warum aber nicht einfach Abstand halten und das Bild<br />

später nett freistellen? Betrachten Sie das Freistellen<br />

lieber als Feinabstimmung und nicht als grundlegenden<br />

Teil der eigentlichen Bildgestaltung. Es ist wichtig, dass<br />

sich Parr selbst in die Schusslinie begibt, um das Foto<br />

zu bekommen. Ansonsten verlören seine Bilder ihren<br />

Humor und fühlten sich schlichtweg falsch an.<br />

19


KOMPOSITION<br />

Symmetrie<br />

Ein Urinstinkt<br />

Weitere Beispiele:<br />

Campbell Addy S. 73<br />

Shikhei Goh S. 98<br />

Dorothea Lange S. 113<br />

Die einfache Schönheit der Symmetrie ist unumstritten.<br />

Sie ist universell und entspricht unserem Urbedürfnis<br />

nach Ordnung.<br />

Tyler Mitchell zieht uns durch Symmetrie sofort in<br />

seine Komposition hinein. Der Rahmen wird durch<br />

den hängenden Stoff in zwei Hälften geteilt, und<br />

die Körpersprache der Porträtierten spiegelt sich in<br />

ihren geneigten Köpfen, die uns in entgegengesetzte<br />

Richtungen aus dem Rahmen führen. Es herrscht hier<br />

Harmonie, aber auch Spannung.<br />

Bei Symmetrie gibt es einen schmalen<br />

Grat zwischen Balance und Langeweile.<br />

Bei der Symmetrie geht es nicht einfach darum, ein<br />

Bild wie einen Tintenklecks abzupausen. Diese Art von<br />

visueller Perfektion kann zu etwas führen, das ein wenig<br />

seelenlos oder ein wenig zu bewusst konstruiert wirkt.<br />

Lassen Sie menschliche Elemente zu. Die kleinen Dinge,<br />

die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ohne das<br />

Gleichgewicht zu stören.<br />

In Mitchells Komposition sind es die Diskrepanzen oder<br />

die »Asymmetrie«, die uns zum Hinschauen bewegen.<br />

Stellen Sie sich vor, die beiden Personen säßen genau<br />

gleich, oder der Hintergrund würde direkt durch die<br />

Mitte des Bildes verlaufen – alles könnte sich ein wenig<br />

zu perfekt anfühlen. Ein bisschen zu künstlich.<br />

20


I’m Doing Pretty Hood in My<br />

Pink Polo aus Dazed<br />

Tyler Mitchell<br />

2016


KOMPOSITION<br />

Die Drittelregel<br />

Abseits der Mitte<br />

Weitere Beispiele:<br />

Henri Cartier-Bresson S. 11<br />

Lewis Baltz S. 27<br />

Muzi Quawson S. 95<br />

Die Künstlerin Mickalene Thomas sitzt mit leicht gespreizten<br />

Beinen und blickt trotzig in die Kamera – auf<br />

uns. Ihr Blick suggeriert: »Das bin ich. Komm damit<br />

klar.« Umgeben von Objekten, die an ihre Kindheit<br />

erinnern, ist das Bild mit einer Flut von Mustern und<br />

Texturen aus den 1970er-Jahren gefüllt, und dennoch<br />

dominiert Thomas die Komposition, auch wenn sie<br />

nicht das Zentrum bildet.<br />

Thomas hat ihr Bild nach der »Drittelregel« komponiert.<br />

Das bedeutet, dass das Bild in drei Abschnitte unterteilt<br />

wird – entweder horizontal oder vertikal – und der<br />

Brenn punkt (das Motiv) an diesem imaginären Raster<br />

ausgerichtet wird.<br />

Mit der Drittelregel können Details eine<br />

wichtige Rolle spielen, ohne die Balance<br />

zu stören.<br />

Es spricht nichts dagegen, das Motiv ins Zentrum zu<br />

rücken, aber mitunter kann dies alles andere überstrahlen.<br />

Stellen Sie sich vor, das wäre hier der Fall. Wichtige<br />

Details wie der Spiegel, die Lampe, der Stuhl und die<br />

Plattencover könnten übersehen werden. Die ganze Aufmerksamkeit<br />

würde sich auf das Motiv richten.<br />

Dadurch, dass Thomas nicht im Zentrum steht, sondern<br />

»auf einem Drittel«, fungiert sie als Anker für unser Auge<br />

und lässt uns dennoch den Raum, durch ihre Welt zu<br />

wandern und ihre Bedeutung und Absicht aufzunehmen.<br />

22


Lovely Six Foota<br />

Mickalene Thomas<br />

2007


42nd Street und Eighth Avenue<br />

Lars Tunbjörk<br />

1997


Jeder Zoll muss zählen<br />

KOMPOSITION<br />

Funktionierender<br />

Bildausschnitt<br />

Mir gefällt dieses Foto von Lars Tunbjörk sehr. Besonders<br />

die Tatsache, dass nichts daran schön ist. Die Schönheit<br />

ergibt sich aus dem Ganzen. Nichts ist am falschen Ort.<br />

Nichts scheint zufällig.<br />

Bilder wie dieses »passieren« nicht einfach. Sie entstehen,<br />

wenn man genau weiß, was in jedem Bereich des<br />

Bildes passiert.<br />

Wenn Sie Ihr Foto gestalten, sind es die klitzekleinen Bewegungen,<br />

die alles ins rechte Licht rücken – etwas tiefer,<br />

ein bisschen mehr nach links, ein paar Schritte zurück.<br />

Diese Mini-Veränderungen sorgen dafür, dass der Zaun<br />

im Vordergrund exakt senkrecht steht. Und dass das<br />

Taxi im Hintergrund komplett im Bild ist und nicht nur<br />

zur Hälfte. Sie sorgen für eine Balance der lebendigen<br />

Farben, ohne dass eine die anderen überstrahlt. Und sie<br />

achten darauf, dass nichts Unerwünschtes ins Bild gerät.<br />

Weitere Beispiele:<br />

Marc Asnin S. 13<br />

Mickalene Thomas S. 23<br />

Lewis Baltz S. 27<br />

Rakeem Cunningham S. 133<br />

Vermeiden Sie bei der Bildkomposition<br />

»passive« Bereiche, die nichts zum Bild<br />

beitragen.<br />

Und wenn Sie bereit für die Aufnahme sind, halten Sie<br />

einen Moment inne und schauen Sie sich den Bildausschnitt<br />

genau an – ist alles da, was Sie haben wollen?<br />

Funktioniert die Komposition? Wenn Sie es noch nicht<br />

ganz getoffen haben, ändern Sie die Position – sei es auch<br />

nur leicht – und beobachten Sie, wie sich die Position der<br />

Elemente zueinander verändert.<br />

25


KOMPOSITION<br />

Optisches Gewicht<br />

Reduzieren<br />

Weitere Beispiele:<br />

Jeanloup Sieff S. 88<br />

In diesem Bild ist nicht so viel los wie im vorherigen.<br />

Aber trotz des vielen Freiraums scheint nichts zu<br />

fehlen. Es strahlt dieselbe kalte Ordnung aus wie der<br />

dargestellte Industriepark.<br />

Hier spürte Lewis Baltz das optische Gewicht jedes<br />

einzelnen Elements. Er sah nicht nur einfach ein<br />

