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FEBRUAR_2012<br />

TOMORROWTODAY<br />

Petra Schaper-Rinkel<br />

Senior Scientist am<br />

<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />

<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />

Developing the technologies, methods and tools <strong>of</strong> tomorrow<br />

➜ <strong>AIT</strong> KARRIEREWEGE<br />

IM WETTBEWERB UM DIE BESTEN KÖPFE<br />

Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-<br />

Geschäftsführer Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam<br />

mit der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig, warum das<br />

<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />

eine führende Rolle einnimmt.<br />

➜ ENERGY<br />

FORSCHUNG FÜR DIE PHOTOVOLTAIK<br />

DER ZUKUNFT<br />

Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />

Herausforderung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />

und Analysemethoden.<br />

➜ SAFETY & SECURITY<br />

DIABMEMORY – IM DIALOG MIT DEM<br />

„ALTERSDIABETES“<br />

Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit „Diabetes mellitus<br />

Typ 2“ ist die laufende schriftliche Begleitung durch die<br />

PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für dafür das elektronische<br />

DiabetikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt.<br />

➜ MOBILITY<br />

MIT SIMULATIONEN ZUM OPTIMALEN<br />

LÄRMSCHUTZ<br />

Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung<br />

des Verkehrslärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />

ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzichtbaren Schallbarrieren<br />

effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten.<br />

➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />

STRUKTUR IM CHAOS<br />

Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht<br />

aus den individuellen Handlungen der einzelnen Akteure abgeleitet<br />

werden können. Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten<br />

Simulation können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik<br />

natürlicher und sozialer Systeme analysieren.<br />

➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />

WIN-WIN-SITUATION FÜR PFLANZEN<br />

UND BAKTERIEN<br />

Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial pflanzenassoziierter<br />

Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am<br />

<strong>AIT</strong> mithilfe molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse der<br />

Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.


02 ➜ INHALT<br />

FEBRUAR_2012<br />

TOMORROWTODAY<br />

Petra Schaper-Rinkel<br />

Senior Scientist am<br />

<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />

<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />

Developing the technologies, methods and tools <strong>of</strong> tomorrow<br />

➜ <strong>AIT</strong> KARRIEREWEGE<br />

IM WETTBEWERB UM DIE BESTEN KÖPFE <br />

Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-<br />

Geschäftsführer Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam<br />

mit der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig, warum das<br />

<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />

eine führende Rolle einnimmt.<br />

➜ ENERGY<br />

FORSCHUNG FÜR DIE PHOTOVOLTAIK <br />

DER ZUKUNFT<br />

Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />

Herausforderung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />

und Analysemethoden.<br />

➜ SAFETY & SECURITY<br />

DIABMEMORY – IM DIALOG MIT DEM <br />

„ALTERSDIABETES“<br />

Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit „Diabetes mellitus<br />

Typ 2“ ist die laufende schriftliche Begleitung durch die<br />

PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für dafür das elektronische<br />

DiabetikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt.<br />

➜ MOBILITY<br />

MIT SIMULATIONEN ZUM OPTIMALEN <br />

LÄRMSCHUTZ<br />

Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung<br />

des Verkehrslärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />

ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzichtbaren Schallbarrieren<br />

effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten.<br />

➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />

STRUKTUR IM CHAOS<br />

<br />

Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht<br />

aus den individuellen Handlungen der einzelnen Akteure abgeleitet<br />

werden können. Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten<br />

Simulation können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik<br />

natürlicher und sozialer Systeme analysieren.<br />

➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />

WIN-WIN-SITUATION FÜR PFLANZEN <br />

UND BAKTERIEN<br />

Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial pflanzenassoziierter<br />

Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am<br />

<strong>AIT</strong> mithilfe molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse der<br />

Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.<br />

03<br />

06<br />

10<br />

EINLEITUNG<br />

Am Cover der Tomorrow Today Februar-<br />

Ausgabe ist diesmal <strong>AIT</strong> Senior Scientist<br />

Petra Schaper-Rinkel<br />

FORSCHUNG FÜR DIE<br />

PHOTO VOLTAIK DER ZUKUNFT<br />

Radikale Innovationen sind der Schlüssel<br />

für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />

Herausforderung durch die Entwicklung<br />

neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />

und Analysemethoden.<br />

DIABMEMORY – IM DIALOG MIT<br />

DEM „ALTERSDIABETES“<br />

Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit<br />

„Diabetes mellitus Typ 2“ ist<br />

die laufende schriftliche Begleitung durch<br />

die PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für<br />

dafür das elektronische Diabetikertagebuch<br />

DIABMEMORY entwickelt.<br />

14<br />

16<br />

18<br />

22<br />

26<br />

MIT SIMULATIONEN ZUM<br />

OPTIMALEN LÄRMSCHUTZ<br />

Lärmschutzwände leisten einen wichtigen<br />

Beitrag zur Eindämmung des Verkehrslärms.<br />

<strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />

ein, um diese <strong>of</strong>tmals unver zicht baren<br />

Schallbarrieren effizient, kostengünstig und<br />

sicher zu gestalten.<br />

STRUKTUR IM CHAOS<br />

Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete<br />

Eigenschaften, die nicht aus den individuellen<br />

Handlungen der einzelnen Akteure<br />

abgeleitet werden können. Mit Methoden<br />

wie der Multi-Agentenbasierten Simulation<br />

können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe<br />

Dynamik natürlicher und sozialer Systeme<br />

analysieren.<br />

WIN-WIN-SITUATION FÜR<br />

PFLANZEN UND BAKTERIEN<br />

Um das enorme wirtschaftliche und ökologische<br />

Potenzial pflanzenassoziierter<br />

Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden<br />

am <strong>AIT</strong> mit Hilfe molekularbiologischer<br />

Methoden die Geheimnisse der Pflanzen-<br />

Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.<br />

GENETISCHES KNOW-HOW FÜR<br />

DIE PFLANZENZUCHT<br />

Welche enormen Vorteile das <strong>AIT</strong>-Genressourcenzentrum<br />

der internationalen Scientific<br />

Community bietet.<br />

IM WETTBEWERB UM DIE<br />

BESTEN KÖPFE<br />

Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben<br />

die beiden <strong>AIT</strong>-Geschäftsführer Anton<br />

Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam mit<br />

der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig,<br />

warum das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong><br />

Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />

eine führende Rolle einnimmt.<br />

IMPRESSUM. Medieninhaber und Verleger_Bohmann Druck und Verlag GesmbH & Co. KG., A-1110 Wien, Leberstr. 122, Tel.: +43 1 740 95-0. DVR: 0408689. Geschäftsführung_Gabriele<br />

Ambros, Gerhard Milletich. Herausgeber_<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Tech Gate Vienna, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien, Tel.: +43 (0) 50550-0.<br />

Chefredaktion_Michael Hlava, E-Mail: michael.hlava@ait.ac.at, Chris tian Klobucsar, E-Mail: klobucsar.zv@bohmann.at. Redaktion_Margit Noll, Daniel Pepl, Victoria Reinicke. AutorInnen<br />

dieser Ausgabe_Alfred Bankhamer, Raimund Lang, Angelika Prohammer, Doris Griesser. Projektmanagement:_Daniel Pepl. Grafisches Konzept:_Anita<br />

Frühwirth/EFFUNDWE. Layout_Markus Frühwirth. Druck_Leykam Druck Ges.m.b.H. & Co KG. Titelfoto_Krischanz & Zeiller. Erscheinungsweise_6-mal jährlich. Alle Rechte, auch<br />

die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. ISSN 1994-5159 (Print), ISSN 1994-5167 (Online). Gratis Abo via E-Mail_cmc@ait.ac.at.<br />

Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz<br />

Medieninhaber: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. Sitz: 1110 Wien, Leberstraße 122. Unternehmensgegenstand: Die Herstellung, der Verlag und Vertrieb<br />

von Druckschriften aller Art, insbesondere Fachzeitschriften. Buch-, Zeitschriften-, Kunst- und Musikalienhandel. Handel mit Waren aller Art. Organisation von Veranstaltungen.<br />

Geschäftsführer: Dr. Gabriele Ambros, Gerhard Milletich. Beteiligungsverhältnisse: Dietrich Medien Holding Gesellschaft m.b.H. 90,91 %, Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft<br />

m.b.H. 9,09 %.Geschäftsführender Gesellschafter: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. Die Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. ist im Sinne des<br />

§ 25 Mediengesetz beteiligt an: D & R Verlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. KG mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Die Herstellung, der Verlag und Vertrieb von Druckschriften<br />

aller Art, insbesondere Fach- und Servicezeitschriften. Verlag Holzhausen GmbH mit Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Sachbuchund<br />

Fachbuchverlag in den Bereichen: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheit sowie Kunst, Architektur und Kultur. Norbert Jakob Schmid<br />

Verlagsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Buch- und Zeitschriftenverlag. V & R Verlagsgesellschaft m.b.H. mit<br />

dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Redaktion. Repro-Media Druckgesellschaft m.b.H. Nfg KG mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand:<br />

Atelier für Werbegrafik, Erzeugung und der Handel mit Vorstufenprodukten. Grundlegende Richtung der Zeitschrift Tomorrow Today ist<br />

die Information einer möglichst breiten Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen, Umsetzungserfolge, Innovationen, Anwendungsbeispiele und<br />

Konzepte der außeruniversitären, anwendungsorientierten und wirtschaftsnahen Forschung des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>.


BEYOND BORDERS:<br />

FOKUS ASIA – PACIFIC<br />

/// Die im Rahmen der EXPO 2010 in Shanghai initiierten Forschungs -<br />

kooperationen nehmen immer mehr Fahrt auf. Vergangenen Oktober<br />

konnten Infrastrukturministerin Doris Bures, <strong>AIT</strong>-Aufsichtsratsvorsit-<br />

zender Hannes Androsch und stv. Vorsitzender Gerhard Riemer (IV) in<br />

Peking und Shanghai weitere wertvolle Weichen zur Vertiefung der<br />

Forschungsachse Österreich-China legen. ///<br />

SEIT DEM 26. OKTOBER 2010 fährt der schnellste<br />

Serienzug der Welt in China. Weniger als fünf Stunden<br />

benötigen die Fahrgäste für die 1.300 Kilometer<br />

lange Strecke zwischen Peking und Shanghai. Und<br />

mit ähnlich hoher Geschwindigkeit fährt die Volksrepublik<br />

im Ranking der größten Volkswirtschaften<br />

an den bisher führenden Industrieländern vorbei,<br />

um sich aktuell hinter den USA als vorläufige Nummer<br />

zwei einzureihen.<br />

CHINA SETZT AUF FORSCHUNG UND TECHNOLOGIE<br />

China steht nun aber aufgrund dieses enormen Wirtschaftswachstumstempos<br />

– inklusive Verdreifachung<br />

des Bruttoinlandsproduktes – vor der Notwendigkeit<br />

der Weichenstellung zur Entwicklung der<br />

nächsten Jahrzehnte, um diese Entwicklung auch<br />

nachhaltig abzusichern. Dabei setzt Chinas Führung<br />

primär auf Technologie und Innovation, die sie nach<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten reformiert. Der<br />

Schwerpunkt liegt dabei auf der Indus trialisierung<br />

von Technologien, was sich allein schon aus daraus<br />

schließen lässt, dass 83 Prozent der chinesischen<br />

Ausgaben für F&E in experimentelle Entwicklungen<br />

gehen und nur und zwölf Prozent in angewandte bzw.<br />

fünf Prozent in die Grundlagenforschung.<br />

Im aktuellen Fünfjahresplan stehen demnach als<br />

Fixpunkte unter anderem die Verringerung der<br />

Energie- und CO 2 -Intensität und des Anteils fossiler<br />

Brennst<strong>of</strong>fe, sowie neue strategische Industriezweige,<br />

die Technologien zur Energieeinsparung,<br />

nachhaltiger Mobilität sowie den Umweltschutz<br />

zum Ziel haben. Alles Bereiche, in denen das <strong>AIT</strong><br />

<strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> seit vielen Jahren<br />

hohe Forschungskompetenz aufbauen konnte und<br />

international reüssiert.<br />

Bei seiner strategischen Internationalisierungs<strong>of</strong>fensive<br />

setzt das <strong>AIT</strong> daher besonders auf den Ausbau<br />

seiner Forschungs-Netzwerkknoten in Asien.<br />

Zuletzt beispielsweise anlässlich der Weltausstellung<br />

2010 in Shanghai, wo das <strong>AIT</strong> im Rahmen der<br />

„Austria Tec Week“ mit zahlreichen ExpertInnen angereist<br />

war, um die verantwortlichen Entscheider<br />

➜ EINLEITUNG 03<br />

Auf dem Weg zur führenden Volkswirtschaft nutzt China in forschungstechnischen<br />

Schlüsselbereichen die Expertise des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>: Vergangenen<br />

Oktober unterzeichneten der chinesische Wissenschafts- und Technologieminister Wan<br />

Gang und Innovationsministerin Doris Bures in Peking ein „Memorandum <strong>of</strong> Understanding“<br />

zur Vertiefung der weiteren Zusammenarbeit zwischen Österreich und China.


04 EINLEITUNG<br />

Am Beispiel der Fünf-Millionen-Stadt<br />

Nanchang im<br />

Südosten Chinas soll in<br />

den kommenden Jahren<br />

demonstriert werden, wie<br />

sich durch ein intelligentes<br />

Gesamtenergiekonzept<br />

trotz des starken Wirtschaftswachstums<br />

eine<br />

deutliche CO 2-Reduktion<br />

erzielen lässt.<br />

aus Kommunen, Verwaltung und Wirtschaft vom<br />

hohen Know how der heimischen Forschungsleis -<br />

tung vor allem auf den Gebieten Energie und Umwelt<br />

zu überzeugen.<br />

DORIS BURES ///<br />

Infrastrukturministerin<br />

„Wir haben durch das <strong>AIT</strong><br />

Energy-Projekt die Möglichkeit<br />

erhalten, österreichisches<br />

Know-how im asiatischen Raum<br />

einzusetzen. Wir sind stolz darauf,<br />

dass Nanchang Österreichs<br />

Energie- und Umwelttechnologie-Expertise<br />

schätzt.“<br />

Außerdem wurde in China zwischen Bundesministerin<br />

Doris Bures und Vertretern des Ministry <strong>of</strong><br />

Science and <strong>Technology</strong> (MOST) sowie unter Einbindung<br />

des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> eine<br />

Arbeitsgruppe zur Förderung der strategischen<br />

Zusammenarbeit beschlossen.<br />

CHINA SETZT AUF „SMART CITY“-EXPERTISE DES <strong>AIT</strong><br />

Nachdem für Chinas Regierung das Thema Energieeinsparung<br />

zu den zentralen Herausforderungen<br />

zählt, ist das <strong>AIT</strong> mit seiner international führenden<br />

Expertise auf dem Gebiet der „Smart Cities“<br />

ein logischer Forschungspartner. Daher wurde<br />

auch bereits 2010 im Rahmen der EXPO in Shanghai<br />

der Grundstein für die Zusammenarbeit zwischen<br />

Österreich und China durch ein „Memorandum<br />

<strong>of</strong> Understanding“ gelegt. Bereits im Mai 2011<br />

wurde das <strong>AIT</strong> Energy Department dann konkret<br />

mit der Entwicklung eines „Low Carbon City Action<br />

Plan“ für Nanchang beauftragt. Am Beispiel dieser<br />

Fünf-Millionen-Stadt im Südosten Chinas soll in<br />

den kommenden Jahren demonstriert werden, wie<br />

sich durch ein intelligentes Gesamtenergiekonzept<br />

trotz des starken Wirtschaftswachstums eine deutliche<br />

CO 2 -Reduktion erzielen lässt.<br />

Zinner<br />

WOLFGANG KNOLL ///<br />

OFFICE OF SCIENCE AND TECHNOLOGY<br />

<strong>AIT</strong>-Geschäftsführer<br />

Johannes<br />

„Mit unseren definierten For-<br />

Zur Unterstützung der in der Zwischenzeit zahlreischungsfeldern entlang der glochen<br />

Technologiekooperationen zwischen Österreich balen ‚Grand Challenges’<br />

be fin den wir uns am Puls der<br />

und China gab vergangenen Oktober Innovationsmi-<br />

BMVIT/Rigaud,<br />

Zeit. Bester Beweis dafür ist<br />

nisterin Doris Bures im Rahmen ihrer Regierungs- unser nicht nur in China begehr-<br />

DRC,<br />

mission nach Peking und Shanghai im Beisein des tes Know-how auf dem Gebiet<br />

der ‚Smart Cities’.“<br />

Forschungsratsvorsitzenden Hannes Androsch sowie<br />

führender <strong>AIT</strong>-ForscherInnen die Einrichtung eines<br />

eigenen Technologiebüros – des „Office <strong>of</strong> Sci- PILOTSTADT NANCHANG ALS „LIVING LAB“<br />

ence and <strong>Technology</strong>“ (OST) – bekannt. Analog zum<br />

<strong>Technology</strong>/Nanchang <strong>of</strong><br />

bereits bewährten Modell in den USA soll diese Nach einer detaillierten Bestandsanalyse des städ-<br />

Schnittstelle zu Österreichs Forschung und Entwicktischen Energiesystems von Nanchang erhob das<br />

<strong>Institute</strong><br />

lung vor allen Chinas Entscheidungsträgern zeigen, <strong>AIT</strong> Energy-Department CO2-Einsparungspoten dass Österreich der Kooperation mit dem Reich der ziale und erarbeitete in enger Zusammenarbeit mit <strong>Austrian</strong><br />

Mitte hohe Aufmerksamkeit widmet.<br />

lokalen Planungsteams gezielte Maßnahmen zur <strong>AIT</strong><br />

Das OST soll unter der Leitung der Chinaexpertin Steigerung der Energieeffizienz – etwa durch die<br />

Zeiller,<br />

Birgit Murr – als Informationsdrehscheibe und Sanierung ausgewählter Stadtviertel. Ein weiterer &<br />

Netzwerk für Wissenschaft und Technologie – ne- zentraler Bestandteil der Untersuchungen war die<br />

ben dem wechselseitigen Know-how-Austausch Einbindung erneuerbarer Energiequellen wie Wind<br />

Krischanz<br />

vor allem als zentraler Knoten für konkrete Wirt- und Photovoltaik und die Adaptierung von Versorschafts-<br />

und Forschungskooperationen dienen. gungsnetzen.<br />

FOTOS:


Die Ergebnisse der Analysen und Untersuchungen<br />

flossen in einen abschließenden „Low Carbon City<br />

Action Plan“ ein. Rund 60 Einzelmaßnahmen sind<br />

hier zu „Actions“ mit konkreten Handlungs- und<br />

Zielvorgaben zusammengefasst, die innerhalb des<br />

zwölften Fünfjahresplanes (2012 bis 2015) und in<br />

weiterer Folge bis 2020 umgesetzt werden sollen.<br />

Der Aktionsplan wurde vergangenen November<br />

beim „2nd World Low-Carbon and Eco-Economy<br />

Congress“ in Nanchang vorgestellt und sehr positiv<br />

aufgenommen. Dieses in enger fachlicher Kooperation<br />

mit WissenschaftlerInnen und BehördenvertreterInnen<br />

vor Ort ausgearbeitete Maßnahmenbündel<br />

umfasst die Bereiche Energie, Gebäude, Industrie,<br />

Mobilität und Urban Planning.<br />

Das Spektrum der geplanten Aktivitäten reicht von<br />

Pilotprojekten, die gemeinsam mit chinesischen<br />

Stakeholdern und österreichischen Unternehmen<br />

durchgeführt werden sollen bis hin zu Potenzialer-<br />

BRIGITTE BACH ///<br />

Head <strong>of</strong> <strong>AIT</strong> Energy<br />

Department<br />

„Als Wegbereiter in der Entwicklung<br />

nachhaltiger Energietechnologien<br />

verfügt <strong>AIT</strong> über jenes<br />

inter disziplinäre Wissen, mit dem<br />

städtische Energiesysteme für die<br />

Herausforderungen der Zu kunft<br />

fit gemacht werden können.“<br />

hebungen und weiterführenden Studien, um die<br />

einzelnen Maßnahmen im Detail ausarbeiten und<br />

schärfen zu können.<br />

Nach dieser ersten Evaluierung auf Metaebene<br />

geht es nun vor allem darum, die Feinarbeit voranzutreiben.<br />

Das <strong>AIT</strong> hat daher ein zweites „Memorandum<br />

<strong>of</strong> Understanding“ mit der Universität Nanchang<br />

unterzeichnet, um die Forschung und Entwicklung<br />

in den im Action Plan identifizierten Bereichen<br />

weiter voranzutreiben und gemeinsam<br />

Studien und Projekte für die Stadt auszuarbeiten<br />

und umzusetzen.<br />

Diese österreichisch-chinesische Zusammenarbeit<br />

gilt als klare Win-Win-Situation für beide Seiten:<br />

Sie gibt den chinesischen Partnern die Möglichkeit,<br />

die rasante Stadtentwicklung in China in mehreren<br />

Infrastrukturbereichen nachhaltig zu gestalten,<br />

während das <strong>AIT</strong> seine Smart Cities Kompetenzen<br />

auf europäischer Ebene durch wertvolle Erfahrungen<br />

im Kontext eines „Living Lab“ ergänzen und in<br />

seinen Innovationsprozess einbinden kann. Dar-<br />

über hinaus fungiert das <strong>AIT</strong> als Türöffner für die<br />

österreichische Wirtschaft und unterstützt heimische<br />

Unternehmen, strategisch im zweitgrößten<br />

Technologiemarkt der Welt Fuß zu fassen.<br />

WISSENSAUSTAUSCH AUF MEHREREN EBENEN<br />

Neben der intensiven Kooperation mit dem <strong>AIT</strong><br />

Energy Department nutzt China seit 2009 aber auch<br />

die Expertise des <strong>AIT</strong> Foresight & Policy Development<br />

Departments. Konkret ersuchte das „Minis try<br />

<strong>of</strong> Science and <strong>Technology</strong>“ (MOST) die Foresight-<br />

