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Wenn's um die Wurst geht - Herrmannsdorfer Landwerkstätten

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HERRMANNSDORFER LANDWERKSTÄTTEN how to earn it<br />

“private wealth”, München, 3. Juli 2005<br />

<strong>Wenn's</strong> <strong>um</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Wurst</strong> <strong>geht</strong><br />

Als Chef von „Herta <strong>Wurst</strong>" war er Fleischfabrikant mit Leib und Seele. Doch dann<br />

machte Karl Ludwig Schweisfurth einen radikalen Schnitt. Heute ist er ein glühender<br />

Verfechter des ökologischen Landbaus.<br />

Schweine sind es, <strong>die</strong> Karl Ludwig Schweisfurth in Verzücken versetzen. Dick und grau stehen sie da. Sie schauen<br />

vergnügt in <strong>die</strong> Welt. „Sind sie nicht schön? Sie kommen aus China", lächelt der 75-Jährige.<br />

Die beiden Schweine stehen in seinem Garten in München und sind aus Stein. In Schweisfurths zweiter Heimat in<br />

Herrmannsdorf, etwa 50 Kilometer südöstlich der bayerischen Landeshauptstadt, stehen <strong>die</strong> echten: schwarz und<br />

rosa gefleckt, aus dem Schwäbischen. Sie haben viel frische Luft und bekommen wertvolles Futter. Es <strong>geht</strong> ihnen<br />

gut. Das liegt an Karl Ludwig Schweisfurth und seinem Bio-Vorzeigegut, den <strong>Herrmannsdorfer</strong> <strong>Landwerkstätten</strong>.<br />

Stallungen sind da, Wiesen und Felder. Ein Wirtshaus samt Biergarten, Hofladen, Metzgerei, Käserei, Brauerei,<br />

Bäckerei und natürlich Tiere. In Herrmannsdorf werden an einem Ort Lebensmittel biologisch erzeugt, verarbeitet<br />

und verkauft.<br />

Das kleine bayerische Dorf ist eine Welt für sich. Eine heile Welt, fernab von städtischer Hektik, von Fast-Food-<br />

Keten und anonymen Supermärkten. Hermannsdorf steht für handgemachte „Lebens-Mittel" in ökologischer<br />

Qualität. Für den achtsamen Umgang mit allem Leben. Herrmannsdorf ist das Lebenswerk von Karl Ludwig<br />

Schweisfurth.<br />

54 Jahre alt musste der gelernte Metzgermeister werden, bevor er <strong>die</strong>se Werte für sich entdeckte. Bis dahin<br />

leitete Schweisfurth das Familienunternehmen Herta <strong>Wurst</strong>, beheimatet im westfälischen Herten. 25.000<br />

Schweine und 5000 Rinder wurden hier Woche für Woche zu Fleisch und <strong>Wurst</strong> verarbeitet - eine grausame,<br />

anonyme Schlachterei am Fließband. Mit dem „Respekt vor der Würde der Kreatur", wie sich Schweisfurth<br />

heute ausdrückt, hatte das nichts zu tun. Dabei war er es gewesen, der aus dem Fleischerfachbetrieb seines<br />

Vaters in Herten eine industriele Großproduktion machte. „Als junger Mann war ich in Amerika und habe<br />

dort <strong>die</strong> Maschinen in den Schlachthöfen gesehen. Ich war fasziniert von der Technik. Unsere Fabrik zu<br />

Hause haben wir dann ganz schnell <strong>um</strong>gestellt", gibt er un<strong>um</strong>wunden zu. Dank der Automation schaffte er es,<br />

Herta innerhalb von 20 Jahren z<strong>um</strong> größten und erfolgreichsten Fleischkonzern Europas zu machen.<br />

Als er Herta verkaufte, betrug der Umsatz mehr als 1,5 Milliarden Mark. Heute sind ihm Größe und Profit nicht<br />

mehr so wichtig. Der Umsatz von knapp zehn Millionen Euro, den <strong>die</strong> <strong>Herrmannsdorfer</strong> <strong>Landwerkstätten</strong> derzeit<br />

erwirtschaften, ist für ihn vollkommen ausreichend. Mehr muss nicht sein. Mehr soll es gar nicht sein. In der


