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Die Geschichte der Textilgewerkschaften im Landkreis Lindau

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Karl Schweizer<br />

Jugend die Schwindsucht in den Fabriksälen holen, ob<br />

ihnen die ganze Jugend verbittert wird. Für den Fabrikanten,<br />

den Aktionär ist <strong>der</strong> Profit, die Dividende die<br />

Hauptsache, mögen die Arbeiter dabei zu Grunde gehen!<br />

Arbeiter und Arbeiterinnen! Nicht dieser Agitator, <strong>der</strong><br />

den Fabrikanten so <strong>im</strong> Magen liegt, will den Frieden zerstören,<br />

das haben diese Herren schon längst selbst besorgt<br />

– durch ihre Ausbeutung und Profitsucht . . .“ 8.<br />

Hans Brey, eines <strong>der</strong> ersten Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

in Lindenberg, schil<strong>der</strong>te die Situation in seinen Erinnerungen<br />

u. a. folgen<strong>der</strong>maßen: „Das Beschäftigungsverhältnis<br />

vor 1900 war damals an<strong>der</strong>s als heute, denn man<br />

arbeitete <strong>im</strong> kleinen Taglohn (also mit Verpflegung und<br />

Wochengeld), bis am 6. November 1899 <strong>der</strong> große Taglohn<br />

mit pro Tag 2,20 Mark bei elfstündiger täglicher<br />

Arbeitszeit eingeführt wurde.<br />

Damit wurde auch keine Verpflegung mehr abgegeben.<br />

<strong>Die</strong>se Löhne wurden jedes weitere Jahr um 20 Pfennige<br />

erhöht, bis 1906 Stundenlöhne von 37 Pfennigen eingeführt<br />

und ausbezahlt wurden. Bis zu dieser Zeit waren<br />

die Hutarbeiter noch nicht organisiert . . .“ 9.<br />

Trotzdem kam es schon damals gelegentlich zu solidarischen<br />

Versuchen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern.<br />

So streikten die Spinnerinnen und Spinner <strong>der</strong><br />

Leinenspinnerei Raedler & Co. in Weiler/Allg. bereits<br />

<strong>im</strong> November 1872 erfolgreich einen Tag lang für eine<br />

Lohnerhöhung. 10<br />

Schwierig für Gewerkschaften<br />

Hans Brey schil<strong>der</strong>t auch anschaulich die seinerzeitigen<br />

Schwierigkeiten, <strong>im</strong> Westallgäu auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong><br />

Prinzipien Solidarität und Kampfbereitschaft gewerkschaftliche<br />

Organisationen aufzubauen: „Zur Gründung<br />

einer Gewerkschaft stand man vor schwierigen Verhältnissen.<br />

Das Misstrauen <strong>der</strong> ländlichen Arbeitnehmer infolge<br />

mangeln<strong>der</strong> Organisationskraft und <strong>der</strong> liberalistische<br />

Geist in den Amtsstuben <strong>der</strong> Vorkriegszeit hin<strong>der</strong>ten<br />

all diese Bestrebungen.<br />

58<br />

Bekanntlich waren <strong>im</strong> Gemein<strong>der</strong>at in <strong>der</strong> Mehrzahl<br />

Hutfabrikanten und ein paar Zentrumsleute, denen es<br />

um ihre finanziellen und wirtschaftlichen Interessen ging,<br />

und somit einen Gegendruck auszuüben versuchten.<br />

Jedes ungesetzliche Mittel war für sie wertvoll, die<br />

Gründung einer freien Gewerkschaft zu verhin<strong>der</strong>n. Auch<br />

ein Teil des örtlichen kleinen Zentrumsblättchens leistete<br />

seinen Beitrag ...<br />

Aber auch an<strong>der</strong>e Umstände trugen zur Behin<strong>der</strong>ung<br />

bei, z. B. die Gefahr um den Verlust des Arbeitsplatzes bei<br />

saisonmäßiger Beschäftigung sowie die Beitragsfrage<br />

und insbeson<strong>der</strong>e die Entmutigung, Mitglied einer Gewerkschaft<br />

zu sein, die seitens <strong>der</strong> Fabrikanten mit Entlassung<br />

geahndet wurde. In dieser Angelegenheit waren<br />

sich alle Arbeitgeber einig, wenn es um eine Entlassung<br />

ging und somit <strong>der</strong> Arbeitnehmer bei einer an<strong>der</strong>en Firma<br />

keine Arbeit mehr bekam ...“ 11<br />

Hinzu kamen von Gewerkschaftsmitglie<strong>der</strong>n selbst<br />

gemachte Fehler, wie sie <strong>der</strong> Kollege aus Weiler/Allg.<br />

auf <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Textilarbeiter Ende Dezember<br />

1903 in Kempten beklagte: „.. . dass hier ebenfalls durch<br />

unkluges Vorgehen junger unerfahrener Kollegen die<br />

Filiale <strong>im</strong> Zusammenfalle war, jedoch glücklicherweise<br />

durch energisches Eingreifen seitens des Kollegen Huber<br />

(aus Kempten, K. S.) die Mitglie<strong>der</strong> zum größten Teile<br />

vor dem Austritt bewahrt und eine Sektion von Kempten<br />

gegründet werden konnte . . . Er bittet, sie in ihrem Winkel<br />

nicht vergessen zu wollen“ 12.<br />

Bereits 1890 hatte die Unternehmerseite den ersten<br />

Lindenberger Strohhutfabrikanten-Verband zur eigenen<br />

gezielten Interessenvertretung gegründet.<br />

<strong>Die</strong> Gewerkschaften werden trotzdem<br />

gegründet<br />

Bereits in <strong>Lindau</strong>s erster Arbeiterorganisation, dem<br />

Arbeiterbildungsverein von 1851, gehörte ein Schnei<strong>der</strong><br />

zu den Gründungsmitglie<strong>der</strong>n. Ein Jahr später wurde<br />

dieser polizeilich verboten.

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