Juli - PwC
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pwc: Wissen<br />
Stella Rimington leitete von 1992 bis 1996 den britischen Inlandsgeheimdienst MI5 – und war zugleich die erste Frau an der Spitze der<br />
Behörde, die „dem Schutz des Königreichs und dessen Wirtschaft“ dient. Heute ist Rimington eine bekannte Autorin von Thrillern.<br />
30 pwc: | juli 2009<br />
Die Geheimniskrämer<br />
Immer mehr Unternehmen fallen mit dubiosen Überwachungsmethoden auf.<br />
Doch was sagen echte Agenten zu dem Trend? pwc: fragte die Ex-Chefs der<br />
britischen Geheimdienste MI5 und MI6: Stella Rimington und Richard Dearlove.<br />
Von Peter Littger<br />
Ihr Name ist M. Nur M. Seit 1995 ist sie die<br />
Chefin von Agentenlegende James Bond.<br />
Das reale Vorbild für M ist eine Agentin aus<br />
dem wahren Leben: Stella Rimington. Die<br />
schmächtige Dame sitzt vor mir auf einem<br />
englischen Sofa. Kurze Haare, warmer,<br />
Blick, die faltigen Hände einer Gärtne-<br />
rin und eine leise Stimme. Von 1992 bis<br />
1996 war Rimington die erste Frau an der<br />
Spitze des britischen Nachrichtendiensts<br />
MI5 – und sie war auch die erste Person<br />
in diesem Amt, die dem Volk bekannt war.<br />
Denn gegen jede Konvention hatte sie ihre<br />
Identität preisgegeben und sogar eine Bro-<br />
schüre über die Arbeit des MI5 veröffent-<br />
licht. Und auch nach ihrer Pensionierung<br />
hat sie sich nicht in Schweigen gehüllt. Ri-<br />
mington wurde zur öffentlichen Kritikerin<br />
der zunehmenden Überwachung durch den<br />
Staat und warnt vor „polizeistaatlichen Ten-<br />
denzen“. Außerdem hat sie sich einen mitt-<br />
lerweile großen Namen gemacht als Autorin<br />
von Kriminalromanen, in denen sie aus dem<br />
Geheimdienstmilieu erzählt. So wie Ian Fle-<br />
ming, der Erfinder von James Bond.<br />
Wir haben uns verabredet, weil sich Stel-<br />
la Rimington auch gut auskennt in einem<br />
Grenzbereich zwischen unternehmerischen<br />
Interessen und verdeckter Ermittlung, der<br />
gerade in letzter Zeit immer häufiger ins<br />
Licht der Öffentlichkeit rückt. Denn als MI5-<br />
Chefin war es Rimingtons Aufgabe, das<br />
britische Königreich und ausdrücklich auch<br />
seine Wirtschaft zu beschützen. („to protect<br />
national security and safeguard the eco-<br />
nomic well-being“). Ihre Agenten mussten<br />
also Gefahren für Unternehmen identifizie-<br />
ren, die manchmal nur in Umrissen und oft<br />
gar nicht bekannt waren. Nach ihrer aktiven<br />
Zeit als Topagentin brachte Stella Rimington<br />
ihr Wissen als Beraterin bei British Gas und<br />
beim Handelskonzern Marks & Spencer ein,<br />
wo sie sogar Aufsichtsrätin wurde.<br />
Ich frage Rimington, was in der Wirtschaft<br />
eigentlich schief läuft, wenn ein Großkon-<br />
zern nach dem anderen dabei ertappt wird,<br />
mit geheimdienstlichen Methoden gegen<br />
potenzielle Gegner inner- und außerhalb<br />
des Unternehmens vorzugehen – ist dieser<br />
vermeintliche Selbstschutz der Unterneh-<br />
men gerechtfertigt? „Die Entwicklung hat<br />
mit dem mangelnden Traditionsbewusstsein<br />
der Manager zu tun. Und das sind meistens<br />
Männer.“ Die mittlerweile 73 Jahre alte<br />
Dame lächelt triumphierend über ihren ausholenden<br />
und auch provozierenden Gedanken.<br />
Dann nimmt sie einen Schluck Wasser.<br />