von einer Ziegelwand umrandetes Garagentor und<br />

den Asphalt davor. Vielmehr reduzierte er alles auf<br />

zweidimensionale Formen und Farben.<br />

Sehen Sie die Welt nicht so, wie sie ist.<br />

Sehen Sie sie als Foto.<br />

Achten Sie mal darauf, wie viel »schwerer« der dunkle<br />

Untergrund im Vergleich zur hellen Wand wirkt und<br />

wieviel Raum ihm Baltz darum im Bild eingeräumt<br />

hat. Sie sehen, wie dem grauen Tor der in den Asphalt<br />

geschnittene weiße »Diamant« entgegengestellt wird.<br />

Schauen Sie sich den Raum zwischen diesen paar<br />

Elementen an, deren Position relativ zum Bildrand –<br />

und wie alles zusammen absolut ausgeglichen wirkt.<br />

Das optische Gewicht in einer Szene zu spüren, ist ein<br />

komplizierter Drahtseilakt, Ihre Augen können das aber<br />

ziemlich gut einschätzen. Sie messen das optische Gewicht,<br />

wenn Sie entscheiden, wo Sie ein Bild aufhängen<br />

oder wie Sie Essen auf einem Teller arrangieren. Sie<br />

brauchen nur diese bereits vorhandenen Fähigkeiten auf<br />

Ihre Fotografie anzuwenden. Nichts weiter.<br />

26


West Wall, Business Systems<br />

Division, Pertec, 1881 Langley,<br />

Costa Mesa<br />

aus »New Industrial Parks«<br />

Lewis Baltz<br />

1974


KOMPOSITION<br />

Regeln brechen<br />

Werfen Sie alle Regeln<br />

über Bord<br />

Weitere Beispiele:<br />

Lee Friedlander S. 71<br />

Katie Burnett S. 126<br />

Robert Capa S. 131<br />

Alles an diesem Foto von Bill Brandt ist so falsch.<br />

Zum einen wird das Auge vom Weg auf der rechten<br />

Seite aus dem Bild geführt. Dann ist da dieser schiefe<br />

Laternenpfahl, der auch noch den oberen Bildrand<br />

berührt. Und schauen Sie sich nur das eigentliche Motiv<br />

an – den Maler Francis Bacon –, der steht ganz links, sein<br />

Blick wird vom Bildrand brutal zurechtgestutzt. Hinzu<br />

kommt eine Horizontlinie, die genau durch den Kopf<br />

des Malers verläuft – eine durch und durch unruhige<br />

Komposition voller Spannung und Beklemmung.<br />

Spannung und Beklemmung. Klingt eigentlich sehr<br />

nach Bacons Gemälden. Auf den zweiten Blick stimmt<br />

eigentlich alles an diesem Foto!<br />

Gute Fotos halten sich an die Regeln – die<br />

großartige Fotos häufig brechen.<br />

Während Kompositionstechniken wie Führungslinien,<br />

Drittelregel, Wahl des Bildausschnitts usw. wichtige<br />

Grundbausteine der Fotografie sind, kann zu viel des<br />

Guten dafür sorgen, dass Ihre Bilder vorhersagbar und<br />

auf »Nummer sicher« wirken.<br />

Statt also stur darauf zu achten, dass jede Regel eingehalten<br />

wird, konzentrieren Sie sich lieber darauf, mit<br />

Ihrer Komposition das Wesentliche Ihres Motivs einzufangen.<br />

Dies ist ein Foto von einem Mann, der verformte<br />

Köpfe, schreiende Päpste und tote Tiere malt. Irgendwie<br />

wäre ihm die Drittelregel nicht gerecht geworden.<br />

28


Francis Bacon Walking on<br />

Primrose Hill<br />

Bill Brandt<br />

1963


LANG<br />

BELICHTUNGSZEIT/BEWEGUNG<br />

KURZ<br />

1" 1/2 1/4 1/8 1/15 1/30 1/60 1/125 1/250 1/500 1/1000 1/2000<br />

Mehr Licht dringt ein<br />

Mit kleiner Blende einsetzen<br />

Bewegung wird unscharf<br />

Je länger die Zeit desto<br />

größer die<br />

Verwacklungsgefahr<br />

Weniger Licht dringt ein<br />

Mit größerer Blende einsetzen<br />

Bewegung wird eingefroren<br />

GROSS<br />

BLENDE/FOKUS<br />

KLEIN<br />

ƒ/2,8<br />

ƒ/4<br />

ƒ/5,6<br />

ƒ/8 ƒ/11 ƒ/16 ƒ/22<br />

Mehr Licht dringt ein<br />

Mit kurzer Belichtungszeit einsetzen<br />

Geringe Schärfentiefe / Weniger im Fokus<br />

Weniger Licht dringt ein<br />

Mit längerer Belichtungszeit einsetzen<br />

Höhere Schärfentiefe / Mehr im Fokus<br />

NIEDRIG<br />

100 200<br />

ISO/EMPFINDLICHKEIT<br />

400<br />

HOCH<br />

800 1600<br />

Weniger lichtempfindlich<br />

In heller Umgebung einsetzen<br />

Weniger oder kein Bildrauschen<br />

Passend für einen<br />

bedeckten Tag<br />

Höhere Lichtempfindlichkeit<br />

In dunklerer Umgebung einsetzen<br />

Mehr Bildrauschen<br />

DUNKLER (-)<br />

BELICHTUNGSKORREKTUR<br />

(+) HELLER<br />

-3 | | -2 | | -1 | | 0 | | +1 | | +2 | | +3<br />

Bild wird dunkler<br />

Weniger Details in den Schatten /<br />

Mehr in den Lichtern<br />

Immer auf Null<br />

zurücksetzen<br />

Bild wird heller<br />

Mehr Details in den Schatten /<br />

Weniger in den Lichtern<br />

(Bei manchen Kameras finden Sie + auf der linken und –<br />

auf der rechten Seite)


Mehr Durchblick in den<br />

Grundlagen<br />

Beim Fotografieren steuern Sie, wieviel Licht in die<br />

Kamera gelangt. Ist es zu viel, überbelichten Sie das<br />

Bild, es wird also zu hell. Wenn das Licht nicht ausreicht,<br />

kommt es zur Unterbelichtung und das Bild ist zu<br />

dunkel.<br />

Dieser Drahtseilakt heißt Belichtung und hat mit dem<br />

Jonglieren von Belichtungszeit, Blende und ISO zu tun<br />

(ISO: International Organization for Standardization).<br />

Dieses Trio ist untrennbar miteinander verbunden. Jeder<br />

hat seine Aufgabe und wirkt sich anders auf das Bild<br />

aus, darum müssen sie sich auch aufeinander verlassen<br />

können.<br />

BELICHTUNGSZEIT bestimmt, wie lange<br />

Licht in die Kamera eintreten kann.<br />

BLENDE steuert, wie viel Licht in die Kamera<br />

gelangt.<br />

BELICHTUNG<br />

ISO legt fest, wie lichtempfindlich Ihre Kamera ist.<br />

Das klingt schon nach jeder Menge Wissenschaft. Ist<br />

es auf den ersten Blick auch. Wenn Sie sich jedoch erst<br />

einmal mit ein paar Grundlagen auskennen, ist die<br />

Einstellung von Belichtungszeit, Blende und ISO für Sie<br />

genau so eine Fingerübung wie die Lichtführung. Und<br />

der Begriff »korrekte Belichtung«, nun ja, das ist eher<br />

eine Einstellungsfrage.<br />

Aber bevor wir uns in die Grundlagen vertiefen, wollen<br />

wir die Kameramodi etwas entzaubern.