ForscherInnen um Projektvorschläge zur Gestaltung<br />

ihrer Wissenschafts- und Innovationspolitik,<br />

beispielsweise zur Nutzung von Synergien zwischen<br />

der chinesischen und österreichischen FTI-Politik.<br />

Das Foresight & Policy Development Department<br />

hat in diesem Zusammenhang ein „Memorandum<br />

<strong>of</strong> Understanding“ mit der Chinese Academy <strong>of</strong> Science<br />

and <strong>Technology</strong> for Development (CASTED) unterzeichnet<br />

und ist derart in die forschungsstrategische<br />

Arbeit Chinas gut eingebunden. Beispiel dafür<br />

ist ein Projekt, in dessen Rahmen mittels WissenschaftlerInnen-Austausches<br />

zwischen <strong>AIT</strong> und CA-<br />

STED erhoben werden soll, welchen Beitrag Wissen<br />

bzw. „Wissens-spill-over“ für die Entwicklung des<br />

Bruttoinlandsproduktes / der Produktivität von Ländern<br />

leisten.<br />

HANNES ANDROSCH ///<br />

<strong>AIT</strong>-Aufsichtsrats vorsitzender<br />

„Wir konnten in China den Leis tungs -<br />

beweis antreten, dass wir in jenen<br />

Forschungsbereichen, deren Ergebnisse<br />

für die VR China von besonderer<br />

Relevanz für die Lösung bestehender<br />

Probleme sind, über exzellente Kompetenz<br />

verfügen. Diese Expertise gilt<br />

es jetzt konsequent auszubauen und<br />

zur Umsetzung zu bringen.“<br />

Mittels Analyse der unterschiedlichen Beiträge zur<br />

Entwicklung der Produktivität in China sollen Unterschiede<br />

in der Produktivitätsentwicklung zwischen<br />

Europa und China aufgezeigt werden.<br />

Vereinbart wurden aber auch gemeinsame Konferenzen<br />

– abwechselnd in Peking und in Wien – in<br />

dessen Rahmen Foresight als Methode zur Entwicklung<br />

von politischen Strategien und Maßnahmen<br />

erarbeitet und präsentiert werden sollen. Die<br />

erste Konferenz soll 2013 in Wien stattfinden. Zielgruppe<br />

sind VertreterInnen aus Politik, Wissenschaft<br />

und öffentlicher Verwaltung. ///<br />

EINLEITUNG 05


06 ➜ KARRIEREWEGE<br />

IM WETTBEWERB UM DIE<br />

BESTEN KÖPFE<br />

/// Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-Geschäftsführer<br />

Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam mit der <strong>AIT</strong> Karrierewege-Projekt-<br />

leiterin Elvira Welzig, warum das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> als Arbeitge-<br />

ber in Österreich eine führende Rolle einnimmt. ///<br />

Tomorrow Today: Wie rekrutieren Sie Ihre „bes -<br />

ten Köpfe“?<br />

<strong>AIT</strong>-GF Wolfgang Knoll: Hierbei<br />

gilt es zu unterscheiden, auf welcher<br />

Ebene wir Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter suchen. Wir<br />

schreiben aus, wir gehen auf Kandidatinnen<br />

und Kandidaten zu, die<br />

wir aus unseren Netzwerken heraus<br />

als mögliches Fachpersonal identifizieren und<br />

setzen fallweise auch Rekrutierungsbüros, also<br />

pr<strong>of</strong>essionelle Headhunter, ein. Grundvoraussetzung,<br />

dass sich gute Leute melden, ist, dass sich<br />

gute Leute melden, ist natürlich, dass wir international<br />

kompetitive Gehälter zahlen. Es gibt aber<br />

auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die primär<br />

wegen des Themas kommen, obwohl sie anderswo<br />

mehr Geld bekommen könnten. Daher ist es gerade<br />

im technisch-wissenschaftlichen Bereich ganz<br />

wichtig, an den richtigen Themen entlang der globalen<br />

Herausforderungen zu arbeiten. Das zieht<br />

gute Köpfe an. Und natürlich hängt es auch von der<br />

Kultur beziehungsweise dem allgemeinen Setting<br />

des Unternehmens ab. Denn das Standing einer<br />

Forschungsstätte hat ebenfalls enormen Einfluss<br />

darauf, gute Leute zu gewinnen.<br />

<strong>AIT</strong>-GF Anton Plimon: „Ownership“<br />

ist dabei das Schlüsselwort<br />

unserer Maßnahmen. Ziel ist,<br />

dass unsere Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter stolz sind, beim <strong>AIT</strong> zu<br />

arbeiten. Weil wir an den richtigen<br />

Themen, den „Grand Challenges“,<br />

forschen und weil wir eine Unternehmenskultur<br />

aufbauen, die das <strong>AIT</strong> zu einem begehrten Dienst-<br />

geber macht. Und wir können aufgrund der vielen<br />

Initiativbewerbungen bereits erkennen, dass dies in<br />

der Zwischenzeit bereits gut greift.<br />

Wie sieht Ihr Karrieremodell – beispielsweise für<br />

eine Forscherin/einen Forscher – konkret aus?<br />

Knoll: Bereits in unserem Markenkern ist der Begriff<br />

„Ingenious Partner“ fest verankert. Er soll zeigen,<br />

dass bei uns die optimale Entwicklung von Talenten<br />

und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert einnimmt.<br />

In einem Wissensbetrieb ist der Erfolg untrennbar<br />

mit der erfolgreichen Entwicklung unserer<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden.<br />

Elvira Welzig: Wir haben daher<br />

die einzelnen Berufsbilder exakt<br />

und mit maximaler Transparenz<br />

definiert. Damit stehen die möglichen<br />

Perspektiven für unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter bereits<br />

beim Eintritt fest. Mit den <strong>AIT</strong><br />

Karrierewegen zeigen wir auf, welche Schritte folgen<br />

können und welche Voraussetzungen dafür jeweils<br />

gegeben sein müssen. Unser Karrieremodell<br />

wurde gemäß des Standards international führender<br />

Forschungsorganisationen konzipiert. Es sieht<br />

grund sätzlich fünf Berufsbilder vor: „Engineering &<br />

Expert Advice“, „Management“, „Science“, „Support“<br />

und „Technical Services“. Innerhalb dieser Berufsbilder<br />

ist eine stufenweise Entwicklung in Form<br />

von Levels möglich. Die Aufgaben sowie die Voraussetzungen<br />

sind für jedes Level klar definiert. Das<br />

<strong>AIT</strong>-Karrieremodell ermöglicht aber auch eine gezielte<br />

Verlagerung der persönlichen Schwerpunkte


durch den Wechsel zwischen den einzelnen Berufsbildern.<br />

Die Voraussetzungen für einen derartigen<br />

Wechsel sind durch die Aufgaben und erforderlichen<br />

Qualifikationen der einzelnen Berufsbilder und<br />

ihren Levels klar definiert. Detaillierte Beschreibungen<br />

aller Berufsbilder sind natürlich auch auf unserer<br />

Website jederzeit abrufbar.<br />

Im Wettbewerb um die besten Köpfe stehen Sie im<br />

Konkurrenzkampf mit Universitäten und der Wirtschaft.<br />

Warum sollte beispielsweise eine Forscherin,<br />

ein Forscher bevorzugt bei <strong>AIT</strong> anheuern?<br />

Knoll: Eine Universität macht für mich dann Sinn,<br />

wenn mein Karriereweg vorsieht, als Pr<strong>of</strong>essor im<br />

Lehrberuf zu bleiben. Das ist aber keine Allgemeinlösung.<br />

Manche wollen lieber forschen und entwickeln,<br />

um sich beruflich zu verwirklichen. Auf der anderen<br />

Seite haben wir gegenüber der Industrie eine ganz andere<br />

Zeitperspektive, einen anderen Horizont, einen<br />

etwas ganzheitlicheren Ansatz. Bei uns werden Themen<br />

von ganz unterschiedlichen<br />

Stellen beleuchtet. Und<br />

wir bieten auch die Flexibilität.<br />

Wenn beispielsweise eine Mitarbeiterin<br />

oder ein Mitarbeiter<br />

bei uns als Scientist einsteigt,<br />

jedoch erkennt, dass sie/er sich<br />

als Engineer besser verwirklichen<br />

kann, hat sie/er am <strong>AIT</strong> die Möglichkeit dazu. Also<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Wert auf den<br />

„Reality Check“ legen, sind bei uns gut aufgehoben.<br />

Plimon: Bei uns befinden sich Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter vom ersten Tag an in einem internationalen<br />

Umfeld. Sie sind mit ihren Projekten laufend in<br />

der weltweiten Scientific Community unterwegs –<br />

das ist keine typische Situation wenn ich in eine Entwicklungsabteilung<br />

eines Industrieunternehmens<br />

einsteige. Weiters erwerben unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter aufgrund der engen Zusammenarbeit<br />

mit Industriepartnern Skills, die in der<br />

Regel an einer Universität nicht beigebracht werden.<br />

Derartige Fähigkeiten, wie beispielsweise Projektmanagement,<br />

Kommunikation & Co sind heutzutage<br />

in einem Lebenslauf unabdingbar. Ein erst auf den<br />

zweiten Blick für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

wertvolles Kernelement unserer Unternehmenskultur<br />

ist zudem das jährlich umzusetzende Mitarbeitergespräch,<br />

bei dem abseits des Tagesgeschäftes<br />

ein Status quo über eigene Perspektiven, Erwartungshaltungen<br />

und tatsächlichen Möglichkeiten<br />

gezogen wird. Denn eine Weiterentwicklung hat nicht<br />

zwangsläufig etwas mit dem steten „Zug nach oben“<br />

zu tun. Dies führt vielmehr stets in eine Falle, da unter<br />

Garantie bei jedem der Punkt kommt, wo die geforderte<br />

Leistung nicht mehr erbracht werden kann.<br />

Welzig: Unser Karrieremodell inklusive unserer<br />

Mitarbeitergespräche beugt eben genau dieser ungewollten<br />

Dynamik vor. Weil die <strong>AIT</strong>-Karrierewege<br />

auch einen Wechsel innerhalb der Berufsbilder vorsehen.<br />

Beispielsweise vom Scientist zum Engineer<br />

bzw. vice versa. Derartige Fälle haben wir auch immer<br />

wieder.<br />

Wieviele Jahre beträgt die typische Verweildauer<br />

einer <strong>AIT</strong>-Mitarbeiterin, eines <strong>AIT</strong>-Mitarbeiters?<br />

Plimon: Das hängt sehr stark von der einzelnen<br />

Funktion und natürlich auch von der positiven Motivation<br />

der Mitarbeiterin, des Mitarbeiters ab. Ein<br />

weiteres Kriterium ist die „Halbwertszeit des Wis-<br />

sens“, die in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich<br />

sein kann. Und schließlich müssen<br />

wir auch noch auf kontinuierliche Ansprechpersonen<br />

für unsere Industriepartner achten.<br />

Knoll: In ein paar Jahren wird es dazu wahrscheinlich<br />

eine statistische Antwort geben können. Derzeit<br />

sind wir – ist unser System – dafür zu jung. Wenn ich<br />

aber unser System mit jenen der Vorläuferorganisationen<br />

vergleiche, würde ich mir wünschen, dass die<br />

Verweildauer deutlich kürzer wird. Weil dies dann<br />

eher ein Zeichen von dynamischer Weiterentwicklung<br />

unserer Themen und Positionierung bedeutet.<br />

Forschung im Wandel der Zeit: Wie hat sich das typische<br />

Anforderungspr<strong>of</strong>il von wissenschaftlichem<br />

Personal geändert? Auf welche Skills kommt es<br />

heute mehr an, was war früher wichtig?<br />

Plimon: Worauf wir heute definitiv mehr schauen, ist<br />

das Thema Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Weil wir es als essenziell ansehen, dass unsere<br />

Expertinnen und Experten auch unterschiedliche<br />

KARRIEREWEGE 07<br />

<strong>AIT</strong>-GF Wolfgang Knoll: „Bereits in unserem Markenkern ist der<br />

Begriff ,Ingenious Partner’ fest verankert. Er soll zeigen, dass bei uns<br />

die optimale Entwicklung von Talenten und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert einnimmt.“


08 KARRIEREWEGE<br />

Gedankenwelten kennengelernt haben. Das war sicher<br />

vor zehn Jahren noch nicht so ausgeprägt. Abgesehen<br />

von den unmittelbaren Uni- oder FH-Absolventinnen<br />

und -Absolventen sollten potenzielle Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter in ihrer Laufbahn unbedingt<br />

eine internationale Komponente haben. Gibt es<br />

diese nicht, löst es zumindest viele Fragen aus.<br />

Knoll: Nachdem wir unsere Forschungsstätte in einer<br />

ambitionierteren Liga mit globalen Themen positionieren<br />

– uns also dem weltweiten Wettbewerb an<br />

vorderster Front stellen, darf es gar nicht mehr sein,<br />

dass in den Karrierewegen der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter die internationalen Karrierepunkte fehlen.<br />

Das hat auch etwas mit Benchmarking zu tun.<br />

Tomorrow Today im Gespräch mit dem ehemaligen <strong>AIT</strong>-Mitarbeiter<br />

Georg Haberhauer, der dem Ruf als Vizerektor für Strategische Entwicklung<br />

an die Universiät für Bodenkultur Wien gefolgt ist.<br />

Herr Vizerektor Haberhauer, bevor Sie an die BOKU berufen<br />

wurden, waren Sie viele Jahre am heutigen <strong>AIT</strong> für<br />

den Bereich der „Health“-Forschung verantwortlich.<br />

Was konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen? Was hat<br />

Ihnen beim <strong>AIT</strong> am besten gefallen?<br />

n <strong>AIT</strong> ist ein sehr dynamisches Unternehmen. Dazu<br />

kommt die große Flexibilität, Leistungsbereitschaft und<br />

enorme Teamfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Fähigkeit<br />

der <strong>AIT</strong>-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler Forschungsfragen aus<br />

Industrie und Wirtschaft mit immer neuen Innovationen und Technologien zu<br />

beantworten, hat mich beeindruckt. Zusätzlich war immer ein starkes kunden-<br />

und anwendungsorientiertes Denken bei den Kolleginnen und Kollegen<br />

im <strong>AIT</strong> zu spüren.<br />

Ist in Österreich die Durchlässigkeit von der Akademia in die außeruniversitäre<br />

Forschung/die Industrie (und wieder retour) gegeben, oder ist Ihr Fall<br />

eher die Ausnahme?<br />

n Die Berufsbilder in Akademia und außeruniversitärer Forschung unterscheiden<br />

sich zwar auf den ersten Blick, die Durchlässigkeit der Systeme ist<br />

aber heute größer als noch vor wenigen Jahren. Ein Wechsel ist möglich. So<br />

auch z. B. im Bereich der Pr<strong>of</strong>essuren. Ich selbst habe bei einer Anzahl von<br />

Berufungen mitgewirkt, wo die Universität Personen aus außeruniversitären<br />

Organisationen berufen hat. Hier zählte die Expertise aus der Praxis, das anwendungsorientierte<br />

Denken, Managementfähigkeiten, vereint mit exzellenter<br />

Forschungsarbeit, die den Ausschlag für die Berufungen ergab.<br />

Wie intensiv ist aus Ihrer Sicht die Kooperation von außeruniversitären Forschungsstätten<br />

mit Universitäten? Sieht man sich nicht auch ein bisschen<br />

als Konkurrenten im Kampf um Drittmittel/Forschungsaufträge?<br />

n Kooperationen werden z. B. im Health/Environment-Bereich stark gepflegt.<br />

Kooperationen sind – sowohl für Unis als auch außeruniversitäre Forschungsorganisationen<br />

– heute gerade im angewandten Forschungsbereich vielfach<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Dies gilt für Förderprojekte<br />

wie auch für Wirtschaftsaufträge. Oft sind Grundlagenaspekte und Anwendungsthematiken<br />

in einem Projekt vereint. Die Kooperationen sind erforderlich,<br />

um international als F&E-Standort sichtbar und konkurrenzfähig zu bleiben. Sicherlich<br />

kommt auch intern etwas Konkurrenz auf, die aber gerade im forschungsglobalen<br />

Kontext als gesund angesehen werden kann. ///<br />

Plimon: Eine inhaltliche Auffälligkeit zu früher, mit<br />

der wir noch vor zehn Jahren zu kämpfen hatten,<br />

war, dass damals Uni-Absolventinnen und -Absolventen<br />

nicht jene für uns wichtigen Skills hatten –<br />

wie beispielsweise die numerische Simulation. Dieses<br />

Thema stand gegenüber experimentellen Techniken<br />

viel zu stark im Hintergrund. Das war für uns<br />

natürlich eine unangenehme Situation, da wir viel<br />

Zeit in das Lehren erforderlicher Basics investieren<br />

mussten, bevor diese jungen Menschen produktiv<br />

eingesetzt werden konnten. Das hat sich in der Zwischenzeit<br />

zum Glück geändert. In den Wissenschaften<br />

sind Simulationen, also die modellmäßige Begleitung<br />

von experimentellen Arbeiten, mittlerweile<br />

Standard geworden.<br />

Wie sehr „in Stein gemeißelt“ sind Ihre Anforderungspr<strong>of</strong>ile<br />

an potenzielle Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter?<br />

Welzig: Wir haben am <strong>AIT</strong> einen Personalstand von<br />

knapp 900 Personen – und somit nahezu gleich viele<br />

Anforderungspr<strong>of</strong>ile. Denn wir stecken mit unserem<br />

Anforderungspr<strong>of</strong>il lediglich den strukturierten<br />

Rahmen ab. Ein Beispiel dazu: Wenn heute eine<br />

Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das <strong>AIT</strong> wieder<br />

verlässt, wird die idente Job-Description natürlich<br />

nicht neuerlich ausgeschrieben. Wir überlegen uns<br />

vielmehr, wie sich die technologischen Bedingungen<br />

weiterentwickelt haben, also welche neuen<br />

Skills nun erforderlich sind beziehungsweise wegfallen.<br />

Und das kann mitunter deutlich divergieren.<br />

Plimon: Dazu gibt es zwei Komponenten, die man<br />

nicht vermischen darf. Die eine ist, dass eine bestimmte<br />

Person gebraucht wird, die im Team eine<br />

exakt definierte Rolle zu übernehmen hat. Diese mittels<br />

Raster finden zu wollen, ist keine gute Idee. Vielmehr<br />

gehen wir dabei auf die Suche nach komplementären<br />

Skills. Und diese lassen sich eben nicht<br />

standardisiert festmachen. Das andere Thema sind<br />

die formalen Kriterien. Was es beispielsweise bedeutet,<br />

von einem Senior Scientist zu einem Principal<br />

Scientist aufzusteigen. Und diese Kriterien sehen wir<br />

schon sehr eng. Denn in diesem Zusammenhang geht<br />

es uns um das „Nichtaufweichen“ von Standards.<br />

Knoll: Nehmen wir das treffende Bild einer Fußballmannschaft.<br />

Wenn ich im Team mit Stürmern<br />

gut ausgestattet bin, aber einen Verteidiger benötige,<br />

dann muss ich eben auch einen Verteidiger suchen.<br />

Ich muss bestimmte generelle Anforderungen<br />

setzen. Wenn es dann ein „Senior-Verteidiger“<br />

werden soll, muss dieser die generelle Qualifikati-<br />

on eines Senior- Verteidigers erfüllen. FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> Instiute <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Klobucsar


