Unfaire Blicke auf das Ganze - Christian Reder
Unfaire Blicke auf das Ganze - Christian Reder
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Beweisnotstand ein permanenter ist, aber ständig Überzeugendes vorgewiesen<br />
werden kann, wenn reglementierte Berufsausbildung und spartenübergreifende,<br />
völlig offene Tätigkeitsfelder nebeneinander zum Zug kommen, wenn sich<br />
Selbstmitleid und Narzißmus erotisierend verbünden, ziemlich dauerhaft sogar,<br />
wenn Marktferne und Marktnähe über gemeinsame Erprobungszonen verfügen,<br />
wenn Boheme-Reste, Formen gebremster Professionalität und Verwaltungsärger zu<br />
Handlungsmustern verschmelzen ..., dann sind realistische Grundbedingungen<br />
einer Laborsituation durchaus gegeben. Alles andere müßte sich aus personell<br />
attraktiven, hinreichend organisierten und ausgestatteten Arbeitskonstellationen<br />
entwickeln. Offenbar liegt es am ziemlich passiven Umfeld, aber auch an einem<br />
motivierenden Maximalismus, wenn sich die Klagen über die Kunstausbildung so<br />
stereotyp wiederholen. Letzterer ist immerhin zugute zu halten, daß sie sich weit<br />
radikaler verändert und erweitert hat, als die Kritik an ihr.<br />
Rund um 1990 stellt sich die Hochschule für angewandte Kunst über ihre<br />
künstlerisch wirkenden Professoren nämlich durchaus eindrucksvoll dar: Oswald<br />
Oberhuber und Peter Weibel, Adolf Frohner, Attersee (in der Nachfolge Maria<br />
Lassnigs), Wolfgang Hutter, Wander Bertoni, Alfred Hrdlicka, Herbert Tasquil,<br />
Bernhard Leitner, Ernst W. Beranek (nach Wilhelm Cermak), Roy Ascott, Hubert<br />
Dietrich; für Architektur Wilhelm Holzbauer, Hans Hollein, Wolf D. Prix (COOP<br />
Himmelblau, in der Nachfolge von Johannes Spalt); im Designbereich Paolo Piva<br />
(nach Boris Podrecca, Hermann Czech und Alessandro Mendini), Carl Auböck,<br />
Matteo Thun; Axel Manthey für Bühnengestaltung, im textilen Bereich Sepp<br />
Moosmann und Beverly Piersol-Spurey, für Mode Vivienne Westwood (nach Karl<br />
Lagerfeld, Jil Sander, Jean-Charles de Castelbajac), für Grafik Tino Erben, Walter<br />
Lürzer und Mario Terzic (nach Ernst Caramelle). Theoretische bzw. technische<br />
Bereiche werden von Friedrich Achleitner, Peter Gorsen, Manfred Wagner, Rudolf<br />
Burger, <strong>Christian</strong> <strong>Reder</strong> sowie von Alfred Vendl, Günter Zeman, Ernst Mateovics,<br />
Erich Frisch und Robert Krapfenbauer abgedeckt. Die Auffächerung des<br />
Ausbildungsspektrums wird durch die zehn angebotenenen Studienrichtungen<br />
deutlich: Architektur, Malerei und Grafik, Bildhauerei, Industrial Design,<br />
Produktgestaltung, Mode (die in Österreich einzige Möglichkeit <strong>auf</strong><br />
Hochschulebene), Bühnengestaltung, visuelle Mediengestaltung, Restaurierung und<br />
Konservierung, Kunsterziehung, (sowie in Vorbereitung: Fotografie). Abschluß ist<br />
der Magister artis; auch ein Doktoratsstudium ist möglich. Zur kompakteren internen<br />
Willensbildung ist die Hochschule in fünf Abteilungen gegliedert (Architektur,<br />
Plastische Gestaltung und Design, Visuelle Kommunikation, Bildende Kunst,<br />
Kunstpädagogik); als abteilungsunabhängige Einrichtungen verfügt sie über <strong>das</strong><br />
Institut für Museologie und Zentralwerkstätten für Grafik, Holz, Metall, Fotografie<br />
und Textil. Organisationsprinzip ist die Gliederung in Meisterklassen, die jedem<br />
Studenten die Verankerung in einer Gruppensituation bieten, sowie die Existenz<br />
übergreifender Lehrkanzeln, Institute und Zentralwerkstätten. 12 Das 1877 bezogene<br />
Hauptgebäude Heinrich von Ferstels am Stubenring liegt mitten in der Stadt; 1960-<br />
65 ist es um einen, von Eugen Wörle und Karl Schwanzer entworfenen<br />
>ostentativen Nutzbau< erweitert worden. 13 Exposituren am Salzgries und im Prater,<br />
sowie <strong>das</strong> Fehlen adäquater Veranstaltungsräume sind Ausdruck einer weiterhin<br />
gegebenen Raumnot, die Werkstatt/Atelier/Labor-Konzepten enge Grenzen setzt.<br />
Zur Zeit, 125 Jahre nach ihrer Gründung, ist die Hochschule für angewandte<br />
Kunst Teil eines Universitätssystems, <strong>das</strong> nach dem Reformschub der 1970er Jahre<br />
vor weiteren gravierenden Strukturveränderungen steht, die generell <strong>auf</strong> eine<br />
Ausgestaltung als leistungsfähige >Großbetriebe für Lehre, Forschung und<br />
wissenschaftliche Dienstleistungen< 14 abzielen. Zwölf Universitäten und sechs<br />
Hochschulen künstlerischer Richtung liefern in Österreich ein universitäres Angebot