BELICHTUNG<br />

Modi<br />

The Good, the Bad and<br />

the Ugly<br />

Ihre Kamera verfügt vermutlich über zwischen 8 und 15<br />

Modi, richtig? Sie halten das vielleicht für toll und super,<br />

in Wahrheit benutzen Sie die meisten nie.<br />

THE GOOD<br />

P, S (Tv) und A (Av) sind die einzigen Modi, mit denen Sie<br />

sich wirklich auskennen sollten, um geniale Fotos zu<br />

schießen. Das sind die Guten. Damit können Sie Ihrer<br />

Kreativität freien Lauf lassen und die gewünschten<br />

Fotos schießen. Auf den nächsten Seiten werde ich sie<br />

Ihnen genauer vorstellen.<br />

THE BAD<br />

»Szene-Modi« – die Sie an solchen Symbolen erkennen<br />

– sind Blödsinn. Dabei handelt es sich um Voreinstellungen<br />

ab Werk, die Ihre Kamera für ein bestimmtes<br />

Motiv besonders einstellen. Aber es gibt für kein Motiv<br />

ein Richtig oder Falsch. Darum sind Ihre Ideen und Ihre<br />

Kreativität ja auch so wichtig. Von jetzt an tun wir also<br />

so, als wären diese Modi nicht da.<br />

THE UGLY<br />

Der »Auto«-Modus ist gut für schnelle Schnappschüsse,<br />

die sehen aber meist nicht so aus, wie Sie sich das<br />

vorstellen. Betrachten Sie ihn als Modus ohne Persönlichkeit<br />

oder Fantasie. Dennoch ist es hin und wieder<br />

okay, Ihre Kamera auf Automatik zu stellen – es geht<br />

aber auch besser.<br />

32


»P« wie Programm<br />

BELICHTUNG<br />

»Programm«-Modus<br />

Manuell – Guuuuut. Auto – Üüüüüüüübel.<br />

Diesen blöden Spruch von Kameraclub-Traditionalisten<br />

hört man immer wieder, denn unter jenen gilt die manuelle<br />

Einstellung als deutlich höherwertig. Hören Sie nicht<br />

darauf.<br />

Für den Anfang ist P einer der besten<br />

Modi.<br />

P steht für »Pessere Automatik« … ok, für »Programm«.<br />

Diesen Modus werden Sie verwenden, wenn Sie der<br />

Kamera alle technischen Einstellungen überlassen und<br />

sich lieber auf den Bildaufbau konzentrieren wollen. Und<br />

im Gegensatz zur vollen Automatik haben Sie mit P recht<br />

viele und wichtige kreative Freiheiten.<br />

Zum einen bedeutet P, dass der Blitz nicht oder nicht so<br />

schnell auslöst. Das ist prima, denn Ihr Blitz wird das<br />

Bild wahrscheinlich ruinieren. Zum anderen können Sie<br />

den ISO einstellen, und darüber sollten Sie in jedem Fall<br />

Bescheid wissen.<br />

Bevor Sie sich jedoch mit diesen Dingen auseinandersetzen,<br />

wird es Zeit, sich um den ersten der drei Kandidaten<br />

zu kümmern – die Belichtungszeit.<br />

33


BELICHTUNG<br />

Belichtungszeit und<br />

»Blendenautomatik«<br />

1-2-3 … Belichtungszeit<br />

Wenn Sie ein Foto machen, öffnet sich der Verschluss der<br />

Kamera und lässt Licht rein. Er bleibt für eine gewisse<br />

Zeit geöffnet (normalerweise für den Bruchteil einer<br />

Sekunde) und schließt sich dann, um das Licht wieder<br />

auszusperren. Die Zeitspanne der Öffnung nennt man<br />

Belichtungszeit.<br />

Zuweilen brauchen Sie die volle Kontrolle über die<br />

Belichtungszeit – warum, das werden Sie gleich erfahren.<br />

In solchen Fällen arbeiten Sie am besten mit der sogenannten<br />

Blendenautomatik, die mit S oder Tv gekennzeichnet<br />

ist.<br />

Mit Blendenautomatik können Sie die Belichtungszeit<br />

ändern, während sich die Kamera freundlicherweise um die<br />

korrekte Blende kümmert. Aber die Blende lassen wir mal<br />

kurz außen vor.<br />

So ändern Sie die Belichtungszeit:<br />

Eins Wählen Sie »Blendenautomatik«. Die meisten<br />

Kameras haben für die Modi ein Einstellrad.<br />

Bei denen, die keines haben, können Sie das im<br />

Menü einstellen.<br />

Zwei Drücken Sie den Auslöser leicht an, um die<br />

Kamera zum Leben zu erwecken. Der Auslöser ist<br />

der Knopf, den Sie zum Fotografieren drücken.<br />

Drei Scrollen Sie in die eine Richtung, um die<br />

Belichtungszeit zu verkürzen, und in die andere,<br />

um sie zu verlängern.<br />

34


Beim Scrollen werden die Zahlen aus dieser Messanzeige<br />

zu sehen sein:<br />

LANG<br />

BELICHTUNGSZEIT/BEWEGUNG<br />

KURZ<br />

1" 1/2 1/4 1/8 1/15 1/30 1/60 1/125 1/250 1/500 1/1000 1/2000<br />

Kameras zeigen die Belichtungszeit entweder als Bruch<br />

an, z. B. 1/500, oder als Zahl, z.B. 500. Beide Varianten<br />

geben die Belichtungszeit als Sekundenbruchteil an,<br />

also 1/500 (oder 500) bedeutet, der Verschluss bleibt für<br />

1/500 s geöffnet. Das ist nicht lang.<br />

Wenn Sie nach der Zahl ein Zollzeichen sehen, handelt<br />

es sich um ganze Sekunden ( steht für s, für min).<br />

1" steht also für 1 s, was in der Fotografie eine halbe<br />

Ewigkeit ist.<br />

Generell müssen Sie bei schwachen Lichtverhältnissen<br />

längere und bei hellem Licht kürzere Belichtungszeiten<br />

wählen. Denn die Belichtungszeit agiert wie ein Timer,<br />

der die Zeit steuert, für die Licht in die Kamera eindringen<br />

kann. Im Dunkeln sollten Sie dem Licht etwas mehr<br />

Zeit geben.<br />

Lassen wir nun die Belichtung einen Moment beiseite,<br />

denn hier wird es richtig sexy. Über die Belichtungszeit<br />

können Sie zwei sehr attraktive optische Effekte in Ihrem<br />

Bild erzeugen, sobald Sie Bewegung darstellen wollen –<br />

Bewegungsunschärfe und Einfrieren.<br />

35


BELICHTUNG<br />

Lange Belichtungszeiten<br />

Die Schönheit<br />

der Unschärfe<br />

Weitere Beispiele:<br />

Luca Campigotto S. 38<br />

Lange Belichtungszeiten sorgen für Bewegungsunschärfe.<br />

Der Verschluss bleibt länger geöffnet,<br />

die Objekte haben also mehr Zeit, sich zu bewegen,<br />

während das Foto belichtet wird.<br />

Hier verwendet Ernst Haas eine lange Belichtungszeit<br />

von ca. 3 s, um den Choreographen George Balanchine<br />

in eine wunderschöne rhythmische Bewegungsunschärfe<br />

einzuhüllen. Während sich die Tänzer durch<br />

das Bild drehen, bilden ihre Spuren einen schönen Kontrast<br />

zur Ruhe Balanchines, der bewegungslos ausharrt<br />

und alles genau beobachtet.<br />

Um ein bewegliches Motiv zu verwischen,<br />

wählen Sie »Blendenautomatik« (S oder Tv)<br />

und eine lange Belichtungszeit.<br />

Bei Fotos von Alltagsmotiven wie Läufern oder vorbeifahrenden<br />

Autos erkennt man erste Anzeichen von<br />

Bewegungsunschärfe bereits ab 1/60. Je länger Sie<br />

belichten, desto deutlicher wird die Unschärfe.<br />

36


George Balanchine,<br />

New York City Ballet<br />

Ernst Haas<br />

1960er


Bangkok aus »Cityscapes«<br />

Luca Campigotto<br />

2006


Lichtspuren<br />

BELICHTUNG<br />

Lange Belichtungszeiten in<br />

der Dunkelheit<br />

Schon seit langer Zeit werden Fotografen von in der<br />

Dunkelheit leuchtenden Städten verführt. Wenn die<br />

Sonne untergeht, gehen die Lichter an, und was am Tage<br />

unscheinbar war, erstrahlt plötzlich in der Nacht.<br />

Hier verwendet Luca Campigotto eine lange Belichtungszeit,<br />

um eine Straße in eine Ader aus rotem und<br />

weißem Licht zu verwandeln. Der Verschluss blieb für<br />

einige Sekunden geöffnet, dadurch sind von den vorbeifahrenden<br />

Autos nichts als brillante Lichtspuren zu<br />

sehen.<br />

Wenn Sie mit langen Belichtungszeiten<br />

arbeiten, darf sich die Kamera nicht<br />

bewegen. Wenn doch, wird das gesamte<br />

Bild unscharf. Man nennt das auch<br />

»Verwacklung«.<br />

Hier ist der Verkehr das einzige, was sich bewegt, während<br />

