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Juli - PwC

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pwc: Wissen<br />

Sollmann. „Sie machen sich hart bis zur<br />

Selbstaufgabe. Das Funktionieren und die<br />

Illusion von der eigenen Allmacht stehen im<br />

Vordergrund.“<br />

Andreas Hillert kennt das. Der Chefarzt an<br />

der Medizinisch­Psychosomatischen Klinik<br />

Roseneck in Prien am Chiemsee hat<br />

derzeit alle Hände voll zu tun. Auf seiner<br />

Station liegen viele Manager, welche die<br />

Krise völlig unvorbereitet aus dem Alltag<br />

geschleudert hat. „Die meisten erleben das<br />

entweder als Kränkung oder als Hilflosigkeit,<br />

besonders, wenn sie mit Macht­ oder<br />

Gesichtsverlust verbunden ist“, so Hillert.<br />

Wer so eine Möglichkeit in seiner Lebensplanung<br />

bisher für ausgeschlossen hielt,<br />

gerät jetzt ins Schlingern. Allzu oft hört der<br />

Psychiater Sätze wie diese: „Herr Doktor,<br />

seien wir mal ehrlich, wer in meiner Branche<br />

mal in eine Psychoklinik musste, der<br />

ist doch fertig ...“ Da ist der Schritt nicht<br />

weit, die Schuld bei anderen zu suchen<br />

und resigniert in Richtung Berufsunfähigkeitsrente<br />

zu schielen. „Zumal viele Spitzenleute<br />

auch mit dem Imagewandel vom<br />

coolen Erfolgsmenschen zum raffgierigen<br />

Sündenbock nicht fertig werden. Sie sehen<br />

sich selbst als unschuldige Opfer globaler<br />

Entwicklungen.“ Es ist ein langer Prozess,<br />

diese Depression zu bewältigen und neue<br />

Perspektiven zu entwickeln. Entscheidend<br />

sei dabei, dass Manager aufhörten, nur<br />

nach außen zu schauen, der Blick müsse<br />

sich nach innen richten, so Götz Mundle,<br />

Professor für Psychiatrie und Psychotherapie<br />

an der Universität Tübingen und<br />

Geschäftsführer der Oberberg­Kliniken<br />

Schwarzwald. „Die meisten kennen ihr<br />

Leistungsprofil hervorragend, doch sie wissen<br />

wenig über ihr emotionales Persönlich­<br />

Seelische Alarmsignale<br />

Eine psychische Krise kündigt sich an. Warnzeichen,<br />

die man ernst nehmen sollte:<br />

• Das Gefühl „Ich werde gebraucht“ schlägt<br />

um in das Gefühl „Ich bin unersetzlich“.<br />

• Eigene Bedürfnisse werden verdrängt,<br />

der Terminkalender lässt angeblich keine<br />

Freiräume für Privates zu. Selbst für Mittagessen<br />

und Toilettengänge bleibt kaum Zeit.<br />

• Joggen, Paragliding, ins Konzert gehen –<br />

was auch immer früher wichtig war, erscheint<br />

als Zeitverschwendung. Der Job ist<br />

das Maß aller Dinge.<br />

• Körperliche Symptome wie Kopf­, Magen­<br />

oder Rückenschmerzen, Harndrang,<br />

Ohrensausen oder Atembeschwerden wer­<br />

den kleingeredet, Fragen nach dem Sinn<br />

des Lebens ignoriert.<br />

• Kollegen werden als stupide, faul, ständig<br />

keitsprofil. Nur durch den wechselseitigen<br />

Abgleich bleiben sie dauerhaft leistungsfähig<br />

und gesund.“ Das heißt, sich zu fragen:<br />

Wo bin ich stark, wo bin ich verwundbar,<br />

wo brauche ich im Arbeitsalltag Unterstützung,<br />

wovor habe ich Angst, was ist meine<br />

innere Richtschnur?<br />

Nur wer sich darüber im Klaren ist, hat<br />

die Kraft und die Souveränität, auch in<br />

Zeiten extremer Dauerbelastung und enormen<br />

Stresses in einer Krise zu bestehen.<br />

Mundle: „Doch Topleute haben oft nicht<br />

einmal gelernt, abzuschalten, sich Zeit zu<br />

nehmen, um nachzudenken und zur Ruhe<br />

zu kommen. Ein erster Schritt ist, die Rahmenbedingungen<br />

zu verbessern.“ Einen<br />

von sieben Tagen Pause machen, egal<br />

was ansteht; 15 Minuten die Tür schließen<br />

und Entspannungsübungen machen, auch<br />

wenn der nächste Termin im Vorzimmer<br />

„Die meisten Manager wissen zu wenig über ihr<br />

emotionales Persönlichkeitsprofil.“<br />

Götz Mundle, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Tübingen<br />

