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FEBRUAR_2012<br />
TOMORROWTODAY<br />
Petra Schaper-Rinkel<br />
Senior Scientist am<br />
<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />
<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />
Developing the technologies, methods and tools <strong>of</strong> tomorrow<br />
➜ <strong>AIT</strong> KARRIEREWEGE<br />
IM WETTBEWERB UM DIE BESTEN KÖPFE<br />
Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-<br />
Geschäftsführer Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam<br />
mit der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig, warum das<br />
<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />
eine führende Rolle einnimmt.<br />
➜ ENERGY<br />
FORSCHUNG FÜR DIE PHOTOVOLTAIK<br />
DER ZUKUNFT<br />
Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />
Herausforderung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />
und Analysemethoden.<br />
➜ SAFETY & SECURITY<br />
DIABMEMORY – IM DIALOG MIT DEM<br />
„ALTERSDIABETES“<br />
Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit „Diabetes mellitus<br />
Typ 2“ ist die laufende schriftliche Begleitung durch die<br />
PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für dafür das elektronische<br />
DiabetikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt.<br />
➜ MOBILITY<br />
MIT SIMULATIONEN ZUM OPTIMALEN<br />
LÄRMSCHUTZ<br />
Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung<br />
des Verkehrslärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />
ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzichtbaren Schallbarrieren<br />
effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten.<br />
➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />
STRUKTUR IM CHAOS<br />
Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht<br />
aus den individuellen Handlungen der einzelnen Akteure abgeleitet<br />
werden können. Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten<br />
Simulation können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik<br />
natürlicher und sozialer Systeme analysieren.<br />
➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />
WIN-WIN-SITUATION FÜR PFLANZEN<br />
UND BAKTERIEN<br />
Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial pflanzenassoziierter<br />
Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am<br />
<strong>AIT</strong> mithilfe molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse der<br />
Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.
02 ➜ INHALT<br />
FEBRUAR_2012<br />
TOMORROWTODAY<br />
Petra Schaper-Rinkel<br />
Senior Scientist am<br />
<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />
<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />
Developing the technologies, methods and tools <strong>of</strong> tomorrow<br />
➜ <strong>AIT</strong> KARRIEREWEGE<br />
IM WETTBEWERB UM DIE BESTEN KÖPFE <br />
Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-<br />
Geschäftsführer Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam<br />
mit der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig, warum das<br />
<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />
eine führende Rolle einnimmt.<br />
➜ ENERGY<br />
FORSCHUNG FÜR DIE PHOTOVOLTAIK <br />
DER ZUKUNFT<br />
Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />
Herausforderung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />
und Analysemethoden.<br />
➜ SAFETY & SECURITY<br />
DIABMEMORY – IM DIALOG MIT DEM <br />
„ALTERSDIABETES“<br />
Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit „Diabetes mellitus<br />
Typ 2“ ist die laufende schriftliche Begleitung durch die<br />
PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für dafür das elektronische<br />
DiabetikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt.<br />
➜ MOBILITY<br />
MIT SIMULATIONEN ZUM OPTIMALEN <br />
LÄRMSCHUTZ<br />
Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung<br />
des Verkehrslärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />
ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzichtbaren Schallbarrieren<br />
effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten.<br />
➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />
STRUKTUR IM CHAOS<br />
<br />
Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht<br />
aus den individuellen Handlungen der einzelnen Akteure abgeleitet<br />
werden können. Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten<br />
Simulation können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik<br />
natürlicher und sozialer Systeme analysieren.<br />
➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />
WIN-WIN-SITUATION FÜR PFLANZEN <br />
UND BAKTERIEN<br />
Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial pflanzenassoziierter<br />
Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am<br />
<strong>AIT</strong> mithilfe molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse der<br />
Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.<br />
03<br />
06<br />
10<br />
EINLEITUNG<br />
Am Cover der Tomorrow Today Februar-<br />
Ausgabe ist diesmal <strong>AIT</strong> Senior Scientist<br />
Petra Schaper-Rinkel<br />
FORSCHUNG FÜR DIE<br />
PHOTO VOLTAIK DER ZUKUNFT<br />
Radikale Innovationen sind der Schlüssel<br />
für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit<br />
im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser<br />
Herausforderung durch die Entwicklung<br />
neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />
und Analysemethoden.<br />
DIABMEMORY – IM DIALOG MIT<br />
DEM „ALTERSDIABETES“<br />
Wichtig für die Behandlung der Zivilisationskrankheit<br />
„Diabetes mellitus Typ 2“ ist<br />
die laufende schriftliche Begleitung durch<br />
die PatientInnen selbst. Das <strong>AIT</strong> hat für<br />
dafür das elektronische Diabetikertagebuch<br />
DIABMEMORY entwickelt.<br />
14<br />
16<br />
18<br />
22<br />
26<br />
MIT SIMULATIONEN ZUM<br />
OPTIMALEN LÄRMSCHUTZ<br />
Lärmschutzwände leisten einen wichtigen<br />
Beitrag zur Eindämmung des Verkehrslärms.<br />
<strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden<br />
ein, um diese <strong>of</strong>tmals unver zicht baren<br />
Schallbarrieren effizient, kostengünstig und<br />
sicher zu gestalten.<br />
STRUKTUR IM CHAOS<br />
Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete<br />
Eigenschaften, die nicht aus den individuellen<br />
Handlungen der einzelnen Akteure<br />
abgeleitet werden können. Mit Methoden<br />
wie der Multi-Agentenbasierten Simulation<br />
können ForscherInnen des <strong>AIT</strong> die komplexe<br />
Dynamik natürlicher und sozialer Systeme<br />
analysieren.<br />
WIN-WIN-SITUATION FÜR<br />
PFLANZEN UND BAKTERIEN<br />
Um das enorme wirtschaftliche und ökologische<br />
Potenzial pflanzenassoziierter<br />
Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden<br />
am <strong>AIT</strong> mit Hilfe molekularbiologischer<br />
Methoden die Geheimnisse der Pflanzen-<br />
Bakterien-Lebensgemeinschaft gelüftet.<br />
GENETISCHES KNOW-HOW FÜR<br />
DIE PFLANZENZUCHT<br />
Welche enormen Vorteile das <strong>AIT</strong>-Genressourcenzentrum<br />
der internationalen Scientific<br />
Community bietet.<br />
IM WETTBEWERB UM DIE<br />
BESTEN KÖPFE<br />
Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben<br />
die beiden <strong>AIT</strong>-Geschäftsführer Anton<br />
Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam mit<br />
der Karrierewege-Projektleiterin Elvira Welzig,<br />
warum das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong><br />
Technologie als Arbeitgeber in Österreich<br />
eine führende Rolle einnimmt.<br />
IMPRESSUM. Medieninhaber und Verleger_Bohmann Druck und Verlag GesmbH & Co. KG., A-1110 Wien, Leberstr. 122, Tel.: +43 1 740 95-0. DVR: 0408689. Geschäftsführung_Gabriele<br />
Ambros, Gerhard Milletich. Herausgeber_<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Tech Gate Vienna, Donau-City-Straße 1, 1220 Wien, Tel.: +43 (0) 50550-0.<br />
Chefredaktion_Michael Hlava, E-Mail: michael.hlava@ait.ac.at, Chris tian Klobucsar, E-Mail: klobucsar.zv@bohmann.at. Redaktion_Margit Noll, Daniel Pepl, Victoria Reinicke. AutorInnen<br />
dieser Ausgabe_Alfred Bankhamer, Raimund Lang, Angelika Prohammer, Doris Griesser. Projektmanagement:_Daniel Pepl. Grafisches Konzept:_Anita<br />
Frühwirth/EFFUNDWE. Layout_Markus Frühwirth. Druck_Leykam Druck Ges.m.b.H. & Co KG. Titelfoto_Krischanz & Zeiller. Erscheinungsweise_6-mal jährlich. Alle Rechte, auch<br />
die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2 Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. ISSN 1994-5159 (Print), ISSN 1994-5167 (Online). Gratis Abo via E-Mail_cmc@ait.ac.at.<br />
Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz<br />
Medieninhaber: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. Sitz: 1110 Wien, Leberstraße 122. Unternehmensgegenstand: Die Herstellung, der Verlag und Vertrieb<br />
von Druckschriften aller Art, insbesondere Fachzeitschriften. Buch-, Zeitschriften-, Kunst- und Musikalienhandel. Handel mit Waren aller Art. Organisation von Veranstaltungen.<br />
Geschäftsführer: Dr. Gabriele Ambros, Gerhard Milletich. Beteiligungsverhältnisse: Dietrich Medien Holding Gesellschaft m.b.H. 90,91 %, Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft<br />
m.b.H. 9,09 %.Geschäftsführender Gesellschafter: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. Die Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H. & Co. KG. ist im Sinne des<br />
§ 25 Mediengesetz beteiligt an: D & R Verlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. KG mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Die Herstellung, der Verlag und Vertrieb von Druckschriften<br />
aller Art, insbesondere Fach- und Servicezeitschriften. Verlag Holzhausen GmbH mit Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Sachbuchund<br />
Fachbuchverlag in den Bereichen: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheit sowie Kunst, Architektur und Kultur. Norbert Jakob Schmid<br />
Verlagsgesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Buch- und Zeitschriftenverlag. V & R Verlagsgesellschaft m.b.H. mit<br />
dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand: Redaktion. Repro-Media Druckgesellschaft m.b.H. Nfg KG mit dem Sitz in Wien; Unternehmensgegenstand:<br />
Atelier für Werbegrafik, Erzeugung und der Handel mit Vorstufenprodukten. Grundlegende Richtung der Zeitschrift Tomorrow Today ist<br />
die Information einer möglichst breiten Öffentlichkeit über aktuelle Entwicklungen, Umsetzungserfolge, Innovationen, Anwendungsbeispiele und<br />
Konzepte der außeruniversitären, anwendungsorientierten und wirtschaftsnahen Forschung des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>.
BEYOND BORDERS:<br />
FOKUS ASIA – PACIFIC<br />
/// Die im Rahmen der EXPO 2010 in Shanghai initiierten Forschungs -<br />
kooperationen nehmen immer mehr Fahrt auf. Vergangenen Oktober<br />
konnten Infrastrukturministerin Doris Bures, <strong>AIT</strong>-Aufsichtsratsvorsit-<br />
zender Hannes Androsch und stv. Vorsitzender Gerhard Riemer (IV) in<br />
Peking und Shanghai weitere wertvolle Weichen zur Vertiefung der<br />
Forschungsachse Österreich-China legen. ///<br />
SEIT DEM 26. OKTOBER 2010 fährt der schnellste<br />
Serienzug der Welt in China. Weniger als fünf Stunden<br />
benötigen die Fahrgäste für die 1.300 Kilometer<br />
lange Strecke zwischen Peking und Shanghai. Und<br />
mit ähnlich hoher Geschwindigkeit fährt die Volksrepublik<br />
im Ranking der größten Volkswirtschaften<br />
an den bisher führenden Industrieländern vorbei,<br />
um sich aktuell hinter den USA als vorläufige Nummer<br />
zwei einzureihen.<br />
CHINA SETZT AUF FORSCHUNG UND TECHNOLOGIE<br />
China steht nun aber aufgrund dieses enormen Wirtschaftswachstumstempos<br />
– inklusive Verdreifachung<br />
des Bruttoinlandsproduktes – vor der Notwendigkeit<br />
der Weichenstellung zur Entwicklung der<br />
nächsten Jahrzehnte, um diese Entwicklung auch<br />
nachhaltig abzusichern. Dabei setzt Chinas Führung<br />
primär auf Technologie und Innovation, die sie nach<br />
wirtschaftlichen Gesichtspunkten reformiert. Der<br />
Schwerpunkt liegt dabei auf der Indus trialisierung<br />
von Technologien, was sich allein schon aus daraus<br />
schließen lässt, dass 83 Prozent der chinesischen<br />
Ausgaben für F&E in experimentelle Entwicklungen<br />
gehen und nur und zwölf Prozent in angewandte bzw.<br />
fünf Prozent in die Grundlagenforschung.<br />
Im aktuellen Fünfjahresplan stehen demnach als<br />
Fixpunkte unter anderem die Verringerung der<br />
Energie- und CO 2 -Intensität und des Anteils fossiler<br />
Brennst<strong>of</strong>fe, sowie neue strategische Industriezweige,<br />
die Technologien zur Energieeinsparung,<br />
nachhaltiger Mobilität sowie den Umweltschutz<br />
zum Ziel haben. Alles Bereiche, in denen das <strong>AIT</strong><br />
<strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> seit vielen Jahren<br />
hohe Forschungskompetenz aufbauen konnte und<br />
international reüssiert.<br />
Bei seiner strategischen Internationalisierungs<strong>of</strong>fensive<br />
setzt das <strong>AIT</strong> daher besonders auf den Ausbau<br />
seiner Forschungs-Netzwerkknoten in Asien.<br />
Zuletzt beispielsweise anlässlich der Weltausstellung<br />
2010 in Shanghai, wo das <strong>AIT</strong> im Rahmen der<br />
„Austria Tec Week“ mit zahlreichen ExpertInnen angereist<br />
war, um die verantwortlichen Entscheider<br />
➜ EINLEITUNG 03<br />
Auf dem Weg zur führenden Volkswirtschaft nutzt China in forschungstechnischen<br />
Schlüsselbereichen die Expertise des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>: Vergangenen<br />
Oktober unterzeichneten der chinesische Wissenschafts- und Technologieminister Wan<br />
Gang und Innovationsministerin Doris Bures in Peking ein „Memorandum <strong>of</strong> Understanding“<br />
zur Vertiefung der weiteren Zusammenarbeit zwischen Österreich und China.