die umstehenden Gebäude absolut scharf bleiben.<br />

Darum hat Campigotto seine Kamera auf einem Stativ<br />

montiert, um sicherzustellen, dass sie während der Belichtung<br />

nicht wackelt.<br />

Kameraverwacklungen durch in der Hand gehaltene<br />

Kameras sind der häufigste Grund, warum Nachtaufnahmen<br />

nicht gelingen. Manche Kameras bieten Bildstabilisatoren<br />

(IS) oder Vibrationsreduzierung (VR). Schalten<br />

Sie diese ein, dann können Sie auch bei längeren Belichtungszeiten<br />

aus der Hand fotografieren. Aber wenn die<br />

Belichtungszeit so lang wird wie hier, ist ein Stativ die<br />

einzige Option.<br />

39


BELICHTUNG<br />

Kurze Belichtungszeiten<br />

Einfrieren<br />

Weitere Beispiele:<br />

Zoë Ghertner S. 46<br />

Denis Darzacq S. 53<br />

Kurze Belichtungszeiten sorgen für genau entgegengesetzte<br />

Effekte – sie frieren die Bewegung ein.<br />

Für seine Serie »Blast« verwendet Naoya Hatakeyama<br />

eine äußerst kurze Belichtungszeit von 1/2000, um die<br />

destruktive Wirkung japanischer Kalksteinbrüche auf<br />

die Landschaft zu illustrieren.<br />

In diesem Bild ist eine Explosion mit atemberaubenden<br />

Details zu sehen, was mit dem bloßen Auge so gar nicht<br />

erkennbar wäre. Die Zeit bleibt stehen, während der rotbraune<br />

Schutt mitten im wunderschön blauen Himmel<br />

schwebt. Hier macht das unangenehme Gefühl der<br />

Zerstörung Platz für totale Begeisterung.<br />

Um Bewegung einzufrieren, verwenden<br />

Sie »Blendenautomatik« (S oder Tv) und<br />

eine kurze Belichtungszeit.<br />

Bei kurzen Belichtungszeiten aufgenommene Motive<br />

werden im Moment der Aufnahme scheinbar eingefroren,<br />

nichts im Blickfeld der Kamera hat noch Zeit, sich<br />

zu bewegen. Allgemein beginnen Belichtungszeiten<br />

ab 1/125 und kürzer, Bewegungen einzufrieren, zum<br />

Beispiel von springenden Menschen und fließendem<br />

Wasser.<br />

Denken Sie aber daran: Bei kurzen Belichtungszeiten<br />

gelangt weniger Licht in die Kamera, und wenn das nicht<br />

ausreicht, werden die Fotos unterbelichtet. Das lässt sich<br />

jedoch verhindern – Zeit für die »Blende«.<br />

40


Blast #8316 aus »Blast«<br />

Naoya Hatakeyama<br />

1997


BELICHTUNG<br />

Blende und<br />

»Zeitautomatik«<br />

1-2-3 … Blende<br />

Die Blende ist ein Loch in Ihrem Objektiv, das Sie kleiner<br />

oder größer machen können, um zu steuern, wie viel<br />

Licht in die Kamera gelangt. Sie funktioniert exakt<br />

genauso wie die Pupille des Auges, die unter schwachen<br />

Lichtverhältnissen größer wird und sich bei großer<br />

Helligkeit zusammenzieht.<br />

Abgesehen von der Steuerung des Lichteinfalls erzeugt<br />

die Blende auch einen typischen optischen Effekt, aber<br />

dazu kommen wir gleich. Wie bei der Belichtungszeit,<br />

bei der es den Modus »Blendenautomatik« gibt, hat auch<br />

die Blende einen eigenen Modus, die »Zeitautomatik«<br />

A oder Av.<br />

Das Tolle an der Zeitautomatik ist, dass Sie die Blende<br />

ändern können, während sich die Kamera um die<br />

übrigen Werte kümmert.<br />

So ändern Sie die Blende:<br />

EINS Wählen Sie »Zeitautomatik«. Die meisten<br />

Kameras haben ein Einstellrad für den Modus.<br />

Falls nicht, wählen Sie den Modus über das<br />

Menü.<br />

Zwei Drücken Sie den Auslöser leicht an,<br />

um die Kamera zum Leben zu erwecken. Der<br />

Auslöser ist der Knopf, den Sie zum Fotografieren<br />

drücken.<br />

Drei Scrollen Sie in die eine Richtung, um die<br />

Blende zu verringern, und in die andere, um sie<br />

zu vergrößern.<br />

42


Die exakte Größe der Öffnung wird in Blendenstufen,<br />

auch f-Stops genannt, gemessen. Diese sorgen anfangs<br />

für leichte Verwirrung, denn je größer die Blendenzahl<br />

ist, desto kleiner ist das Loch und umgekehrt:<br />

Groß<br />

Blende/Fokus<br />

Klein<br />

ƒ/2,8 ƒ/4 ƒ/5,6 ƒ/8 ƒ/11 ƒ/16 ƒ/22<br />

Die Blende befindet sich in Ihrem Objektiv, nicht in der<br />

Kamera – je nach Objektiv variiert also auch die Bandbreite<br />

an Blenden.<br />

So, und jetzt kommt’s: Wenn Sie die Blende ändern,<br />

wissen Sie, was dann mit der Belichtungszeit passiert?<br />

Die ändert sich auch, richtig? Wenn Sie eine große<br />

Blende wählen, wie ƒ/5,6, wird die Belichtungszeit kürzer,<br />

bei einer kleinen Blende wie ƒ/22 wird sie länger.<br />

Die Kamera ändert nämlich die Belichtungszeit, um zu<br />

kompensieren, dass die Blende mehr bzw. weniger Licht<br />

einlässt. Ein Balanceakt, und dasselbe passiert mit der<br />

Blende, wenn Sie »Blendenautomatik« eingestellt haben<br />

und die Belichtungszeit verändern.<br />

Es wird aber noch komplizierter. Durch die Änderung<br />

der Blende wird auch die Schärfentiefe im Bild verändert,<br />

und das wird Ihnen gefallen.<br />

43


BELICHTUNG<br />

Geringe Schärfentiefe<br />

Fokus auf dem,<br />

was wichtig ist<br />

Weitere Beispiele:<br />

Zoë Ghertner S. 46<br />

Youngjun Koo S. 96<br />

Zanele Muholi nutzt Selbstporträts als Widerstand gegen<br />

koloniale Darstellungen von Black People of Color. Hier<br />

werden wir sofort mit der Intensität von Muholis Blick<br />

und dem konfrontiert, was einige zunächst als »Stammeskopfschmuck«<br />

interpretieren könnten. Bei näherer<br />

Betrachtung wird klar, dass es sich bei den Objekten um<br />

Essstäbchen handelt, und ihre willkürliche Anordnung<br />

wirkt ein wenig humorvoll und sogar ein wenig brutal.<br />

Vor einem unscharfen Hintergrund treten Muholis<br />

Kopf, die kantigen Schultern und die Stäbchen hervor.<br />

Dieser optische Effekt von scharfem und weichem Fokus<br />

wird als »geringe Schärfentiefe« bezeichnet. Indem<br />

man einen Bereich des Bildes unscharf stellt, verliert<br />

man Details. Wie hier zu sehen ist, macht eine geringe<br />

Schärfentiefe Porträts besonders eindrucksvoll.<br />

Für eine geringe Schärfentiefe wählen Sie<br />

»Zeitautomatik« und eine weit geöffnete<br />

Blende (kleine Blendenzahl).<br />

Bei Kameras mit optischem Sucher (z. B. einer DSLR), ist<br />

dieser Effekt im Sucher nur zu erkennen, wenn – sofern<br />

vorhanden – die Abblendtaste gedrückt wird: Ohne<br />

Abblendtaste wird er erst nach der Aufnahme deutlich.<br />

Bei einer Kamera mit elektronischem Sucher (oder<br />

einer spiegellosen Kamera) ist der Effekt bereits dort<br />

eingeblendet.<br />

Nebenbei bemerkt: Eine geringe Schärfentiefe ist<br />

im Grunde das, was Ihnen der »Porträtmodus« Ihres<br />

Handys bietet, nur wird der Effekt digital und nicht<br />

optisch erzeugt. Das ist in Ordnung, aber eine optisch<br />

erzeugte geringe Schärfentiefe ist unschlagbar.<br />

44


Ndivile II, Malmö<br />

Zanele Muholi<br />

2015


Craving the Sweet (Nectar)<br />

Zoë Ghertner<br />

2021


Fesselnde Nahaufnahmen<br />

BELICHTUNG<br />

Geringe Schärfentiefe<br />

In Zoë Ghertners Nahaufnahmen von Körperteilen,<br />

Pflanzen, Muscheln, Pilzen und vielem mehr offenbart<br />

sich eine faszinierende viszerale Natur. Durch<br />

die geringe Schärfentiefe erhalten kleine Details eine<br />

große Bedeutung. Die Formen vertrauter Objekte werden<br />

abstrahiert oder von einer Art nebulöser Sexualität<br />

durchdrungen. Hier überzieht der Honig die Finger<br />

mit einer verführerischen Glasur, und im Inneren der<br />