drängelt; zweimal die Woche Sport machen<br />

und Zeiten für Familie und Freunde<br />

einplanen. „Dann fällt es leichter, in sich<br />

hineinzuhören und seinem Persönlichkeitsprofil<br />

auf die Spur zu kommen.“<br />

Das ist ein weiter Weg, der alleine manchmal<br />

kaum zu bewältigen ist. Ado­Goldkante­Geschäftsführer<br />

Roland Stiefel hat sich<br />

bereits im Sommer vergangenen Jahres an<br />

fordernd und undiszipliniert wahrgenommen,<br />

ebenso Freunde und Bekannte. Man<br />

geht auf Distanz, reduziert soziale Kontakte<br />

auf ein Minimum.<br />

• Freie Tage bringen keine Erholung mehr,<br />

Alkohol und Drogen sorgen für Entspannung,<br />

Schlaf und Energie.<br />

Jörg­Peter Schröder gewandt. „Ado steckte<br />

damals mitten in einer Reorganisation, und<br />

auch damals wollten seine Mitarbeiter von<br />

ihm Antworten“, so der Arzt und Managementcoach<br />

aus Mainz. „Dazu war er aber<br />

nicht wirklich in der Lage. Seine Gedanken<br />

kreisten um seine eigene Existenz. Um seine<br />

Angst und zum Teil auch Machtlosigkeit.“<br />

Heute weiß Stiefel: „Eine Krise, auch die<br />

Weltwirtschaftskrise, hat nichts mit meinem<br />

persönlichen Glück zu tun. Sie kann mir im<br />

Grunde nichts anhaben. Sie gefährdet nicht<br />

meine nackte Existenz, sondern höchstens<br />

mein Leben in gewohnten Bahnen.“ Das<br />

zu wissen gibt dem 35­Jährigen heute die<br />

nötige Kraft, Entscheidungen zu treffen,<br />

Perspektiven zu wechseln und selbstbewusst<br />

vor seine Mitarbeiter zu treten und zu<br />

sagen: „Ich weiß auch nicht, was morgen<br />

und übermorgen kommt. Aber lasst es uns<br />

trotzdem anpacken und flexibel auf die Entwicklung<br />

reagieren.“ Im Moment die einzig<br />

sinnvolle Strategie.<br />

Rudolf Bündgen hat seine Entscheidungen<br />

längst getroffen. Er weiß genau, wo es hin­<br />

gehen soll in den nächsten Monaten und<br />

Jahren. Vielleicht ist es auch das, was ihn<br />

so anpackend, so wohlgelaunt, so krisen­<br />

stark erscheinen lässt, wenn er den Hörer<br />

abhebt. Und das, obwohl der Vorstands­<br />

sprecher sein Unternehmen gerade in die<br />

Insolvenz führt: die Schiesser AG.<br />

38 pwc: | juli 2009<br />

Schlägt das nicht auf die Stimmung?<br />

„Ganz und gar nicht“, sagt Bündgen. „Die<br />

Stimmung bei uns ist gut. Denn wir wis­<br />

sen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“<br />

Seit 2007 ist der CEO dabei, das Unter­<br />

nehmen wieder auf das Kerngeschäft zu<br />

eichen. Mit Ausflügen in wenig ertragreiche<br />

Geschäftsfelder wie die Lizenzproduktion<br />

für Markenhersteller wie Puma oder Mexx<br />

hatte sich sein Vorgänger gründlich ver­<br />

galoppiert. Gemeinsam mit seinen beiden<br />

Vorstandskollegen warf Krisenmanager<br />

Bündgen das Ruder herum: Er stieß den<br />

größten Teil dieser Felder ab, entließ 1.000<br />

Mitarbeiter weltweit, machte Prozesse im<br />

Unternehmen effizienter. Ein gewaltiges<br />

Restrukturierungsprogramm, von dem 70<br />

Prozent bereits geschafft waren. Da drehte<br />

die Krise dem Unternehmen den Saft ab:<br />

Die Banken strichen die Kredite, mit denen<br />

Schiesser jedes Halbjahr die Saisonware<br />

vorfinanziert. Ausreichend Rücklagen gab<br />

es nicht. Da blieb nur die Insolvenz.<br />

Wie macht es einer wie Bündgen, an so<br />

einem Druck nicht zu zerschellen, seine<br />

Leute mitzuziehen? „Ich gehe offen mit der<br />

Situation um und beziehe permanent die<br />

anderen mit ein“, sagt er. „Statt meinen<br />

Mitarbeitern vorzumachen, alles sei in But­<br />

ter, und plötzlich streift uns doch noch ein<br />

D­Zug, nehme ich lieber in Kauf, dass wir<br />

gemeinsam lange Phasen der Unsicherheit<br />

durchlaufen. Das macht die Lage transparent,<br />

und ich bekomme mehr davon mit,<br />

was im Unternehmen passiert.“ Einmal im<br />