04 EINLEITUNG<br />
Am Beispiel der Fünf-Millionen-Stadt<br />
Nanchang im<br />
Südosten Chinas soll in<br />
den kommenden Jahren<br />
demonstriert werden, wie<br />
sich durch ein intelligentes<br />
Gesamtenergiekonzept<br />
trotz des starken Wirtschaftswachstums<br />
eine<br />
deutliche CO 2-Reduktion<br />
erzielen lässt.<br />
aus Kommunen, Verwaltung und Wirtschaft vom<br />
hohen Know how der heimischen Forschungsleis -<br />
tung vor allem auf den Gebieten Energie und Umwelt<br />
zu überzeugen.<br />
DORIS BURES ///<br />
Infrastrukturministerin<br />
„Wir haben durch das <strong>AIT</strong><br />
Energy-Projekt die Möglichkeit<br />
erhalten, österreichisches<br />
Know-how im asiatischen Raum<br />
einzusetzen. Wir sind stolz darauf,<br />
dass Nanchang Österreichs<br />
Energie- und Umwelttechnologie-Expertise<br />
schätzt.“<br />
Außerdem wurde in China zwischen Bundesministerin<br />
Doris Bures und Vertretern des Ministry <strong>of</strong><br />
Science and <strong>Technology</strong> (MOST) sowie unter Einbindung<br />
des <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> eine<br />
Arbeitsgruppe zur Förderung der strategischen<br />
Zusammenarbeit beschlossen.<br />
CHINA SETZT AUF „SMART CITY“-EXPERTISE DES <strong>AIT</strong><br />
Nachdem für Chinas Regierung das Thema Energieeinsparung<br />
zu den zentralen Herausforderungen<br />
zählt, ist das <strong>AIT</strong> mit seiner international führenden<br />
Expertise auf dem Gebiet der „Smart Cities“<br />
ein logischer Forschungspartner. Daher wurde<br />
auch bereits 2010 im Rahmen der EXPO in Shanghai<br />
der Grundstein für die Zusammenarbeit zwischen<br />
Österreich und China durch ein „Memorandum<br />
<strong>of</strong> Understanding“ gelegt. Bereits im Mai 2011<br />
wurde das <strong>AIT</strong> Energy Department dann konkret<br />
mit der Entwicklung eines „Low Carbon City Action<br />
Plan“ für Nanchang beauftragt. Am Beispiel dieser<br />
Fünf-Millionen-Stadt im Südosten Chinas soll in<br />
den kommenden Jahren demonstriert werden, wie<br />
sich durch ein intelligentes Gesamtenergiekonzept<br />
trotz des starken Wirtschaftswachstums eine deutliche<br />
CO 2 -Reduktion erzielen lässt.<br />
Zinner<br />
WOLFGANG KNOLL ///<br />
OFFICE OF SCIENCE AND TECHNOLOGY<br />
<strong>AIT</strong>-Geschäftsführer<br />
Johannes<br />
„Mit unseren definierten For-<br />
Zur Unterstützung der in der Zwischenzeit zahlreischungsfeldern entlang der glochen<br />
Technologiekooperationen zwischen Österreich balen ‚Grand Challenges’<br />
be fin den wir uns am Puls der<br />
und China gab vergangenen Oktober Innovationsmi-<br />
BMVIT/Rigaud,<br />
Zeit. Bester Beweis dafür ist<br />
nisterin Doris Bures im Rahmen ihrer Regierungs- unser nicht nur in China begehr-<br />
DRC,<br />
mission nach Peking und Shanghai im Beisein des tes Know-how auf dem Gebiet<br />
der ‚Smart Cities’.“<br />
Forschungsratsvorsitzenden Hannes Androsch sowie<br />
führender <strong>AIT</strong>-ForscherInnen die Einrichtung eines<br />
eigenen Technologiebüros – des „Office <strong>of</strong> Sci- PILOTSTADT NANCHANG ALS „LIVING LAB“<br />
ence and <strong>Technology</strong>“ (OST) – bekannt. Analog zum<br />
<strong>Technology</strong>/Nanchang <strong>of</strong><br />
bereits bewährten Modell in den USA soll diese Nach einer detaillierten Bestandsanalyse des städ-<br />
Schnittstelle zu Österreichs Forschung und Entwicktischen Energiesystems von Nanchang erhob das<br />
<strong>Institute</strong><br />
lung vor allen Chinas Entscheidungsträgern zeigen, <strong>AIT</strong> Energy-Department CO2-Einsparungspoten dass Österreich der Kooperation mit dem Reich der ziale und erarbeitete in enger Zusammenarbeit mit <strong>Austrian</strong><br />
Mitte hohe Aufmerksamkeit widmet.<br />
lokalen Planungsteams gezielte Maßnahmen zur <strong>AIT</strong><br />
Das OST soll unter der Leitung der Chinaexpertin Steigerung der Energieeffizienz – etwa durch die<br />
Zeiller,<br />
Birgit Murr – als Informationsdrehscheibe und Sanierung ausgewählter Stadtviertel. Ein weiterer &<br />
Netzwerk für Wissenschaft und Technologie – ne- zentraler Bestandteil der Untersuchungen war die<br />
ben dem wechselseitigen Know-how-Austausch Einbindung erneuerbarer Energiequellen wie Wind<br />
Krischanz<br />
vor allem als zentraler Knoten für konkrete Wirt- und Photovoltaik und die Adaptierung von Versorschafts-<br />
und Forschungskooperationen dienen. gungsnetzen.<br />
FOTOS:
Die Ergebnisse der Analysen und Untersuchungen<br />
flossen in einen abschließenden „Low Carbon City<br />
Action Plan“ ein. Rund 60 Einzelmaßnahmen sind<br />
hier zu „Actions“ mit konkreten Handlungs- und<br />
Zielvorgaben zusammengefasst, die innerhalb des<br />
zwölften Fünfjahresplanes (2012 bis 2015) und in<br />
weiterer Folge bis 2020 umgesetzt werden sollen.<br />
Der Aktionsplan wurde vergangenen November<br />
beim „2nd World Low-Carbon and Eco-Economy<br />
Congress“ in Nanchang vorgestellt und sehr positiv<br />
aufgenommen. Dieses in enger fachlicher Kooperation<br />
mit WissenschaftlerInnen und BehördenvertreterInnen<br />
vor Ort ausgearbeitete Maßnahmenbündel<br />
umfasst die Bereiche Energie, Gebäude, Industrie,<br />
Mobilität und Urban Planning.<br />
Das Spektrum der geplanten Aktivitäten reicht von<br />
Pilotprojekten, die gemeinsam mit chinesischen<br />
Stakeholdern und österreichischen Unternehmen<br />
durchgeführt werden sollen bis hin zu Potenzialer-<br />
BRIGITTE BACH ///<br />
Head <strong>of</strong> <strong>AIT</strong> Energy<br />
Department<br />
„Als Wegbereiter in der Entwicklung<br />
nachhaltiger Energietechnologien<br />
verfügt <strong>AIT</strong> über jenes<br />
inter disziplinäre Wissen, mit dem<br />
städtische Energiesysteme für die<br />
Herausforderungen der Zu kunft<br />
fit gemacht werden können.“<br />
hebungen und weiterführenden Studien, um die<br />
einzelnen Maßnahmen im Detail ausarbeiten und<br />
schärfen zu können.<br />
Nach dieser ersten Evaluierung auf Metaebene<br />
geht es nun vor allem darum, die Feinarbeit voranzutreiben.<br />
Das <strong>AIT</strong> hat daher ein zweites „Memorandum<br />
<strong>of</strong> Understanding“ mit der Universität Nanchang<br />
unterzeichnet, um die Forschung und Entwicklung<br />
in den im Action Plan identifizierten Bereichen<br />
weiter voranzutreiben und gemeinsam<br />
Studien und Projekte für die Stadt auszuarbeiten<br />
und umzusetzen.<br />
Diese österreichisch-chinesische Zusammenarbeit<br />
gilt als klare Win-Win-Situation für beide Seiten:<br />
Sie gibt den chinesischen Partnern die Möglichkeit,<br />
die rasante Stadtentwicklung in China in mehreren<br />
Infrastrukturbereichen nachhaltig zu gestalten,<br />
während das <strong>AIT</strong> seine Smart Cities Kompetenzen<br />
auf europäischer Ebene durch wertvolle Erfahrungen<br />
im Kontext eines „Living Lab“ ergänzen und in<br />
seinen Innovationsprozess einbinden kann. Dar-<br />
über hinaus fungiert das <strong>AIT</strong> als Türöffner für die<br />
österreichische Wirtschaft und unterstützt heimische<br />
Unternehmen, strategisch im zweitgrößten<br />
Technologiemarkt der Welt Fuß zu fassen.<br />
WISSENSAUSTAUSCH AUF MEHREREN EBENEN<br />
Neben der intensiven Kooperation mit dem <strong>AIT</strong><br />
Energy Department nutzt China seit 2009 aber auch<br />
die Expertise des <strong>AIT</strong> Foresight & Policy Development<br />
Departments. Konkret ersuchte das „Minis try<br />
<strong>of</strong> Science and <strong>Technology</strong>“ (MOST) die Foresight-<br />
ForscherInnen um Projektvorschläge zur Gestaltung<br />
ihrer Wissenschafts- und Innovationspolitik,<br />
beispielsweise zur Nutzung von Synergien zwischen<br />
der chinesischen und österreichischen FTI-Politik.<br />
Das Foresight & Policy Development Department<br />
hat in diesem Zusammenhang ein „Memorandum<br />
<strong>of</strong> Understanding“ mit der Chinese Academy <strong>of</strong> Science<br />
and <strong>Technology</strong> for Development (CASTED) unterzeichnet<br />
und ist derart in die forschungsstrategische<br />
Arbeit Chinas gut eingebunden. Beispiel dafür<br />
ist ein Projekt, in dessen Rahmen mittels WissenschaftlerInnen-Austausches<br />
zwischen <strong>AIT</strong> und CA-<br />
STED erhoben werden soll, welchen Beitrag Wissen<br />
bzw. „Wissens-spill-over“ für die Entwicklung des<br />
Bruttoinlandsproduktes / der Produktivität von Ländern<br />
leisten.<br />
HANNES ANDROSCH ///<br />
<strong>AIT</strong>-Aufsichtsrats vorsitzender<br />
„Wir konnten in China den Leis tungs -<br />
beweis antreten, dass wir in jenen<br />
Forschungsbereichen, deren Ergebnisse<br />
für die VR China von besonderer<br />
Relevanz für die Lösung bestehender<br />
Probleme sind, über exzellente Kompetenz<br />
verfügen. Diese Expertise gilt<br />
es jetzt konsequent auszubauen und<br />
zur Umsetzung zu bringen.“<br />
Mittels Analyse der unterschiedlichen Beiträge zur<br />
Entwicklung der Produktivität in China sollen Unterschiede<br />
in der Produktivitätsentwicklung zwischen<br />
Europa und China aufgezeigt werden.<br />
Vereinbart wurden aber auch gemeinsame Konferenzen<br />
– abwechselnd in Peking und in Wien – in<br />
dessen Rahmen Foresight als Methode zur Entwicklung<br />
von politischen Strategien und Maßnahmen<br />
erarbeitet und präsentiert werden sollen. Die<br />
erste Konferenz soll 2013 in Wien stattfinden. Zielgruppe<br />
sind VertreterInnen aus Politik, Wissenschaft<br />
und öffentlicher Verwaltung. ///<br />
EINLEITUNG 05
06 ➜ KARRIEREWEGE<br />
IM WETTBEWERB UM DIE<br />
BESTEN KÖPFE<br />
/// Im Gespräch mit Tomorrow Today beschreiben die beiden <strong>AIT</strong>-Geschäftsführer<br />
Anton Plimon und Wolfgang Knoll gemeinsam mit der <strong>AIT</strong> Karrierewege-Projekt-<br />
leiterin Elvira Welzig, warum das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong> als Arbeitge-<br />
ber in Österreich eine führende Rolle einnimmt. ///<br />
Tomorrow Today: Wie rekrutieren Sie Ihre „bes -<br />
ten Köpfe“?<br />
<strong>AIT</strong>-GF Wolfgang Knoll: Hierbei<br />
gilt es zu unterscheiden, auf welcher<br />
Ebene wir Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter suchen. Wir<br />
schreiben aus, wir gehen auf Kandidatinnen<br />
und Kandidaten zu, die<br />
wir aus unseren Netzwerken heraus<br />
als mögliches Fachpersonal identifizieren und<br />
setzen fallweise auch Rekrutierungsbüros, also<br />
pr<strong>of</strong>essionelle Headhunter, ein. Grundvoraussetzung,<br />
dass sich gute Leute melden, ist, dass sich<br />
gute Leute melden, ist natürlich, dass wir international<br />
kompetitive Gehälter zahlen. Es gibt aber<br />
auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die primär<br />
wegen des Themas kommen, obwohl sie anderswo<br />
mehr Geld bekommen könnten. Daher ist es gerade<br />
im technisch-wissenschaftlichen Bereich ganz<br />
wichtig, an den richtigen Themen entlang der globalen<br />
Herausforderungen zu arbeiten. Das zieht<br />
gute Köpfe an. Und natürlich hängt es auch von der<br />
Kultur beziehungsweise dem allgemeinen Setting<br />
des Unternehmens ab. Denn das Standing einer<br />
Forschungsstätte hat ebenfalls enormen Einfluss<br />
darauf, gute Leute zu gewinnen.<br />
<strong>AIT</strong>-GF Anton Plimon: „Ownership“<br />
ist dabei das Schlüsselwort<br />
unserer Maßnahmen. Ziel ist,<br />
dass unsere Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter stolz sind, beim <strong>AIT</strong> zu<br />
arbeiten. Weil wir an den richtigen<br />
Themen, den „Grand Challenges“,<br />
forschen und weil wir eine Unternehmenskultur<br />