kugelförmigen Tropfen können wir gerade noch winzige,<br />

gestochen scharfe Bläschen erkennen.<br />

Bei Nahaufnahmen ist die Schärfentiefe<br />

am geringsten.<br />

Ghertner hat eine so geringe Schärfentiefe (einige<br />

Millimeter) erreicht, weil sie eine große Blendenöffnung<br />

(niedrige Blendenzahl) verwendet hat und sehr nah am<br />

Motiv steht. Außerdem hat sie ein wenig hineingezoomt,<br />

was den Effekt der geringen Schärfentiefe noch<br />

unterstreicht.<br />

Der Schärfentiefebereich hängt ganz vom Abstand<br />

zwischen Motiv und Kamera ab. Auch wenn das hier<br />

eine Nahaufnahme ist, ist doch eine physische Tiefe<br />

im Bild deutlich erkennbar. Wenn Sie die Wirkung von<br />

geringer Schärfentiefe deutlich zeigen wollen, lassen Sie<br />

vor oder hinter dem Motiv genügend Platz, ansonsten ist<br />

da nichts, was unscharf werden kann.<br />

Weitere Beispiele:<br />

Shikhei Goh S. 98<br />

47


BELICHTUNG<br />

Große Schärfentiefe<br />

Tief und tiefgreifend<br />

Weitere Beispiele:<br />

Edward Burtynsky S. 17<br />

Lars Tunbjörk S. 24<br />

Joel Sternfeld S. 68<br />

Jeanloup Sieff S. 88<br />

Carolyn Drake fotografiert hier eine verkohlte Landschaft,<br />

die von einem Waldbrand verwüstet wurde. Im<br />

Vordergrund sieht die einst fruchtbare Erde aus wie<br />

Mondstaub, und wenn wir tiefer ins Bild vordringen,<br />

stehen die Bäume wie schwarze Skelette da. Die einzigen<br />

Landschaftselemente, die unzerstörbar zu sein scheinen,<br />

sind von Menschenhand geschaffen: Die Straße unten<br />

und die Stromleitungen oben werden zu bleibenden Symbolen<br />

für unseren unerbittlichen Einfluss auf die Umwelt.<br />

Eine kleine Blende (große Blendenzahl)<br />

sorgt dafür, dass alles im Bild von vorn bis<br />

hinten scharf ist.<br />

Dies ist ein Beispiel für eine große Schärfentiefe. Sie<br />

hilft hier, die Ausmaße und Details der Landschaft zu<br />

vermitteln.<br />

In der Landschafts- und häufig auch in der Porträtfotografie<br />

geht es weniger darum, Bewegung aufzuzeichnen,<br />

sondern viel mehr um die Kontrolle über die Schärfentiefe.<br />

Wählen Sie darum »Zeitautomatik«, um die Blende<br />

und damit die Schärfentiefe regeln zu können, während<br />

sich die Kamera um die Belichtungszeit kümmert.<br />

Merken Sie sich die Beziehung zwischen Blende und<br />

Schärfentiefe am besten so: kleine Blendenzahl = kleine<br />

Schärfentiefe; große Blendenzahl = große Schärfentiefe.<br />

Eine sehr kleine Blende wird durch eine längere<br />

Belichtungszeit kompensiert, benutzen Sie also ein Stativ<br />

(oder eine stabile Fläche), um Kameraverwacklungen zu<br />

vermeiden. Es gibt jedoch eine Alternative – Zeit für das<br />

dritte Mitglied des Belichtungstrios.<br />

48


Szenen um Redding einen<br />

Monat nach Eindämmung des<br />

Carr-Brandes, Kalifornien, USA<br />

Carolyn Drake<br />

2018


BELICHTUNG<br />

ISO<br />

Die empfindsame Seite<br />

der Kamera<br />

Der ISO-Wert steuert, wie lichtempfindlich Ihre Kamera<br />

ist. Das funktioniert so:<br />

Im Dunkeln müssen Sie das Beste aus dem verbliebenen<br />

Licht herausholen, Sie erhöhen also die Empfindlichkeit<br />

der Kamera durch einen höheren ISO-Wert. Wenn es hell<br />

ist, muss die Kamera nicht so lichtempfindlich sein, also<br />

verringern Sie den ISO-Wert wieder.<br />

Ist die Kamera recht lichtempfindlich, braucht das<br />

Licht nicht so lange einzufallen. Das heißt, Sie können<br />

auch bei schwachen Lichtverhältnissen mit kürzeren<br />

Belichtungszeiten arbeiten und verringern die Gefahr<br />

von Verwacklungen.<br />

Um den ISO einzustellen, wählen Sie einen der »Good«-<br />

Modi (siehe S. 32) und suchen Sie sich dann die Menüeinstellung<br />

für den ISO-Wert. Entweder finden Sie dazu<br />

einen Knopf auf der Kamera oder einen Menüeintrag.<br />

Die Skala sieht so oder so ähnlich aus:<br />

Niedrig<br />

ISO/Empfindlichkeit<br />

Hoch<br />

100 200 400 800 1600<br />

(Es kann sein, dass der ISO bei Ihnen niedriger beginnt,<br />

höher reicht oder weitere Unterteilungen möglich sind.)<br />

50


Ein guter ISO-Wert an einem bedeckten Tag ist 400.<br />

Wenn Sie sich also für einen ISO entscheiden, fragen<br />

Sie sich zuerst: »Ist es heller oder dunkler als bei<br />

geschlossener Wolkendecke?«<br />

Stellen Sie den ISO immer zuerst ein, denn er beeinflusst<br />

die verwendete Belichtungszeit und Blende.<br />

Einer der Vorteile der digitalen Fotografie ist, dass Sie<br />

den ISO von Bild zu Bild ändern können. Wenn Sie raus<br />

gehen (es wird heller), drehen Sie ihn runter. Sie gehen<br />

wieder ins Haus (es wird dunkler), und Sie schrauben ihn<br />

wieder hoch.<br />

Aber Achtung! Je höher der ISO-Wert ist, desto mehr<br />

Bildrauschen tritt in den Fotos auf. In extremen Fällen kann<br />

das aussehen wie ein Handy-Foto aus den Anfangstagen<br />

der Telefonfotografie. Je nach Kamera ist dieses Rauschen<br />

jedoch erst ab ISO-Werten von 800 und höher zu erkennen.<br />

Der ISO-Wert ist mit Sicherheit die am wenigsten glamouröse<br />

Funktion im Belichtungstrio. Sie selbst ist zwar keine<br />

kreative Einstellung, wie Sie gleich sehen werden, dennoch<br />

führt die Kameraempfindlichkeit zu zuweilen sehr interessanten<br />

Effekten.<br />

51


BELICHTUNG<br />

ISO<br />

Ihr Ticket zu kürzeren<br />

Belichtungszeiten<br />

Weitere Beispiele:<br />

Maciej Dakowicz S. 114<br />

Sie werden feststellen, dass Sie Ihre Bilder der kurzen<br />

Belichtungszeiten wegen häufig unterbelichten, vor allem<br />

bei schwachen Lichtverhältnissen. In solchen Momenten<br />

wäre ein höherer ISO-Wert hilfreich.<br />

Für seine Serie »Hyper« verwandelt Denis Darzacq<br />

einen Supermarkt in eine Bühne für Street Dancer. Hier<br />

hängt ein Tänzer in der Luft, als käme er geradewegs aus<br />

einem Science-Fiction-Movie.<br />

Ein höherer ISO ist entscheidend, wenn<br />

Sie bei schwachem Licht mit kurzen<br />

Belichtungszeiten arbeiten wollen.<br />

Auch wenn Sie nicht auf solche aufregenden Effekte aus<br />

sind – vielleicht wollen Sie einfach nur vermeiden, dass<br />

aus der Hand fotografierte Bilder in der Dämmerung unscharf<br />

werden –, durch einen erhöhten ISO-Wert bekommen<br />

Sie Zugang zu deutlich kürzeren Belichtungszeiten.<br />

Denken Sie daran: Kameraverwacklungen sind vor allem<br />

ab Belichtungszeiten von 1/60 und länger (abhängig von<br />

der Brennweite) zu sehen, also erhöhen Sie Ihren ISO<br />

etwas, so dass Sie diese Grenze gerade so unterschreiten.<br />

Erhöhen Sie den ISO nicht sinnlos, sonst führt das zu<br />

unnötigem Bildrauschen.<br />

52<br />

Hyper No. 03 aus »Hyper«<br />

Denis Darzacq<br />

2007


BELICHTUNG<br />

»Manuell«<br />

Alle guten Fotografen benutzen<br />

»Manuell«, richtig?<br />

Nehmen Sie mal kurz Platz. Ich muss Ihnen etwas sagen,<br />

was für Sie ein Schock werden kann: Der manuelle<br />

Modus (M) ist reine Zeitverschwendung.<br />

Sind Sie noch da? Ich erkläre es Ihnen. Im Unterschied<br />

zu »Zeitautomatik« oder »Blendenautomatik« müssen Sie<br />

bei »Manuell« Belichtungszeit und Blende und ISO selbst<br />

einstellen.<br />

Bei »Manuell« teilt Ihnen die Kamera noch immer mit,<br />

was sie für die »korrekte« Belichtung hält, und zwar<br />