Wie durchlässig ist Ihr System? Funktioniert der<br />

Wechsel zwischen Universitäten, außeruniversitären<br />

Forschungsstätten und der Industrie?<br />

Knoll: Darauf haben wir bei unserem Karrieremodell<br />

großen Wert gelegt – nämlich dem „Andocken<br />

an die Außenwelt“. Es ist nach allen Richtungen hin<br />

<strong>of</strong>fen. Wir haben zahlreiche Beispiele dafür, dass<br />

Kolleginnen und Kollegen den Ruf aus der Akademia<br />

erhielten, und noch mehr natürlich, die in die<br />

Industrie gewechselt sind – und wieder retour. Es ist<br />

ein prosperierendes, lebendiges System, das unser<br />

Wissensnetzwerk ständig weiter ausbaut. Diese<br />

Durchlässigkeit ist eine unserer tragenden Säulen.<br />

Plimon: Durch die intensive Zusammenarbeit mit<br />

unseren Forschungspartnern aus der Industrie<br />

sind die Skills unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

natürlich stets gut sichtbar. Daraus ergibt<br />

sich fast zwangsläufig ein reger Austausch an qualifiziertem<br />

Personal. Wir betrachten dies als Partnerprogramm<br />

und als Teil unserer Rolle am heimischen<br />

Innovationssektor.<br />

Ist das <strong>AIT</strong>-Karrieremodell mit jenen internationaler<br />

Forschungsstätten vergleichbar?<br />

Knoll: Viele Geschäftsführer europäischer Forschungsstätten<br />

haben uns zu unserem Karrieremodell<br />

gratuliert, da es in dieser Struktur bzw. Ausformulierung<br />

den heutigen Bedarf an Manpower in der Forschung<br />

sehr gut widerspiegelt. In seiner Basis setzt<br />

unsere Struktur aber auf internationale Standards auf<br />

– ein Senior Scientist soll bei uns beispielsweise ein<br />

vergleichbares Anforderungspr<strong>of</strong>il wie bei Helmholtz<br />

in Deutschland oder beim MIT in den USA haben.<br />

Wie hoch ist der Anteil Ihres internationalen Personals<br />

– quer durch alle Beschäftigungsgruppen? Wie<br />

hoch ist Ihr Frauenanteil?<br />

Welzig: Der Anteil an internationalen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern liegt bei rund 20 Prozent. Quer<br />

durch den Beschäftigtenstand haben wir rund 40<br />

Prozent weibliches Personal – aus österreichischer<br />

Sicht ein überdurchschnittlich hoher Wert, obwohl<br />

wir keine konkrete Frauenquote definiert haben.<br />

Wie sieht es bei Ihnen mit Spin-<strong>of</strong>fs aus?<br />

Plimon: Spin-<strong>of</strong>fs sind ein wichtiger Bestandteil<br />

unseres Business-Modells – werden also von uns<br />

unterstützt. Wir beteiligen uns bei derartigen Firmenausgründungen<br />

jedoch stets als Minderheitspartner,<br />

um das neue Unternehmen in seinem<br />

Handlungsfreiraum nicht einzuschränken. Denn es<br />

braucht seine Flexibilität, um wachsen zu können.<br />

Sind diese also in Ihrer Bilanz bereits als Einnahmequellen<br />

sichtbar?<br />

Plimon: Ja – in der Zwischenzeit haben wir auch<br />

schon monetär einen positiven Saldo. Es ist ein<br />

schönes Investment, dem man beim Wachsen zusehen<br />

kann. Der eigentliche, zusätzliche, nicht direkt<br />

quantifizierbare Mehrwert ist aber für uns,<br />

dass sie <strong>of</strong>t jene Dienstleistungsthemen besetzen,<br />

die bei uns nicht ins Forschungsportfolio passen.<br />

Damit sind sie in unserem Netzwerk natürlich stets<br />

die bevorzugten Kooperationspartner. ///<br />

KARRIEREWEGE 09<br />

Tomorrow Today im Gespräch mit dem künftigen <strong>AIT</strong>-Mitarbeiter Martin<br />

Weber, der vom renommierten Biotechnologieunternehmen QIAGEN<br />

(Hilden/D) in das <strong>AIT</strong> Health & Environment Department wechselt.<br />

Herr Weber, Sie haben bei einem internationalen Top-<br />

Unternehmen gearbeitet. Was war der ausschlaggebende<br />

Punkt jetzt zum <strong>AIT</strong> zu wechseln?<br />

n Mein neues Team im Geschäftsfeld Molekulare Diagnostik<br />

am <strong>AIT</strong> ist hochmotiviert, wissenschaftlich bes -<br />

tens qualifiziert und ideal interdisziplinär aufgestellt.<br />

Dies und die sehr gute internationale Positionierung des<br />

<strong>AIT</strong> insgesamt im Bereich der angewandten Forschung in Europa, sehe ich<br />

als optimale Basis um mittelfristig Break-Through-Innovationen in einem für<br />

Österreich und Europa zentralen Zukunftsfeld gestalten zu können.<br />

Inwieweit kannten Sie bereits das Team um Michaela Fritz? Haben Sie mit<br />

dem Health-Department schon zusammengearbeitet?<br />

n Das Team um Michaela Fritz habe ich erst Ende letzten Jahres bei meinen<br />

Besuchen in Wien kennengelernt. Ich war gleich beeindruckt von der klaren<br />

strategischen Positionierung, dem hohen Kompetenzniveau und der großen<br />

persönlichen Offenheit in der Abteilung Health & Environment.<br />

Was erwarten Sie sich von Ihrem neuen Aufgabengebiet?<br />

n Die Molekulare Diagnostik durchläuft gerade eine sehr rasante Entwicklung.<br />

Denken Sie nur an all die Möglichkeiten, die sich zum Beispiel durch die personalisierte<br />

Medizin sowie durch neue sensitivere Methoden oder durch neue Bio-<br />

Marker zur Früherkennung von alternsabhängigen Krankheiten, wie etwa<br />

Krebs, ergeben. Ich glaube, dass wir hier mit unserer Arbeit einen für die gesamte<br />

Gesellschaft inhaltlich wertvollen Beitrag leisten, indem wir neue Technologien<br />

zur Erkennung von Krankheiten erforschen und zusammen mit Indus -<br />

triepartnern vermarkten, durch die eine rechtzeitige und gezielte Therapie dieser<br />

Krankheiten letztlich erst möglich wird.<br />

Ist Ihrer Meinung nach die Durchlässigkeit – also der Wechsel zwischen<br />

Akademia/außeruniversitärer Forschung/Industrie – gegeben?<br />

n Das ist nach meiner Ansicht leider noch nicht überall und noch nicht in ausreichendem<br />

Maße der Fall. Es freut mich sehr, dass das <strong>AIT</strong> hier eine Vorreiterrolle<br />

einnimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine größere Durchlässigkeit<br />

in alle Richtungen für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt und dass Mitarbeiterinnen<br />

und MItarbeiter, die in ihrer beruflichen Laufbahn mehr als eine<br />

dieser „Berufswelten“ kennengelernt haben, interessante und nützliche Inputs<br />

für ihre jeweils aktuelle Tätigkeit mitbringen. ///<br />

ENERGY ➜


10 ➜ ENERGY<br />

FORSCHUNG FÜR DIE<br />

PHOTOVOLTAIK DER ZUKUNFT<br />

/// Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der Wett -<br />

bewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser Herausforde-<br />

rung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />

und Analysemethoden. ///<br />

l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />

DIE PRODUKTIONSKOSTEN IM PHOTOVOLTAIKSEK-<br />

TOR sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.<br />

Diese Entwicklung ist zwar einerseits erfreulich,<br />

da sie der nachhaltigen Technologie auf<br />

breiter Basis zum Durchbruch verhilft, bringt aber<br />

gleichzeitig europäische Hersteller unter beträchtlichen<br />

Preisdruck. „Diese Herausforderung kann<br />

nur mit konsequenter Innovation gemeistert werden“,<br />

stellt Wolfgang Hribernik, Head <strong>of</strong> Business<br />

Unit „Electric Energy Systems“ am <strong>AIT</strong>, klar. „Eine<br />

mögliche Antwort liegt in einer breiten Aufstellung<br />

entlang der Wertschöpfungskette, unter anderem<br />

durch eine integrierte Zell- und Modulproduktion<br />

mithilfe neuer Herstellungsverfahren.“ Großes Potenzial<br />

für radikale Innovationen bieten aber auch<br />

nanotechnologische Ansätze, die in interdisziplinärer<br />

Kooperation mit dem Health & Environment Department<br />

verfolgt werden. In mehreren Projekten<br />

widmet sich das Photovoltaik-Team diesen „Emerging<br />

Technologies“ und positioniert das <strong>AIT</strong> damit<br />

als kompetenten Entwicklungspartner für die In -<br />

dus trie – von der Solarzelle bis zum Gesamtsystem.<br />

Mit jährlichen Wachstumsraten von rund 40 Prozent wird die Photovoltaik<br />

eine wichtige Rolle im Strommix der Zukunft einnehmen. Vorrangiges Ziel<br />

der Forschung ist es, die zentrale Kennzahl „Kosten pro Watt“ zu optimieren<br />

– durch Reduktion des Materialverbrauchs, Senkung der Produktionskosten<br />

und Erhöhung der Effizienz. Das <strong>AIT</strong> Energy Department stellt sich dieser<br />

Herausforderung und entwickelt nanobasierte Zellkonzepte, wirtschaftliche<br />

Herstellungs prozesse für die Dünnschichtmodule der dritten Generation und<br />

innovative Lösungen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Abgerundet<br />

wird das Leistungsspektrum durch die Erforschung neuer Methoden zur Charakterisierung<br />

und Qualitätssicherung von Zellen und Modulen.<br />

WOLFGANG HRIBERNIK ///<br />

Head <strong>of</strong> Business Unit<br />

„Electric Energy Systems“<br />

„Eine Möglichkeit zur Stärkung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit liegt<br />

in der breiten Aufstellung entlang<br />

der Wertschöpfungskette –<br />

z. B. durch eine integrierte Zellund<br />

Modulproduktion mithilfe<br />

neuer Herstellungsverfahren.“<br />

VORSTOSS IN DIE NANOWELT<br />

Im Projekt SAN-CELL (Low-cost, silicon-free solar<br />

cells based on self-assembled nanostructures) arbeitet<br />

<strong>AIT</strong> zusammen mit der Universität Linz an der<br />

Entwicklung einer siliziumfreien anorganischen Solarzelle,<br />

deren Architektur auf selbstorganisierten<br />

Nanostrukturen basiert. Das Konzept bringt gleich<br />

mehrere Vorteile, wie Stephan Abermann, Scientist<br />

am <strong>AIT</strong> Energy Department erläutert: „Der Einsatz<br />

von Dünnschichttechnologie führt zu einer deutlichen<br />

Reduktion des Materialverbrauchs, während die Nanodrähte<br />

Ladungstransport und Lichtabsorption verbessern<br />

und damit die Effizienz erhöhen.“ Da sich die<br />

Nanodrähte in einem elektrochemischen Prozess automatisch<br />

an den Kristallstrukturen des Substrats<br />

ausrichten und so quasi von selbst wachsen, werden<br />

zusätzlich Herstellungskosten eingespart. Mithilfe<br />

von halbleitenden Nanokristallen als photosensitive<br />

Komponenten lassen sich die Eigenschaften der Solarzelle<br />

darüber hinaus „feintunen“ und optimal an<br />

das Sonnenspektrum anpassen. „Die ersten Prototypen<br />

wurden bereits getestet und haben die grundsätzliche<br />

Machbarkeit des Zellkonzepts unter Beweis


gestellt“, ist Abermann überzeugt, dass Lösungsansätze<br />

aus der Nanotechnologie die Solarzellenproduktion<br />

in Zukunft revolutionieren werden.<br />

PHOTOVOLTAIK DER DRITTEN GENERATION<br />

Dünnschichtsolarzellen gelten als zukunftsträchtige<br />

Technologie für die gebäudeintegrierte Photovoltaik,<br />

da sie großflächig und in unterschiedlichen<br />

Geometrien hergestellt werden können. Im Projekt<br />

SOLO-PV (Solution-based Low-cost PhotoVoltaics)<br />

forscht das <strong>AIT</strong> zusammen mit einem Schweizer<br />

Speziallabor und dem österreichischen Unternehmen<br />

EVG an einem neuen Herstellungsprozess für<br />

die schlanken Zellen. Da die in heutigen CIGS-Zellen<br />

verwendeten Hightech-Metalle Indium und Gallium<br />

in der Elektronikindustrie heiß begehrt und<br />

dementsprechend knapp und teuer sind, werden<br />

die Entwicklungen mit einem alternativen Absorbermaterial<br />

durchgeführt. „Kupfer-Zink-Zinn-Sulfid<br />

ist ein sehr vielversprechender Kandidat, weil es<br />

aus ungiftigen und reichlich in der Erdkruste vorkommenden<br />

Materialien besteht“, so Abermann.<br />

Der Kern des Herstellungsprozesses besteht darin,<br />

dass der Absorber und auch alle anderen<br />

Schichten der Solarzelle in Flüssigkeit gelöst und<br />

mittels chemischer Sprühpyrolyse bzw. elektrochemischer<br />

Abscheidung auf flexible Materialfolien<br />

aufgebracht werden. Dieser lösungsbasierte Ansatz<br />

ist optimal für großflächige Verfahren geeignet,<br />

da sich Solarzellen damit schnell und kostengüns -<br />

tig in meterlangen Bahnen herstellen lassen.<br />

SOLARDACH VON DER ROLLE<br />

Ein solcher „Roll-to-Roll (R2R)“-Prozess steht auch<br />

im Mittelpunkt des Projekts Flexible PV-Systeme, in<br />

dem flexible organische und CIGS-Dünnschichtsolarzellen<br />

(bestehend aus Kupfer-Indium-Gallium-<br />

Diselenid) zwischen Hochbarrierematerialien des<br />

österreichischen PV-Komponentenherstellers Isovoltaic<br />

verkapselt und auch gleich mit einer Dachbahn<br />

verbunden werden.<br />

Alle Vormaterialien – Solarzellen, Einkapselungsund<br />

Barrierematerialien sowie die Dachbahn – liegen<br />

in Rollenform vor und werden in einem kontinuierlichen<br />

R2R-Prozess zu einem großflächigen<br />

gerollten Modul verarbeitet, das vor Ort am Dach<br />

verschweißt werden kann.<br />

Die ExpertInnen des <strong>AIT</strong> unterstützen die Pro -<br />

zess entwicklung durch Mitarbeit an der Konzeption<br />

sowie umfassende Leistungs- und Alterungstests<br />

an den Modulen im Dünnschichtlabor. Ergänzend<br />

dazu wird ein Monitoringkonzept erarbeitet,<br />

um die Leistungsfähigkeit der in<br />

Österreich, der Schweiz und Spanien geplanten<br />

Demoanlagen unter mittel- und südeuropäischen<br />

Klimabedingungen zu untersuchen.<br />

Angesichts der Tatsache, dass jährlich europaweit<br />

rund 100 km² Dachmembran auf Industriedächern<br />

verlegt werden, könnte das Photovoltaikdach von<br />

der Rolle einen besonders wichtigen Beitrag zur industriellen<br />

Energieversorgung leisten.<br />

ENERGY 11<br />

Automatische Klassi -<br />

fizierung defekter Zellen<br />

in einem Photovoltaikmodul<br />

mittels Infrarot aufnahme


12 ENERGY<br />

LICHT UND SCHATTEN<br />

Der architektonische Einsatz der Photovoltaik ist allerdings<br />

nicht auf Dächer beschränkt. Im Projekt<br />

MPPF (Multifunctional Plug & Play Facade) wird die<br />

Fassade als aktiver Teil eines gesamtenergetischen<br />

Gebäudekonzepts gesehen, in dem die Photovoltaik<br />

eine wichtige Rolle einnimmt. „In der Architektur ste-<br />

STEPHAN ABERMANN ///<br />

Scientist, <strong>AIT</strong> Energy<br />

Department<br />

„Die Dünnschichttechnologie<br />

ermöglicht eine deutliche<br />

Reduktion des Materialverbrauchs,<br />

während Nanodrähte<br />

Ladungstransport und Lichtabsorption<br />

verbessern und<br />

damit die Effizienz erhöhen.“<br />

hen derzeit vor allem entweder die visuellen Aspekte<br />

oder die Stromerzeugung im Vordergrund, während<br />

die Erfüllung beider Ansprüche und spezielle Fragestellungen,<br />

wie die Farbwirkung, noch sehr wenig<br />

Berücksichtigung finden“, so <strong>AIT</strong>-Scientist Marcus<br />

Rennh<strong>of</strong>er. Am <strong>AIT</strong> wurden daher Verschattungselemente<br />

aus teil- und semitransparenter Photovoltaik<br />

erstmals einer lichttechnischen Bewertung unterzogen<br />

und mit herkömmlichen Sonnenschutzgläsern<br />

verglichen. „Unsere Spektralmessungen haben ergeben,<br />

dass die Farbe des durchdringenden Lichts bei<br />

den untersuchten Photovoltaikelementen sehr neutral<br />

und unverfälscht ist, was sich positiv auf Wohl-<br />

Der Preisdruck in der Photovoltaikbranche kann nur<br />

mit radikalen Innovationen gemeistert werden<br />

fühlparameter, visuelle Erscheinung des Innenraums<br />

und die Gesundheit am Arbeitsplatz auswirkt.“<br />

Ergänzende dreidimensionale Strömungssimulationen<br />

zeigen darüber hinaus einen stark verminderten<br />

Energieeintrag. Verschattungselemente mit integrierter<br />

Photovoltaik produzieren also nicht nur<br />

nachhaltigen Strom und vermindern den Energiebedarf<br />

für die Klimatisierung, sondern erhöhen durch<br />

ihre natürliche Lichtwirkung auch das Wohlbefinden<br />

in Büros und Wohnräumen.<br />

HIGHTECH-ANALYSETOOL FÜR<br />

PHOTOVOLTAIK-MODULE<br />

Elektrolumineszenz-Messungen sind ein unverzichtbares<br />

Werkzeug in der Diagnostik von Photovoltaik-Modulen.<br />

Dabei wird der Photoeffekt quasi<br />

umgekehrt: Das Solarmodul wird mit Strom ange-<br />

regt und die frei werdende Energie in Form von<br />

Licht abgegeben und mit einer Spezialkamera erfasst.<br />

Ein hohes Maß an Expertenwissen ist notwendig,<br />

um aus diesen Bildern mögliche Fehler herauslesen<br />

zu können. Im Rahmen des Projekts IPOT<br />

wird nun ein Analysesystem entwickelt, das diese<br />

Interpretation vollautomatisch und objektiv durchführen<br />

kann. „Durch die Kopplung von komplexen<br />

Bildverarbeitungsalgorithmen mit einem physikalischen<br />

Modell lassen sich aus dem Elektrolumineszenz-Bild<br />

Rückschlüsse auf die Halbleitereigenschaften<br />

der einzelnen Zelle und des gesamten Moduls<br />

ziehen“, erläutert <strong>AIT</strong>-Scientist Bernhard Kubicek.<br />

So können nicht nur Transportschäden,<br />

Zellfehler, Kurzschlüsse und Mikrorisse schnell<br />

und objektiv aufgedeckt, sondern auch zuverlässige<br />

Aussagen über Alterung und Ausfallsrisiko getr<strong>of</strong>fen<br />

werden. Die automatische Analyse ist damit<br />

eine wertvolle Hilfe bei der Qualitätssicherung in<br />

der Produktion und erlaubt Händlern auch eine lü -<br />

ckenlose Überwachung der von Fremdherstellern<br />

gelieferten Module. Kein Wunder also, dass in der<br />

Photovoltaikbranche bereits reges Interesse am<br />

Fehlerdetektiv „made by <strong>AIT</strong>“ besteht. ///<br />

Projektpartner:<br />

Die Projekte SAN-CELL und SOLO-PV werden aus<br />

Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert und<br />

von der FFG abgewickelt. Partner im Projekt SOLO-<br />

PV sind die EV-Group und EMPA Swiss (Eidgenössische<br />

Material und Prüfanstalt). Im Projekt SAN-CELL<br />

kooperiert <strong>AIT</strong> mit der Johannes Keppler Universität<br />

Linz und mit dem NTC Weiz.<br />

Die K-Projekte MPPF (Multifunctional Plug&Play Facade)<br />

und IPOT (Intelligent Photovoltaic mOdule<br />

Technologies) werden im Rahmen von COMET vom<br />

Bund (BMVIT, BMWFJ) und den Ländern Kärnten,<br />

Niederösterreich und Steiermark k<strong>of</strong>inanziert und<br />

von der FFG abgewickelt. Im Projekt MPPF unter der<br />

Leitung der FIBAG kooperiert <strong>AIT</strong> mit der Technischen<br />

Universität Graz und der Universität Innsbruck.<br />

Wissenschaftlicher Partner im Projekt IPOT ist das<br />

CTR Kärnten.<br />

Partner im Projekt Flexible PV-Systeme sind die Firmen<br />

Isovoltaic, Isosport, Flisom, Renolit, Konarka,<br />

Hymmen und Fraunh<strong>of</strong>er IVV. Das Projekt wird aus<br />

Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert und<br />

von der FFG abge wickelt.<br />

Weitere Infos: Energy Department,<br />

Julia Jene, Tel.: +43 505 50-6688,<br />

E-Mail: julia.jene@ait.ac.at,<br />

Web: www.ait.ac.at/energy<br />

FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Bernhard Kubicek, EV Group


RESEARCH SERVICES<br />

Modul-Performancemessungen<br />

Akkreditierte Bauartzulassungstests bestätigen die Qualität<br />

und elektrische Sicherheit von Solarmodulen und<br />

dienen als Grundlage für die CE-Kennzeichnung und Fördervergabe.<br />

Aufgrund der raschen Entwicklungszyklen<br />

werden am Department laufend neue Methoden für die<br />

Charakterisierung innovativer Modultechnologien erarbeitet.<br />

n Bauartzulassungsprüfungen<br />

n Performancemessungen<br />

n Kalibrierung von Referenzmodulen<br />

n Individuelle Forschung und Entwicklungsbegleitung<br />

n Bildgebende Untersuchungen<br />

Analyse von PV-Anlagen und Modulkomponenten<br />

Der jährliche Energieertrag von Photovoltaiktechnologien<br />

ist stark von den regionalen Strahlungs- und Klimaverhältnissen<br />

vor Ort abhängig. Die Messungen,<br />

Analysen und Simulationen des Departments bieten<br />

eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Wahl der<br />

geeigneten Technologie für jeden Standort.<br />

n Generatorleistungsmessungen vor Ort<br />

n Ertragsanalysen und wissenschaftliches Monitoring<br />

n Erhebung von Optimierungsmöglichkeiten<br />

n Qualitätsuntersuchungen<br />

n Analyse von Degradationserscheinungen<br />

n Wissenschaftliche Begleitung (Machbarkeitsstudien,<br />

Technologievergleiche)<br />

Begleitforschung im Bereich Solarzellenentwicklung<br />

Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung von Solarzellen<br />

ist die deutliche Senkung der Material- und Produktionskosten.<br />

Neben klassischen kristallinen Siliziumzellen<br />

und Dünnschichtzellen werden verstärkt auch<br />

nanostrukturierte und organische Zellen eingesetzt.<br />

Das Department entwickelt maßgeschneiderte Analyse-<br />

und Charakterisierungsverfahren für diese neuen<br />

Technologien.<br />

n Analyse von Hot-Spot-Effekten<br />

n Infrarotthermographie<br />

n Elektrolumineszenzmessungen<br />

n Mikroskopaufnahmen<br />

n Rückstrombelastbarkeit<br />

n Performancemessung an einzelnen Solarzellen<br />

Klimasimulationen<br />

Photovoltaikkomponenten müssen auch unter rauen<br />

Bedingungen über ihre gesamte Lebensdauer die volle<br />

Leistung bringen. In den Klimakammern des Departments<br />

werden Komponenten und Module bei extremen<br />

Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten auf ihr Langzeitverhalten<br />