Monat versammelt er die Belegschaft und<br />

informiert sie über den Status quo. Bündgen<br />

bleibt optimistisch. Das Konzept für<br />

den Weg aus der Insolvenz hat er schon in<br />

der Tasche. Die Auftragsbücher sind gefüllt,<br />

die Handelspartner solidarisch, der<br />

Insolvenzverwalter auf seiner Seite. Jetzt<br />

muss er nur noch die Gläubigerversammlung<br />

überzeugen. Bündgen: „Ich befürchte<br />

nichts, wir schaffen es aus eigener Kraft.<br />

100 Prozent.“<br />

„Tief getroffen“<br />

Oliver Sinner, einst Dotcomgründer, heute Hotelier,<br />

über Nackenschläge und Auswege in der Krise.<br />

Das Gespräch führte Heike Littger.<br />

Herr Sinner, in Sachen Krise macht Ihnen<br />

keiner mehr etwas vor. Als 2001 die Dotcom­Blase<br />

an den Börsen und in der Wirklichkeit<br />

zerplatzte, hat Ihr Unternehmen, der<br />

Onlinedienstleister SinnerSchrader, überlebt.<br />

Wie haben Sie das gemacht?<br />

Es hat sich ausgezahlt, dass wir die Langweiler<br />

der Branche waren: im Grunde ein<br />

Unternehmen alter Schule. Wir waren finanziell<br />

nicht vom Aktienkurs abhängig, hatten<br />

weder mit Venture Capital noch mit Darlehen<br />

unser Geschäft aufgebaut – sondern<br />

nur mit Geld, das wir bereits verdient hatten.<br />

Außerdem haben wir nie coole Websites<br />

gebaut oder Branding gemacht. Natürlich<br />

brach auch unser Aktienkurs am Neuen<br />

Markt ein, da wurden wir genauso abgestraft<br />

wie alle anderen. Aber die Existenz<br />

unseres Unternehmens war dadurch nicht<br />

gefährdet.<br />

War die Krise nach dem Ende des Internetbooms<br />

für Sie als Unternehmer ein Schock?<br />

Eigentlich nicht, denn bei uns kam die Krise<br />

schleichend an. Unsere Kunden waren nicht<br />

die Dotcoms, die nach dem Börsencrash<br />

den Bach runtergingen, sondern Unternehmen<br />

wie die Deutsche Bank oder Tchibo.<br />

Natürlich, die Zeit zum Feiern war ebenso<br />

vorbei wie die der Wachstumsraten im dreistelligen<br />

Bereich.<br />

Also nur eine ganz normale Normalisierung?<br />

Nein. Eines hat sich nach dem Crash von<br />

einem auf den anderen Tag geändert: die<br />

Stimmung der Mitarbeiter. Sie wurden ungeheuer<br />

nervös, hatten Angst um ihren Job ...<br />

... und bald mussten Sie tatsächlich Mitarbeiter<br />

entlassen ...<br />

... auch wir mussten schließlich sehen, dass<br />

wir nicht in die Miesen rutschen. Leichtgefallen<br />

ist mir das nicht. Aber ich habe es<br />

einfach gemacht. Das gehört zum Unter­<br />

nehmertum. Zum Glück waren das alles<br />

Leute zwischen 20 und 30, die würden bald<br />

etwas Neues finden. Hätte ich Familien­<br />

väter, die sich für ein Haus verschuldet<br />

haben und in einer strukturschwachen<br />

Gegend leben, entlassen müssen – Heidewitzka,<br />

das wäre etwas völlig anderes gewesen!<br />

Und doch sind Sie 2002 aus der Firma ausgestiegen.<br />

Warum?<br />

Es hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Der<br />

Umgang mit den Mitarbeitern wurde immer<br />

schwieriger. Solange alles schön lief, war<br />

das Vertrauen groß. Als der Markt einbrach,<br />

war schnell Misstrauen da. Das hat mich<br />

persönlich enttäuscht, ja, in den Grundfesten<br />

meines Unternehmertums erschüttert.<br />

Ich hatte immer eine enge, persönliche<br />

Beziehung zu meinen Leuten, kein Arbeitgeber­Angestellten­Verhältnis.<br />

Zum Ende hin nicht mehr ...<br />

Eines Tages bekam ich einen Anruf in<br />

meinem Ferienhaus auf Mallorca: Morgen<br />

darfst du nicht ins Unternehmen, die Gewerkschaft<br />

will mit den Mitarbeitern einen<br />

Betriebsrat gründen. Das hat mich tief getroffen.<br />

Antriebslos habe ich noch ein bisschen<br />

weitergemacht. Und mich auf das Leben<br />

mit meiner Familie und meiner kleinen<br />

Tochter gefreut.<br />

pwc: | juli 2009 39

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