aufbauen, die das <strong>AIT</strong> zu einem begehrten Dienst-<br />
geber macht. Und wir können aufgrund der vielen<br />
Initiativbewerbungen bereits erkennen, dass dies in<br />
der Zwischenzeit bereits gut greift.<br />
Wie sieht Ihr Karrieremodell – beispielsweise für<br />
eine Forscherin/einen Forscher – konkret aus?<br />
Knoll: Bereits in unserem Markenkern ist der Begriff<br />
„Ingenious Partner“ fest verankert. Er soll zeigen,<br />
dass bei uns die optimale Entwicklung von Talenten<br />
und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert einnimmt.<br />
In einem Wissensbetrieb ist der Erfolg untrennbar<br />
mit der erfolgreichen Entwicklung unserer<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbunden.<br />
Elvira Welzig: Wir haben daher<br />
die einzelnen Berufsbilder exakt<br />
und mit maximaler Transparenz<br />
definiert. Damit stehen die möglichen<br />
Perspektiven für unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter bereits<br />
beim Eintritt fest. Mit den <strong>AIT</strong><br />
Karrierewegen zeigen wir auf, welche Schritte folgen<br />
können und welche Voraussetzungen dafür jeweils<br />
gegeben sein müssen. Unser Karrieremodell<br />
wurde gemäß des Standards international führender<br />
Forschungsorganisationen konzipiert. Es sieht<br />
grund sätzlich fünf Berufsbilder vor: „Engineering &<br />
Expert Advice“, „Management“, „Science“, „Support“<br />
und „Technical Services“. Innerhalb dieser Berufsbilder<br />
ist eine stufenweise Entwicklung in Form<br />
von Levels möglich. Die Aufgaben sowie die Voraussetzungen<br />
sind für jedes Level klar definiert. Das<br />
<strong>AIT</strong>-Karrieremodell ermöglicht aber auch eine gezielte<br />
Verlagerung der persönlichen Schwerpunkte
durch den Wechsel zwischen den einzelnen Berufsbildern.<br />
Die Voraussetzungen für einen derartigen<br />
Wechsel sind durch die Aufgaben und erforderlichen<br />
Qualifikationen der einzelnen Berufsbilder und<br />
ihren Levels klar definiert. Detaillierte Beschreibungen<br />
aller Berufsbilder sind natürlich auch auf unserer<br />
Website jederzeit abrufbar.<br />
Im Wettbewerb um die besten Köpfe stehen Sie im<br />
Konkurrenzkampf mit Universitäten und der Wirtschaft.<br />
Warum sollte beispielsweise eine Forscherin,<br />
ein Forscher bevorzugt bei <strong>AIT</strong> anheuern?<br />
Knoll: Eine Universität macht für mich dann Sinn,<br />
wenn mein Karriereweg vorsieht, als Pr<strong>of</strong>essor im<br />
Lehrberuf zu bleiben. Das ist aber keine Allgemeinlösung.<br />
Manche wollen lieber forschen und entwickeln,<br />
um sich beruflich zu verwirklichen. Auf der anderen<br />
Seite haben wir gegenüber der Industrie eine ganz andere<br />
Zeitperspektive, einen anderen Horizont, einen<br />
etwas ganzheitlicheren Ansatz. Bei uns werden Themen<br />
von ganz unterschiedlichen<br />
Stellen beleuchtet. Und<br />
wir bieten auch die Flexibilität.<br />
Wenn beispielsweise eine Mitarbeiterin<br />
oder ein Mitarbeiter<br />
bei uns als Scientist einsteigt,<br />
jedoch erkennt, dass sie/er sich<br />
als Engineer besser verwirklichen<br />
kann, hat sie/er am <strong>AIT</strong> die Möglichkeit dazu. Also<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Wert auf den<br />
„Reality Check“ legen, sind bei uns gut aufgehoben.<br />
Plimon: Bei uns befinden sich Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter vom ersten Tag an in einem internationalen<br />
Umfeld. Sie sind mit ihren Projekten laufend in<br />
der weltweiten Scientific Community unterwegs –<br />
das ist keine typische Situation wenn ich in eine Entwicklungsabteilung<br />
eines Industrieunternehmens<br />
einsteige. Weiters erwerben unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter aufgrund der engen Zusammenarbeit<br />
mit Industriepartnern Skills, die in der<br />
Regel an einer Universität nicht beigebracht werden.<br />
Derartige Fähigkeiten, wie beispielsweise Projektmanagement,<br />
Kommunikation & Co sind heutzutage<br />
in einem Lebenslauf unabdingbar. Ein erst auf den<br />
zweiten Blick für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
wertvolles Kernelement unserer Unternehmenskultur<br />
ist zudem das jährlich umzusetzende Mitarbeitergespräch,<br />
bei dem abseits des Tagesgeschäftes<br />
ein Status quo über eigene Perspektiven, Erwartungshaltungen<br />
und tatsächlichen Möglichkeiten<br />
gezogen wird. Denn eine Weiterentwicklung hat nicht<br />
zwangsläufig etwas mit dem steten „Zug nach oben“<br />
zu tun. Dies führt vielmehr stets in eine Falle, da unter<br />
Garantie bei jedem der Punkt kommt, wo die geforderte<br />
Leistung nicht mehr erbracht werden kann.<br />
Welzig: Unser Karrieremodell inklusive unserer<br />
Mitarbeitergespräche beugt eben genau dieser ungewollten<br />
Dynamik vor. Weil die <strong>AIT</strong>-Karrierewege<br />
auch einen Wechsel innerhalb der Berufsbilder vorsehen.<br />
Beispielsweise vom Scientist zum Engineer<br />
bzw. vice versa. Derartige Fälle haben wir auch immer<br />
wieder.<br />
Wieviele Jahre beträgt die typische Verweildauer<br />
einer <strong>AIT</strong>-Mitarbeiterin, eines <strong>AIT</strong>-Mitarbeiters?<br />
Plimon: Das hängt sehr stark von der einzelnen<br />
Funktion und natürlich auch von der positiven Motivation<br />
der Mitarbeiterin, des Mitarbeiters ab. Ein<br />
weiteres Kriterium ist die „Halbwertszeit des Wis-<br />
sens“, die in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich<br />
sein kann. Und schließlich müssen<br />
wir auch noch auf kontinuierliche Ansprechpersonen<br />
für unsere Industriepartner achten.<br />
Knoll: In ein paar Jahren wird es dazu wahrscheinlich<br />
eine statistische Antwort geben können. Derzeit<br />
sind wir – ist unser System – dafür zu jung. Wenn ich<br />
aber unser System mit jenen der Vorläuferorganisationen<br />
vergleiche, würde ich mir wünschen, dass die<br />
Verweildauer deutlich kürzer wird. Weil dies dann<br />
eher ein Zeichen von dynamischer Weiterentwicklung<br />
unserer Themen und Positionierung bedeutet.<br />
Forschung im Wandel der Zeit: Wie hat sich das typische<br />
Anforderungspr<strong>of</strong>il von wissenschaftlichem<br />
Personal geändert? Auf welche Skills kommt es<br />
heute mehr an, was war früher wichtig?<br />
Plimon: Worauf wir heute definitiv mehr schauen, ist<br />
das Thema Mobilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
Weil wir es als essenziell ansehen, dass unsere<br />
Expertinnen und Experten auch unterschiedliche<br />
KARRIEREWEGE 07<br />
<strong>AIT</strong>-GF Wolfgang Knoll: „Bereits in unserem Markenkern ist der<br />
Begriff ,Ingenious Partner’ fest verankert. Er soll zeigen, dass bei uns<br />
die optimale Entwicklung von Talenten und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert einnimmt.“
08 KARRIEREWEGE<br />
Gedankenwelten kennengelernt haben. Das war sicher<br />
vor zehn Jahren noch nicht so ausgeprägt. Abgesehen<br />
von den unmittelbaren Uni- oder FH-Absolventinnen<br />
und -Absolventen sollten potenzielle Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in ihrer Laufbahn unbedingt<br />
eine internationale Komponente haben. Gibt es<br />
diese nicht, löst es zumindest viele Fragen aus.<br />
Knoll: Nachdem wir unsere Forschungsstätte in einer<br />
ambitionierteren Liga mit globalen Themen positionieren<br />
– uns also dem weltweiten Wettbewerb an<br />
vorderster Front stellen, darf es gar nicht mehr sein,<br />
dass in den Karrierewegen der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter die internationalen Karrierepunkte fehlen.<br />
Das hat auch etwas mit Benchmarking zu tun.<br />
Tomorrow Today im Gespräch mit dem ehemaligen <strong>AIT</strong>-Mitarbeiter<br />
Georg Haberhauer, der dem Ruf als Vizerektor für Strategische Entwicklung<br />
an die Universiät für Bodenkultur Wien gefolgt ist.<br />
Herr Vizerektor Haberhauer, bevor Sie an die BOKU berufen<br />
wurden, waren Sie viele Jahre am heutigen <strong>AIT</strong> für<br />
den Bereich der „Health“-Forschung verantwortlich.<br />
Was konnten Sie aus dieser Zeit mitnehmen? Was hat<br />
Ihnen beim <strong>AIT</strong> am besten gefallen?<br />
n <strong>AIT</strong> ist ein sehr dynamisches Unternehmen. Dazu<br />
kommt die große Flexibilität, Leistungsbereitschaft und<br />
enorme Teamfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Fähigkeit<br />
der <strong>AIT</strong>-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler Forschungsfragen aus<br />
Industrie und Wirtschaft mit immer neuen Innovationen und Technologien zu<br />
beantworten, hat mich beeindruckt. Zusätzlich war immer ein starkes kunden-<br />
und anwendungsorientiertes Denken bei den Kolleginnen und Kollegen<br />
im <strong>AIT</strong> zu spüren.<br />
Ist in Österreich die Durchlässigkeit von der Akademia in die außeruniversitäre<br />
Forschung/die Industrie (und wieder retour) gegeben, oder ist Ihr Fall<br />
eher die Ausnahme?<br />
n Die Berufsbilder in Akademia und außeruniversitärer Forschung unterscheiden<br />
sich zwar auf den ersten Blick, die Durchlässigkeit der Systeme ist<br />
aber heute größer als noch vor wenigen Jahren. Ein Wechsel ist möglich. So<br />
auch z. B. im Bereich der Pr<strong>of</strong>essuren. Ich selbst habe bei einer Anzahl von<br />
Berufungen mitgewirkt, wo die Universität Personen aus außeruniversitären<br />
Organisationen berufen hat. Hier zählte die Expertise aus der Praxis, das anwendungsorientierte<br />
Denken, Managementfähigkeiten, vereint mit exzellenter<br />
Forschungsarbeit, die den Ausschlag für die Berufungen ergab.<br />
Wie intensiv ist aus Ihrer Sicht die Kooperation von außeruniversitären Forschungsstätten<br />
mit Universitäten? Sieht man sich nicht auch ein bisschen<br />
als Konkurrenten im Kampf um Drittmittel/Forschungsaufträge?<br />
n Kooperationen werden z. B. im Health/Environment-Bereich stark gepflegt.<br />
Kooperationen sind – sowohl für Unis als auch außeruniversitäre Forschungsorganisationen<br />
– heute gerade im angewandten Forschungsbereich vielfach<br />
Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektabwicklung. Dies gilt für Förderprojekte<br />
wie auch für Wirtschaftsaufträge. Oft sind Grundlagenaspekte und Anwendungsthematiken<br />
in einem Projekt vereint. Die Kooperationen sind erforderlich,<br />
um international als F&E-Standort sichtbar und konkurrenzfähig zu bleiben. Sicherlich<br />
kommt auch intern etwas Konkurrenz auf, die aber gerade im forschungsglobalen<br />
Kontext als gesund angesehen werden kann. ///<br />
Plimon: Eine inhaltliche Auffälligkeit zu früher, mit<br />
der wir noch vor zehn Jahren zu kämpfen hatten,<br />
war, dass damals Uni-Absolventinnen und -Absolventen<br />
nicht jene für uns wichtigen Skills hatten –<br />
wie beispielsweise die numerische Simulation. Dieses<br />
Thema stand gegenüber experimentellen Techniken<br />
viel zu stark im Hintergrund. Das war für uns<br />
natürlich eine unangenehme Situation, da wir viel<br />
Zeit in das Lehren erforderlicher Basics investieren<br />
mussten, bevor diese jungen Menschen produktiv<br />
eingesetzt werden konnten. Das hat sich in der Zwischenzeit<br />
zum Glück geändert. In den Wissenschaften<br />
sind Simulationen, also die modellmäßige Begleitung<br />
von experimentellen Arbeiten, mittlerweile<br />
Standard geworden.<br />
Wie sehr „in Stein gemeißelt“ sind Ihre Anforderungspr<strong>of</strong>ile<br />
an potenzielle Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter?<br />
Welzig: Wir haben am <strong>AIT</strong> einen Personalstand von<br />
knapp 900 Personen – und somit nahezu gleich viele<br />