untersucht.<br />

n Beschleunigte Alterungstests<br />

n Überprüfung von Materialkompatibilitäten<br />

n Machbarkeitsuntersuchungen an innovativen Moduldesigns<br />

Forschungsinfrastruktur – PV Test Lab<br />

Im PV Test Lab wird das elektrische, optische, thermische<br />

und mechanische Verhalten von Modulen umfassend<br />

analysiert. Neben standardmäßigen Klima- und<br />

Belastungstests kommt dabei auch Hightech-Laborinfrastuktur<br />

zum Einsatz, z. B.<br />

n 8 m² Steady-State-Sonnensimulator<br />

n Klimatisierter gepulster Sonnensimulator<br />

n Spektrometer (UV-VIS-IR)<br />

n Zellmessplatz ///<br />

THORSTEN MATTHIAS,<br />

HEAD OF BUSINESS<br />

DEVELOPMENT DER EV<br />

GROUP, ÜBER DEN STEI-<br />

GENDEN KOSTENDRUCK<br />

IM PHOTOVOLTAIK -<br />

BEREICH.<br />

ENERGY 13<br />

Herr Matthias, die EV Group ist<br />

Prozessmaschinen-Spezialist für<br />

die Halbleiterindustrie mit Fokus<br />

auf Mikroelektronik. Nun steigt<br />

EV auch in den Photovoltaiksektor<br />

ein. Welche Parallelen und Unterschiede sehen Sie in diesen beiden<br />

Märkten?<br />

Die Mikroelektronik wird von der kontinuierlichen Miniaturisierung von<br />

Transistoren und anderen Bauteilen angetrieben („Moore’s Law“).<br />

Dadurch können die Chiphersteller mit jeder neuen Produktgeneration<br />

leistungsfähigere Chips bei gleichbleibender Chipgröße fertigen. Dies<br />

bedeutet aber, dass die Produktionsmaschinen jedes Jahr deutlich leis -<br />

tungsfähiger werden müssen: z. B. höhere Präzision, höhere Reinheit,<br />

genauere Prozesskontrolle. In der Photovoltaik hingegen liegt das<br />

Hauptaugenmerk auf Kostenreduzierung. Die EV Group liefert schon<br />

seit über zehn Jahren Prozessmaschinen für den Photovoltaiksektor. So<br />

werden z. B. Solarzellen für Concentrated Photovoltaic (CPV) mithilfe<br />

von Fotolithografie und Waferbonden auf unseren Anlagen hergestellt.<br />

Mit welchen Eintrittsbarrieren sind Ihre Produkte im hart umkämpften<br />

Photovoltaikmarkt konfrontiert?<br />

Die Photovoltaikindustrie ist sehr risikoscheu. Solarmodule werden mit<br />

25+ Jahren Garantie verkauft, aber es ist ja eben sehr schwer zu beweisen,<br />

dass ein Modul noch in 25 Jahren funktionieren wird. Daher wurden<br />

in der Vergangenheit etablierte Prozesse nicht bzw. nur im absoluten<br />

Notfall verändert. Aber jetzt sehen viele Hersteller die Notwendigkeit,<br />

ihre Produkte technisch von der Konkurrenz abzugrenzen und sind<br />

gewillt, neue Fertigungsprozesse zu implementieren. Die Prozesse der<br />

EV Group ermöglichen deutliche Effizienzsteigerungen der Zellen und<br />

Module.<br />

Inwiefern können die von Ihnen hergestellten Maschinen die Zell- und<br />

Modulhersteller unterstützen, dem immer stärker werdenden<br />

Kostendruck im Photovoltaikbereich standzuhalten?<br />

Unsere Maschinen ermöglichen den Zell- und Modulherstellern sowohl<br />

ihre Kosten zu senken als auch ihre Produkte technisch vom Wettbewerb<br />

zu differenzieren. Mit Imprint-Lithografie können wir schmutzabweisende<br />

Schichten am Modul erzeugen, wodurch sich der elektrische<br />

Output über die ganze Lebenszeit drastisch vergrößert. Wir erzeugen<br />

auch sogenannte „Light-Trapping“-Strukturen, wodurch der Materialverbrauch<br />

für Dünnschichtzellen weiter reduziert werden kann, was<br />

speziell für Zellen mit Elementen wie Indium wichtig ist.<br />

Welche Aspekte schätzen Sie aus Sicht eines neuen Players im Photovoltaikmarkt<br />

in der Zusammenarbeit mit den <strong>AIT</strong>-ExpertInnen?<br />

Das Team vom <strong>AIT</strong> vereint interdisziplinäre wissenschaftliche Expertise,<br />

breites Marktwissen, Know-how in der Messtechnik und umfassende<br />

Erfahrung in der Durchführung von multinationalen Forschungsprojekten.<br />

///<br />

SAFETY & SECURITY ➜


14 ➜ SAFETY & SECURITY<br />

DIABMEMORY – IM DIALOG<br />

MIT DEM „ALTERSDIABETES“<br />

/// Immer mehr Menschen leiden unter der Zuckerkrankheit. Diabetes mellitus Typ 2,<br />

früher <strong>of</strong>t „Altersdiabetes“ genannt, zählt bereits zu den großen Zivilisationskrank-<br />

heiten entwickelter Industrienationen. Wichtig bei der Behandlung ist die laufende<br />

Begleitung der Diabetes-PatientInnen. Das <strong>AIT</strong> hat deshalb das elektronische Dia-<br />

betikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt, das seit zwei Jahren bei der Versi-<br />

cherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) zum Einsatz kommt. ///<br />

l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />

DIE<br />

LAGE IST<br />

DURCHAUS<br />

KRITISCH. Die<br />

Krankheit Diabetes<br />

mellitus<br />

(Deutsch: honigsüßer<br />

Durchfluss) ist weltweit auf dem<br />

Diabetes entwickelt sich zu einer der großen Zivilisationskrankheiten. Besonders<br />

der Typ-2-Diabetes ist stark im Vormarsch, da die Bevölkerung immer älter wird,<br />

sich weniger bewegt und unter Übergewicht leidet. Chronische Krankheiten wie<br />

Diabetes bedürfen einer intensiven Betreuung und verursachen hohe Kosten für<br />

das Gesundheitssystem. Mit dem elektronischen DiabetikerInnentagebuch DIAB-<br />

MEMORY, das das <strong>AIT</strong> entwickelt hat und bei der Versicherungsanstalt der Eisenbahnen<br />

und Bergbau (VAEB) seit 2010 im Einsatz ist, können PatientInnen durch<br />

einfaches Hinhalten eines Smartphones ihre Gesundheitsdaten speichern, übertragen<br />

und erhalten zugleich auch ein Feedback über ihren aktuellen Gesundheitszustand.<br />

Das System ermöglicht eine nachhaltige Betreuung, bietet den<br />

PatientInnen mehr Eigeninitiative und kann langfristig Kosten im Gesundheits -<br />

wesen sparen.<br />

Vormarsch. Beschrieben wurde<br />

die Zuckerkrankheit schon<br />

in der Antike. Durch die alternde<br />

Gesellschaft, Bewegungsmangel<br />

und falsche<br />

Ernährung nimmt vor allem<br />

der Typ-2-Diabetes stark zu.<br />

Während beim Typ-1-Diabetes<br />

durch die Zerstörung der Betazellen<br />

der Bauchspeicheldrüse der Botenst<strong>of</strong>f<br />

Insulin, der hauptsächlich für den<br />

Zuckerst<strong>of</strong>fwechsel im Körper verantwortlich<br />

ist, im Körper gänzlich fehlt, kann<br />

es bei Typ-2-DiabetikerInnen durch das „metabolische<br />

Syndrom“ zu einer Insulinresistenz und zu einem<br />

Insulinmangel kommen. Typ-1-Diabetes ist<br />

eher selten und betrifft vor allem junge Menschen.<br />

Zur Behandlung hilft hier nur eine regelmäßige Insulinzugabe.<br />

Typ-2-Diabetes hängt hingegen auch<br />

stark mit der Lebensweise zusammen und betrifft<br />

vor allem ältere Menschen, weshalb er auch Altersdiabetes<br />

genannt wurde. Auslöser können neben<br />

Übergewicht und Bewegungsmangel auch genetische<br />

Faktoren sein. Die Lebensweise ist aber das<br />

größte Problem. Immer öfters sind deshalb auch junge<br />

Menschen von Adipositas und „Altersdiabetes“ betr<strong>of</strong>fen.<br />

Da die Zahl der Diabetes-PatientInnen ständig<br />

steigt, beschäftigt sich die VAEB seit einigen Jahren<br />

intensiv mit möglichen Gegenmaßnahmen, betreibt<br />

ein Gesundheitszentrum für St<strong>of</strong>fwechselerkran


kungen und hat im Jahr 2009 ein eigenes Institut für<br />

Gesundheit und Innovation gegründet. Wichtig ist<br />

vor allem, gefährdete Personen und Typ-2-DiabetikerInnen<br />

in einer frühen Phase zu überzeugen, ihren<br />

Lebenswandel zu ändern. Besonders richtige<br />

Ernährung und Bewegung können den Krankheitsverlauf<br />

sehr positiv beeinflussen. Vielen PatientInnen<br />

ist meist zu wenig bewusst, welch gravierende<br />

Folgeschäden nicht richtig behandelter Diabetes<br />

hervorrufen kann. Durch verstärkte Ablagerungen<br />

im Blutkreislaufsystem sind selbst lebensbedrohliche<br />

Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall<br />

oder ein Nierenversagen möglich. Es kann auch zur<br />

Erblindung oder dem Absterben von Gliedmaßen<br />

kommen. Die St<strong>of</strong>fwechselkrankheit Diabetes hat<br />

Auswirkungen auf den ganzen Organismus.<br />

GESUNDHEITSDIALOG MIT PATIENTiNNEN<br />

Um früh in die Präventionskette eingreifen zu können<br />

und DiabetikerInnen dabei zu helfen, ihren Lebensstil<br />

positiv zu verändern, hat die VAEB den Gesundheitsdialog<br />

Diabetes ins Leben gerufen. Intensive<br />

und regelmäßige ärztliche Betreuung soll das<br />

Risiko für Folgeschäden reduzieren bzw. deren<br />

Entstehung verzögern.<br />

Um DiabetikerInnen den richtigen Umgang mit ihrer<br />

Krankheit zu zeigen, wurde bislang besonders<br />

auf Kuraufenthalte im speziell dafür eingerichteten<br />

Gesundheitszentrum Breitenstein sowie auf regelmäßige<br />

Arztbesuche gesetzt. Die dreiwöchigen Kuren<br />

mit zahlreichen Behandlungen und Aktivitätseinheiten<br />

zeigten durchaus eine positive Wirkung<br />

auf den Gesundheitszustand, doch nach der Kur<br />

nimmt mit der Zeit die Motivation der PatientInnen<br />

wieder ab, „gesund“ zu leben. Der positive „Kureffekt“<br />

verflog bei vielen einige Monate nach der Kur.<br />

Wenn nach zwei, drei Jahren – aufgrund verschlechterter<br />

Werte – wieder eine Kur anstand,<br />

wiederholte sich dieser Ablauf aufs Neue. Um eine<br />

nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes<br />

zu erreichen, galt es, diesen kontraproduktiven<br />

Zyklus zu durchbrechen,.<br />

In enger mehrjähriger Zusammenarbeit mit FachärztInnen<br />

und Stakeholdern aus dem Gesundheitsbereich<br />

wurde eine nach modernsten medizinischen<br />

Gesichtspunkten konzipierte Telemonitoring-Lösung<br />

realisiert. Denn für einen nachhaltigen<br />

Gesundheitseffekt ist bei chronischen Krankheiten<br />

eine kontinuierliche ärztliche Betreuung wichtig,<br />

die noch dazu stark motivierend wirkt. „Wir haben<br />

deshalb das elektronische DiabetikerInnentagebuch<br />

DIABMEMORY entwickelt“, erklärt Peter<br />

Kastner, Senior Engineer für Information Management<br />

& eHealth im <strong>AIT</strong> Safety & Security Department.<br />

Damit können die DiabetikerInnen selbst täglich<br />

ihre Gesundheitsparameter wie Blutzucker,<br />

Blutdruck, Gewicht und Wohlbefinden auf sehr einfache<br />

Art erfassen. Über die Eingabe via Internet<br />

und mobiler Endgeräte wie z. B. Smartphones können<br />

Blutdruck- oder Blutzuckermesswerte in eine<br />

zentrale Datenbank über eine sichere Internetverbindung<br />

übertragen werden. Damit sind auch die<br />

behandelnden ÄrztInnen laufend über den Gesundheitszustandes<br />

ihrer PatientInnen informiert und<br />

können bei bedenklichen Entwicklungen – etwa<br />

starke Gewichtszunahme oder zu hohe Blutzucker-<br />

werte – rasch eingreifen bzw. bei günstigen Entwicklungen<br />

mit Bemerkungen wie „Sie sind auf<br />

dem richtigen Weg“ motivierend einwirken. Die Idee<br />

hinter dem eHealth-Service DIABMEMORY ist also,<br />

einen echten Dialog herzustellen. Die Betr<strong>of</strong>fenen<br />

rücken in den Mittelpunkt. Gerade der Einsatz moderner<br />

Telemedizin-Technologie und die Anwendung<br />

von Präventionskonzepten bewirken einen<br />

nachhaltigen Einfluss auf die Autonomie und Gesundheit<br />

der PatientInnen. Eine wichtige Voraussetzung<br />

ist aber, dass das System wirklich angenommen<br />

wird. Deshalb haben die <strong>AIT</strong>-ExpertInnen<br />

besonders viel Wert auf eine möglichst einfache<br />

Handhabung gelegt.<br />

HÖHERE LEBENSQUALITÄT, GERINGERE KOSTEN<br />

Dass chronische Krankheiten aufgrund der Altersentwicklung<br />

ständig zunehmen, ist schon lange bekannt.<br />

Umso wichtiger ist es, Systeme zu entwi -<br />

ckeln, die eine wirksame Prävention und eine effiziente<br />

Unterstützung der laufenden Behandlung bei<br />

niedrigen Kosten ermöglichen. Die neue Form des<br />

Telemonitorings unterstützt die Kommunikation<br />

zwischen DiabetikerInnen und ÄrztInnen. In Summe<br />

wird also der Gesundheitszustand stark gefördert,<br />

während auf lange Sicht eine Verringerung der Be-<br />

SAFETY & SECURITY 15<br />

Mittels „DIABMEMORY“ können DiabetikerInnen<br />

täglich ihre Gesundheitsparameter wie Blutzucker,<br />

Blutdruck, Gewicht und Wohlbefinden auf sehr<br />

einfache Art selbst erfassen.


16 SAFETY & SECURITY<br />

handlungskosten zu erwarten ist. Ein Punkt, der für<br />

Sozialversicherungen bei der laufenden Alters- und<br />

Gesundheitsentwicklung ebenfalls sehr wichtig ist.<br />

Für ihre Initiative Gesundheitsdialog Diabetes wurde<br />

die VAEB deshalb vom Gesundheitsminister Alois<br />

Stöger mit dem E.T. Award für innovative PatientInnenkommunikation<br />

ausgezeichnet.<br />

Das seit März 2010 laufende Pro<strong>of</strong>-<strong>of</strong>-Concept-Projekt<br />

mit mittlerweile über 400 PatientInnen der<br />

VAEB zeigt schon sehr schöne Erfolge. „Wir haben<br />

langsam mit dem Projekt begonnen, um die Akzeptanz<br />

prüfen zu können“, erklärt Direktor Werner<br />

Bogendorfer von der VAEB, der mit dem Projekt betraut<br />

ist, „Von allen, die am Dialog Diabetes mittlerweile<br />

teilnehmen, sind nur fünf Prozent inaktiv.“<br />

Und selbst bei diesen wenigen PatientInnen sind es<br />

meist sehr triviale Verhinderungsgründe, die leicht<br />

beseitigt werden können. Die erstaunlich hohe Akzeptanzquote<br />

ist laut Bogendorfer besonders auf<br />

die sehr einfache Datenerfassung und -übertragung<br />

zurückzuführen.<br />

PETER KASTNER ///<br />

Senior Engineer für<br />

Information Management<br />

& eHealth<br />

„Für einen nachhaltigen Gesundheitseffekt<br />

ist unter anderem<br />

eine kontinuierliche Dokumentation<br />

des Krankheitsverlaufes<br />

erforderlich. Wir haben dafür<br />

‚DIABMEMORY’ entwickelt.“<br />

SORGLOSPAKET FÜR PATIENTiNNEN<br />

Das DIABMEMORY-KIT ist so zusagen ein „Sorglos -<br />

paket“ für die PatientInnen. Die vom <strong>AIT</strong> entwickelte<br />

Keep-in-Touch-Technologie hilft, dass wirklich<br />

jeder das System bedienen kann. Das Paket besteht<br />

aus einer handlichen Tasche, die Blutzuckerund<br />

Blutdruckmessgerät, ein Smartphone und eine<br />

Tafel mit Symbolen zur Bestimmung des Wohlbefindens<br />

und der Bewegungsaktivität beinhaltet.<br />

Durch einfaches Hinhalten des Smartphones werden<br />

die Daten, etwa auch von einer mit NFC ausgestatten<br />

Waage, automatisch übertragen. Zur Sicherheit<br />

bekommen die PatientInnen auch noch eine<br />

Key Card, mit der sie sich sicher identifizieren<br />

sowie an- und abmelden können. Die mühsame<br />

Eingabe eines PIN-Codes entfällt dadurch. Die vom<br />

<strong>AIT</strong> entwickelte S<strong>of</strong>tware ermöglicht natürlich auch<br />

weitere Angaben in vordefinierten Feldern. Darin<br />

können je nach Lust und Laune auch Daten wie die<br />

Dauer von sportlichen Aktivitäten genauer beschrieben<br />

werden. Für die DiabetikerInnen selbst<br />

fallen für DIABMEMORY und die Datenübertragungen<br />

keine Kosten an.<br />

EINFACHE UND SICHERE DATENÜBERTRAGUNG<br />

Für eine leichte Bedienung dieser neuen Technologie<br />

entwickelte das <strong>AIT</strong> zukunftsträchtige Usability-<br />

Konzepte. In diesem Kontext wurden mit dem KIT-<br />

Ansatz (Keep in Touch) NFC-basierende Eingabemethoden<br />

geschaffen, die eine intuitive Datenerfassung<br />

durch PatientInnen ermöglichen.<br />

Design und Architektur der Telemonitoring-Plattform<br />

des <strong>AIT</strong> garantieren bei der Datenübertragung<br />

in die Datenzentrale eine sehr hohe Datensicherheit.<br />

Zugriff auf die Daten haben hier nur behandelnde<br />

ÄrztInnen sowie die SystembetreuerInnen<br />

(nach ausdrücklicher Genehmigung durch die PatientInnen).<br />

In der Datenzentrale werden Auswertungen<br />

und Grafiken produziert, um eine optimale<br />

medizinische Betreuung zu erreichen. Die hohe Akzeptanz<br />

zeigt, dass die PatientInnen dem System<br />

vertrauen.<br />

Für die Entwicklung von DIABMEMORY mit der<br />

VAEB wurden in der Vorphase entsprechende klinische<br />

Studien zur Validierung der Ansätze für z. B.<br />

Diabetes durchgeführt. „Die Vorevaluierung im<br />

Rahmen klinischer Studien ist sehr wichtig“, betont<br />

Kastner. Bevor das System DIABMEMORY mit der<br />

VAEB in die Pro<strong>of</strong>-<strong>of</strong>-Concept-Phase ging, hat das<br />