Fastenzeit im Jahr 1984 hate er beschlosen, seinem Leben eine Wende zu geben. „Ich faste jedes Jahr. Das<br />

macht nicht nur den Bauch leer. Auch das Gehirn wird gesäubert, das schafft Platz für neue Gedanken", so<br />

Schweisfurth. Den Gedanken folgten Taten: Er verkaufte Herta an den Nestle-Konzern und erwarb das Gut<br />

Herrmannsdorf. Nach und nach restaurierte er <strong>die</strong> alten Gebäude und Stallungen, eignete sich Kenntnisse über<br />

den ökologischen Landbau an und begann, wieder mit den eigenen Händen zu arbeiten.<br />

„Lebensmitel sind Mittel z<strong>um</strong> Leben - <strong>die</strong><br />

wichtigste vorbeugende Medizin.“<br />

Karl Ludwig Schweisfurth<br />

Ich habe tagelang in der Metzgerei gestanden und z<strong>um</strong> ersten Mal nach langer Zeit wieder angewandt, was ich<br />

als 15-Jähriger gelernt habe", erinnert er sich. Ein Glücksgefühl für den gebürtigen Westfalen. „Etwas mit der<br />

eigenen Hand zu schaffen, ist so wichtig. Die Hand ist <strong>die</strong> Erdung", philosophiert er. Generell beschäftigen ihn<br />

heute Werte wie Ethik, Verantwortung und Moral. „Al <strong>die</strong>se Dinge sind uns abhanden gekommen", meint er.<br />

Mit der von ihm gegründeten „Schweisfurth-Stiftung" versucht er, seine Ideen vom ökologischen Landbau in <strong>die</strong><br />

Welt zu tragen. Er schreibt Bücher („<strong>Wenn's</strong> <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Wurst</strong> <strong>geht</strong>"), trit im Fernsehen auf, gibt Interviews. Als<br />

ein Missionar sieht er sich aber nicht. „Ich verkünde keine Religion", sagt er.<br />

Dennoch: Was ihm wichtig ist, bringt er auf den Tisch, diskutiert provokativ und zuweilen auch dickköpfig.<br />

„Wir brauchen keine Automation und keine Gentechnik in der Landwirtschaft", behauptet er und schlägt mit der<br />

Faust auf den Tisch. „Das Arg<strong>um</strong>ent, das <strong>die</strong> Menschen ohne <strong>die</strong>se Dinge nicht sat werden, stimmt nicht.<br />

Wenn Menschen wirklich hungern, dann nur, weil sie falsch regiert werden oder weil Korruption und<br />

Bürgerkriege an der Tagesordnung sind."<br />

„In Hermannsdorf werden Handarbeit und<br />

Tradition groß geschrieben.“<br />

Der 75-Jährige macht sich Gedanken <strong>um</strong> viele Themen unserer Zeit. Er ärgert sich über <strong>die</strong> Ignoranz gegenüber<br />

der Natur, über <strong>die</strong> „virtuele Welt", in der wir leben, und über <strong>die</strong> „geistige und seelische Armut" vieler<br />

Menschen. „Die sitzen in ihren mit Elektronik ausgerüsteten Häusern, mit teuren Küchen und langen Reihen von<br />

Kochbüchern. Auf den Tisch aber kommen <strong>die</strong> schlechtesten Lebensmittel in ganz Europa. Und z<strong>um</strong> Kochen<br />

sind sie auch zu faul", schimpft er. Vor allem aber ärgert er sich über <strong>die</strong> Preisdiskussion in unserem Land. Kein<br />

Wunder: Fast täglich wird er aufgrund der hohen Preise seiner Waren damit konfrontiert. „Wir sind kein armes<br />

Volk. Nur höchstens zehn Prozent der Bevölkerung sind wirklich so arm, dass sie sich keine guten Lebensmittel<br />

leisten können. Alle anderen haben das Geld dafür." Aber es gibt auch viele Dinge, <strong>die</strong> ihn freuen; Dass sein<br />