Anforderungspr<strong>of</strong>ile. Denn wir stecken mit unserem<br />
Anforderungspr<strong>of</strong>il lediglich den strukturierten<br />
Rahmen ab. Ein Beispiel dazu: Wenn heute eine<br />
Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter das <strong>AIT</strong> wieder<br />
verlässt, wird die idente Job-Description natürlich<br />
nicht neuerlich ausgeschrieben. Wir überlegen uns<br />
vielmehr, wie sich die technologischen Bedingungen<br />
weiterentwickelt haben, also welche neuen<br />
Skills nun erforderlich sind beziehungsweise wegfallen.<br />
Und das kann mitunter deutlich divergieren.<br />
Plimon: Dazu gibt es zwei Komponenten, die man<br />
nicht vermischen darf. Die eine ist, dass eine bestimmte<br />
Person gebraucht wird, die im Team eine<br />
exakt definierte Rolle zu übernehmen hat. Diese mittels<br />
Raster finden zu wollen, ist keine gute Idee. Vielmehr<br />
gehen wir dabei auf die Suche nach komplementären<br />
Skills. Und diese lassen sich eben nicht<br />
standardisiert festmachen. Das andere Thema sind<br />
die formalen Kriterien. Was es beispielsweise bedeutet,<br />
von einem Senior Scientist zu einem Principal<br />
Scientist aufzusteigen. Und diese Kriterien sehen wir<br />
schon sehr eng. Denn in diesem Zusammenhang geht<br />
es uns um das „Nichtaufweichen“ von Standards.<br />
Knoll: Nehmen wir das treffende Bild einer Fußballmannschaft.<br />
Wenn ich im Team mit Stürmern<br />
gut ausgestattet bin, aber einen Verteidiger benötige,<br />
dann muss ich eben auch einen Verteidiger suchen.<br />
Ich muss bestimmte generelle Anforderungen<br />
setzen. Wenn es dann ein „Senior-Verteidiger“<br />
werden soll, muss dieser die generelle Qualifikati-<br />
on eines Senior- Verteidigers erfüllen. FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> Instiute <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Klobucsar
Wie durchlässig ist Ihr System? Funktioniert der<br />
Wechsel zwischen Universitäten, außeruniversitären<br />
Forschungsstätten und der Industrie?<br />
Knoll: Darauf haben wir bei unserem Karrieremodell<br />
großen Wert gelegt – nämlich dem „Andocken<br />
an die Außenwelt“. Es ist nach allen Richtungen hin<br />
<strong>of</strong>fen. Wir haben zahlreiche Beispiele dafür, dass<br />
Kolleginnen und Kollegen den Ruf aus der Akademia<br />
erhielten, und noch mehr natürlich, die in die<br />
Industrie gewechselt sind – und wieder retour. Es ist<br />
ein prosperierendes, lebendiges System, das unser<br />
Wissensnetzwerk ständig weiter ausbaut. Diese<br />
Durchlässigkeit ist eine unserer tragenden Säulen.<br />
Plimon: Durch die intensive Zusammenarbeit mit<br />
unseren Forschungspartnern aus der Industrie<br />
sind die Skills unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
natürlich stets gut sichtbar. Daraus ergibt<br />
sich fast zwangsläufig ein reger Austausch an qualifiziertem<br />
Personal. Wir betrachten dies als Partnerprogramm<br />
und als Teil unserer Rolle am heimischen<br />
Innovationssektor.<br />
Ist das <strong>AIT</strong>-Karrieremodell mit jenen internationaler<br />
Forschungsstätten vergleichbar?<br />
Knoll: Viele Geschäftsführer europäischer Forschungsstätten<br />
haben uns zu unserem Karrieremodell<br />
gratuliert, da es in dieser Struktur bzw. Ausformulierung<br />
den heutigen Bedarf an Manpower in der Forschung<br />
sehr gut widerspiegelt. In seiner Basis setzt<br />
unsere Struktur aber auf internationale Standards auf<br />
– ein Senior Scientist soll bei uns beispielsweise ein<br />
vergleichbares Anforderungspr<strong>of</strong>il wie bei Helmholtz<br />
in Deutschland oder beim MIT in den USA haben.<br />
Wie hoch ist der Anteil Ihres internationalen Personals<br />
– quer durch alle Beschäftigungsgruppen? Wie<br />
hoch ist Ihr Frauenanteil?<br />
Welzig: Der Anteil an internationalen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern liegt bei rund 20 Prozent. Quer<br />
durch den Beschäftigtenstand haben wir rund 40<br />
Prozent weibliches Personal – aus österreichischer<br />
Sicht ein überdurchschnittlich hoher Wert, obwohl<br />
wir keine konkrete Frauenquote definiert haben.<br />
Wie sieht es bei Ihnen mit Spin-<strong>of</strong>fs aus?<br />
Plimon: Spin-<strong>of</strong>fs sind ein wichtiger Bestandteil<br />
unseres Business-Modells – werden also von uns<br />
unterstützt. Wir beteiligen uns bei derartigen Firmenausgründungen<br />
jedoch stets als Minderheitspartner,<br />
um das neue Unternehmen in seinem<br />
Handlungsfreiraum nicht einzuschränken. Denn es<br />
braucht seine Flexibilität, um wachsen zu können.<br />
Sind diese also in Ihrer Bilanz bereits als Einnahmequellen<br />
sichtbar?<br />
Plimon: Ja – in der Zwischenzeit haben wir auch<br />
schon monetär einen positiven Saldo. Es ist ein<br />
schönes Investment, dem man beim Wachsen zusehen<br />
kann. Der eigentliche, zusätzliche, nicht direkt<br />
quantifizierbare Mehrwert ist aber für uns,<br />
dass sie <strong>of</strong>t jene Dienstleistungsthemen besetzen,<br />
die bei uns nicht ins Forschungsportfolio passen.<br />
Damit sind sie in unserem Netzwerk natürlich stets<br />
die bevorzugten Kooperationspartner. ///<br />
KARRIEREWEGE 09<br />
Tomorrow Today im Gespräch mit dem künftigen <strong>AIT</strong>-Mitarbeiter Martin<br />
Weber, der vom renommierten Biotechnologieunternehmen QIAGEN<br />
(Hilden/D) in das <strong>AIT</strong> Health & Environment Department wechselt.<br />
Herr Weber, Sie haben bei einem internationalen Top-<br />
Unternehmen gearbeitet. Was war der ausschlaggebende<br />
Punkt jetzt zum <strong>AIT</strong> zu wechseln?<br />
n Mein neues Team im Geschäftsfeld Molekulare Diagnostik<br />
am <strong>AIT</strong> ist hochmotiviert, wissenschaftlich bes -<br />
tens qualifiziert und ideal interdisziplinär aufgestellt.<br />
Dies und die sehr gute internationale Positionierung des<br />
<strong>AIT</strong> insgesamt im Bereich der angewandten Forschung in Europa, sehe ich<br />
als optimale Basis um mittelfristig Break-Through-Innovationen in einem für<br />
Österreich und Europa zentralen Zukunftsfeld gestalten zu können.<br />
Inwieweit kannten Sie bereits das Team um Michaela Fritz? Haben Sie mit<br />
dem Health-Department schon zusammengearbeitet?<br />
n Das Team um Michaela Fritz habe ich erst Ende letzten Jahres bei meinen<br />
Besuchen in Wien kennengelernt. Ich war gleich beeindruckt von der klaren<br />
strategischen Positionierung, dem hohen Kompetenzniveau und der großen<br />
persönlichen Offenheit in der Abteilung Health & Environment.<br />
Was erwarten Sie sich von Ihrem neuen Aufgabengebiet?<br />
n Die Molekulare Diagnostik durchläuft gerade eine sehr rasante Entwicklung.<br />
Denken Sie nur an all die Möglichkeiten, die sich zum Beispiel durch die personalisierte<br />
Medizin sowie durch neue sensitivere Methoden oder durch neue Bio-<br />
Marker zur Früherkennung von alternsabhängigen Krankheiten, wie etwa<br />
Krebs, ergeben. Ich glaube, dass wir hier mit unserer Arbeit einen für die gesamte<br />
Gesellschaft inhaltlich wertvollen Beitrag leisten, indem wir neue Technologien<br />
zur Erkennung von Krankheiten erforschen und zusammen mit Indus -<br />
triepartnern vermarkten, durch die eine rechtzeitige und gezielte Therapie dieser<br />
Krankheiten letztlich erst möglich wird.<br />
Ist Ihrer Meinung nach die Durchlässigkeit – also der Wechsel zwischen<br />
Akademia/außeruniversitärer Forschung/Industrie – gegeben?<br />
n Das ist nach meiner Ansicht leider noch nicht überall und noch nicht in ausreichendem<br />
Maße der Fall. Es freut mich sehr, dass das <strong>AIT</strong> hier eine Vorreiterrolle<br />
einnimmt. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine größere Durchlässigkeit<br />
in alle Richtungen für alle Beteiligten einen Gewinn darstellt und dass Mitarbeiterinnen<br />
und MItarbeiter, die in ihrer beruflichen Laufbahn mehr als eine<br />
dieser „Berufswelten“ kennengelernt haben, interessante und nützliche Inputs<br />
für ihre jeweils aktuelle Tätigkeit mitbringen. ///<br />
ENERGY ➜
10 ➜ ENERGY<br />
FORSCHUNG FÜR DIE<br />
PHOTOVOLTAIK DER ZUKUNFT<br />
/// Radikale Innovationen sind der Schlüssel für die Stärkung der Wett -<br />
bewerbsfähigkeit im Photovoltaiksektor. <strong>AIT</strong> stellt sich dieser Herausforde-<br />
rung durch die Entwicklung neuer Zellkonzepte, Herstellungsprozesse<br />
und Analysemethoden. ///<br />
l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />
DIE PRODUKTIONSKOSTEN IM PHOTOVOLTAIKSEK-<br />
TOR sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.<br />
Diese Entwicklung ist zwar einerseits erfreulich,<br />
da sie der nachhaltigen Technologie auf<br />
breiter Basis zum Durchbruch verhilft, bringt aber<br />
gleichzeitig europäische Hersteller unter beträchtlichen<br />
Preisdruck. „Diese Herausforderung kann<br />
nur mit konsequenter Innovation gemeistert werden“,<br />
stellt Wolfgang Hribernik, Head <strong>of</strong> Business<br />
Unit „Electric Energy Systems“ am <strong>AIT</strong>, klar. „Eine<br />
mögliche Antwort liegt in einer breiten Aufstellung<br />
entlang der Wertschöpfungskette, unter anderem<br />
durch eine integrierte Zell- und Modulproduktion<br />
mithilfe neuer Herstellungsverfahren.“ Großes Potenzial<br />
für radikale Innovationen bieten aber auch<br />
nanotechnologische Ansätze, die in interdisziplinärer<br />
Kooperation mit dem Health & Environment Department<br />
verfolgt werden. In mehreren Projekten<br />
widmet sich das Photovoltaik-Team diesen „Emerging<br />
Technologies“ und positioniert das <strong>AIT</strong> damit<br />
als kompetenten Entwicklungspartner für die In -<br />
dus trie – von der Solarzelle bis zum Gesamtsystem.<br />
Mit jährlichen Wachstumsraten von rund 40 Prozent wird die Photovoltaik<br />
eine wichtige Rolle im Strommix der Zukunft einnehmen. Vorrangiges Ziel<br />
der Forschung ist es, die zentrale Kennzahl „Kosten pro Watt“ zu optimieren<br />
– durch Reduktion des Materialverbrauchs, Senkung der Produktionskosten<br />
und Erhöhung der Effizienz. Das <strong>AIT</strong> Energy Department stellt sich dieser<br />
Herausforderung und entwickelt nanobasierte Zellkonzepte, wirtschaftliche<br />
Herstellungs prozesse für die Dünnschichtmodule der dritten Generation und<br />
innovative Lösungen für die gebäudeintegrierte Photovoltaik. Abgerundet<br />
wird das Leistungsspektrum durch die Erforschung neuer Methoden zur Charakterisierung<br />
und Qualitätssicherung von Zellen und Modulen.<br />
WOLFGANG HRIBERNIK ///<br />
Head <strong>of</strong> Business Unit<br />
„Electric Energy Systems“<br />
„Eine Möglichkeit zur Stärkung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit liegt<br />
in der breiten Aufstellung entlang<br />
der Wertschöpfungskette –<br />
z. B. durch eine integrierte Zellund<br />
Modulproduktion mithilfe<br />
neuer Herstellungsverfahren.“<br />
VORSTOSS IN DIE NANOWELT<br />
Im Projekt SAN-CELL (Low-cost, silicon-free solar<br />
cells based on self-assembled nanostructures) arbeitet<br />
<strong>AIT</strong> zusammen mit der Universität Linz an der<br />
Entwicklung einer siliziumfreien anorganischen Solarzelle,<br />
deren Architektur auf selbstorganisierten<br />
Nanostrukturen basiert. Das Konzept bringt gleich<br />
mehrere Vorteile, wie Stephan Abermann, Scientist<br />
am <strong>AIT</strong> Energy Department erläutert: „Der Einsatz<br />
von Dünnschichttechnologie führt zu einer deutlichen<br />
Reduktion des Materialverbrauchs, während die Nanodrähte<br />
Ladungstransport und Lichtabsorption verbessern<br />
und damit die Effizienz erhöhen.“ Da sich die<br />