genauso wie in jedem anderen Modus. Statt aber die<br />

Änderungen für Sie vorzunehmen, bleibt das alles an<br />

Ihnen hängen.<br />

Häufig verwenden Fotografen »Manuell« und stellen<br />

einfach Belichtungszeit und Blende auf die von der<br />

Kamera vorgeschlagenen Werte ein. Damit benutzen sie<br />

de facto den Programm-Modus (P), nur dass es länger<br />

dauert. Glauben Sie mir, »Manuell« bringt dem Bild<br />

nichts!<br />

Wenn Sie sich mit all den technischen Daten<br />

vertraut machen wollen, führt »Manuell«<br />

zu Verzögerungen, Verwirrung … am Ende<br />

verpassen Sie das Bild.<br />

Dennoch gibt es im Fotografie-Alltag eine Situation, in<br />

der Sie auf »Manuell« zurückgreifen sollten. Und zwar<br />

dann, wenn Sie nicht das tun wollen, was Ihnen die<br />

Kamera vorschlägt und absichtlich über- oder unterbelichten<br />

wollen. Anstelle von »Manuell« kenne ich jedoch<br />

eine schnellere und einfachere Methode, um zum selben<br />

Ergebnis zu gelangen.<br />

54


Die Alternative<br />

zu »Manuell«<br />

BELICHTUNG<br />

Belichtungskorrektur<br />

Gestatten, »Belichtungskorrektur«. Mit dieser Funktion<br />

können Sie Ihr gesamtes Bild aufhellen oder abdunkeln.<br />

Sie sieht ungefähr so aus:<br />

Dunkler (–)<br />

Belichtungskorrektur<br />

(+) Heller<br />

-3 | | -2 | | -1 | | 0 | | +1 | | +2 | | +3<br />

Bei den meisten Kameras ist die Taste zur Belichtungskorrektur<br />

mit + - gekennzeichnet, manche Kameras<br />

haben dafür auch ein Einstellrad. Indem Sie in Richtung<br />

+ scrollen, überbelichten Sie Ihre Fotos. Durch Scrollen<br />

zum – unterbelichten Sie Ihre Bilder, sie werden also<br />

dunkler. Denken Sie immer daran, die »Belichtungskorrektur«<br />

hinterher wieder auf 0 zu setzen, sonst sind alle<br />

folgenden Bilder davon betroffen.<br />

Es mag merkwürdig klingen, Fotos absichtlich über- oder<br />

unterzubelichten, aber Sie werden die »Belichtungskorrektur«<br />

öfter benutzen, als Sie sich vorstellen können.<br />

Wenn Sie also etwas sehr Helles fotografieren wie z. B.<br />

Schnee, sieht der vielleicht etwas grau oder unterbelichtet<br />

aus. Ebenso kann etwas Dunkles, wie der Innenraum einer<br />

Bar, zu hell oder überbelichtet wirken.<br />

Die Belichtungskorrektur vermeidet das, indem Sie<br />

Bilder heller (in Richtung +) oder dunkler (in Richtung –)<br />

aufnehmen.<br />

Auch für Gegenlichtaufnahmen ist die Belichtungskorrektur<br />

wichtig. Ich zeige Ihnen mal ein paar Beispiele.<br />

55


BELICHTUNG<br />

Belichtungskorrektur<br />

Details in den Tiefen<br />

Weitere Beispiele:<br />

Rinko Kawauchi S. 122<br />

Robert Frank S. 125<br />

Im hellen Tageslicht fährt ein junges Mädchen in der<br />

New Yorker U-Bahn und hört Musik. Sie lehnt sich<br />

an eine Frau in Weiß, vielleicht ihre Mutter, die von<br />

irgendetwas weiter hinten im Wagen abgelenkt ist. Der<br />

Blick der Frau ist ruhig, aber wachsam, vielleicht sogar<br />

ein wenig beschützend angesichts ihrer ahnungslosen<br />

Tochter. Dieser Moment wurde von Andre D. Wagner<br />

eingefangen, der flüchtige Begegnungen mit Fremden<br />

in der New Yorker U-Bahn fotografiert und diese<br />

Geschichte beleuchtet.<br />

Wagners Bild ist deshalb so fesselnd, weil wir den Gesichtsausdruck<br />

und die Körpersprache der Personen<br />

deutlich erkennen können. Wenn man eine Szene mit<br />

Gegenlicht aufnimmt (was hier der Fall ist), wird das<br />

Motiv oft zur Silhouette und alle Details gehen verloren.<br />

Das liegt daran, dass das Licht hinter dem Motiv viel<br />

heller ist als das Licht auf dem Motiv.<br />

Um Details in den Schatten zu retten,<br />

wählen Sie »Belichtungskorrektur« und<br />

scrollen Sie Richtung +.<br />

Damit wird das gesamte Bild deutlich heller. Die Lichter<br />

brennen zwar aus, aber das sollte Sie nicht allzusehr<br />

stören, solange die Details im Hauptmotiv zu erkennen<br />

sind.<br />

Wie stark Sie die Belichtungskorrektur erhöhen sollten,<br />

hängt von den jeweiligen Lichtbedingungen ab. Am<br />

besten probieren Sie das selbst mit Ihrer Kamera aus.<br />

56


Brooklyn aus Here for<br />

the Ride<br />

Andre D. Wagner<br />

2015


BELICHTUNG<br />

Belichtungskorrektur<br />

Was lauert im Schatten?<br />

Wäre da nicht der Titel, wäre das schemenhafte Motiv<br />

völlig anonym. Im Gegenlicht fotografiert, sind Ausdruck<br />

und Blick von Freddy in Schatten gehüllt, die seine<br />

Präsenz zwischen Trotz und Verletzlichkeit schwanken<br />

lassen.<br />

Das Bild stammt aus der Serie »At No Point In Between«<br />

von Zora J. Murff, in der sie Orte der Gewalt gegen die<br />

schwarze Gemeinschaft in Omaha, Nebraska, dokumentiert.<br />

Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel, bei dem der<br />

Fotograf die Details in den Schatten hervorgehoben hat,<br />

hat Murff hier das Gegenteil erreicht.<br />

Um Motive im Gegenlicht als Silhouetten<br />

erscheinen zu lassen, drehen Sie die<br />

»Belichtungskorrektur« nach –.<br />

Damit unterbelichten Sie das gesamte Bild und machen<br />

die Schatten dunkler, während die Details in den Lichtern<br />

besser zur Geltung kommen. Je stärker Sie Ihr Bild<br />

unterbelichten, desto dunkler werden die Schattenbereiche<br />

und desto mehr Details sind in den Lichtern erkennbar.<br />

Aber ich will Ihnen nichts weismachen. Probieren<br />

Sie es selbst aus.<br />

Ein durch Schatten verdecktes Motiv kann für den Betrachter<br />

oft frustrierend sein. Doch wie wir hier sehen,<br />

nutzt Murff diese Technik, um uns einzubeziehen und<br />

eine Aussage über die Anonymität des Lebens von<br />

Schwarzen in einem von Weißen beherrschten Amerika<br />

zu treffen.<br />

58


Freddy (Talking About His<br />

Home) aus »At No Point<br />

In Between«<br />

Zora J. Murff<br />

2019


Stan<br />

Imogen Cunningham<br />

1959


Licht ist Ihr Motiv<br />

Sie können es nicht hochheben, nicht darüber stolpern<br />

und es nicht knuddeln – Licht ist nicht greifbar. Für<br />

richtig gute Fotos müssen Sie jedoch beginnen, sich<br />

Licht als ein Objekt vorzustellen – ein Objekt mit der<br />

schwer fassbaren Macht eines Formgestalters.<br />

Alles ist dem Licht ausgeliefert. Was in einem Augenblick<br />

fesselt, hinterlässt im nächsten vielleicht gar keinen Eindruck,<br />

ganz einfach, weil sich das Licht geändert hat. Das<br />

Banale kann wunderschön werden und das Wunderschöne<br />

banal. Betrachten Sie das Licht in diesem Bild von Tom<br />

Hunter. Welche Stimmung erzeugt es?<br />

LICHT<br />

Ob mit oder ohne Kamera, Sie lernen nur<br />

dann mehr über das Licht, wenn Sie es<br />

ständig beobachten.<br />

Fragen Sie sich stets: »Wie wirkt das Licht auf den Raum<br />

und die Atmosphäre um mich herum?« Beachten Sie,<br />

wie es Texturen, Farben und Details betont. Wie es Ihre<br />

Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Punkt in einer<br />

Szene lenkt. Wie es einem Raum Tiefe gibt oder ihn flach<br />

erscheinen lässt.<br />

Trotz all seiner vielen Formen und Variationen kann<br />

man Licht grundsätzlich in zwei Arten aufteilen – hartes<br />

und weiches. Beide besitzen spezielle Eigenarten, die<br />

die Gesamtstimmung Ihres Bildes beeinflussen. In<br />

diesem Kapitel wollen wir einige der gebräuchlichsten<br />

vergleichen.