ältester Enkel Max nach langer Überzeugungsarbeit das Handwerk des Kochs erlernen will. Dass sein Sohn<br />

Georg mit dem Öko-Supermarkt „Basic - Bio für alle" Erfolg hat. Und dass Georgs Zwillingsbruder Karl in<br />

seine Fußstapfen getreten ist. Karl Schweisfurth übernahm 1996 <strong>die</strong> Geschäftsführung der <strong>Herrmannsdorfer</strong><br />

<strong>Landwerkstätten</strong> von seinem Vater. Unter seinen Fittichen wurde der Bio-Gutshof zu dem, was er heute ist: ein<br />

Unternehmen, das den Umsatz innerhalb von zehn Jahren von rund 2,5 Millionen auf knapp zehn Millionen Euro<br />

gesteigert hat, seit drei Jahren profitabel ist und etwa 130 Mitarbeiter beschäftigt. Darunter 15 Lehrlinge.<br />

Mittlerweile gibt es zwölf Filialen in und <strong>um</strong> München, eine in Hannover sowie zwei Dutzend <strong>Wurst</strong>-, Fleischund<br />

Käsetheken quer durch <strong>die</strong> Republik. Kunden sind nach Karl Schweisfurths Beobachtung <strong>die</strong><br />

„Aufgeweckten unter der Bevölkerung", sprich: Menschen, <strong>die</strong> sich über ihre Ernährung Gedanken machen.<br />

Spätestens seit der BSE-Krise. Über 50 Prozent der „Überläufer" von damals sind dem bayerischen Bio-Bauern<br />

als Kunden erhalten geblieben. Dennoch kann sich <strong>die</strong> Familie mit ihrem Öko-Bauernhof nicht zurücklehnen.<br />

Karl Schweisfurth weiß das. „Wir müsen unser Sortiment ständig erweitern. Gleichzeitig darf <strong>die</strong> Qualität nicht<br />

darunter leiden", beschreibt er <strong>die</strong> Aufgaben der Zukunft. Entsprechend wichtig ist ihm <strong>die</strong> Qualifikation seines<br />

Personals, das er gewissenhaft auswählt. Außerdem sorgt er durch Lehrlingsausbildung für eigenen Nachwuchs.


Auch ihm ist allerdings klar, dass selbst <strong>die</strong> besten Mitarbeiter zuweilen Fehler machen. Deshalb findet immer<br />

<strong>die</strong>nstags ein Testessen statt, bei dem stichprobenartig <strong>die</strong> Qualität der <strong>Wurst</strong> überprüft wird. Geht doch etwas<br />

schief, ist der Herrmannsdorf-Kunde mit der Ware nicht zufrieden, gibt es eine eindeutige Regelung. Der Käufer<br />

bekommt den doppelten Warenwert ersetzt.<br />

Kompromisslose Kundenorientierung ist hier vielleicht noch ein wenig wichtiger als anderswo. Denn das<br />

Geschäft mit den Öko-Lebensmitteln ist ein Drahtseilakt: Einerseits müssen höhere Preise sein angesichts des<br />

enormen Aufwands für <strong>die</strong> Herstelung der Waren. „Der Bio-Kunde ist sich des Preises bewusst und kauft<br />

entsprechend weniger ein", sagt Karl Schweisfurth. Andererseits ist aber auch für überzeugte Öko-Esser <strong>die</strong><br />

Schmerzgrenze irgendwann erreicht. Würde sie überschritten, käme es wohl zu deutlichen Umsatzeinbrüchen.<br />

Schweisfurth weiß <strong>um</strong> <strong>die</strong>sen Spagat. Bei der Lebensmittelherstellung Abstriche zu machen, kommt trotzdem<br />

nicht in Frage. „Den Charakter von Hermannsdorf werden wir auch gegen <strong>die</strong> Biliganbieter erhalten", legt sich<br />

der Unternehmer fest.<br />

So unterschiedlich der emotionale Vater und der pragmatische Sohn sind - bei <strong>die</strong>sem Thema sind sie sich einig.<br />