Nanodrähte in einem elektrochemischen Prozess automatisch<br />
an den Kristallstrukturen des Substrats<br />
ausrichten und so quasi von selbst wachsen, werden<br />
zusätzlich Herstellungskosten eingespart. Mithilfe<br />
von halbleitenden Nanokristallen als photosensitive<br />
Komponenten lassen sich die Eigenschaften der Solarzelle<br />
darüber hinaus „feintunen“ und optimal an<br />
das Sonnenspektrum anpassen. „Die ersten Prototypen<br />
wurden bereits getestet und haben die grundsätzliche<br />
Machbarkeit des Zellkonzepts unter Beweis
gestellt“, ist Abermann überzeugt, dass Lösungsansätze<br />
aus der Nanotechnologie die Solarzellenproduktion<br />
in Zukunft revolutionieren werden.<br />
PHOTOVOLTAIK DER DRITTEN GENERATION<br />
Dünnschichtsolarzellen gelten als zukunftsträchtige<br />
Technologie für die gebäudeintegrierte Photovoltaik,<br />
da sie großflächig und in unterschiedlichen<br />
Geometrien hergestellt werden können. Im Projekt<br />
SOLO-PV (Solution-based Low-cost PhotoVoltaics)<br />
forscht das <strong>AIT</strong> zusammen mit einem Schweizer<br />
Speziallabor und dem österreichischen Unternehmen<br />
EVG an einem neuen Herstellungsprozess für<br />
die schlanken Zellen. Da die in heutigen CIGS-Zellen<br />
verwendeten Hightech-Metalle Indium und Gallium<br />
in der Elektronikindustrie heiß begehrt und<br />
dementsprechend knapp und teuer sind, werden<br />
die Entwicklungen mit einem alternativen Absorbermaterial<br />
durchgeführt. „Kupfer-Zink-Zinn-Sulfid<br />
ist ein sehr vielversprechender Kandidat, weil es<br />
aus ungiftigen und reichlich in der Erdkruste vorkommenden<br />
Materialien besteht“, so Abermann.<br />
Der Kern des Herstellungsprozesses besteht darin,<br />
dass der Absorber und auch alle anderen<br />
Schichten der Solarzelle in Flüssigkeit gelöst und<br />
mittels chemischer Sprühpyrolyse bzw. elektrochemischer<br />
Abscheidung auf flexible Materialfolien<br />
aufgebracht werden. Dieser lösungsbasierte Ansatz<br />
ist optimal für großflächige Verfahren geeignet,<br />
da sich Solarzellen damit schnell und kostengüns -<br />
tig in meterlangen Bahnen herstellen lassen.<br />
SOLARDACH VON DER ROLLE<br />
Ein solcher „Roll-to-Roll (R2R)“-Prozess steht auch<br />
im Mittelpunkt des Projekts Flexible PV-Systeme, in<br />
dem flexible organische und CIGS-Dünnschichtsolarzellen<br />
(bestehend aus Kupfer-Indium-Gallium-<br />
Diselenid) zwischen Hochbarrierematerialien des<br />
österreichischen PV-Komponentenherstellers Isovoltaic<br />
verkapselt und auch gleich mit einer Dachbahn<br />
verbunden werden.<br />
Alle Vormaterialien – Solarzellen, Einkapselungsund<br />
Barrierematerialien sowie die Dachbahn – liegen<br />
in Rollenform vor und werden in einem kontinuierlichen<br />
R2R-Prozess zu einem großflächigen<br />
gerollten Modul verarbeitet, das vor Ort am Dach<br />
verschweißt werden kann.<br />
Die ExpertInnen des <strong>AIT</strong> unterstützen die Pro -<br />
zess entwicklung durch Mitarbeit an der Konzeption<br />
sowie umfassende Leistungs- und Alterungstests<br />
an den Modulen im Dünnschichtlabor. Ergänzend<br />
dazu wird ein Monitoringkonzept erarbeitet,<br />
um die Leistungsfähigkeit der in<br />
Österreich, der Schweiz und Spanien geplanten<br />
Demoanlagen unter mittel- und südeuropäischen<br />
Klimabedingungen zu untersuchen.<br />
Angesichts der Tatsache, dass jährlich europaweit<br />
rund 100 km² Dachmembran auf Industriedächern<br />
verlegt werden, könnte das Photovoltaikdach von<br />
der Rolle einen besonders wichtigen Beitrag zur industriellen<br />
Energieversorgung leisten.<br />
ENERGY 11<br />
Automatische Klassi -<br />
fizierung defekter Zellen<br />
in einem Photovoltaikmodul<br />
mittels Infrarot aufnahme
12 ENERGY<br />
LICHT UND SCHATTEN<br />
Der architektonische Einsatz der Photovoltaik ist allerdings<br />
nicht auf Dächer beschränkt. Im Projekt<br />
MPPF (Multifunctional Plug & Play Facade) wird die<br />
Fassade als aktiver Teil eines gesamtenergetischen<br />
Gebäudekonzepts gesehen, in dem die Photovoltaik<br />
eine wichtige Rolle einnimmt. „In der Architektur ste-<br />
STEPHAN ABERMANN ///<br />
Scientist, <strong>AIT</strong> Energy<br />
Department<br />
„Die Dünnschichttechnologie<br />
ermöglicht eine deutliche<br />
Reduktion des Materialverbrauchs,<br />
während Nanodrähte<br />
Ladungstransport und Lichtabsorption<br />
verbessern und<br />
damit die Effizienz erhöhen.“<br />
hen derzeit vor allem entweder die visuellen Aspekte<br />
oder die Stromerzeugung im Vordergrund, während<br />
die Erfüllung beider Ansprüche und spezielle Fragestellungen,<br />
wie die Farbwirkung, noch sehr wenig<br />
Berücksichtigung finden“, so <strong>AIT</strong>-Scientist Marcus<br />
Rennh<strong>of</strong>er. Am <strong>AIT</strong> wurden daher Verschattungselemente<br />
aus teil- und semitransparenter Photovoltaik<br />
erstmals einer lichttechnischen Bewertung unterzogen<br />
und mit herkömmlichen Sonnenschutzgläsern<br />
verglichen. „Unsere Spektralmessungen haben ergeben,<br />
dass die Farbe des durchdringenden Lichts bei<br />
den untersuchten Photovoltaikelementen sehr neutral<br />
und unverfälscht ist, was sich positiv auf Wohl-<br />
Der Preisdruck in der Photovoltaikbranche kann nur<br />
mit radikalen Innovationen gemeistert werden<br />
fühlparameter, visuelle Erscheinung des Innenraums<br />
und die Gesundheit am Arbeitsplatz auswirkt.“<br />
Ergänzende dreidimensionale Strömungssimulationen<br />
zeigen darüber hinaus einen stark verminderten<br />
Energieeintrag. Verschattungselemente mit integrierter<br />
Photovoltaik produzieren also nicht nur<br />
nachhaltigen Strom und vermindern den Energiebedarf<br />
für die Klimatisierung, sondern erhöhen durch<br />
ihre natürliche Lichtwirkung auch das Wohlbefinden<br />
in Büros und Wohnräumen.<br />
HIGHTECH-ANALYSETOOL FÜR<br />
PHOTOVOLTAIK-MODULE<br />
Elektrolumineszenz-Messungen sind ein unverzichtbares<br />
Werkzeug in der Diagnostik von Photovoltaik-Modulen.<br />
Dabei wird der Photoeffekt quasi<br />
umgekehrt: Das Solarmodul wird mit Strom ange-<br />
regt und die frei werdende Energie in Form von<br />
Licht abgegeben und mit einer Spezialkamera erfasst.<br />
Ein hohes Maß an Expertenwissen ist notwendig,<br />
um aus diesen Bildern mögliche Fehler herauslesen<br />
zu können. Im Rahmen des Projekts IPOT<br />
wird nun ein Analysesystem entwickelt, das diese<br />
Interpretation vollautomatisch und objektiv durchführen<br />
kann. „Durch die Kopplung von komplexen<br />
Bildverarbeitungsalgorithmen mit einem physikalischen<br />
Modell lassen sich aus dem Elektrolumineszenz-Bild<br />
Rückschlüsse auf die Halbleitereigenschaften<br />
der einzelnen Zelle und des gesamten Moduls<br />
ziehen“, erläutert <strong>AIT</strong>-Scientist Bernhard Kubicek.<br />
So können nicht nur Transportschäden,<br />
Zellfehler, Kurzschlüsse und Mikrorisse schnell<br />
und objektiv aufgedeckt, sondern auch zuverlässige<br />
Aussagen über Alterung und Ausfallsrisiko getr<strong>of</strong>fen<br />
werden. Die automatische Analyse ist damit<br />
eine wertvolle Hilfe bei der Qualitätssicherung in<br />
der Produktion und erlaubt Händlern auch eine lü -<br />
ckenlose Überwachung der von Fremdherstellern<br />
gelieferten Module. Kein Wunder also, dass in der<br />
Photovoltaikbranche bereits reges Interesse am<br />
Fehlerdetektiv „made by <strong>AIT</strong>“ besteht. ///<br />
Projektpartner:<br />
Die Projekte SAN-CELL und SOLO-PV werden aus<br />
Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert und<br />
von der FFG abgewickelt. Partner im Projekt SOLO-<br />
PV sind die EV-Group und EMPA Swiss (Eidgenössische<br />
Material und Prüfanstalt). Im Projekt SAN-CELL<br />
kooperiert <strong>AIT</strong> mit der Johannes Keppler Universität<br />
Linz und mit dem NTC Weiz.<br />
Die K-Projekte MPPF (Multifunctional Plug&Play Facade)<br />
und IPOT (Intelligent Photovoltaic mOdule<br />
Technologies) werden im Rahmen von COMET vom<br />
Bund (BMVIT, BMWFJ) und den Ländern Kärnten,<br />
Niederösterreich und Steiermark k<strong>of</strong>inanziert und<br />
von der FFG abgewickelt. Im Projekt MPPF unter der<br />
Leitung der FIBAG kooperiert <strong>AIT</strong> mit der Technischen<br />
Universität Graz und der Universität Innsbruck.<br />
Wissenschaftlicher Partner im Projekt IPOT ist das<br />
CTR Kärnten.<br />
Partner im Projekt Flexible PV-Systeme sind die Firmen<br />
Isovoltaic, Isosport, Flisom, Renolit, Konarka,<br />
Hymmen und Fraunh<strong>of</strong>er IVV. Das Projekt wird aus<br />
Mitteln des Klima- und Energiefonds finanziert und<br />
von der FFG abge wickelt.<br />
Weitere Infos: Energy Department,<br />
Julia Jene, Tel.: +43 505 50-6688,<br />
E-Mail: julia.jene@ait.ac.at,<br />
Web: www.ait.ac.at/energy<br />
FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Bernhard Kubicek, EV Group
RESEARCH SERVICES<br />
Modul-Performancemessungen<br />
Akkreditierte Bauartzulassungstests bestätigen die Qualität<br />
und elektrische Sicherheit von Solarmodulen und<br />
dienen als Grundlage für die CE-Kennzeichnung und Fördervergabe.<br />
Aufgrund der raschen Entwicklungszyklen<br />
werden am Department laufend neue Methoden für die<br />
Charakterisierung innovativer Modultechnologien erarbeitet.<br />
n Bauartzulassungsprüfungen<br />
n Performancemessungen<br />
n Kalibrierung von Referenzmodulen<br />
n Individuelle Forschung und Entwicklungsbegleitung<br />
n Bildgebende Untersuchungen<br />
Analyse von PV-Anlagen und Modulkomponenten<br />
Der jährliche Energieertrag von Photovoltaiktechnologien<br />
ist stark von den regionalen Strahlungs- und Klimaverhältnissen<br />
vor Ort abhängig. Die Messungen,<br />
Analysen und Simulationen des Departments bieten<br />
eine wertvolle Entscheidungshilfe bei der Wahl der<br />
geeigneten Technologie für jeden Standort.<br />
n Generatorleistungsmessungen vor Ort<br />
n Ertragsanalysen und wissenschaftliches Monitoring<br />
n Erhebung von Optimierungsmöglichkeiten<br />
n Qualitätsuntersuchungen<br />
n Analyse von Degradationserscheinungen<br />
n Wissenschaftliche Begleitung (Machbarkeitsstudien,<br />
Technologievergleiche)<br />
Begleitforschung im Bereich Solarzellenentwicklung<br />
Ein wichtiges Ziel bei der Entwicklung von Solarzellen<br />
ist die deutliche Senkung der Material- und Produktionskosten.<br />
Neben klassischen kristallinen Siliziumzellen<br />
und Dünnschichtzellen werden verstärkt auch<br />
nanostrukturierte und organische Zellen eingesetzt.<br />
Das Department entwickelt maßgeschneiderte Analyse-<br />
und Charakterisierungsverfahren für diese neuen<br />
Technologien.<br />
n Analyse von Hot-Spot-Effekten<br />
n Infrarotthermographie<br />
n Elektrolumineszenzmessungen<br />
n Mikroskopaufnahmen<br />
n Rückstrombelastbarkeit<br />
n Performancemessung an einzelnen Solarzellen<br />
Klimasimulationen<br />
Photovoltaikkomponenten müssen auch unter rauen<br />
Bedingungen über ihre gesamte Lebensdauer die volle<br />
Leistung bringen. In den Klimakammern des Departments<br />
werden Komponenten und Module bei extremen<br />
Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten auf ihr Langzeitverhalten<br />
untersucht.<br />
n Beschleunigte Alterungstests<br />
n Überprüfung von Materialkompatibilitäten<br />
n Machbarkeitsuntersuchungen an innovativen Moduldesigns<br />
Forschungsinfrastruktur – PV Test Lab<br />
Im PV Test Lab wird das elektrische, optische, thermische<br />
und mechanische Verhalten von Modulen umfassend<br />
analysiert. Neben standardmäßigen Klima- und<br />
Belastungstests kommt dabei auch Hightech-Laborinfrastuktur<br />