LICHT<br />

Hartes Licht<br />

Hartes Licht<br />

schafft Kontrast<br />

Weitere Beispiele:<br />

Lars Tunbjörk S. 24<br />

Imogen Cunningham S. 60<br />

Philip-Lorca diCorcia S. 91<br />

René Burri S. 93<br />

Yushi Li befasst sich mit der Kunstgeschichte, einem Bereich,<br />

in dem Männer traditionell als mächtig und aktiv<br />

und Frauen als objekthaft und passiv dargestellt werden.<br />

Hier sitzt die Künstlerin auf ihrem männlichen Subjekt,<br />

in der Hand den Kabelauslöser. Das harte Licht durchschneidet<br />

den Raum und enthüllt häusliche Details und<br />

die Laissez-faire-Pose des Mannes unter Lis entschlossenem<br />

Blick. Währenddessen verschwindet alles andere<br />

im Dunkeln. Es ist fast so, als hätte das Licht selbst eine<br />

Meinung dazu, was man sehen soll und was nicht.<br />

Hartes Licht lässt in seinem Weg<br />

alles aufleuchten, während der Rest<br />

im Dunkeln bleibt.<br />

Hartes Licht kommt aus einer Richtung und stammt<br />

typischerweise von einem Spot oder von hellem Sonnenlicht.<br />

Sie können Ihre Komposition mithilfe der Kontraste,<br />

die das harte Licht erzeugt, abstrahieren oder<br />

vereinfachen. Genau das passiert hier. Die Schatten<br />

formen große Bereiche aus Schwarz, die alle unnötigen<br />

Details maskieren. Unsere Augen werden zu den Lichtern<br />

gezogen.<br />

Wegen seiner Unbarmherzigkeit ist es schwierig,<br />

mit hartem Licht zu arbeiten, da man immer Details<br />

verliert. Dies ist eine der Situationen, in denen eine<br />

Belichtungskorrektur hilft. Scrollen Sie Richtung +, um<br />

die Details in den Schatten hervorzuholen, und zum –,<br />

um die Details in den Lichtern zu retten.<br />

62


The Nightmare<br />

Yushi Li<br />

2019


LICHT<br />

Weiches Licht<br />

Weiches Licht<br />

ist gleichmäßiger<br />

Weitere Beispiele:<br />

Campbell Addy S. 73<br />

Nadine Ijewere S. 100<br />

Wenn hartes Licht wie ein Schlag ins Gesicht wirkt,<br />

dann ist weiches Licht eher eine Massage.<br />

In Ryan McGinleys Foto hält ein junger Mann einen<br />

Alligator. Jedoch wirkt das Bild nicht etwa dramatisch<br />

aufgeladen, sondern verströmt ein Gefühl von Ruhe.<br />

Sein Griff ähnelt einer Umarmung, das Schwarzweiß<br />

sorgt für einen Hauch von Melancholie. Doch eigentlich<br />

ist es das weiche Licht, das die Stimmung diktiert.<br />

Weiches Licht ist weniger intensiv, darum<br />

ist der Kontrast zwischen Lichtern und<br />

Schatten nicht so extrem.<br />

Auch weiches Licht wirft Schatten, da es genau wie<br />

hartes Licht oft aus einer Richtung kommt. Allerdings<br />

sind die Schatten nicht annähernd so dunkel und<br />

dramatisch. Anstatt einen Abgrund aus Schwarz zu<br />

bilden, lassen sie Details deutlich erkennen. Diese<br />

gleichmäßigere Qualität lässt Bilder »langsamer« und<br />

eher beschaulich aussehen.<br />

Um Licht weicher zu machen, müssen Sie es streuen. In<br />

einem Studio können Sie dies mit einer so genannten<br />

»Softbox« erreichen. Unter alltäglicheren Bedingungen,<br />

unter denen Sie weniger Kontrolle über das Licht haben,<br />

sollten Sie stark gerichtete Lichtquellen meiden, wie etwa<br />

Spots, Blitze oder helles, ungehindertes Sonnenlicht.<br />

64<br />

Wes (Gator)<br />

Ryan McGinley<br />

2010


LICHT<br />

Hartes Licht<br />

Hartes Licht<br />

erzeugt Tiefe<br />

Weitere Beispiele:<br />

Naoya Hatakeyama S. 41<br />

Fay Godwins Schwarzweißfotos feiern die sich stetig<br />

ändernden Lichter und Landschaften der britischen<br />

Inseln. Sie vermeiden die zuckersüßen Lügen von<br />

Postkarten und zeigen stattdessen ländliche Szenen,<br />

unterbrochen durch Industrie, sowohl altertümliche als<br />

auch moderne. Hier scheinen sich Menhire im Kreis<br />

aufgestellt zu haben – ein feierliches Treffen, das bereits<br />

dreieinhalb Tausend Jahre andauert.<br />

Schatten verraten uns die ganze Wahrheit über das Licht.<br />

Sie zeigen uns, woher es kommt und wie intensiv es ist.<br />

In diesem Bild, das direkt nach einem Hagelschauer<br />

aufgenommen wurde, bricht ein plötzlicher Streifen<br />

harten Sonnenlichts durch die Wolken und erzeugt<br />

dunkle Schatten mit rasiermesserscharfen Kanten.<br />

Die starken, bestimmenden Schatten, die<br />

Hand in Hand mit hartem Licht gehen,<br />

schaffen Tiefe und Dreidimensionalität.<br />

Die Schatten betonen die gezackten Formen der Steine<br />

und akzentuieren ihre Winkel. Sie erwecken die Steine<br />

zum Leben und geben ihnen mehr Präsenz. Wir sehen<br />

ihre Unterschiedlichkeit, jeder besitzt seinen eigenen<br />

Charakter und hat eine eigene Geschichte zu erzählen.<br />

Schon wenige Augenblicke später würde sich das Licht<br />

geändert haben und die Schatten wären verschwunden.<br />

Allerdings ist diese Art von dramatischem Licht nicht<br />

nötig, um betörende Landschaftsaufnahmen zu erzeugen.<br />

Wie Sie gleich sehen werden, macht weiches Licht<br />

etwas völlig Anderes, aber gleichermaßen Verlockendes.<br />

66


Callanish nach Hagelschauer, Lewis<br />

Fay Godwin<br />

1980


Das Fenster zum Hof (Standbild)<br />

Alfred Hitchcock / Robert Burks<br />

1954


Das Leben durch eine<br />

Linse betrachtet<br />

Objektive können viel mehr, als etwas näher heranzuholen<br />

oder entfernter erscheinen zu lassen.<br />

Sie ändern grundlegend die Beziehung zum<br />