<strong>AIT</strong> in einer längeren Vorlaufphase in klinischen<br />

Studien die grundsätzliche Akzeptanz der Datenerfassung<br />

mit Pr<strong>of</strong>. Bernhard Ludvik von der Klinischen<br />

Abteilung für Endokrinologie und St<strong>of</strong>fwechsel<br />

an der Medizinischen Universität Wien geprüft.<br />

Vor allem auch die hohe Akzeptanz bei PatientInnen<br />

konnte durch diese entsprechend konsequente Vorarbeit<br />

belegt werden.<br />

Die gute Zusammenarbeit zwischen VAEB und <strong>AIT</strong><br />

hat auch dazu geführt, dass heuer eine strategische<br />

Partnerschaft geschlossen wurde, um DIABMEMO-<br />

RY gemeinsam zu promoten und auch gemeinsam<br />

neue Telemonitoring-Lösungen für die nachhaltige<br />

Betreuung von PatientInnen mit chronischen<br />

Krankheiten zu entwickeln. ///<br />

Weitere Infos: Safety & Security<br />

Department, Michael Mürling,<br />

Tel.: +43 505 50-4126,<br />

E-Mail: michael.muerling@ait.ac.at,<br />

Web: www.ait.ac.at/safety_security<br />

FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Fotolia/kalafoto, Funkwerk Plettac Electronic GmbH


RESEARCH SERVICES<br />

eHealth & Ambient Assisted Living (AAL)<br />

Die Verfügbarkeit neuer Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

(IKT) erlaubt es, neue Ansätze für ein<br />

modernes Gesundheitssystem (eHealth) und für altersgerechte<br />

Assistenzsysteme (Ambient Assisted Living -<br />

AAL) zu verfolgen.<br />

Zukünftige Therapieansätze der nächsten Generation<br />

bauen auf geschlossenen Regelkreisen auf (Closed<br />

Loop Healthcare), in denen der Gesundheitszustand der<br />

PatientInnen laufend überprüft und gegebenenfalls die<br />

Therapie angepasst wird. Modernste Technologien helfen<br />

dabei, den kooperativen Behandlungsprozess beiderseits<br />

(ÄrztInnen und PatientInnen) durch<br />

asynchrone, dem jeweiligen Arbeitsrhythmus angepasste<br />

Kommunikation zeitlich und räumlich flexibel<br />

und effizient zu gestalten. Neue Ansätze für die intuitive<br />

und mobile Datenerfassung durch den PatientInnen<br />

mittels <strong>AIT</strong>-Technologie (Keep-in-Touch-Prinzip) erlauben<br />

es, Momentaufnahmen des medizinischen Zustandes<br />

(Einzel mes sungen) durch laufendes Telemonitoring<br />

zu ergänzen und dem Arzt bzw. der betreuenden Person<br />

die notwendigen Daten für eine individualisierte Therapie<br />

bereitzustellen. Diese neuen Funktionen und<br />

Systeme werden dabei in komplexe existierende IT-<br />

Infrastrukturen eingebettet und im medizinischen Kontext<br />

evaluiert und validiert. <strong>AIT</strong> fokussiert im Research<br />

Service eHealth & Ambient Assisted Living (AAL) auf<br />

integrierte eHealth-Lösungen für die Biomedizinische<br />

Forschung und patientenzentrierte Gesundheitsversorgung<br />

und arbeitet dabei eng mit den führenden medizinischen<br />

und technischen Universitäten in Österreich und<br />

darüber hinaus zusammen.<br />

Das Safety & Security Department bietet Auftragsforschung<br />

und Innovationen in folgenden Kompetenzfeldern<br />

an:<br />

n Telemonitoring and Therapy Management<br />

n Biomedical and Translational Research<br />

n Biosignal Processing and Knowledge-Based Systems<br />

n Ambient Assisted Living (AAL)<br />

Telemonitoring and Therapy Management<br />

Die <strong>AIT</strong>-eHealth-Lösungen für Telemonitoring and Therapy<br />

Management unterstützen die aktive Integration<br />

der PatientInnen, die Aufbereitung der Daten als auch<br />

eine effektive Kommunikation der beteiligten ÄrztInnen<br />

und PatientInnen. Die intuitive und sichere Erfassung<br />

der Gesundheitsdaten in Home-, Health- und Telemonitoring-Anwendungen<br />

basiert auf der <strong>AIT</strong>-Technologie<br />

und verwendet zukunftsträchtige Technologien wie z.<br />

B. Near Field Communication (NFC). Dies ermöglicht<br />

einfachste, intuitive Benutzung, Übernahme der aktuellen<br />

Messwerte und automatische Übertragung an<br />

einen zentralen Datenbank-Server, wo eine automatische<br />

Verarbeitung gestartet werden kann, sowie Out<strong>of</strong>-the-Box<br />

Connectivity ohne Vorkonfiguration und<br />

ohne Gerätepaarung.<br />

Das Safety & Security-Team stattet verschiedenste<br />

Messgeräte mit <strong>AIT</strong>-Technologie aus und bietet KITfähige<br />

Messgeräte inklusive Web-Interface (oder<br />

Daten-Relay) für Home-Health- und Telemonitoring<br />

sowie für klinische Studien.<br />

Die Forschung beinhaltet dabei immer eine enge<br />

Kooperation sowohl mit den Medizinischen und Technischen<br />

Universitäten, als auch mit relevanten Akteuren<br />

des eHealth-Ökosystems, um neben technischen<br />

Aspekten auch klinische, organisatorische und ökonomische<br />

Bedingungen berücksichtigen zu können. ///<br />

SAFETY & SECURITY 17<br />

WERNER BOGENDORFER,<br />

DIREKTOR BEI DER VAEB<br />

(VERSICHERUNGSANSTALT<br />

FÜR EISENBAHNEN UND<br />

BERGBAU), GESCHÄFTS-<br />

BEREICH GESUNDHEIT<br />

UND INNOVATION, ÜBER<br />

DAS PROJEKT „GESUND-<br />

HEITSDIALOG DIABETES“.<br />

Herr Bogendorfer, die VAEB nimmt mit dem „Gesundheitsdialog Diabetes“<br />

eine Vorreiterrolle in Sachen laufender Betreuung von Patientinnen<br />

und Patienten ein. Was kann Telemedizin im Bereich der<br />

chronischen Krankheiten bewirken?<br />

Beim Projekt Gesundheitsdialog haben wir zuerst mit der Analyse der<br />

Versorgung chronisch Kranker begonnen. Diabetes ist ins<strong>of</strong>ern eine problematische<br />

Krankheit, da der Patient als sein eigener Therapeut agieren<br />

und sich zu diesem Zwecke viel Wissen aneignen muss. Je nach<br />

Bildungsschicht, Betr<strong>of</strong>fenheit oder Gesundheits- bzw. Krankheitsbewusstsein<br />

haben die PatientInnen einen sehr unterschiedlichen Zugang<br />

zu ihrer Krankheit. Wir selbst betreiben eine Sonderkrankenanstalt für<br />

St<strong>of</strong>fwechselkrankheiten in Breitenstein, schulen die Leute über den<br />

Zusammenhang zwischen Ernährung und Bewegung und betreuen sie<br />

psychologisch. Es hat aber immer der nächste Schritt gefehlt, wie die<br />

PatientInnen nach der Kur dann eigenverantwortlich das erworbene<br />

Wissen nicht nur weiterpflegen, sondern auch im Alltag umsetzen.<br />

Wie hilft dabei das elektronische Tagebuch?<br />

Die Umsetzung in den Alltag funktioniert nur, wenn qualifizierte Daten<br />

über den Gesundheitszustand elektronisch zur Verfügung gestellt werden<br />

und wie bei DIABMED in ein elektronisches DiabetikerInnentagebuch<br />

integriert werden. Der/die Versicherte kommt dadurch in einen elektronischen<br />

Dialog, in dem er/sie regelmäßig die Werte misst und Feedback<br />

über den Gesundheitszustand erhält. Wichtig ist auch, dass wie bei DIAB-<br />

MEMORY vom <strong>AIT</strong> weiche Faktoren wie etwa das Wohlbefinden oder<br />

sportliche Aktivitäten erfasst werden. Mittlerweile wurden in Breitenstein<br />

über 400 PatientInnen mit dem elektronischen Tagebuch ausgestattet.<br />

Die Erfassung der Daten mit der NFC-Technologie ist sehr einfach. Auf<br />

diese Weise ermöglichen wir den Versicherten, dass sie qualifiziert Daten<br />

übermitteln können. Das hat die Akzeptanz erheblich gesteigert.<br />

In welchen Bereichen bringt das Entwicklungs-Know-how der <strong>AIT</strong>-<br />

Expertinnen und Experten hier besondere Vorteile?<br />

<strong>AIT</strong> hat das DIABMEMORY in der Ursprungsform entwickelt, zur Verfügung<br />

gestellt und schließlich in unsere Kooperation eingebracht. Ich<br />

glaube, dass insbesondere die Datenübertragung mit der NFC-Technologie<br />

des <strong>AIT</strong> ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Akzeptanz war.<br />

Der/die Versicherte will so rasch und einfach wie möglich die Werte<br />

erfassen und eine Rückmeldung bekommen, wo er/sie mit dem<br />

Gesundheitszustand gerade steht.<br />

Wie bewerten Sie die Innovationsleistungen der anwendungsorientierten<br />

Forschungsorganisation <strong>AIT</strong>?<br />

Aus den bisherigen Gesprächen und der Zusammenarbeit ist es für uns<br />

eine Freude zu sehen, welche Innovationskraft im <strong>AIT</strong> vorhanden ist. Das<br />

<strong>AIT</strong> hat für fast alle Bereiche schon Forschungsprojekte laufen oder gar<br />

fertige Technologielösungen, die es einbringen kann. Dadurch erwarten<br />

wir uns bei der Umsetzung unserer Gesundheitsziele auch einen gewaltigen<br />

Innovationsschub. Es gibt für eHealth schon viele technologische<br />

Lösungen, die jetzt von den Versicherungsträgern umgesetzt werden<br />

sollten. ///<br />

MOBILITY ➜


18 ➜ MOBILITY<br />

MIT SIMULATIONEN ZUM<br />

OPTIMALEN LÄRMSCHUTZ<br />

/// Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Verkehrs-<br />

lärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzicht-<br />

baren Schallbarrieren effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten. ///<br />

Am <strong>AIT</strong> werden akus -<br />

tische und strukturdynamischeEigenschaften<br />

von Schallbarrieren<br />

bereits im<br />

Planungsstadium am<br />

Computer optimiert<br />

l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />

DIE EUROPÄISCHE UMGEBUNGSLÄRMRICHTLINIE<br />

sieht in den kommenden Jahren Aktionspläne für<br />

eine deutliche Lärmreduktion auf Straße und<br />

Schiene vor. „Dieses Ziel kann nur durch einen<br />

Maßnahmenmix in den Bereichen Schallemission,<br />

-ausbreitung und -immission erreicht werden“,<br />

erklärt Peter Maurer, Head <strong>of</strong> Business Unit<br />

„Transportation Infrastructure Technologies“ am<br />

<strong>AIT</strong> Mobility Department. Sein Team beschäftigt<br />

sich unter anderem intensiv mit der Simulation<br />

der Wechselwirkung zwischen Fahrbahn und Reifen,<br />

um Lärm bereits an der Quelle zu minimieren<br />

Strengere Lärmschutzrichtlinien und höhere Zuggeschwindigkeiten stellen steigende<br />

Anforderungen an Lärmschutzwände entlang von Autobahnen, Schnellstraßen<br />

und Schienenstrecken. Am <strong>AIT</strong> Mobility Department arbeitet man daran,<br />

die akustische Wirksamkeit und Sicherheit dieser Schallbarrieren zu erhöhen<br />

und gleichzeitig die Kosten für Produktion und Erhaltung zu senken. Mit<br />

modernsten Simulationsmethoden wird untersucht, wie sich komplexe Designs<br />

und innovative Materialien sowie Alterungsphänomene auf die Schallfelder im<br />

Nah- und Fernfeld auswirken. Die am <strong>AIT</strong> entwickelten Simulationsmodelle der<br />