zum Einsatz, z. B.<br />
n 8 m² Steady-State-Sonnensimulator<br />
n Klimatisierter gepulster Sonnensimulator<br />
n Spektrometer (UV-VIS-IR)<br />
n Zellmessplatz ///<br />
THORSTEN MATTHIAS,<br />
HEAD OF BUSINESS<br />
DEVELOPMENT DER EV<br />
GROUP, ÜBER DEN STEI-<br />
GENDEN KOSTENDRUCK<br />
IM PHOTOVOLTAIK -<br />
BEREICH.<br />
ENERGY 13<br />
Herr Matthias, die EV Group ist<br />
Prozessmaschinen-Spezialist für<br />
die Halbleiterindustrie mit Fokus<br />
auf Mikroelektronik. Nun steigt<br />
EV auch in den Photovoltaiksektor<br />
ein. Welche Parallelen und Unterschiede sehen Sie in diesen beiden<br />
Märkten?<br />
Die Mikroelektronik wird von der kontinuierlichen Miniaturisierung von<br />
Transistoren und anderen Bauteilen angetrieben („Moore’s Law“).<br />
Dadurch können die Chiphersteller mit jeder neuen Produktgeneration<br />
leistungsfähigere Chips bei gleichbleibender Chipgröße fertigen. Dies<br />
bedeutet aber, dass die Produktionsmaschinen jedes Jahr deutlich leis -<br />
tungsfähiger werden müssen: z. B. höhere Präzision, höhere Reinheit,<br />
genauere Prozesskontrolle. In der Photovoltaik hingegen liegt das<br />
Hauptaugenmerk auf Kostenreduzierung. Die EV Group liefert schon<br />
seit über zehn Jahren Prozessmaschinen für den Photovoltaiksektor. So<br />
werden z. B. Solarzellen für Concentrated Photovoltaic (CPV) mithilfe<br />
von Fotolithografie und Waferbonden auf unseren Anlagen hergestellt.<br />
Mit welchen Eintrittsbarrieren sind Ihre Produkte im hart umkämpften<br />
Photovoltaikmarkt konfrontiert?<br />
Die Photovoltaikindustrie ist sehr risikoscheu. Solarmodule werden mit<br />
25+ Jahren Garantie verkauft, aber es ist ja eben sehr schwer zu beweisen,<br />
dass ein Modul noch in 25 Jahren funktionieren wird. Daher wurden<br />
in der Vergangenheit etablierte Prozesse nicht bzw. nur im absoluten<br />
Notfall verändert. Aber jetzt sehen viele Hersteller die Notwendigkeit,<br />
ihre Produkte technisch von der Konkurrenz abzugrenzen und sind<br />
gewillt, neue Fertigungsprozesse zu implementieren. Die Prozesse der<br />
EV Group ermöglichen deutliche Effizienzsteigerungen der Zellen und<br />
Module.<br />
Inwiefern können die von Ihnen hergestellten Maschinen die Zell- und<br />
Modulhersteller unterstützen, dem immer stärker werdenden<br />
Kostendruck im Photovoltaikbereich standzuhalten?<br />
Unsere Maschinen ermöglichen den Zell- und Modulherstellern sowohl<br />
ihre Kosten zu senken als auch ihre Produkte technisch vom Wettbewerb<br />
zu differenzieren. Mit Imprint-Lithografie können wir schmutzabweisende<br />
Schichten am Modul erzeugen, wodurch sich der elektrische<br />
Output über die ganze Lebenszeit drastisch vergrößert. Wir erzeugen<br />
auch sogenannte „Light-Trapping“-Strukturen, wodurch der Materialverbrauch<br />
für Dünnschichtzellen weiter reduziert werden kann, was<br />
speziell für Zellen mit Elementen wie Indium wichtig ist.<br />
Welche Aspekte schätzen Sie aus Sicht eines neuen Players im Photovoltaikmarkt<br />
in der Zusammenarbeit mit den <strong>AIT</strong>-ExpertInnen?<br />
Das Team vom <strong>AIT</strong> vereint interdisziplinäre wissenschaftliche Expertise,<br />
breites Marktwissen, Know-how in der Messtechnik und umfassende<br />
Erfahrung in der Durchführung von multinationalen Forschungsprojekten.<br />
///<br />
SAFETY & SECURITY ➜
14 ➜ SAFETY & SECURITY<br />
DIABMEMORY – IM DIALOG<br />
MIT DEM „ALTERSDIABETES“<br />
/// Immer mehr Menschen leiden unter der Zuckerkrankheit. Diabetes mellitus Typ 2,<br />
früher <strong>of</strong>t „Altersdiabetes“ genannt, zählt bereits zu den großen Zivilisationskrank-<br />
heiten entwickelter Industrienationen. Wichtig bei der Behandlung ist die laufende<br />
Begleitung der Diabetes-PatientInnen. Das <strong>AIT</strong> hat deshalb das elektronische Dia-<br />
betikerInnentagebuch DIABMEMORY entwickelt, das seit zwei Jahren bei der Versi-<br />
cherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) zum Einsatz kommt. ///<br />
l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />
DIE<br />
LAGE IST<br />
DURCHAUS<br />
KRITISCH. Die<br />
Krankheit Diabetes<br />
mellitus<br />
(Deutsch: honigsüßer<br />
Durchfluss) ist weltweit auf dem<br />
Diabetes entwickelt sich zu einer der großen Zivilisationskrankheiten. Besonders<br />
der Typ-2-Diabetes ist stark im Vormarsch, da die Bevölkerung immer älter wird,<br />
sich weniger bewegt und unter Übergewicht leidet. Chronische Krankheiten wie<br />
Diabetes bedürfen einer intensiven Betreuung und verursachen hohe Kosten für<br />
das Gesundheitssystem. Mit dem elektronischen DiabetikerInnentagebuch DIAB-<br />
MEMORY, das das <strong>AIT</strong> entwickelt hat und bei der Versicherungsanstalt der Eisenbahnen<br />
und Bergbau (VAEB) seit 2010 im Einsatz ist, können PatientInnen durch<br />
einfaches Hinhalten eines Smartphones ihre Gesundheitsdaten speichern, übertragen<br />
und erhalten zugleich auch ein Feedback über ihren aktuellen Gesundheitszustand.<br />
Das System ermöglicht eine nachhaltige Betreuung, bietet den<br />
PatientInnen mehr Eigeninitiative und kann langfristig Kosten im Gesundheits -<br />
wesen sparen.<br />
Vormarsch. Beschrieben wurde<br />
die Zuckerkrankheit schon<br />
in der Antike. Durch die alternde<br />
Gesellschaft, Bewegungsmangel<br />
und falsche<br />
Ernährung nimmt vor allem<br />
der Typ-2-Diabetes stark zu.<br />
Während beim Typ-1-Diabetes<br />
durch die Zerstörung der Betazellen<br />
der Bauchspeicheldrüse der Botenst<strong>of</strong>f<br />
Insulin, der hauptsächlich für den<br />
Zuckerst<strong>of</strong>fwechsel im Körper verantwortlich<br />
ist, im Körper gänzlich fehlt, kann<br />
es bei Typ-2-DiabetikerInnen durch das „metabolische<br />
Syndrom“ zu einer Insulinresistenz und zu einem<br />
Insulinmangel kommen. Typ-1-Diabetes ist<br />
eher selten und betrifft vor allem junge Menschen.<br />
Zur Behandlung hilft hier nur eine regelmäßige Insulinzugabe.<br />
Typ-2-Diabetes hängt hingegen auch<br />
stark mit der Lebensweise zusammen und betrifft<br />
vor allem ältere Menschen, weshalb er auch Altersdiabetes<br />
genannt wurde. Auslöser können neben<br />
Übergewicht und Bewegungsmangel auch genetische<br />
Faktoren sein. Die Lebensweise ist aber das<br />
größte Problem. Immer öfters sind deshalb auch junge<br />
Menschen von Adipositas und „Altersdiabetes“ betr<strong>of</strong>fen.<br />
Da die Zahl der Diabetes-PatientInnen ständig<br />
steigt, beschäftigt sich die VAEB seit einigen Jahren<br />
intensiv mit möglichen Gegenmaßnahmen, betreibt<br />
ein Gesundheitszentrum für St<strong>of</strong>fwechselerkran
kungen und hat im Jahr 2009 ein eigenes Institut für<br />
Gesundheit und Innovation gegründet. Wichtig ist<br />
vor allem, gefährdete Personen und Typ-2-DiabetikerInnen<br />
in einer frühen Phase zu überzeugen, ihren<br />
Lebenswandel zu ändern. Besonders richtige<br />
Ernährung und Bewegung können den Krankheitsverlauf<br />
sehr positiv beeinflussen. Vielen PatientInnen<br />
ist meist zu wenig bewusst, welch gravierende<br />
Folgeschäden nicht richtig behandelter Diabetes<br />
hervorrufen kann. Durch verstärkte Ablagerungen<br />
im Blutkreislaufsystem sind selbst lebensbedrohliche<br />
Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall<br />
oder ein Nierenversagen möglich. Es kann auch zur<br />
Erblindung oder dem Absterben von Gliedmaßen<br />
kommen. Die St<strong>of</strong>fwechselkrankheit Diabetes hat<br />
Auswirkungen auf den ganzen Organismus.<br />
GESUNDHEITSDIALOG MIT PATIENTiNNEN<br />
Um früh in die Präventionskette eingreifen zu können<br />
und DiabetikerInnen dabei zu helfen, ihren Lebensstil<br />
positiv zu verändern, hat die VAEB den Gesundheitsdialog<br />
Diabetes ins Leben gerufen. Intensive<br />
und regelmäßige ärztliche Betreuung soll das<br />
Risiko für Folgeschäden reduzieren bzw. deren<br />
Entstehung verzögern.<br />
Um DiabetikerInnen den richtigen Umgang mit ihrer<br />
Krankheit zu zeigen, wurde bislang besonders<br />
auf Kuraufenthalte im speziell dafür eingerichteten<br />
Gesundheitszentrum Breitenstein sowie auf regelmäßige<br />
Arztbesuche gesetzt. Die dreiwöchigen Kuren<br />
mit zahlreichen Behandlungen und Aktivitätseinheiten<br />
zeigten durchaus eine positive Wirkung<br />
auf den Gesundheitszustand, doch nach der Kur<br />
nimmt mit der Zeit die Motivation der PatientInnen<br />
wieder ab, „gesund“ zu leben. Der positive „Kureffekt“<br />
verflog bei vielen einige Monate nach der Kur.<br />
Wenn nach zwei, drei Jahren – aufgrund verschlechterter<br />
Werte – wieder eine Kur anstand,<br />
wiederholte sich dieser Ablauf aufs Neue. Um eine<br />
nachhaltige Verbesserung des Gesundheitszustandes<br />
zu erreichen, galt es, diesen kontraproduktiven<br />
Zyklus zu durchbrechen,.<br />
In enger mehrjähriger Zusammenarbeit mit FachärztInnen<br />
und Stakeholdern aus dem Gesundheitsbereich<br />
wurde eine nach modernsten medizinischen<br />
Gesichtspunkten konzipierte Telemonitoring-Lösung<br />
realisiert. Denn für einen nachhaltigen<br />
Gesundheitseffekt ist bei chronischen Krankheiten<br />
eine kontinuierliche ärztliche Betreuung wichtig,<br />
die noch dazu stark motivierend wirkt. „Wir haben<br />
deshalb das elektronische DiabetikerInnentagebuch<br />
DIABMEMORY entwickelt“, erklärt Peter<br />
Kastner, Senior Engineer für Information Management<br />
& eHealth im <strong>AIT</strong> Safety & Security Department.<br />
Damit können die DiabetikerInnen selbst täglich<br />
ihre Gesundheitsparameter wie Blutzucker,<br />
Blutdruck, Gewicht und Wohlbefinden auf sehr einfache<br />
Art erfassen. Über die Eingabe via Internet<br />
und mobiler Endgeräte wie z. B. Smartphones können<br />
Blutdruck- oder Blutzuckermesswerte in eine<br />
zentrale Datenbank über eine sichere Internetverbindung<br />
übertragen werden. Damit sind auch die<br />
behandelnden ÄrztInnen laufend über den Gesundheitszustandes<br />
ihrer PatientInnen informiert und<br />
können bei bedenklichen Entwicklungen – etwa<br />
starke Gewichtszunahme oder zu hohe Blutzucker-<br />
werte – rasch eingreifen bzw. bei günstigen Entwicklungen<br />
mit Bemerkungen wie „Sie sind auf<br />
dem richtigen Weg“ motivierend einwirken. Die Idee<br />
hinter dem eHealth-Service DIABMEMORY ist also,<br />
einen echten Dialog herzustellen. Die Betr<strong>of</strong>fenen<br />
rücken in den Mittelpunkt. Gerade der Einsatz moderner<br />
Telemedizin-Technologie und die Anwendung<br />
von Präventionskonzepten bewirken einen<br />
nachhaltigen Einfluss auf die Autonomie und Gesundheit<br />
der PatientInnen. Eine wichtige Voraussetzung<br />
ist aber, dass das System wirklich angenommen<br />
wird. Deshalb haben die <strong>AIT</strong>-ExpertInnen<br />
besonders viel Wert auf eine möglichst einfache<br />
Handhabung gelegt.<br />
HÖHERE LEBENSQUALITÄT, GERINGERE KOSTEN<br />
Dass chronische Krankheiten aufgrund der Altersentwicklung<br />
ständig zunehmen, ist schon lange bekannt.<br />
Umso wichtiger ist es, Systeme zu entwi -<br />
ckeln, die eine wirksame Prävention und eine effiziente<br />
Unterstützung der laufenden Behandlung bei<br />
niedrigen Kosten ermöglichen. Die neue Form des<br />
Telemonitorings unterstützt die Kommunikation<br />
zwischen DiabetikerInnen und ÄrztInnen. In Summe<br />
wird also der Gesundheitszustand stark gefördert,<br />
während auf lange Sicht eine Verringerung der Be-<br />
SAFETY & SECURITY 15<br />
Mittels „DIABMEMORY“ können DiabetikerInnen<br />
täglich ihre Gesundheitsparameter wie Blutzucker,<br />
Blutdruck, Gewicht und Wohlbefinden auf sehr<br />
einfache Art selbst erfassen.