Motiv sowie die Art, Bilder aufzunehmen.<br />

Schauen Sie sich Hitchcocks Das Fenster zum Hof<br />

an und Sie verstehen, was ich meine. Ein verletzter<br />

Pressefotograf ist an sein Appartement gefesselt und<br />

lässt sich von der Macht des Teleobjektivs verführen.<br />

Von seinem Rollstuhl aus gewinnt er durch das Objektiv<br />

Zugang zur Außenwelt, allerdings nur als Beobachter,<br />

davon besessen, seine ahnungslosen Nachbarn aus der<br />

Ferne auszuspähen.<br />

Je nach Gewicht beeinträchtigt ein Objektiv Ihre Mobilität<br />

mehr oder weniger. Je nach Größe macht ein Objektiv<br />

Sie deutlich sichtbar oder lässt Sie diskret im Hintergrund.<br />

Je nach Vergrößerung macht Sie ein Objektiv<br />

zum aktiven Teilnehmer oder entfernten Beobachter.<br />

Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Und wie wir sehen<br />

werden, können Objektive das Gefühl für Raum in einem<br />

Foto verändern und seine Gewichtung ändern. Noch<br />

wichtiger ist jedoch, dass Objektive beeinflussen, was<br />

Sie eigentlich fotografieren können – unterschiedliche<br />

Motive verlangen nach unterschiedlichen Objektiven.<br />

Dieses Kapitel soll Ihnen helfen, einige der grundlegenden<br />

visuellen Effekte der unterschiedlichen Objektive<br />

zu verstehen. Zuerst aber wollen wir uns mit dem<br />

passenden Objektiv-Slang befassen, so dass Sie künftig<br />

kein Problem mehr haben werden, gruselige Fotoclub-<br />

Diskussionen zu überstehen.<br />

OBJEKTIVE


OBJEKTIVE<br />

Objektive leicht gemacht<br />

Objektiv-Slang<br />

ZOOM UND FESTBRENNWEITE<br />

Objektive unterteilt man in zwei Arten. Es gibt solche,<br />

mit denen Sie ein- und auszoomen können – richtig:<br />

Zoom-Objektive. Und dann gibt es solche, mit denen<br />

das nicht geht: Objektive mit Festbrennweite, die also<br />

auf eine bestimmte Brennweite festgelegt sind.<br />

BRENNWEITE<br />

Sie wird in Millimeter gemessen. Einfach gesagt, sind<br />

Brennweiten entweder »kurz« oder »lang«. Kürzere<br />

Brennweiten liefern einen Weitwinkeleffekt, durch den<br />

Objekte weiter vom Geschehen entfernt wirken. Längere<br />

Brennweiten holen Objekte näher heran.<br />

SICHTFELD<br />

Dies bezieht sich darauf, wie viel von der Welt Sie durch<br />

das Objektiv sehen. Weitwinkelobjektive (kürzere Brennweiten)<br />

bieten ein breiteres Sichtfeld. Bei Teleobjektiven<br />

(längere Brennweiten) ist es schmaler.<br />

Kurze Brennweite<br />

Breites Sichtfeld<br />

Lange Brennweite<br />

Schmales Sichtfeld<br />

84


SENSORGRÖSSE<br />

Brennweiten tun an unterschiedlichen Kameras unterschiedliche<br />

Dinge. So kann z. B. eine Brennweite, die<br />

an einer Kamera als weit angesehen wird, an einer<br />

anderen Kamera fast wie ein Teleobjektiv wirken. Das<br />

liegt an den unterschiedlich großen Kamerasensoren,<br />

die es heutzutage gibt. Falls Sie mehr darüber wissen<br />

wollen, schauen Sie online nach, die Informationen sind<br />

allerdings sehr technisch.<br />

Sie werden nicht unbedingt bessere Bilder machen,<br />

wenn Sie wissen, warum die Sensorgröße die Brennweite<br />

beeinflusst (aber Sie können zumindest die Leute in<br />

Ihrem Fotoclub beeindrucken). Es hilft jedoch, wenn<br />

man eine Vorstellung davon hat, welche Wirkungen<br />

bestimmte Brennweiten an Ihrer Kamera haben. Hier ist<br />

eine Tabelle, die Ihnen als Referenz dienen kann.<br />

SENSORTYP<br />

OBJEKTIV Kleinbild APS-C 4 : 3<br />

Weitwinkel < 35mm < 24mm < 18mm<br />

Standard > 50mm > 30mm > 25mm<br />

Tele > 70mm > 50mm > 40mm<br />

85


OBJEKTIVE<br />

Weitwinkel /<br />

kurze Brennweite<br />

Es geht immer<br />

um den Kontext<br />

Weitere Beispiele:<br />

Melanie Einzig S. 103<br />

Das Foto von Lorraine Poole (übrigens mit ihrem Handy<br />

aufgenommen) ist wie eine Low-Budget-Version der<br />

T. Rex-Szene in Jurassic Park. Zum Glück für den Vater<br />

der Fotografin ist es sein Mittagessen, auf das der Nachfahre<br />

der Dinosaurier ein Auge geworfen hat, und nicht<br />

er selbst.<br />

Keiner der Hauptakteure – der Vogel, das Essen, der<br />

Mann – ist das Thema. Stattdessen sind sie eher wie<br />

gleich wichtige Handlungspunkte, denen wir begegnen,<br />

wenn wir uns in der Komposition bewegen. Nimmt<br />

man einen von ihnen weg, bleibt eine unvollständige<br />

Geschichte übrig, ein Witz ohne Pointe.<br />

Weitwinkelobjektive (oder kurze<br />

Brennweiten) sorgen dafür, dass am<br />

Rand gelegene Details eine wichtige<br />

Rolle spielen.<br />

Hier sehen Sie, wie das Weitwinkelobjektiv uns einen<br />

ungewöhnlich breiten Blickwinkel bietet. Dadurch konnten<br />

mehr Elemente in die Komposition aufgenommen<br />

werden. Ohne ein solches Weitwinkelobjektiv wären<br />

diese Elemente aus der Komposition herausgefallen, und<br />

es wäre eine ganz andere Geschichte erzählt worden –<br />

oder gar keine.<br />

Wenn Sie mit einer kurzen Brennweite fotografieren,<br />

müssen Sie immer darauf achten, was um Ihr eigentliches<br />

Motiv herum passiert, da dessen Umgebung ein<br />

wichtiger Bestandteil Ihres Bildes sein wird. Gehen Sie<br />

außerdem dicht an Ihr Motiv heran – kürzere Brennweiten<br />

lassen nämlich alles viel weiter entfernt erscheinen.<br />

86


The Greedy Gull<br />

Lorraine Poole<br />

2021

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