aerodynamischen Belastung von Lärmschutzwänden an Eisenbahn-Hochleis -<br />

tungsstrecken werden im Sommer im Rahmen von Innovationsmessfahrten der<br />

ÖBB bei Zuggeschwindigkeiten von bis zu 330 km/h getestet.<br />

und die akustischen Eigenschaften, die Griffigkeit<br />

und den Rollwiderstand optimal aufeinander abzustimmen.<br />

„Bei der nächsten Stufe, der Eindämmung<br />

der Schallausbreitung, nehmen Lärmschutzwände<br />

eine zentrale Rolle ein“, so Maurer.<br />

„Am <strong>AIT</strong> entwickeln wir Simulationsmethoden,<br />

um die akustischen und strukturdynamischen Eigenschaften<br />

dieser Schallbarrieren bereits im<br />

Planungsstadium am Computer analysieren und<br />

optimieren zu können.“<br />

LÄRMSCHUTZ MIT BITS UND BYTES<br />

Der Bau von Lärmschutzwänden wirft aufgrund der<br />

in vielen Fällen zur Grenzwerteinhaltung erforderlichen<br />

Höhen erhebliche schalltechnische, finanzielle,<br />

bautechnische und landschaftsgestalterische<br />

Fragen auf. Ziel der Infrastrukturbetreiber ist<br />

es daher, durch neue Entwicklungen maximale Effizienz<br />

bei geringerer Bauhöhe und damit reduziertem<br />

Materialeinsatz zu erzielen. „Unser Ansatz besteht<br />

darin, die auftretenden Schallfelder realitätsnah<br />

zu simulieren,“ so Akustikexperte Manfred Haider.<br />

„Damit lässt sich in der Folge abschätzen, wie<br />

sich Design, Material und Alterung auf die zentra-


PETER MAURER ///<br />

Head <strong>of</strong> Transportation Infrastructure<br />

Technologies<br />

„Die EU sieht mittelfristig eine<br />

deutliche Lärmreduktion auf<br />

Straße und Schiene vor. Dieses<br />

Ziel kann nur durch einen Maßnahmenmix<br />

in den Bereichen<br />

Schallemission, -ausbreitung und<br />

-immission erreicht werden.“<br />

len akustischen Eigenschaften der Lärmschutzwand<br />

(LSW) und den Schallpegel in weiterer Entfernung<br />

auswirken.“ Im EU-Projekt QUIESST (QUIetening<br />

the Environment for a Sustainable Surface<br />

Transport) beschäftigt sich das Mobility Department<br />

mit dieser Fragestellung und leitet auch eines<br />

der sieben Work Packages.<br />

DESIGN UND MATERIAL<br />

ALS RECHNERISCHE HERAUSFORDERUNG<br />

Vor allem in der Formgebung von Lärmschutzwänden<br />

sind laufend neue Entwicklungen zu beobachten.<br />

„Das geht von speziell geformten Aufsatzelementen<br />

bis hin zu gekrümmten Wänden, wie man<br />

sie etwa an der Donauufer-Autobahn oder bei<br />

Schwechat sieht“, so Haider. Die dort auftretenden<br />

Schallfelder sind um einiges komplexer als bei annähernd<br />

senkrechten Wänden, und so lässt sich die<br />

Wirksamkeit dieser neuen Designs mit konventionellen<br />

Planungstools nur sehr schwer verifizieren.<br />

Dazu kommt, dass neben Aluminium, Holz und<br />

Holzbeton immer neue Materialien wie Kunstst<strong>of</strong>fe<br />

oder Schäume auf den Markt drängen, deren akus -<br />

tische Eigenschaften noch unzureichend erfasst<br />

sind. Am Mobility Department entwickelt man daher<br />

Simulationsmethoden, um die optimale Kombination<br />

aus Formgebung und Material in einem<br />

ganzheitlichen Ansatz berechnen zu können.<br />

RÄUMLICHE UND ZEITLICHE DISTANZEN<br />

Eine große Herausforderung für das Akustik-Team<br />

ist die Tatsache, dass sich die Schallfelder unmittelbar<br />

bei der Lärmschutzwand deutlich von jenen unterscheiden,<br />

die in größerer Entfernung gemessen<br />

werden. „Das ist darauf zurückzuführen, dass im<br />

Nahfeld und im Fernfeld sehr unterschiedliche akustische<br />

Phänomene auftreten“, so Haider. „Ein Verständnis<br />

dieses Zusammenhanges ist essenziell, um<br />

realistische Aussagen über den Immissionspegel<br />

treffen zu können, der bei den Anrainern ankommt.“<br />

Das Mobility-Team arbeitet daher daran, das gesamte<br />

Schallfeld zu simulieren und damit einen aussagekräftigen<br />

Input für die Immissionsberechnungen<br />

der Detaillärmschutzplanung zu liefern.<br />

Die Untersuchungen umspannen dabei nicht nur<br />

größere räumliche Distanzen, sondern auch längere<br />

Zeiträume. So können unter anderem Witterungseinflüsse<br />

oder strukturelle Schäden mit der<br />

Zeit zur Beeinträchtigung der akustischen Eigenschaften<br />

führen. Auf der Basis von In-situ-Messungen<br />

werden diese Alterungsphänomene am Computer<br />

simuliert, um daraus Prognosen des Langzeitverhaltens<br />

für eine maßgeschneiderte Erhaltungsplanung<br />

zu erstellen.<br />

OPTIMALE SICHERHEIT<br />

UND LIFE CYCLE MANAGEMENT<br />

Um die von der EU geforderten Grenzwerte für<br />

Schallschutz entlang des österreichischen Hauptschienennetzes<br />

erfüllen zu können, sind bis 2024<br />

Investitionen in Höhe von rund 1,45 Milliarden Euro<br />

notwendig. Da Züge in Zukunft mit immer höherer<br />

Geschwindigkeit und Frequenz unterwegs sein<br />

werden, sind die geplanten und bestehenden Lärmschutzwände<br />

entlang der Gleise einer steigenden<br />

Belastung ausgesetzt. „Bei der Vorbeifahrt eines<br />

Railjets mit 245 km/h entsteht durch die Druck-<br />

MANFRED HAIDER ///<br />

Scientist, Transportation<br />

Infrastructure Techno logies<br />

„Unser Ansatz besteht darin,<br />

die auftretenden Schallfelder<br />

realitätsnah zu simulieren.<br />

Damit lässt sich abschätzen,<br />

wie sich Design, Material und<br />

Alterung auf die akustischen<br />

Eigenschaften auswirken.“<br />

und Sogwelle zum Beispiel ein Staudruck, der einer<br />

Stoßbelastung von 50 kg/m² entspricht“, erläutert<br />

Herbert Friedl vom Mobility Department. „Hat die<br />

Lärmschutzwand die gleiche Eigenfrequenz, kommen<br />

zusätzliche Resonanzeffekte hinzu und können<br />

die Belastung um mehr als das Doppelte erhöhen.“<br />

In Deutschland wurden bereits Schadensfälle<br />

entlang von Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

regis triert. Aufgrund der Vielzahl komplexer dynamischer<br />

Effekte und hoher Sicherheitsanforderungen<br />

kommt es bei gängigen Bemessungsverfahren<br />

<strong>of</strong>t zu einer Überdimensionierung. Im Projekt Opti<br />

LSW entwickeln Friedl und sein Team daher ein op-<br />

MOBILITY 19


20 MOBILITY<br />

Ziel der Infrastrukturbetreiber<br />

ist es, durch neue<br />

Entwicklungen von Schallschutzwänden<br />

maximale<br />

Effizienz bei geringerer<br />

Bauhöhe und damit reduziertem<br />

Materialeinsatz zu<br />

erzielen.<br />

timiertes Bemessungsverfahren zur wirtschaftlichen<br />

und sicheren Planung von Lärmschutzwänden.<br />

Ein Prognosemodell soll in weiterer Folge das<br />

Langzeitverhalten aus strukturdynamischer Sicht<br />

vorhersagen und so die Infrastrukturbetreiber im<br />

Life Cycle Management unterstützen.<br />

ERSCHÜTTERUNGEN IM MODELL<br />

In einem ersten Schritt führte das Team Eigenfrequenzmessungen<br />

an Lärmschutzwänden durch<br />

und erstellte daraus ein Computermodell des Gesamtsystems<br />

inklusive Steher, Fundierung und<br />

Wandkassetten. Dieses Modell wurde in der Folge<br />

mit Messdaten von Zugvorbeifahrten in Form eines<br />

HERBERT FRIEDL ///<br />

Engineer, Transportation<br />

Infrastructure Techno -<br />

logies<br />

„Im Projekt ‚Opti LSW’ entwickeln<br />

wir ein optimiertes<br />

Bemessungsverfahren zur<br />

wirtschaftlichen und sicheren<br />

Planung von Lärmschutzwänden.“<br />

Lastbilds gekoppelt, um die Auswirkungen der aerodynamischen<br />

Belastungen auf die Lärmschutzwand<br />

am Computer zu simulieren. Ergänzende<br />

Dauerschwingversuche gaben darüber hinaus Aufschluss<br />

über die Ermüdungsfestigkeit bei dauerndem<br />

Lastwechsel, sodass nun auch das Langzeitverhalten<br />

in die Simulation einfließen kann. Durch<br />

den ständigen Abgleich zwischen Messung und Si-<br />

mulation, dem sogenannten „Model Updating“,<br />

wird das Prognosemodell so weit optimiert, dass es<br />

eine realistische Abschätzung der Restlebensdauer<br />

bestehender Wände erlaubt.<br />

MIT 330 KM/H DURCHS TULLNER FELD<br />

Die Feuerprobe für das Bemessungsverfahren und<br />

das Prognosemodell erfolgt im Sommer an der<br />

neuen Hochleistungsstrecke Wien-St. Pölten. Vor<br />

der Inbetriebnahme des 44 km langen Teilstücks,<br />

das ab Dezember die Fahrzeit zwischen den beiden<br />

Städten auf 25 Minuten reduzieren wird, stellt die<br />

ÖBB die Strecke rund zwei Monate lang für umfangreiche<br />

Messkampagnen zur Verfügung. „Diese<br />

Innovationsmessfahrten geben uns die einzigartige<br />

Möglichkeit, unsere strukturdynamischen Modelle<br />

anhand von realen Zugvorbeifahrten zu überprüfen<br />

und die Simulationsergebnisse zu bestätigen“, so<br />

Friedl. Railjetfahrten bis 250 km/h stehen auf dem<br />

Programm, und auch ein ICE wird mit Geschwindigkeiten<br />

bis 330 km/h über die Strecke brausen. „Damit<br />

können wir über den Regelverkehr hinaus sicherstellen,<br />

dass wir mit unseren Modellen auch<br />

für die Zukunft gerüstet sind“, ist der Experte zuversichtlich,<br />

dass das erarbeitete Know-how die Stellung<br />

Österreichs als Vorreiter in puncto Lärmschutz<br />

sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als<br />

auch in der wirtschaftlichen Umsetzung weiter fes -<br />

tigen wird. ///<br />

Weitere Infos: Mobility Department,<br />

Claudia Hable, Tel.: +43 505 50-6322,<br />

E-Mail: claudia.hable@ait.ac.at,<br />

Web: www.ait.ac.at/mobility<br />

FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, ÖBB, Photodisc


RESEARCH SERVICES<br />

Verkehrsinfrastruktur – Akustik<br />

Infrastrukturbetreiber sind mit der Aufgabe konfrontiert,<br />

Straße und Schiene nicht nur sicher, energieeffizient<br />

und langlebig, sondern auch leise zu gestalten. <strong>AIT</strong><br />

verfügt über umfangreiches Know-how in Messung,<br />

Analyse und Modellierung, um diese Anforderungen mithilfe<br />

von Computersimulationen in Einklang zu bringen.<br />

Die Simulationsergebnisse liefern Infrastrukturbetreibern<br />

schnell und kostengünstig wichtige Informationen<br />

für das Life Cycle Management und unterstützen sie in<br />

der Entwicklung innovativer Lärmschutzmaßnahmen.<br />

Lärmemissionen und Lärmschutz<br />

Lärmschutzwände:<br />

n Messung und akustische Analyse von Lärmschutzwänden<br />

in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Langzeitverhalten<br />

(Adrienne-Methode)<br />

n Optimierung von Lärmschutzwänden hinsichtlich<br />

Geometrie, Oberfläche, Materialien und Positionierung<br />

mittels moderner Simulationsverfahren<br />

n Prognose der Wirksamkeit von Lärmschutzmaßnahmen<br />

mithilfe von Schallfeld- und Schallausbreitungssimulationen<br />

Weitere Dienstleistungen im Bereich Akustik:<br />

n Gutachten für den Bereich Lärmschutz nach §31a<br />

Eisenbahngesetz<br />

n Akustische Untersuchungen für die Akkreditierung<br />

Wechselwirkung Fahrzeug/Infrastruktur<br />

Analyse der Wechselwirkungen zwischen Infrastruktur<br />

und Verkehr zur<br />

n Erstellung optimierter Erhaltungsstrategien (Life<br />

Cycle Analysis, Asset Management) für Infrastrukturbetreiber<br />

n Unterstützung von Herstellern bei der Entwicklung von<br />

neuartigen Fahrbahnbelägen, Infrastrukturkonstruktionen<br />

und Reifen mit optimierten Eigenschaften (Verkehrssicherheit,<br />

Lärm- und Schadst<strong>of</strong>femissionen)<br />

Verkehrsinfrastruktur – Dynamik<br />

Die Schienenverkehrsinfrastruktur ist aufgrund höherer<br />

Frequenzen und Geschwindigkeiten im Zugverkehr<br />

einer wachsenden dynamischen Belastung ausgesetzt.<br />

Durch die Kombination von Schwingungsmessungen<br />

vor Ort mit mathematischen Modellen können realitätsnahe<br />

Simulationen für Brücken, Straßen, Lärmschutzwände<br />

oder Gebäude erstellt und die<br />

unterschiedlichsten Szenarien simuliert werden.<br />

Numerische Methoden in der Baudynamik<br />

n Transiente Schwingungssimulationen<br />

n Nichtlineare Berechnungen für Boden und Bauwerk<br />

n Simulation der Wellenausbreitung im Untergrund<br />

n Entwicklung von Algorithmen für das Model Updating<br />

n Lösungen für Kontaktprobleme in der Fahrzeug-<br />

Fahrbahn-Interaktion<br />

Erschütterungsprognosen und Schwingungsanalysen<br />

n Analyse von Lärmschutzwänden bei dynamischer<br />

Lasteinwirkung<br />

n Erschütterungsprognosen für Bauverfahren<br />

n Prognosen von Schwingungsimmissionen durch Verkehrseinwirkung<br />

n Vibrationsprüfungen mit elektrodynamischem<br />

Schwingungserreger<br />

n Schock- und Schwingungsmessungen bei klimatisch<br />

veränderbaren Umweltbedingungen<br />

n Experimentelle Modalanalysen von Bauwerken ///<br />

MOBILITY 21<br />

HANNES KARI, ÖBB-INFRA-<br />

STRUKTUR BAU AG, ÜBER<br />

DEN EINSATZ VON LÄRM-<br />

SCHUTZWÄNDEN BEI<br />

HOCHGESCHWINDIGKEITS-<br />

STRECKEN IM SCHIENEN-<br />

VERKEHR .<br />

Herr Kari, welche Rolle spielt das <strong>AIT</strong> Mobility Department bei den<br />

Untersuchungen und Analysen von Lärmschutzwänden auf Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

der ÖBB, und welches Know-how bringt es ein?<br />

In Zukunft werden immer mehr Züge mit immer höherer Geschwindigkeit<br />

auf dem österreichischen Schienennetz unterwegs sein. Die<br />

Druck- und Sogwelle dieser Hochgeschwindigkeitszüge führt zu einer<br />

stärkeren aerodynamischen Belastung der Infrastruktur entlang der<br />

Strecke. Wesentlicher Part des <strong>AIT</strong> Mobility Departments ist die Messung<br />

der Verformungen und Frequenzen von Lärmschutzwänden, um<br />

deren dynamische Beanspruchung infolge der Zugvorbeifahrten zu<br />

bestimmen. Das Know-how von <strong>AIT</strong> sowie die Messungen und Simulationen<br />

sind für uns eine wichtige Grundlage für die Bemessung und<br />

Erhaltungsplanung, damit wir sowohl optimalen Lärmschutz für die<br />

AnrainerInnen als auch größtmögliche Sicherheit im Bahnverkehr<br />

gewährleisten können.<br />

Was waren die größten gemeinsamen Herausforderungen im Projekt<br />

Opti LSW? Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem <strong>AIT</strong> Mobility<br />

Department?<br />

Die größte Herausforderung bei Projekten dieser Art im Allgemeinen<br />

ist die Frage der zeitlichen Koordination. Sie spielt insbesondere dann<br />

eine wichtige Rolle, wenn es um die Installation von Messinstrumenten<br />

an einer bereits in Betrieb befindlichen Strecke geht. Die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>AIT</strong> gestaltet sich in dieser Hinsicht immer sehr pr<strong>of</strong>essionell<br />

und unkompliziert. Vor allem für die im Rahmen von Opti LSW<br />

geplanten Innovationsmessfahrten ist aufgrund des streng vorgegebenen<br />

Zeitfensters ein koordiniertes Zusammenspiel aller Beteiligten<br />

eine zentrale Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Ablauf und<br />

aussagekräftige Ergebnisse.<br />

Wo sehen Sie die größten Verbesserungspotenziale und Ausbaumöglichkeiten<br />

von Lärmschutzwänden auf Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />

zukünftig?<br />

Lärmschutzwände sind mittlerweile Teil unserer Landschaft geworden<br />

und sollten sich daher gestalterisch in die Umgebung einfügen. Gleichzeitig<br />

müssen sie aber auch den Reisenden eine möglichst ungestörte<br />

Aussicht ermöglichen. Diese Aufgabe lässt sich nur mit innovativen<br />

Ansätzen lösen. Dazu zählt unter anderem der Einsatz von Membranen<br />

statt Lärmschutztunnels, die auch für die lokale Energiegewinnung<br />

genutzt werden können. ///<br />

FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT ➜


22 ➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />

STRUKTUR IM CHAOS<br />

/// Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht aus den<br />

individuellen Handlungen der einzelnen AkteurInnen abgeleitet werden können.<br />

Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten Simulation können ForscherInnen<br />

des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik natürlicher und sozialer Systeme analysieren. ///<br />

l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />

HABEN SIE SCHON EINMAL EINEN VOGELSCHWARM<br />

AM ABEND BEOBACHTET, der in harmonischer Koordination<br />

seinem Rastplatz zustrebt? Vielleicht haben<br />

Sie sich auch gefragt, wie die zahlreichen Tiere<br />

sich nahezu perfekt synchronisiert bewegen können.<br />

Es gibt schließlich keine/n AnführerIn, der/die<br />

den ArtgenossInnen den Weg weist. Überraschenderweise<br />

lässt sich das kollektive Flugverhalten von<br />

Vögeln mit nur drei sehr einfachen Regeln beschrei-<br />

Das Verhalten natürlicher und sozialer Systeme wie Innovation, Wissenschaft<br />

und Technologie zeichnet sich <strong>of</strong>t durch eine unvorhersehbare Dynamik aus.<br />

Die individuellen Strategien und Handlungsmöglichkeiten der einzelnen<br />

Akteure resultieren auf der Makroebene in Phänomenen, die sich qualitativ von<br />

jenen der Mikroebene unterscheiden. Mithilfe von Methoden wie der Multi-<br />

Agentenbasierten Simulation (MAS) können Wirkmechanismen komplexer<br />

Systeme analysiert und Entwicklungstrends erkannt werden.<br />

ben, denen die Individuen intuitiv folgen. Diese sogenannte<br />

„Schwarmintelligenz“ findet man auch bei<br />

Fischen und anderen Tierarten. Sie ist ein besonders<br />

anschauliches Beispiel für Systemverhalten, das<br />

„wie von selbst“ aus den Interaktionen der einzelnen<br />

Individuen entsteht. Auch viele andere natürliche<br />

und soziale Systeme weisen überraschende Eigenschaften<br />

auf, die sich erst aus dem Zusammenspiel<br />

ihrer einzelnen AkteurInnen ergeben. In populärer<br />

Formulierung: Das Ganze ist mehr als die Summe<br />

seiner Teile. Die Entwicklung solcher Systeme ist<br />

deshalb nur schwer vorhersehbar. Die ForscherInnen<br />

des <strong>AIT</strong>-Departments „Foresight & Policy Development“<br />

verfügen über Methoden, mit denen sich<br />

solche komplexen Systeme modellieren lassen. Damit<br />

können sie Analysen durchführen, um Entwicklungstrends<br />

zu identifizieren und charakteristische<br />

Systemeigenschaften zu entdecken.


AGENTEN MIT ZUGEWIESENEN EIGENSCHAFTEN …<br />

Eine sehr mächtige und flexible Methode, um komplexe<br />

natürliche und soziale Systeme im Computer zu<br />

modellieren, ist die Multi-Agentenbasierte Simulation<br />

(MAS). Sie beruht darauf, im Modell eine beliebige<br />

Anzahl von AkteurInnen zu definieren – die AgentInnen.<br />

Diesen werden bestimmte Ziele, Eigenschaften<br />

und Verhaltensweisen zugewiesen. Zusätzlich kann<br />

man weitere Parameter als beeinflussende Rahmenbedingungen<br />

angeben. Anschließend startet man die<br />

Simulation und lässt die AgentInnen ihrer Definition<br />

gemäß agieren. Aus diesem „Simulationslauf“ ergibt<br />

sich das dynamische Systemverhalten als zeitlicher<br />

Ablauf. Durch Veränderung der Agenteneigenschaften<br />

und der übrigen Parameter kann man verschiedene<br />

Startbedingungen ausprobieren und so „Was<br />

wäre wenn“-Szenarien durchspielen.<br />

Die junge Wissenschaftlerin Manuela Korber verwendet<br />

MAS in ihrer Dissertation, die sie derzeit im Rahmen<br />

einer Kooperation zwischen dem <strong>AIT</strong> und der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien schreibt. Am Beispiel der<br />

Biowissenschaften im Raum Wien untersucht Korber<br />

die Wirkung von Forschungsförderung auf die Innovationsleistung<br />

des betrachteten Systems. In ihrem<br />

Modell sind die AgentInnen unterschiedliche Unternehmen,<br />

Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

der Vienna Region. „Die AgentInnen interagieren<br />

und verändern sich und ihre Umwelt“, erklärt Korber.<br />

„Wenn eine/r eine Handlung setzt, werden die anderen<br />

davon beeinflusst und reagieren ihrerseits.“<br />

Jede/r AgentIn hat ein gutes Dutzend Eigenschaften,<br />

darunter das jeweilige Forschungsfeld, spezifische<br />

Kernkompetenzen, Organisationstyp, Budget und MitarbeiterInnenanzahl.<br />

Zwischen den AgentInnen können<br />

während der Simulation verschiedene Arten der<br />

Kooperation entstehen. Diese beinhalten etwa gemeinsame<br />

Forschungsprojekte, Lizenzverträge, Austausch<br />

von ForscherInnen oder die Gründung eines<br />

Start-up-Unternehmens. „In welchem Ausmaß wer<br />

mit wem kooperiert, hängt von den zu Grunde liegenden<br />

Strategien ab“, erklärt Manuela Korber. „Manche<br />

AkteurInnen sind risikoscheu und suchen Partnerschaften<br />

nur mit AkteurInnen, die ein ähnliches Kompetenzpr<strong>of</strong>il<br />

aufweisen. Andere verhalten sich <strong>of</strong>fener.<br />

Wieder andere vermeiden Kooperationen überhaupt.“<br />

… LIEFERN FORSCHUNGSFÖRDERUNGS -<br />

EMPFEHLUNGEN<br />

Die aktuelle Diskussion in der Forschungs-, Technologie-<br />

und Innovationspolitik betrifft zwei Spiel-<br />

MANUELA KORBER ///<br />

Scientist, Foresight & Policy<br />

Development Department<br />

„In der Simulation interagieren<br />

unterschiedliche Agenten beispielsweise<br />

in gemeinsamen<br />

Forschungsprojekten, beim<br />

Austausch von ForscherInnen<br />

oder der Gründung eines Start-<br />

Up-Unternehmens.“<br />

arten öffentlicher Forschungsförderung, einerseits<br />

direkte Förderung in Form von Fördergeldern für<br />

konkrete Forschungsprogramme oder einzelne<br />

Projekte, andererseits indirekte Förderung über<br />

Steuererleichterungen. Letzteres kommt überwiegend<br />

nur Unternehmen zugute, ersteres allen AkteurInnen,<br />

wenn sie ihren Forschungsfokus in den<br />

vom Staat geförderten Forschungsfeldern haben.<br />

Je nachdem, welche Förderarten und -intensitäten<br />

im Modell angenommen werden und wie stark diese<br />

das System beeinflussen, ergeben sich teils sehr<br />

unterschiedliche Entwicklungen des Gesamtsystems.<br />

AgentInnen schließen sich zu Partnerschaften<br />

und Netzwerken zusammen oder lösen diese<br />

wieder auf, wachsen oder schrumpfen.<br />

Manche verschwinden sogar aus dem System, weil<br />

sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Andererseits<br />

gibt es auch Neugründungen, es entstehen also<br />

neue AgentInnen. Der typische Betrachtungszeitraum<br />

dieser Simulationsläufe ist 50 Jahre. Drei<br />

Sys temparameter interessieren Korber in ihrer Arbeit<br />

besonders: die Anzahl der Patente, die Anzahl<br />

der wissenschaftlichen Publikationen und die Anzahl<br />

der Hightech-Jobs.<br />

ERFOLG GANZER REGIONEN WIRD MESSBAR<br />

An diesen Output-Größen lässt sich nicht nur die<br />

Entwicklung eines einzelnen Unternehmens oder<br />

einer Forschungsinstitution, sondern indirekt auch<br />

der Erfolg einer ganzen Region recht gut ablesen.<br />

Für die Regierung bzw. die von ihr beauftragten<br />

Förderstellen sind solche Informationen sehr hilfreich.<br />

Denn sie erlauben es, die Auswirkungen der<br />

einzelnen Förderinstrumente im Vorhinein abzuschätzen.<br />

Dadurch können die politischen Entscheidungsträger<br />

frühzeitig lenkend in Innovationssysteme<br />

eingreifen.<br />

Theoretisch lassen sich Modelle so anpassen, dass<br />

sie jedes beliebige Verhalten zeigen. Ihre praktische<br />

Aussagekraft hängt deshalb davon ab, wie<br />

FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT 23


24 FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />

stark sie in der Realität verankert sind.<br />

Manuela Korber hat die Eingangsparameter ihres<br />

Modells aus empirischen Quellen erhoben. Dafür<br />

erstellte sie eine Datenbank mit Informationen zu<br />

AkteurInnen und deren Forschungs-, Patent- und<br />

Publikationsaktivitäten. Ebenso wichtig ist, die Resultate<br />

des Modells an der Wirklichkeit zu überprüfen.<br />

„Ich habe empirische Daten über die Entwicklung<br />

des Wiener Life-Sciences-Sektors aus den<br />

vergangenen zwei Jahrzehnten ausgewertet“, erklärt<br />

Korber. „Daran kann ich messen, wie gut mein<br />

Modell mit der Realität übereinstimmt und es gegebenenfalls<br />

verfeinern.“<br />

UNTERSCHIEDLICHE FRAGESTELLUNGEN MÖGLICH<br />

Ein solcherart erfolgreich getestetes Modell lässt<br />

sich mit geringfügigen Anpassungen auch auf andere<br />

Fragestellungen anwenden. So soll eine verallgemeinerte<br />

Variante von Korbers Modell in einem<br />

Projekt zur Anwendung kommen, das derzeit<br />

in Zusammenarbeit mit der deutschen Universität<br />

Hohenheim in Planung ist. „In diesem Projekt<br />

wollen wir nicht nur die Biowissenschaften, sondern<br />

das Zusammenspiel mehrerer Technologiesektoren<br />

in einer gegebenen Region untersuchen“,<br />

sagt Manfred Paier vom Geschäftsfeld Re-<br />

„MAS“ ist zwar nicht das universelle Wundermittel, mit<br />

dem man jede mögliche Frage an natürliche oder soziale<br />

Systeme beantworten kann, fügt sich aber ideal in das<br />

umfangreiche <strong>AIT</strong>-Methoden-Repertoire ein.<br />

search, <strong>Technology</strong> & Innovation Policy. „Das Ziel<br />

ist es, die regionale Innovationsdynamik besser zu<br />

verstehen. So können z. B. Cluster-Strategien zur<br />

Vermeidung von regionaler Überspezialisierung<br />

und Lock-in ‚erprobt‘ werden.“<br />

Für Paier eignet sich MAS vor allem dazu, Sys -<br />

temzusammenhänge aufzudecken, die sich aus<br />

dem Zusammenspiel vieler einzelner AkteurInnen<br />

ergeben. Zudem lässt sich das Moment des<br />

Zufalls, das in realen Systemen immer eine Rolle<br />

MANFRED PAIER ///<br />

Scientist, Foresight & Policy<br />

Development Department<br />

„Unser Ziel ist es, die regionale<br />

Innovationsdynamik besser zu<br />

verstehen. So können etwa<br />

Clus ter-Strategien zur Vermeidung<br />

von regionaler Über spezi -<br />

ali sierung und Lock-in ‚erprobt‘<br />

werden.“<br />

ERNST GEBETSROITHER ///<br />

Scientist, Foresight & Policy<br />

Development Department<br />

„Im Projekt ‚MoZert’ spielen wir<br />

unterschiedliche Szenarien<br />

durch, wie sich ein personenbezogener<br />

Zertifikatshandel auf die<br />

sozialen Milieus, aber auch auf<br />

das Energiesystem als Ganzes<br />

auswirken kann.“<br />

spielt, gut erfassen. „Die neoklassische Ökonomie<br />

geht davon aus, dass Märkte zu einem Gleichgewichtszustand<br />

tendieren“, sagt Paier. „In der<br />

Praxis sehen wir, dass viele Systeme nicht so<br />

funktionieren. Mit Multi-Agentenbasierter Simulation<br />

können wir komplexe ökonomische Phänomene<br />

analysieren, die mit der Gleichgewichtstheorie<br />

nicht behandelbar sind.“<br />

KOMBINATION AUS MEHREREN METHODEN<br />

MAS ist zwar nicht das universelle Wundermittel,<br />

mit dem man jede mögliche Frage an natürliche<br />

oder soziale Systeme beantworten kann. Sie fügt<br />

sich aber ideal in das reichhaltige Repertoire an<br />

Methoden, das <strong>AIT</strong>-MitarbeiterInnen des Departments<br />

Foresight & Policy Development bei ihren<br />

Projekten zur Verfügung steht. Jede Methodik hat<br />

ihre Stärken und Schwächen.<br />

Eine clevere Kombination aus mehreren Methoden<br />

liefert <strong>of</strong>t Einsichten und Resultate, die die Möglichkeiten<br />