16 SAFETY & SECURITY<br />
handlungskosten zu erwarten ist. Ein Punkt, der für<br />
Sozialversicherungen bei der laufenden Alters- und<br />
Gesundheitsentwicklung ebenfalls sehr wichtig ist.<br />
Für ihre Initiative Gesundheitsdialog Diabetes wurde<br />
die VAEB deshalb vom Gesundheitsminister Alois<br />
Stöger mit dem E.T. Award für innovative PatientInnenkommunikation<br />
ausgezeichnet.<br />
Das seit März 2010 laufende Pro<strong>of</strong>-<strong>of</strong>-Concept-Projekt<br />
mit mittlerweile über 400 PatientInnen der<br />
VAEB zeigt schon sehr schöne Erfolge. „Wir haben<br />
langsam mit dem Projekt begonnen, um die Akzeptanz<br />
prüfen zu können“, erklärt Direktor Werner<br />
Bogendorfer von der VAEB, der mit dem Projekt betraut<br />
ist, „Von allen, die am Dialog Diabetes mittlerweile<br />
teilnehmen, sind nur fünf Prozent inaktiv.“<br />
Und selbst bei diesen wenigen PatientInnen sind es<br />
meist sehr triviale Verhinderungsgründe, die leicht<br />
beseitigt werden können. Die erstaunlich hohe Akzeptanzquote<br />
ist laut Bogendorfer besonders auf<br />
die sehr einfache Datenerfassung und -übertragung<br />
zurückzuführen.<br />
PETER KASTNER ///<br />
Senior Engineer für<br />
Information Management<br />
& eHealth<br />
„Für einen nachhaltigen Gesundheitseffekt<br />
ist unter anderem<br />
eine kontinuierliche Dokumentation<br />
des Krankheitsverlaufes<br />
erforderlich. Wir haben dafür<br />
‚DIABMEMORY’ entwickelt.“<br />
SORGLOSPAKET FÜR PATIENTiNNEN<br />
Das DIABMEMORY-KIT ist so zusagen ein „Sorglos -<br />
paket“ für die PatientInnen. Die vom <strong>AIT</strong> entwickelte<br />
Keep-in-Touch-Technologie hilft, dass wirklich<br />
jeder das System bedienen kann. Das Paket besteht<br />
aus einer handlichen Tasche, die Blutzuckerund<br />
Blutdruckmessgerät, ein Smartphone und eine<br />
Tafel mit Symbolen zur Bestimmung des Wohlbefindens<br />
und der Bewegungsaktivität beinhaltet.<br />
Durch einfaches Hinhalten des Smartphones werden<br />
die Daten, etwa auch von einer mit NFC ausgestatten<br />
Waage, automatisch übertragen. Zur Sicherheit<br />
bekommen die PatientInnen auch noch eine<br />
Key Card, mit der sie sich sicher identifizieren<br />
sowie an- und abmelden können. Die mühsame<br />
Eingabe eines PIN-Codes entfällt dadurch. Die vom<br />
<strong>AIT</strong> entwickelte S<strong>of</strong>tware ermöglicht natürlich auch<br />
weitere Angaben in vordefinierten Feldern. Darin<br />
können je nach Lust und Laune auch Daten wie die<br />
Dauer von sportlichen Aktivitäten genauer beschrieben<br />
werden. Für die DiabetikerInnen selbst<br />
fallen für DIABMEMORY und die Datenübertragungen<br />
keine Kosten an.<br />
EINFACHE UND SICHERE DATENÜBERTRAGUNG<br />
Für eine leichte Bedienung dieser neuen Technologie<br />
entwickelte das <strong>AIT</strong> zukunftsträchtige Usability-<br />
Konzepte. In diesem Kontext wurden mit dem KIT-<br />
Ansatz (Keep in Touch) NFC-basierende Eingabemethoden<br />
geschaffen, die eine intuitive Datenerfassung<br />
durch PatientInnen ermöglichen.<br />
Design und Architektur der Telemonitoring-Plattform<br />
des <strong>AIT</strong> garantieren bei der Datenübertragung<br />
in die Datenzentrale eine sehr hohe Datensicherheit.<br />
Zugriff auf die Daten haben hier nur behandelnde<br />
ÄrztInnen sowie die SystembetreuerInnen<br />
(nach ausdrücklicher Genehmigung durch die PatientInnen).<br />
In der Datenzentrale werden Auswertungen<br />
und Grafiken produziert, um eine optimale<br />
medizinische Betreuung zu erreichen. Die hohe Akzeptanz<br />
zeigt, dass die PatientInnen dem System<br />
vertrauen.<br />
Für die Entwicklung von DIABMEMORY mit der<br />
VAEB wurden in der Vorphase entsprechende klinische<br />
Studien zur Validierung der Ansätze für z. B.<br />
Diabetes durchgeführt. „Die Vorevaluierung im<br />
Rahmen klinischer Studien ist sehr wichtig“, betont<br />
Kastner. Bevor das System DIABMEMORY mit der<br />
VAEB in die Pro<strong>of</strong>-<strong>of</strong>-Concept-Phase ging, hat das<br />
<strong>AIT</strong> in einer längeren Vorlaufphase in klinischen<br />
Studien die grundsätzliche Akzeptanz der Datenerfassung<br />
mit Pr<strong>of</strong>. Bernhard Ludvik von der Klinischen<br />
Abteilung für Endokrinologie und St<strong>of</strong>fwechsel<br />
an der Medizinischen Universität Wien geprüft.<br />
Vor allem auch die hohe Akzeptanz bei PatientInnen<br />
konnte durch diese entsprechend konsequente Vorarbeit<br />
belegt werden.<br />
Die gute Zusammenarbeit zwischen VAEB und <strong>AIT</strong><br />
hat auch dazu geführt, dass heuer eine strategische<br />
Partnerschaft geschlossen wurde, um DIABMEMO-<br />
RY gemeinsam zu promoten und auch gemeinsam<br />
neue Telemonitoring-Lösungen für die nachhaltige<br />
Betreuung von PatientInnen mit chronischen<br />
Krankheiten zu entwickeln. ///<br />
Weitere Infos: Safety & Security<br />
Department, Michael Mürling,<br />
Tel.: +43 505 50-4126,<br />
E-Mail: michael.muerling@ait.ac.at,<br />
Web: www.ait.ac.at/safety_security<br />
FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Fotolia/kalafoto, Funkwerk Plettac Electronic GmbH
RESEARCH SERVICES<br />
eHealth & Ambient Assisted Living (AAL)<br />
Die Verfügbarkeit neuer Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
(IKT) erlaubt es, neue Ansätze für ein<br />
modernes Gesundheitssystem (eHealth) und für altersgerechte<br />
Assistenzsysteme (Ambient Assisted Living -<br />
AAL) zu verfolgen.<br />
Zukünftige Therapieansätze der nächsten Generation<br />
bauen auf geschlossenen Regelkreisen auf (Closed<br />
Loop Healthcare), in denen der Gesundheitszustand der<br />
PatientInnen laufend überprüft und gegebenenfalls die<br />
Therapie angepasst wird. Modernste Technologien helfen<br />
dabei, den kooperativen Behandlungsprozess beiderseits<br />
(ÄrztInnen und PatientInnen) durch<br />
asynchrone, dem jeweiligen Arbeitsrhythmus angepasste<br />
Kommunikation zeitlich und räumlich flexibel<br />
und effizient zu gestalten. Neue Ansätze für die intuitive<br />
und mobile Datenerfassung durch den PatientInnen<br />
mittels <strong>AIT</strong>-Technologie (Keep-in-Touch-Prinzip) erlauben<br />
es, Momentaufnahmen des medizinischen Zustandes<br />
(Einzel mes sungen) durch laufendes Telemonitoring<br />
zu ergänzen und dem Arzt bzw. der betreuenden Person<br />
die notwendigen Daten für eine individualisierte Therapie<br />
bereitzustellen. Diese neuen Funktionen und<br />
Systeme werden dabei in komplexe existierende IT-<br />
Infrastrukturen eingebettet und im medizinischen Kontext<br />
evaluiert und validiert. <strong>AIT</strong> fokussiert im Research<br />
Service eHealth & Ambient Assisted Living (AAL) auf<br />
integrierte eHealth-Lösungen für die Biomedizinische<br />
Forschung und patientenzentrierte Gesundheitsversorgung<br />
und arbeitet dabei eng mit den führenden medizinischen<br />
und technischen Universitäten in Österreich und<br />
darüber hinaus zusammen.<br />
Das Safety & Security Department bietet Auftragsforschung<br />
und Innovationen in folgenden Kompetenzfeldern<br />
an:<br />
n Telemonitoring and Therapy Management<br />
n Biomedical and Translational Research<br />
n Biosignal Processing and Knowledge-Based Systems<br />
n Ambient Assisted Living (AAL)<br />
Telemonitoring and Therapy Management<br />
Die <strong>AIT</strong>-eHealth-Lösungen für Telemonitoring and Therapy<br />
Management unterstützen die aktive Integration<br />
der PatientInnen, die Aufbereitung der Daten als auch<br />
eine effektive Kommunikation der beteiligten ÄrztInnen<br />
und PatientInnen. Die intuitive und sichere Erfassung<br />
der Gesundheitsdaten in Home-, Health- und Telemonitoring-Anwendungen<br />
basiert auf der <strong>AIT</strong>-Technologie<br />
und verwendet zukunftsträchtige Technologien wie z.<br />
B. Near Field Communication (NFC). Dies ermöglicht<br />
einfachste, intuitive Benutzung, Übernahme der aktuellen<br />
Messwerte und automatische Übertragung an<br />
einen zentralen Datenbank-Server, wo eine automatische<br />
Verarbeitung gestartet werden kann, sowie Out<strong>of</strong>-the-Box<br />
Connectivity ohne Vorkonfiguration und<br />
ohne Gerätepaarung.<br />
Das Safety & Security-Team stattet verschiedenste<br />
Messgeräte mit <strong>AIT</strong>-Technologie aus und bietet KITfähige<br />
Messgeräte inklusive Web-Interface (oder<br />
Daten-Relay) für Home-Health- und Telemonitoring<br />
sowie für klinische Studien.<br />
Die Forschung beinhaltet dabei immer eine enge<br />
Kooperation sowohl mit den Medizinischen und Technischen<br />
Universitäten, als auch mit relevanten Akteuren<br />
des eHealth-Ökosystems, um neben technischen<br />
Aspekten auch klinische, organisatorische und ökonomische<br />
Bedingungen berücksichtigen zu können. ///<br />
SAFETY & SECURITY 17<br />
WERNER BOGENDORFER,<br />
DIREKTOR BEI DER VAEB<br />
(VERSICHERUNGSANSTALT<br />
FÜR EISENBAHNEN UND<br />
BERGBAU), GESCHÄFTS-<br />
BEREICH GESUNDHEIT<br />
UND INNOVATION, ÜBER<br />
DAS PROJEKT „GESUND-<br />
HEITSDIALOG DIABETES“.<br />
Herr Bogendorfer, die VAEB nimmt mit dem „Gesundheitsdialog Diabetes“<br />
eine Vorreiterrolle in Sachen laufender Betreuung von Patientinnen<br />
und Patienten ein. Was kann Telemedizin im Bereich der<br />
chronischen Krankheiten bewirken?<br />
Beim Projekt Gesundheitsdialog haben wir zuerst mit der Analyse der<br />
Versorgung chronisch Kranker begonnen. Diabetes ist ins<strong>of</strong>ern eine problematische<br />
Krankheit, da der Patient als sein eigener Therapeut agieren<br />
und sich zu diesem Zwecke viel Wissen aneignen muss. Je nach<br />
Bildungsschicht, Betr<strong>of</strong>fenheit oder Gesundheits- bzw. Krankheitsbewusstsein<br />
haben die PatientInnen einen sehr unterschiedlichen Zugang<br />
zu ihrer Krankheit. Wir selbst betreiben eine Sonderkrankenanstalt für<br />
St<strong>of</strong>fwechselkrankheiten in Breitenstein, schulen die Leute über den<br />
Zusammenhang zwischen Ernährung und Bewegung und betreuen sie<br />
psychologisch. Es hat aber immer der nächste Schritt gefehlt, wie die<br />
PatientInnen nach der Kur dann eigenverantwortlich das erworbene<br />
Wissen nicht nur weiterpflegen, sondern auch im Alltag umsetzen.<br />
Wie hilft dabei das elektronische Tagebuch?<br />
Die Umsetzung in den Alltag funktioniert nur, wenn qualifizierte Daten<br />
über den Gesundheitszustand elektronisch zur Verfügung gestellt werden<br />
und wie bei DIABMED in ein elektronisches DiabetikerInnentagebuch<br />
integriert werden. Der/die Versicherte kommt dadurch in einen elektronischen<br />
Dialog, in dem er/sie regelmäßig die Werte misst und Feedback<br />
über den Gesundheitszustand erhält. Wichtig ist auch, dass wie bei DIAB-<br />
MEMORY vom <strong>AIT</strong> weiche Faktoren wie etwa das Wohlbefinden oder<br />
sportliche Aktivitäten erfasst werden. Mittlerweile wurden in Breitenstein<br />
über 400 PatientInnen mit dem elektronischen Tagebuch ausgestattet.<br />
Die Erfassung der Daten mit der NFC-Technologie ist sehr einfach. Auf<br />
diese Weise ermöglichen wir den Versicherten, dass sie qualifiziert Daten<br />
übermitteln können. Das hat die Akzeptanz erheblich gesteigert.<br />
In welchen Bereichen bringt das Entwicklungs-Know-how der <strong>AIT</strong>-<br />
Expertinnen und Experten hier besondere Vorteile?<br />
<strong>AIT</strong> hat das DIABMEMORY in der Ursprungsform entwickelt, zur Verfügung<br />
gestellt und schließlich in unsere Kooperation eingebracht. Ich<br />
glaube, dass insbesondere die Datenübertragung mit der NFC-Technologie<br />
des <strong>AIT</strong> ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Akzeptanz war.<br />
Der/die Versicherte will so rasch und einfach wie möglich die Werte<br />
erfassen und eine Rückmeldung bekommen, wo er/sie mit dem<br />
Gesundheitszustand gerade steht.<br />
Wie bewerten Sie die Innovationsleistungen der anwendungsorientierten<br />
Forschungsorganisation <strong>AIT</strong>?<br />
Aus den bisherigen Gesprächen und der Zusammenarbeit ist es für uns<br />
eine Freude zu sehen, welche Innovationskraft im <strong>AIT</strong> vorhanden ist. Das<br />
<strong>AIT</strong> hat für fast alle Bereiche schon Forschungsprojekte laufen oder gar<br />