Wir sitzen im Computerraum des Londoner<br />
Carlton Clubs, ein traditioneller Ort der<br />
britischen Konservativen – Männer. Zwar<br />
hat es die eiserne Margaret Thatcher einst<br />
geschafft, den Club zur Gleichbehandlung<br />
zu zwingen, sodass auch Frauen Mitglieder<br />
werden konnten. Doch den Salon im Erdgeschoss<br />
dürfen die Ladys noch immer<br />
nicht betreten. Deshalb treffen sie sich hier,<br />
im dritten Stock – die Computer benutzt sowieso<br />
meist niemand.<br />
„Genauso wie Staaten haben natürlich auch<br />
Unternehmen handfeste Gründe, sich bedroht<br />
zu fühlen – und sich vielleicht auch zu<br />
wehren“, betont Rimington. Doch das kurz-<br />
fristige, zyklische Denken von Managern<br />
unterscheide die Wirtschaft fundamental<br />
von staatlichen Diensten, erklärt die studierte<br />
Archivwissenschaftlerin. Am Anfang ihrer<br />
Laufbahn arbeitete sie mehrere Jahre als<br />
Archivarin. Das wenig ausgeprägte historische<br />
Denken führe zu einem großen Fehler<br />
vieler Manager, nämlich unüberlegt, also<br />
ohne „Intelligence“, zu handeln. „Und das,<br />
obwohl es die Pflicht von Unternehmenslenkern<br />
sein muss, jede Aktion zu verhindern,<br />
die später dauerhaft ein schlechtes<br />
Licht auf die Firma werfen könnte, weil sie<br />
unverhältnismäßig und illegal ist.“<br />
Es sei ein grober Fehler, fährt Rimington<br />
fort, wenn in die Firmenkultur kein Sinn für<br />
die Unternehmensgeschichte eingebaut<br />
ist. „Der muss gepflegt und weitergegeben<br />
werden.“ Beim MI5 sei Kontinuität selbst<br />
in stürmischen Zeiten wichtig: „Das Büro<br />
lebt von seiner Geschichte, die es ernst<br />
nimmt. Von den Details seiner Organisation.<br />
Eigenschaften, die prägend sind. Und von<br />
einem großen Gedächtnis.“ Dieses „große<br />
Gedächtnis“ bedeutet vor allem eine flächendeckende<br />
Archivierung aller internen<br />
Abläufe. „Es ist falsch, die Gefahren zuerst<br />
außerhalb der Organisation zu suchen anstatt<br />
im Kreis der handelnden Personen“,<br />
sagt Rimington. In Geheimdiensten werde<br />
jeder Brief und jede E-Mail registriert, und<br />
von den meisten Sitzungen würden Aufzeichnungen<br />
gemacht – manchmal auch per<br />
Video –, um Zwischentöne und menschliche<br />
Regungen der Verantwortlichen festzuhalten.<br />
„Die meisten Unternehmen machen<br />
das nicht, soweit ich das richtig sehe.“<br />
Nun ja, Miss Rimington, zumindest in<br />
Deutschland werden einige große Unter-<br />
„Es ist nicht einzusehen, warum ein Vorstand Informationen<br />
über alle Mitarbeiter sammelt und damit<br />
Misstrauen sät, anstatt bei sich selber anzufangen.“<br />
Stella Rimington, Exchefin des britischen Nachrichtendiensts MI5<br />
nehmen gerade dafür angegriffen, dass sie<br />
alles und jedes über ihre Mitarbeiter herausfinden<br />
wollen. Sie lächelt. Natürlich könne<br />
es von Bedeutung sein zu wissen, wie<br />
das Personal tickt, was die Leute bewegt<br />
und frustriert, welche Hobbys, Unarten und<br />
Schwächen sie haben. Fahnder, die jedoch<br />
mit der Datenrecherche zu kleinmaschig<br />
und zu technisch würden, verlören die Spur.<br />
Dasselbe gelte für Fahnder, die unwichtige<br />
Menschen beobachtete und nicht die wichtigsten.<br />
„Es ist nicht einzusehen, warum ein<br />
pwc: | juli 2009 31