einer einzelnen übersteigen. „Durch die<br />

Kombination mehrerer Methoden können wir deren<br />

jeweiligen Stärken optimal ausnützen“, sagt Ernst<br />

Gebetsroither vom Geschäftsfeld Regional & Infrastructure<br />

Policy. So verbindet er beispielsweise im<br />

Projekt „MoZert“ (Modellierung und Analyse der<br />

Wirkungen personenbezogener Zertifikatshandelsmechanismen<br />

auf Haushalte und Energiesystem)<br />

MAS mit einem linearen Optimierungsansatz und<br />

dem Ansatz der Systemdynamik nach Jay W.<br />

123RF<br />

Forres ter.<br />

Das vom Klima & Energiefonds geförderte und über<br />

die FFG abgewickelte Projekt MoZert untersucht, <strong>Technology</strong>, <strong>of</strong><br />

welche Auswirkungen sogenannte „personenbezogene<br />

Zertifikatshandelssysteme“ auf das Energie-<br />

<strong>Institute</strong><br />

system, bzw. auf die ökonomische und soziale Situation<br />

der Menschen hätten. Dabei handelt es sich<strong>Austrian</strong><br />

um eine Forschungskooperation zwischen dem <strong>AIT</strong>, <strong>AIT</strong><br />

der <strong>Austrian</strong> Energy Agency, dem ecoPolicy-Lab<br />

Zeiller,<br />

und der Energy Economics Group der TU-Wien. Sol- &<br />

che Zertifikatssysteme sind zwar aktuell noch nicht<br />

im Einsatz, werden aber von einigen ExpertInnen<br />

Krischanz<br />

als mögliche Komponente einer Lösung des Klimaund<br />

Energieproblems, einer Transition zu einer so- FOTOS:


genannten „Low Carbon Society“, betrachtet.<br />

Die Idee besteht in einem jener Systeme z. B. darin,<br />

vergleichbar mit den bereits in der EU eingeführten<br />

CO 2 -Zertifikaten für die Industrie, den BürgerInnen<br />

Kontingente für den Energieverbrauch zuzuweisen.<br />

Wer mehr verbraucht, muss Zertifikate zukaufen.<br />

Verbraucht man weniger, kann man seine<br />

Zertifikate gewinnbringend verkaufen.<br />

Mittels MAS werden in MoZert rund 3.700 AgentInnen<br />

simuliert, von denen jeder 1.000 österreichische<br />

Haushalte repräsentiert. Jede/r AgentIn ist einem<br />

sozialen Milieu zugeordnet und hat verschiedene<br />

Verhaltensoptionen. So können manche in ein<br />

Passivhaus ziehen oder mehr öffentliche Verkehrsmittel<br />

verwenden etc.<br />

Die veränderte Endenergienachfrage der Haushalte<br />

wird an das Energiesystem als Bedarf übergeben,<br />

wobei jenes die Nachfrage so kostengünstig<br />

wie möglich befriedigen will. Dieser Kostenoptimierungsprozess<br />

wird über ein lineares Optimierungsmodel<br />

abgebildet. Das Energiesystem reagiert auf<br />

die geänderte Nachfrage mit Veränderungen im<br />

Energiepreis und jener wirkt wieder auf die zukünftigen<br />

Entscheidungen der AgentInnen zurück. „In<br />

der Simulation spielen wir unterschiedliche Szenarien<br />

durch, wie sich ein personenbezogener Zertifikatshandel<br />

auf die sozialen Milieus, aber auch auf<br />

das Energiesystem als Ganzes auswirken kann“,<br />

sagt Gebetsroither.<br />

KOMPLEXITÄT DES SYSTEMVERHALTENS<br />

Die Komplexität des Systemverhaltens ergibt sich<br />

hierbei aus der hohen Anzahl beteiligter Akteure,<br />

deren verschiedenen Handlungsoptionen (ca. 60<br />

pro Zeitschritt), sowie der direkten und indirekten<br />

Beeinflussung der AgentInnen untereinander. Zudem<br />

gibt es mehrere Varianten, wie ein personenbezogenes<br />

Zertifikatshandelssystem im Detail umgesetzt<br />

werden kann. Daraus resultieren verschiedene<br />

mögliche Auswirkungen (Szenarien) auf Bevölkerung<br />

und Energiesystem.<br />

Die Frage lautet dabei nicht nur, ob die Energiewende<br />

geschafft und der Ausbau erneuerbarer Energieträger<br />

mit dem neuen Zertifikathandelsinstrument<br />

erreicht werden könnte, sondern auch wie?<br />

Welche Varianten sind sozial verträglicher? Einige<br />

Szenarien zeigen die Gefahr auf, dass z. B. einkommensschwache<br />

Haushalte sich den Einsatz von<br />

Strom und Wärme nur mehr eingeschränkt leisten<br />

können und so in die „Energiearmut“ fallen. „Wir<br />

können zwar keine Prognosen im strengen Sinn abgeben“,<br />

sagt Gebetsroither. „Wir können aber analysieren:<br />

Wenn ich im Modell an diesen und jenen<br />

Schrauben drehe, hat das diese und jene Änderun-<br />

gen im System zufolge. Zudem können sensible<br />

Sys temelemente gefunden werden, die wesentlich<br />

für das Monitoring und die Regelung des Systems<br />

sind“ Sozio-ökonomische Entscheidungen der AkteurInnen<br />

werden <strong>of</strong>t sehr wesentlich durch die<br />

Handlungen politisch Verantwortlicher beeinflusst.<br />

Mithilfe der MAS in Kombination mit anderen Methoden<br />

liefern die WissenschaftlerInnen des <strong>AIT</strong><br />

den politischen Entscheidungsträgern hilfreiche<br />

Informationen, um mögliche Rückkopplungen des<br />

Systems als Reaktion auf ihrer Steuerungsversuche<br />

fundiert beurteilen zu können. Dies kann wiederum<br />

helfen, Lösungen mit einer höheren Akzeptanz<br />

in der Bevölkerung zu finden. ///<br />

Weitere Infos: Foresight & Policy<br />

Development Department,<br />

Beatrice Rath, Tel.: +43 505 50-4508,<br />

E-Mail: beatrice.rath@ait.ac.at,<br />

Web: www.ait.ac.at/f_pd<br />

RESEARCH SERVICES<br />

Systemische Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik<br />

FTI-Politik spielt eine zentrale Rolle für die Entwicklung<br />

von Innovationssystemen, die Stärkung der wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit und die Bewältigung gesellschaftlicher<br />

Herausforderungen. Hierfür müssen<br />

leistungsfähige und gut aufeinander abgestimmte Organisationsstrukturen,<br />

Governanceprozesse und Politik -<br />

instrumente entwickelt, analysiert und bewertet werden.<br />

Vor allem Foresight ist hierfür ein wichtiges Instrument.<br />

Klimaschutz- und Klimafolgenforschung<br />

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und<br />

Gesellschaft verlangen nach Strategien und Maßnahmen,<br />

wie diese Zukunft bewältigt werden könnte. Das Department<br />

befasst sich mit der Erfassung und Bewertung von<br />

Schadst<strong>of</strong>femissionen, um geeignete Vorschläge für<br />

Maßnahmen zur Minderung dieser entwickeln zu können.<br />

Dazu gehören sowohl technische Maßnahmen zum Klimaschutz<br />

als auch die Entwicklung von Ideen für die<br />

Gestaltung einer regionalen, nationalen und internationalen<br />

Technologiepolitik. Regionale Klimasimulationen<br />

liefern die Datengrundlage für die Erarbeitung von<br />

Anpassungsstrategien, die es ermöglichen sollen, mit<br />

bereits erkennbaren Umweltveränderungen sowohl ökonomisch<br />

als auch sozial verträglich in Einklang zu treten.<br />

Infrastrukturpolitik & Raum<br />

Um eine nachhaltige Regionalentwicklung sicherzustellen,<br />

ist es wichtig, ökologisch und sozial verträgliche<br />

Infrastrukturen bereitzustellen. Dafür ist die<br />

Kenntnis von Raumstrukturen, Raumbezügen, Wechselwirkungen<br />

und Prozessen sowie deren räumliche<br />

Analyse und Modellierung eine essenzielle Expertise,<br />

die im Department in den vergangenen Jahren aufgebaut<br />

werden konnte. ///<br />

FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT 25<br />

HEALTH & ENVIRONMENT<br />


26 ➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />

WIN-WIN-SITUATION FÜR<br />

PFLANZEN UND BAKTERIEN<br />

/// In oder auf einer Pflanze lebende Mikroorganismen haben zahlreiche positive<br />

Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer „Wirte“. ForscherInnen des <strong>AIT</strong> erkunden die<br />

vielfältigen Aspekte dieser Lebensgemeinschaften und ihrer AkteurInnen. ///<br />

l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />

DENKT MAN AN BAKTERIEN, verbindet man damit<br />

meist wenig Erfreuliches wie etwa Infektionen. Tatsächlich<br />

aber spielen Bakterien auch eine äußerst<br />

positive Rolle im menschlichen Organismus, denn<br />

viele von ihnen produzieren wichtige St<strong>of</strong>fe wie Antibiotika<br />

und Enzyme.<br />

ANGELA SESSITSCH ///<br />

Head <strong>of</strong> Business Unit<br />

„Bioressources“<br />

„Bakterien können beispielsweise<br />

das Wachstum und die<br />

Gesundheit von Pflanzen fördern,<br />

sie vor bestimmten<br />

Krankheiten schützen oder<br />

ihre ‘Stressresistenz’ stärken.“<br />

Welche zentrale Bedeutung Bakterien auch für<br />

Pflanzen haben, wurde von der Wissenschaft lange<br />

übersehen. Das <strong>AIT</strong> war eine der weltweit ersten<br />

Forschungseinrichtungen, die sich mit diesem<br />

Thema befassten. „Als wir begannen, die positiven<br />

Wirkungen von Bakterien im Pflanzeninneren<br />

auf ihren Wirt zu erforschen, wurde von vielen<br />

noch nicht einmal akzeptiert, dass es solche Mikroorganismen<br />

überhaupt gibt“, berichtet Angela<br />

Für viele Probleme und Krankheiten liefert die Natur selbst die besten Heilmittel.<br />

So wird die Gesundung und Stärkung von Pflanzen maßgeblich von Mikroorganismen<br />

bestimmt, die in enger Gemeinschaft mit bzw. direkt in ihnen leben.<br />

Diese Bakterien können „ihre“ Pflanzen sogar vor Krankheiten schützen, gegen<br />

die Pestizide machtlos sind. Sie fördern Wachstum und Widerstandskraft selbst<br />

in schwermetallbelasteten Böden und wirken so maßgeblich bei der Sanierung<br />

mit. Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial dieser pflanzenassoziierten<br />

Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am <strong>AIT</strong> mithilfe<br />

molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse dieser nachhaltigen Partnerschaft<br />

gelüftet.<br />

Sessitsch, Head <strong>of</strong> Business Unit „Bioresources“<br />

am <strong>AIT</strong>. Was also macht diese Bakterien so interessant?<br />

„Sie können beispielsweise das Wachstum<br />

und die Gesundheit von Pflanzen fördern, sie<br />

vor bestimmten Krankheiten schützen oder ihre<br />

Stressresistenz so weit stärken, dass sie sogar in<br />

schwermetallverseuchten Böden wachsen“, erklärt<br />

die Mikrobiologin.<br />

BAKTERIEN ALS BIO-PESTIZIDE<br />

Der absolute Hotspot mikrobieller Aktivitäten ist<br />

der Wurzelraum im Boden, dem auch die direkt in<br />

der Pflanze lebenden Endophyten entstammen. Bei<br />

etlichen Pflanzenkrankheiten können bestimmte<br />

Endophyten als biologische Pflanzenschutzmittel<br />

genutzt werden. So beschäftigen sich die ForscherInnen<br />

in einem vom Wissenschaftsfonds geförderten<br />

Projekt etwa mit dem Einsatz nützlicher Mikroorganismen<br />

bei Phytoplasmosen, das sind<br />

durch pathogene Bakterien verursachte Pflanzenkrankheiten<br />

wie etwa die Schwarzholzkrankheit bei<br />

Weinreben, gegen die es keine wirksamen Pestizide<br />

gibt. „Wir untersuchen in diesem Zusammenhang,<br />

ob bestimmte Mikroorganismen in der Pflanze<br />

eine Resistenz bewirken und so die Toleranz gegen<br />

Phytoplasmosen erhöhen können“, erläutert<br />

GÜNTER BRADER ///<br />

Scientist, <strong>AIT</strong> Health &<br />

Environment Department<br />

„Wir untersuchen in diesem<br />

Zusammenhang, ob<br />

bestimmte Mikroorganismen<br />

in der Pflanze eine Resistenz<br />

bewirken und so die Toleranz<br />

gegen Phytoplasmosen<br />

erhöhen können.“


Projektleiter Günter Brader. Ein wesentliches Forschungsziel<br />

ist nicht zuletzt ein besseres Verständnis<br />

der Wechselwirkung zwischen Pflanze, Pathogen<br />

und Mikroorganismen. Genomsequenzierung<br />

und -vergleiche verschiedener Phytoplasmastämme<br />

sollen wertvolle Informationen darüber liefern,<br />

welche Phytoplasmagene in das Krankheitsgeschehen<br />

involviert sind. Da man Phytoplasmen<br />

nicht im Labor kultivieren kann, sind diese Untersuchungen<br />

auch technisch höchst anspruchsvoll.<br />

WOHER DIE KARTOFFEL IHRE KRAFT NIMMT<br />

Um die Erforschung der positiven Eigenschaften<br />

von Bakterien, die in Pflanzen oder in deren Wurzelraum<br />

leben, geht es auch im EU-Projekt VALORAM.<br />

Im Zentrum steht hier die Kart<strong>of</strong>fel, die in ihrer Ursprungsregion,<br />

den Anden, sogar noch in Höhen<br />

von über 4.000 Metern sehr gut gedeiht. Die Aufgabe<br />

der <strong>AIT</strong>-ExpertInnen ist es dabei, die mit der<br />

nahrhaften Knolle assoziierten Mikroorganismen<br />

unter die wissenschaftliche Lupe zu nehmen und<br />

dadurch zahlreiche <strong>of</strong>fene Fragen zu beantworten:<br />

Wie viele verschiedene Arten dieser hilfreichen<br />

Bakterien gibt es? Welche von ihnen stärken die<br />

Gesundheit der Kart<strong>of</strong>felpflanze? Welche können<br />

Pathogene abwehren oder die Ernährung der<br />

Pflanze verbessern? „Mit unseren Untersuchungen<br />

wollen wir Know-how schaffen, das vor allem den<br />

Menschen vor Ort zugute kommt“, so Sessitsch. Da<br />

Pestizide für die Andenbauern zu teuer sind, gibt es<br />

in dieser Region zahlreiche Firmen, die Mikroorganismen<br />

als Düngemittel anbieten. Über sie kann<br />

das neu gewonnene Wissen unmittelbar in die bäuerliche<br />

Praxis eingebracht werden.<br />

HIGHTECH-BEFRAGUNG DER BAKTERIELLEN GENE<br />

Wie bei sämtlichen Projekten in diesem Forschungsfeld<br />

setzen die WissenschaftlerInnen zur<br />

Erkundung der Pflanzen-Bakterien-Interaktion<br />

molekularbiologische Methoden ein. So werden etwa<br />

die wachstumsfördernden Eigenschaften der<br />

Um das enorme wirtschaftliche und ökologische<br />

Potenzial pflanzenassoziierter Mikroorganismen<br />

nutzbar zu machen, werden am <strong>AIT</strong> mit Hilfe molekularbiologischer<br />