„Wir wolen nicht unseren Profit mehren, sondern <strong>die</strong> Qualität der Lebensmitel erhalten. Das ist eine sehr<br />

wichtige gesellschaftliche Aufgabe", betont Schweisfurth junior. Während sich Karl Schweisfurth <strong>die</strong>ser<br />

Aufgabe stellt, hat der<br />

Senior schon wieder ganz andere Dinge im Kopf. So reiste der rüstige 75-Jährige kürzlich in <strong>die</strong> Nähe von<br />

Moskau, <strong>um</strong> einem russischen Landmann bei seinem Einstieg als Öko Bauer zu helfen. „Andere Unternehmer<br />

beim Aufbau eines ökologischen Betriebs zu unterstützen, ist meine neue Herausforderung", sagt Karl Ludwig<br />

Schweisfurth. Gleichzeitig experimentiert er in Herrmannsdorf mit einem Stück Land, das er im vergangenen<br />

Jahr der symbiotischen<br />

Landwirtschaft gewidmet hat. Mensch, Tier und Natur sollen dort im Einklang miteinander auskommen - ohne<br />

dass einer in den Lebensra<strong>um</strong> des anderen eingreift. Eine Einschränkung gibt es allerdings: Die Schweine, <strong>die</strong><br />

bis<br />

Ostern das Fleckchen Erde nach Herzenslust <strong>um</strong>graben durften, hat Schweisfurth mit seiner Familie mittlerweile<br />

verspeist. „Z<strong>um</strong> Niederknien war der Braten", meint er: „Es <strong>geht</strong> doch nichts über ein gutes Stück Fleisch."<br />

Text: Susann Na<strong>um</strong>ann<br />

(Über)Leben mit Premi<strong>um</strong>-Produkten<br />

Eigentlich ist Verkaufen einfach: Der Biligste gewinnt. „Das wichtigste Kaufkriteri<strong>um</strong> ist der Preis - und zwar<br />

über alle Käuferschichten hinweg", sagt Sirko Siemssen, Berater bei der Mercer Management Consulting.<br />

Qualität oder Service spielen nur eine untergeordnete Rolle. Der brutale Preiskampf unter den Lebensmittelhändlern,<br />

der in Europa seinesgleichen sucht, bestätigt <strong>die</strong>se Einschätzung.<br />

Diesem Trend können sich nur einige wenige Anbieter von echten Premi<strong>um</strong>-Produkten entziehen. Biologische<br />

Erzeugnisse gehören dazu. „Alerdings mus es der Bio-Bauer schaffen, seinen Kunden klar zu machen, dass sie<br />

für den höheren Preis auch wirklich mehr Leistung bekommen", so Siemssen. Möglich sei das nur über eine<br />

gute Kommunikation und gleich bleibend erstklassige Qualität. Gleichzeitig gelte es, sich gegen <strong>die</strong> Konkurrenz<br />

von Lebensmitteleinzelhändlern zu wappnen, <strong>die</strong> in den Öko-Markt drängen. Dabei hilft der Aufbau einer<br />

Marke. „Den Kunden fält es im Moment noch schwer, Bio-Marken zu unterscheiden. Hier sehen wir eine gute<br />

Chance, <strong>um</strong> sich künftig im Markt für ökologische Erzeugnisse zu behaupten", meint der Mercer-Berater. Wer<br />

im Premi<strong>um</strong>-Markt Erfolg haben wil, mus grundsätzlich vier Dinge beachten: „Premi<strong>um</strong>-Produkte sind<br />

einzigartig, haben keine oder nur sehr wenige Substitute und sind von Wettbewerbern nur schwer zu kopieren",<br />

beschreibt Siemssen. Folge: Der Verbraucher empfindet <strong>die</strong> Erzeugnisse als hochwertig. Nur wenn das<br />

dauerhaft so bleibt, ist das (Über)Leben im Premi<strong>um</strong>-Segment gesichert.

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