Methoden die Geheimnisse der Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft<br />

gelüftet.<br />

Bakterien mithilfe sogenannter metagenomischer<br />

Ansätze ermittelt, welche die Identifizierung der<br />

DNA einer ganzen Bakteriengemeinschaft ermöglichen.<br />

Damit erhalten die ForscherInnen Einblick<br />

in die komplexe Physiologie und Ökologie der Mikroorganismen.<br />

Zudem werden neueste Sequenziertechnologien<br />

zur Bewertung der Bakterienge-<br />

HEALTH & ENVIRONMENT 27


28 HEALTH & ENVIRONMENT<br />

Von der Schädlingsbekämpfung<br />

über die Bioenergieproduktion<br />

aus Pflanzen bis<br />

zur Phytosanierung – hilfreichen<br />

Bakterien und neuen<br />

molekularbiologischen<br />

Methoden gehört in diesen<br />

Bereichen die Zukunft.<br />

meinschaften genutzt. „Letztlich wollen wir mit diesen<br />

Untersuchungen eine ideale Wechselwirkung<br />

zwischen Pflanze, Bakteriengesellschaft und Boden<br />

gewährleisten und damit eine möglichst ertragreiche<br />

und nachhaltige Landwirtschaft nicht<br />

nur in den Anden fördern“, so Angela Sessitsch.<br />

MIT PFLANZENPOWER GEGEN SCHWERMETALLE<br />

Im Feld der Phytosanierung werden Pflanzen eingesetzt,<br />

um Schwermetalle entweder aus dem Boden<br />

zu extrahieren oder sie im Untergrund zu stabilisieren.<br />

Auch dabei spielen Bakterien eine wesentliche<br />

Rolle. So kann eine Pflanze nur dann<br />

Schwermetalle in sich aufnehmen, wenn diese in<br />

einer verfügbaren Form vorliegen. Untersuchungen<br />

im Rahmen des FWF-Forschungsprojekts „Salix“<br />

haben gezeigt, dass bei schwermetallaufnehmenden<br />

Weidenarten in der Wurzelzone Bakterien<br />

leben, welche die Metallakkumulation fördern können,<br />

indem sie die Löslichkeit von Zink und Kadmium<br />

im Boden steigern. Überdies erleichtern diese<br />

Bakterien das Pflanzenwachstum in kontaminierter<br />

Erde und lindern den Schwermetallstress der<br />

Pflanze. Um diese positiven Wirkungen gezielt in<br />

der Phytoextraktion einsetzen zu können, analysieren<br />

die <strong>AIT</strong>-ForscherInnen gemeinsam mit WissenschaftlerInnen<br />

der BOKU und der Universität Wien<br />

die komplexe Interaktion zwischen der Weide und<br />

ihren bakteriellen Unterstützern. Mit molekularbiologischen<br />

Methoden wird zudem untersucht, welche<br />

Bakteriengruppen sich bevorzugt mit metallakkumulierenden<br />

Pflanzen verbinden. „Diese Erkenntnisse<br />

sollen dazu beitragen, in Zukunft neben<br />

den geeigneten Pflanzen auch das beträchtliche<br />

Potenzial der mit ihnen assoziierten Bakterien für<br />

die Phytoextraktion besser zu nutzen“, erklärt Angela<br />

Sessitsch.<br />

NEUER TREND: MIKROORGANISMEN STATT CHEMIE<br />

Um kontaminierte Böden als Anbauflächen verwenden<br />

zu können und die Aufnahme von Schwermetallen<br />

durch die Pflanzen zu verhindern, müssen<br />

die Giftst<strong>of</strong>fe im Untergrund fixiert werden. Auch<br />

dazu bedarf es spezieller Bakterien. Diese werden<br />

im EU-Projekt „Greenland“ von den <strong>AIT</strong>-ForscherInnen<br />

näher untersucht.<br />

Ob Bodensanierung oder Pflanzenschutz und<br />

-wachstumsförderung, die Einsatzbereiche einer<br />

kontrollierten Pflanzen-Bakterien-Kooperation<br />

sind vielfältig und ihr potenzieller Nutzen immens.<br />

Eine Erkenntnis, die sich optimal in den europäischen<br />

Trend in Richtung Nachhaltigkeit einfügt. So<br />

soll in Frankreich beispielsweise der vor allem im<br />

Weinbau extrem hohe Pestizideinsatz bis 2018 halbiert<br />

werden.<br />

Von der Schädlingsbekämpfung über die Bioenergieproduktion<br />

aus Pflanzen bis zur Phytosanierung<br />

– hilfreichen Bakterien und neuen molekularbiologischen<br />

Methoden gehört in diesen Bereichen die<br />

Zukunft. Dass auch die EU die große Rolle der kleinen<br />

Organismen längst erkannt hat, beweist unter<br />

anderem die kürzlich ins Leben gerufene COST-<br />

Aktion „Endophytes for Agriculture and Biotechnology“,<br />

in deren Ausschuss mit Angela Sessitsch eine<br />

Pionierin der österreichischen Endophytenforschung<br />

vertreten ist. ///<br />

Weitere Infos: Health & Environment<br />

Department, Susanne Kiefer,<br />

Tel.: +43 505 50-4406,<br />

E-Mail: susanne.kiefer@ait.ac.at,<br />

Web: www.ait.ac.at/health_environment<br />

FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Bio-Ferm GmbH


RESEARCH SERVICES<br />

Nutzung der Kooperation zwischen Pflanze und<br />

Mikroorganismen<br />

Mikroorganismen spielen eine wesentliche Rolle für<br />

Wachstum und Widerstandsfähigkeit einer Pflanze. Das<br />

Department untersucht mit genbasierten Analysemethoden<br />

die molekularen Mechanismen von nützlichen<br />

Pflanzen-Bakterien-Interaktionen. Dieses Wissen kann<br />

gezielt zur Förderung des Pflanzenwachstums, zur<br />

Bekämpfung von Schädlingen und zur Sanierung kontaminierter<br />

Böden durch Pflanzen eingesetzt werden.<br />

n Bereitstellung Tausender Bakterienstämme mit<br />

potenziell nützlichen Eigenschaften<br />

n Selektion geeigneter Bakterienstämme zur Anwendung<br />

in der Pflanzenproduktion und Bodensanierung<br />

n Monitoring und Optimierung von Anwendungen im<br />

Feld<br />

n Identifizierung und Nutzbarmachung neuer Mechanismen<br />

gegen Pflanzenstress oder Schädlingsbefall<br />

mithilfe genetischer Methoden<br />

Nutzung des genetischen Potenzials pflanzenassoziierter<br />

Mikroorganismen<br />

Für eine effiziente Auswahl geeigneter Mikroorganismen<br />

zum Einsatz in der Landwirtschaft, bei der Bodensanierung<br />

oder in der Industrie (z. B. neue Antibiotika<br />

und Enzyme) werden molekularbiologische Verfahren<br />

erarbeitet. Einerseits werden Hochdurchsatz-Screenings<br />

entwickelt, in denen eine Vielzahl von Stämmen<br />

getestet werden kann, andererseits werden geno -<br />

mische Verfahren herangezogen, um effiziente<br />

Mikroorganismen zu identifizieren. Mittels genomischer<br />

und metagenomischer Methoden können auch<br />

neue Eigenschaften bzw. Enzyme oder Metabolite aufgespürt<br />

werden.<br />

n Etablierung von Hochdurchsatz-Screenings zur Identifizierung<br />

von Mikroorganismen mit gewünschten<br />

Eigenschaften<br />

n (Meta-)Genomische Methoden zur Auffindung neuer<br />

bioaktiver Enzyme und Metaboliten<br />

n Taxonomische und genomische Charakterisierung<br />

von Bakterien<br />

n Entwicklung von Markern zur Nachverfolgung von<br />

Mikroorganismen ///<br />

HEALTH & ENVIRONMENT 29<br />

CHRISTINA DONAT VON<br />

DER BIO-FERM GMBH<br />

ÜBER DIE BEDEUTUNG<br />

VON BIOTECHNOLOGI-<br />

SCHEM PFLANZEN-<br />

SCHUTZ.<br />

Frau Donat, welche Rolle spielt<br />

Forschung im Bereich biotechnologischer<br />

Pflanzenschutz für bi<strong>of</strong>erm?<br />

Forschung spielt für uns bei bi<strong>of</strong>erm<br />

eine große Rolle. Ein Drittel<br />

unserer MitarbeiterInnen sind im Bereich der Forschung mit dem<br />

Hauptsitz in Konstanz tätig. Pflanzenschutzmittel haben eine begrenzte<br />

Lebensdauer am Markt, die Registrierungsdaten sind bei Pflanzenschutzmitteln<br />

nur zehn Jahre geschützt. Ab dann könnten andere Firmen<br />

ähnliche Produkte auf den Markt bringen. Es ist für uns daher sehr<br />

wichtig, immer wieder neue Produkte und Produktkonzepte in der Pipeline<br />

zu haben. bio-ferm präsentiert die eigenen Forschungsergebnisse<br />

bei wissenschaftlichen Konferenzen und hat großes Interesse an Forschungskooperationen.<br />

Unsere Produkte verfügen über einen intelligenten<br />

Wirkmechanismus: Lebende, sowohl für die Pflanze selbst, als<br />

auch für Mensch und Umwelt unschädliche Mikroorganismen werden<br />

auf die Pflanze aufgebracht und treten dort mit den Krankheitserregern<br />

in Konkurrenz um Platz und Nährst<strong>of</strong>fe. Gegen diese natürliche Konkurrenz<br />

unserer Antagonisten können keine Resistenzen entwickelt<br />

werden.<br />

Das <strong>AIT</strong> nutzt Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und<br />

Pflanze, um mit weniger Chemie höhere Erträge zu erzielen. Was halten<br />

Sie davon?<br />

Die intensive Forschung an diesen Wechselwirkungen im Bereich der<br />

Phytoplasmosen ist vielversprechend und sehr wichtig. Gegen diese<br />

Pflanzenkrankheiten, die durch endophytische Krankheitserreger ausgelöst<br />

werden, gibt es nach momentanem Stand des Wissens keine<br />

chemischen Bekämpfungsmöglichkeiten. Um aber diese Ansätze in<br />

absehbarer Zeit zur Marktreife zu führen, müssen noch ein paar Hürden<br />

genommen werden – neben der kosten- und zeitintensiven Registrierung<br />

ist eine weitere bei endophytischen Anatgonisten sicher die Ausbringungstechnik.<br />

Um hier Fortschritte zu erzielen, ist es wichtig, dass<br />

Forschung und Entwicklung von öffentlicher Hand gefördert werden.<br />

Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht diese neuen Ansätze im biotechnologischen<br />

Pflanzenschutz für die Zukunft der Landwirtschaft?<br />

Wir bei bio-ferm verstehen unter biotechnologischem Pflanzenschutz<br />

den Einsatz von lebenden Mikroorganismen zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten<br />

und sehen hier sehr viel Potenzial für die Zukunft. Die<br />

chemische Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten ist mit einigen Nachteilen<br />

verbunden, wie etwa dem Auftreten von Resistenzen. Auch die<br />

Rückstände von chemischen Pestiziden auf pflanzlichen Nahrungsmitteln<br />

werden von der Gesellschaft zunehmend kritischer betrachtet. Aus<br />

meiner Sicht ist im Bereich biotechnologischer Pflanzenschutz noch viel<br />

Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit bei den PflanzenschutzberaterInnen<br />

und LandwirtInnen zu leisten. Unsere intelligenten Produkte<br />

funktionieren genauso gut wie chemische Pflanzenschutzmittel, die<br />

Wirkung ist vergleichbar und die Ausbringungstechnik dieselbe. Zusätzlich<br />

ist auch eine breite Aufklärung bei den KonsumentInnen wichtig,<br />

um die neuen Möglichkeiten des biotechnologischen Pflanzenschutzes<br />

bekannt zu machen und so die Nachfrage nach in dieser Form behandelten<br />

Lebensmitteln zu steigern. ///<br />

BERUFSBILDER ➜


30 ➜ BERUFSBILDER<br />

KARRIEREWEGE BEIM <strong>AIT</strong><br />

/// Tomorrow Today wollte von Petra Schaper-Rinkel, Senior Scientist am <strong>AIT</strong> Fore-<br />

sight & Policy Development Department, wissen, wie der Forschungsalltag einer<br />

Foresight-Expertin aussieht und wie exakt die Hochrechnung der Gegenwart auf<br />

die Zukunft wirklich sein kann. ///<br />

Petra Schaper-Rinkel,<br />

Senior Scientist am<br />

<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />

<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />

Frau Schaper-Rinkel, Sie haben im November einen<br />

Buchbeitrag mit dem Titel „Die Generierung<br />

von Zukunft“ veröffentlicht. Wie weit lässt sich „Zukunft“<br />

auf Basis wissenschaftlicher Hypothesen<br />

über die mögliche Weiterentwicklung der Gegenwart<br />

wirklich vorhersagen? Und wie hoch liegt dabei<br />

die „Trefferquote“?<br />

Petra Schaper-Rinkel: Akteurinnen und Akteure aus<br />

Politik und Wirtschaft wollen heute wissen, was morgen<br />

wichtig ist. Zukunft wird heute gemacht, und mit<br />

unserer Forschung analysieren wir die Faktoren, die<br />

für die Zukunft entscheidend sind. Wir sagen keine<br />

Zukunft voraus, denn für vielschichtige Sachverhalte<br />

in komplexen Gesellschaften lassen sich keine Vorhersagen<br />

treffen. Die Zukunft ist ein Möglichkeitsraum,<br />

doch um bestimmte Möglichkeiten in der Zukunft<br />

zu eröffnen, müssen in der Gegenwart Entscheidungen<br />

getr<strong>of</strong>fen werden. Wir können nicht sagen,<br />

wie die Zukunft sein wird, aber welche Entscheidungen<br />

zukünftige Entwicklungen voraussichtlich in welche<br />

Richtung beeinflussen werden.<br />

Welche Art von Orientierungshilfe wird aus Politik<br />

und Wirtschaft von Foresight-ExpertInnen am<br />

meis ten angefragt?<br />

Schaper-Rinkel: Strategisches Handeln ist heute in<br />

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit der Antizipation<br />

hypothetischer Zukünfte verbunden. Wir entwickeln<br />

solche möglichen Zukünfte in Form von Simulationen,<br />

Modellen, Strategien, Empfehlungen<br />

und insbesondere in Form von Szenarien. Für die<br />

Europäische Kommission erarbeiten wir diese Zukunftsexpertise<br />

in internationalen Netzwerken und<br />

in Foresight-Prozessen mit WissenschaftlerInnen<br />

und ExpertInnen aus Universitäten, Forschungseinrichtungen,<br />

aus der Politik, NGOs und Verbänden.<br />

Wie sieht der Arbeitsalltag einer Foresight-Forscherin<br />

aus?<br />

Schaper-Rinkel: Mein Spezialgebiet ist die Frage,<br />

wie zukünftige Technologien gesellschaftlich formiert<br />

werden und wie sie politisch und gesell-<br />

schaftlich bestimmt werden können. Zu solchen<br />

Fragen führen wir partizipative Foresight-Prozesse<br />

durch. Das sind analytische Suchprozesse, um<br />

aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven<br />

Vorstellungen zu entwickeln, wie die<br />

Welten von morgen technologisch und gesellschaftlich<br />

aussehen könnten – und was diese unterschiedlichen<br />

möglichen Zukünfte an heutiger<br />

Forschungs- und Innovationspolitik erfordern. Wir<br />

werten wissenschaftliche Datenbanken aus, analysieren<br />

Trends sowie futuristische Blogs und führen<br />

Szenario-Workshops durch, in denen wir wissenschaftliche<br />

und kreative Methoden verbinden, um<br />

aus dem linearen Denken auszubrechen, das die<br />

Gegenwart einfach in die Zukunft verlängert.<br />

Was schätzen Sie bei Ihrer Arbeit am <strong>AIT</strong> am meis ten?<br />

Schaper-Rinkel: Ich schätze die Internationalität<br />

der Teams und die Unterschiedlichkeit meiner Projekte:<br />

Die reicht von der Beratung zur Weiterentwicklung<br />

von bestehenden Forschungsprogrammen<br />

bis hin zur Analyse von Zukunftstechnologien,<br />

deren Realisierung in der Zukunft noch völlig ungewiss<br />

ist. Und ich schätze es sehr, im schönen<br />

Wien zu leben und in internationalen Projekten die<br />

Wissenschaftskulturen anderer Länder kennenzulernen.<br />

Was unterscheidet aus Ihrer Sicht die Forschungsarbeit<br />

an einer Universität mit jener in außeruniversitären<br />

Einrichtungen für den/die einzelne/n WissenschaftlerIn?<br />

Schaper-Rinkel: Transdisziplinarität ist an einer außeruniversitären<br />

Forschungseinrichtung wie dem<br />

<strong>AIT</strong> viel stärker gefragt als an einer Universität. Wir<br />

verknüpfen wissenschaftliches Wissen mit Expertise<br />

von AkteurInnen aus Gesellschaft und Wirtschaft,<br />

um Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft zu analysieren.<br />

Wir arbeiten gleichzeitig in mehreren interdisziplinären<br />

Projekten und können uns breitere<br />

Wissenschaftsgebiete erschließen. Das ist in disziplinärer<br />

Universitätsforschung schwieriger. ///


INNOVATIONSKALENDER<br />

02. – 04. 03. 2012: ENERGIESPARMESSE WELS<br />

Die Energiesparmesse Wels ist Österreichs Leitmesse für innovatives<br />

Bauen sowie für effiziente Energienutzung und -gewinnung. Mit<br />

über 74.000 privaten und rund 28.000 gewerblichen BesucherInnen<br />

aus dem gesamten Bundesland und den angrenzenden Nachbarländern<br />

ist die Energiesparmesse nicht nur Österreichs größte Publikumsmesse,<br />

sondern vor allem auch die größte und stärkste österreichische<br />

Fachmesse für Energie-ExpertInnen. Veranstaltungsort:<br />

Messe Wels.<br />

Infos: www.energiesparmesse.at<br />

11. – 15. 03. 2012: TMS 2012: LINKING SCIENCE AND TECHNOLOGY<br />

FOR GLOBAL SOLUTIONS; ANNUAL MEETING & EXHIBITION<br />

Im März finden sich in Orlando im Zuge der TMS 2012 ExpertInnen aus<br />

Industrie und Forschung aus über 68 Ländern ein, um über Innovationen<br />

auf dem Werkst<strong>of</strong>fsektor zu diskutieren und diese zu präsentieren.<br />

Christian Chimani, Light Metals Technologies Ransh<strong>of</strong>en, wird einen<br />

Vortrag zum Thema „Studies on Flow Characteristics at High-<br />

Pressure Die-Casting“ halten. Veranstaltungsort: Swan and Dolphin<br />

Resort, Orlando, Florida.<br />

Infos: www.tms.org/meetings/annual-12/AM12home.aspx<br />

15. 03. – 17. 03. 2012: EU SPRI PHD SPRING SCHOOL, WIEN<br />

Das Foresight & Policy Development Department veranstaltet die EU<br />

SPRI PhD Spring School zum Thema: „Anticipation in the Governance<br />

<strong>of</strong> Innovation: Expectations, Foresight and <strong>Technology</strong> Assessment”.<br />

Infos: www.ait.ac.at/eu-spri-school<br />

HEALTH & ENVIRONMENT SEMINAR SERIES 2012<br />

07. 03. 2012<br />

FERGAL O'GARA, NATIONAL UNIVERSITY OF IRELAND,<br />

IRELAND<br />

New horizons for beneficial plant – bacterial interactions to<br />

promote agricultural biotechnology *<br />

28. 03. 2012<br />

OTTO STRACK, UNIVERSITY OF MINNESOTA, USA<br />

The analytic element method for groundwater modeling:<br />

an overview<br />

25. 04. 2012<br />

HÉLÈNE BERGÈS, NATIONAL INSTITUTE FOR<br />

AGRICULTURAL RESEARCH, FRANCE<br />

Efficient gene identification: combining novel sequencing<br />

technologies with established resource collections *<br />

13. 06. 2012<br />

ALEX MIHAILIDIS, UNIVERSITY OF TORONTO, CANADA<br />

Disruptive technologies for elder care and wellness<br />

➜ VERANSTALTUNGEN 31<br />

29. 03. 2012: 9. FORUM INNOVATION, PERCHTOLDSDORF<br />

Die Plattform für Innovationsmanagement (PFI) veranstaltet zum<br />

neunten Mal das Forum Innovation – die österreichische Topveranstaltung<br />

für Innovationsmanagement, bei der InnovationsexpertInnen die<br />

neuesten Trends und Erfahrungen austauschen.<br />

Infos: www.pfi.or.at<br />

31. 03. – 01. 04. 2012: ARGUS BIKE FESTIVAL<br />

Das ARGUS Bike Festival ist eine der größten Fahrradmessen Österreichs<br />

mit rund 100 Ausstellern, E-Bike-Beratung und Testmöglichkeit<br />

mit über 50 verschiedenen E-Bike-Modellen, permanentem Bühnenprogramm<br />

mit Produktvorstellungen sowie diversen Workshops.<br />

Das <strong>AIT</strong> Mobility Department nimmt als Staatspreis-Gewinner des<br />

Projektes „SEEKING – SAFE E-BIKING“ ebenfalls teil und betreibt im<br />

Zuge der Veranstaltung freiwillige Parcourstests für das Forschungsprojekt.<br />

Veranstaltungsort: Rathausplatz, 1010 Wien<br />

Infos: www.bikefestival.at<br />

21. – 25. 05. 2012: SMART GRIDS WEEK<br />

Die Smart Grids Week soll entscheidend dazu beitragen, den in Österreich<br />

erfolgreich begonnenen Prozess der Weiterentwicklung der<br />

Elektrizitäts-Infrastrukturen weiter zu stärken und die Anbindung an<br />

die internationalen Entwicklungen zu forcieren. Als Kooperationspartner<br />

ist das <strong>AIT</strong> Energy Department auch heuer wieder mit ExpertInnen-Vorträgen<br />

vertreten. Veranstaltungsort: Illwerke vkw sowie Bregenzer<br />

Festspiel- und Kongresshaus, Bregenz.<br />

Infos: www.nachhaltigwirtschaften.at/results.html/id6505<br />

… features lectures and discussions with leading scientists referring to our research fields.<br />

Supported by:<br />

03. 10. 2012<br />

RICHARD SIMON, NATIONAL INSTITUTE OF HEALTH,<br />

USA<br />

Developing targeted, personalized oncology therapeutics:<br />

new opportunities, challenges and paradigms<br />

Date<br />

WEDNESDAYS, 3.30 PM<br />

Place<br />

TECHGATE, SEMINAR ROOM 0.3, DONAU-CITY-STR. 1,<br />

1220 VIENNA<br />

*<strong>AIT</strong> TULLN, KONRAD-LORENZ-STRASSE 24,<br />

3430 TULLN<br />

Further information<br />

WWW.<strong>AIT</strong>.AC.AT/HEALTH_ENVIRONMENT


Wenn es um bahnbrechende Innovationen geht, ist das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong><br />

<strong>Technology</strong> der richtige Partner für Ihr Unternehmen: Denn bei uns arbeiten<br />

schon heute die kompetentesten Köpfe Europas an den Tools und Technologien<br />

von morgen, um die Lösungen der Zukunft realisieren zu können.<br />

Mehr über die Zukunft erfahren Sie hier: www.ait.ac.at<br />

Mehr Informationen<br />

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