fertige Technologielösungen, die es einbringen kann. Dadurch erwarten<br />
wir uns bei der Umsetzung unserer Gesundheitsziele auch einen gewaltigen<br />
Innovationsschub. Es gibt für eHealth schon viele technologische<br />
Lösungen, die jetzt von den Versicherungsträgern umgesetzt werden<br />
sollten. ///<br />
MOBILITY ➜
18 ➜ MOBILITY<br />
MIT SIMULATIONEN ZUM<br />
OPTIMALEN LÄRMSCHUTZ<br />
/// Lärmschutzwände leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Verkehrs-<br />
lärms. <strong>AIT</strong> setzt modernste Simulationsmethoden ein, um diese <strong>of</strong>tmals unverzicht-<br />
baren Schallbarrieren effizient, kostengünstig und sicher zu gestalten. ///<br />
Am <strong>AIT</strong> werden akus -<br />
tische und strukturdynamischeEigenschaften<br />
von Schallbarrieren<br />
bereits im<br />
Planungsstadium am<br />
Computer optimiert<br />
l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />
DIE EUROPÄISCHE UMGEBUNGSLÄRMRICHTLINIE<br />
sieht in den kommenden Jahren Aktionspläne für<br />
eine deutliche Lärmreduktion auf Straße und<br />
Schiene vor. „Dieses Ziel kann nur durch einen<br />
Maßnahmenmix in den Bereichen Schallemission,<br />
-ausbreitung und -immission erreicht werden“,<br />
erklärt Peter Maurer, Head <strong>of</strong> Business Unit<br />
„Transportation Infrastructure Technologies“ am<br />
<strong>AIT</strong> Mobility Department. Sein Team beschäftigt<br />
sich unter anderem intensiv mit der Simulation<br />
der Wechselwirkung zwischen Fahrbahn und Reifen,<br />
um Lärm bereits an der Quelle zu minimieren<br />
Strengere Lärmschutzrichtlinien und höhere Zuggeschwindigkeiten stellen steigende<br />
Anforderungen an Lärmschutzwände entlang von Autobahnen, Schnellstraßen<br />
und Schienenstrecken. Am <strong>AIT</strong> Mobility Department arbeitet man daran,<br />
die akustische Wirksamkeit und Sicherheit dieser Schallbarrieren zu erhöhen<br />
und gleichzeitig die Kosten für Produktion und Erhaltung zu senken. Mit<br />
modernsten Simulationsmethoden wird untersucht, wie sich komplexe Designs<br />
und innovative Materialien sowie Alterungsphänomene auf die Schallfelder im<br />
Nah- und Fernfeld auswirken. Die am <strong>AIT</strong> entwickelten Simulationsmodelle der<br />
aerodynamischen Belastung von Lärmschutzwänden an Eisenbahn-Hochleis -<br />
tungsstrecken werden im Sommer im Rahmen von Innovationsmessfahrten der<br />
ÖBB bei Zuggeschwindigkeiten von bis zu 330 km/h getestet.<br />
und die akustischen Eigenschaften, die Griffigkeit<br />
und den Rollwiderstand optimal aufeinander abzustimmen.<br />
„Bei der nächsten Stufe, der Eindämmung<br />
der Schallausbreitung, nehmen Lärmschutzwände<br />
eine zentrale Rolle ein“, so Maurer.<br />
„Am <strong>AIT</strong> entwickeln wir Simulationsmethoden,<br />
um die akustischen und strukturdynamischen Eigenschaften<br />
dieser Schallbarrieren bereits im<br />
Planungsstadium am Computer analysieren und<br />
optimieren zu können.“<br />
LÄRMSCHUTZ MIT BITS UND BYTES<br />
Der Bau von Lärmschutzwänden wirft aufgrund der<br />
in vielen Fällen zur Grenzwerteinhaltung erforderlichen<br />
Höhen erhebliche schalltechnische, finanzielle,<br />
bautechnische und landschaftsgestalterische<br />
Fragen auf. Ziel der Infrastrukturbetreiber ist<br />
es daher, durch neue Entwicklungen maximale Effizienz<br />
bei geringerer Bauhöhe und damit reduziertem<br />
Materialeinsatz zu erzielen. „Unser Ansatz besteht<br />
darin, die auftretenden Schallfelder realitätsnah<br />
zu simulieren,“ so Akustikexperte Manfred Haider.<br />
„Damit lässt sich in der Folge abschätzen, wie<br />
sich Design, Material und Alterung auf die zentra-
PETER MAURER ///<br />
Head <strong>of</strong> Transportation Infrastructure<br />
Technologies<br />
„Die EU sieht mittelfristig eine<br />
deutliche Lärmreduktion auf<br />
Straße und Schiene vor. Dieses<br />
Ziel kann nur durch einen Maßnahmenmix<br />
in den Bereichen<br />
Schallemission, -ausbreitung und<br />
-immission erreicht werden.“<br />
len akustischen Eigenschaften der Lärmschutzwand<br />
(LSW) und den Schallpegel in weiterer Entfernung<br />
auswirken.“ Im EU-Projekt QUIESST (QUIetening<br />
the Environment for a Sustainable Surface<br />
Transport) beschäftigt sich das Mobility Department<br />
mit dieser Fragestellung und leitet auch eines<br />
der sieben Work Packages.<br />
DESIGN UND MATERIAL<br />
ALS RECHNERISCHE HERAUSFORDERUNG<br />
Vor allem in der Formgebung von Lärmschutzwänden<br />
sind laufend neue Entwicklungen zu beobachten.<br />
„Das geht von speziell geformten Aufsatzelementen<br />
bis hin zu gekrümmten Wänden, wie man<br />
sie etwa an der Donauufer-Autobahn oder bei<br />
Schwechat sieht“, so Haider. Die dort auftretenden<br />
Schallfelder sind um einiges komplexer als bei annähernd<br />
senkrechten Wänden, und so lässt sich die<br />
Wirksamkeit dieser neuen Designs mit konventionellen<br />
Planungstools nur sehr schwer verifizieren.<br />
Dazu kommt, dass neben Aluminium, Holz und<br />
Holzbeton immer neue Materialien wie Kunstst<strong>of</strong>fe<br />
oder Schäume auf den Markt drängen, deren akus -<br />
tische Eigenschaften noch unzureichend erfasst<br />
sind. Am Mobility Department entwickelt man daher<br />
Simulationsmethoden, um die optimale Kombination<br />
aus Formgebung und Material in einem<br />
ganzheitlichen Ansatz berechnen zu können.<br />
RÄUMLICHE UND ZEITLICHE DISTANZEN<br />
Eine große Herausforderung für das Akustik-Team<br />
ist die Tatsache, dass sich die Schallfelder unmittelbar<br />
bei der Lärmschutzwand deutlich von jenen unterscheiden,<br />
die in größerer Entfernung gemessen<br />
werden. „Das ist darauf zurückzuführen, dass im<br />
Nahfeld und im Fernfeld sehr unterschiedliche akustische<br />
Phänomene auftreten“, so Haider. „Ein Verständnis<br />
dieses Zusammenhanges ist essenziell, um<br />
realistische Aussagen über den Immissionspegel<br />
treffen zu können, der bei den Anrainern ankommt.“<br />
Das Mobility-Team arbeitet daher daran, das gesamte<br />
Schallfeld zu simulieren und damit einen aussagekräftigen<br />
Input für die Immissionsberechnungen<br />
der Detaillärmschutzplanung zu liefern.<br />
Die Untersuchungen umspannen dabei nicht nur<br />
größere räumliche Distanzen, sondern auch längere<br />
Zeiträume. So können unter anderem Witterungseinflüsse<br />
oder strukturelle Schäden mit der<br />
Zeit zur Beeinträchtigung der akustischen Eigenschaften<br />
führen. Auf der Basis von In-situ-Messungen<br />
werden diese Alterungsphänomene am Computer<br />
simuliert, um daraus Prognosen des Langzeitverhaltens<br />
für eine maßgeschneiderte Erhaltungsplanung<br />
zu erstellen.<br />
OPTIMALE SICHERHEIT<br />
UND LIFE CYCLE MANAGEMENT<br />
Um die von der EU geforderten Grenzwerte für<br />
Schallschutz entlang des österreichischen Hauptschienennetzes<br />
erfüllen zu können, sind bis 2024<br />
Investitionen in Höhe von rund 1,45 Milliarden Euro<br />
notwendig. Da Züge in Zukunft mit immer höherer<br />
Geschwindigkeit und Frequenz unterwegs sein<br />
werden, sind die geplanten und bestehenden Lärmschutzwände<br />
entlang der Gleise einer steigenden<br />
Belastung ausgesetzt. „Bei der Vorbeifahrt eines<br />
Railjets mit 245 km/h entsteht durch die Druck-<br />
MANFRED HAIDER ///<br />
Scientist, Transportation<br />
Infrastructure Techno logies<br />
„Unser Ansatz besteht darin,<br />
die auftretenden Schallfelder<br />
realitätsnah zu simulieren.<br />
Damit lässt sich abschätzen,<br />
wie sich Design, Material und<br />
Alterung auf die akustischen<br />
Eigenschaften auswirken.“<br />
und Sogwelle zum Beispiel ein Staudruck, der einer<br />
Stoßbelastung von 50 kg/m² entspricht“, erläutert<br />
Herbert Friedl vom Mobility Department. „Hat die<br />
Lärmschutzwand die gleiche Eigenfrequenz, kommen<br />
zusätzliche Resonanzeffekte hinzu und können<br />
die Belastung um mehr als das Doppelte erhöhen.“<br />
In Deutschland wurden bereits Schadensfälle<br />
entlang von Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />
regis triert. Aufgrund der Vielzahl komplexer dynamischer<br />
Effekte und hoher Sicherheitsanforderungen<br />
kommt es bei gängigen Bemessungsverfahren<br />
<strong>of</strong>t zu einer Überdimensionierung. Im Projekt Opti<br />
LSW entwickeln Friedl und sein Team daher ein op-<br />
MOBILITY 19
20 MOBILITY<br />
Ziel der Infrastrukturbetreiber<br />
ist es, durch neue<br />
Entwicklungen von Schallschutzwänden<br />
maximale<br />
Effizienz bei geringerer<br />
Bauhöhe und damit reduziertem<br />
Materialeinsatz zu<br />
erzielen.<br />
timiertes Bemessungsverfahren zur wirtschaftlichen<br />
und sicheren Planung von Lärmschutzwänden.<br />
Ein Prognosemodell soll in weiterer Folge das<br />
Langzeitverhalten aus strukturdynamischer Sicht<br />
vorhersagen und so die Infrastrukturbetreiber im<br />
Life Cycle Management unterstützen.<br />
ERSCHÜTTERUNGEN IM MODELL<br />
In einem ersten Schritt führte das Team Eigenfrequenzmessungen<br />
an Lärmschutzwänden durch<br />
und erstellte daraus ein Computermodell des Gesamtsystems<br />
inklusive Steher, Fundierung und<br />
Wandkassetten. Dieses Modell wurde in der Folge<br />
mit Messdaten von Zugvorbeifahrten in Form eines<br />
HERBERT FRIEDL ///<br />
Engineer, Transportation<br />
Infrastructure Techno -<br />
logies<br />
„Im Projekt ‚Opti LSW’ entwickeln<br />
wir ein optimiertes<br />
Bemessungsverfahren zur<br />
wirtschaftlichen und sicheren<br />
Planung von Lärmschutzwänden.“<br />
Lastbilds gekoppelt, um die Auswirkungen der aerodynamischen<br />
Belastungen auf die Lärmschutzwand<br />
am Computer zu simulieren. Ergänzende<br />
Dauerschwingversuche gaben darüber hinaus Aufschluss<br />
über die Ermüdungsfestigkeit bei dauerndem<br />
Lastwechsel, sodass nun auch das Langzeitverhalten<br />
in die Simulation einfließen kann. Durch<br />
den ständigen Abgleich zwischen Messung und Si-<br />
mulation, dem sogenannten „Model Updating“,<br />
wird das Prognosemodell so weit optimiert, dass es<br />
eine realistische Abschätzung der Restlebensdauer<br />
bestehender Wände erlaubt.<br />
MIT 330 KM/H DURCHS TULLNER FELD<br />
Die Feuerprobe für das Bemessungsverfahren und<br />
das Prognosemodell erfolgt im Sommer an der<br />
neuen Hochleistungsstrecke Wien-St. Pölten. Vor<br />
der Inbetriebnahme des 44 km langen Teilstücks,<br />
das ab Dezember die Fahrzeit zwischen den beiden<br />
Städten auf 25 Minuten reduzieren wird, stellt die<br />
ÖBB die Strecke rund zwei Monate lang für umfangreiche<br />
Messkampagnen zur Verfügung. „Diese<br />
Innovationsmessfahrten geben uns die einzigartige<br />
Möglichkeit, unsere strukturdynamischen Modelle<br />
anhand von realen Zugvorbeifahrten zu überprüfen<br />
und die Simulationsergebnisse zu bestätigen“, so<br />
Friedl. Railjetfahrten bis 250 km/h stehen auf dem<br />
Programm, und auch ein ICE wird mit Geschwindigkeiten<br />
bis 330 km/h über die Strecke brausen. „Damit<br />
können wir über den Regelverkehr hinaus sicherstellen,<br />
dass wir mit unseren Modellen auch<br />
für die Zukunft gerüstet sind“, ist der Experte zuversichtlich,<br />
dass das erarbeitete Know-how die Stellung<br />
Österreichs als Vorreiter in puncto Lärmschutz<br />
sowohl in der wissenschaftlichen Forschung als<br />
auch in der wirtschaftlichen Umsetzung weiter fes -<br />
tigen wird. ///<br />
Weitere Infos: Mobility Department,<br />
Claudia Hable, Tel.: +43 505 50-6322,<br />
E-Mail: claudia.hable@ait.ac.at,<br />
Web: www.ait.ac.at/mobility<br />
FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, ÖBB, Photodisc
RESEARCH SERVICES<br />
Verkehrsinfrastruktur – Akustik<br />
Infrastrukturbetreiber sind mit der Aufgabe konfrontiert,<br />
Straße und Schiene nicht nur sicher, energieeffizient<br />
und langlebig, sondern auch leise zu gestalten. <strong>AIT</strong><br />
verfügt über umfangreiches Know-how in Messung,<br />
Analyse und Modellierung, um diese Anforderungen mithilfe<br />
von Computersimulationen in Einklang zu bringen.<br />
Die Simulationsergebnisse liefern Infrastrukturbetreibern<br />
schnell und kostengünstig wichtige Informationen<br />
für das Life Cycle Management und unterstützen sie in<br />
der Entwicklung innovativer Lärmschutzmaßnahmen.<br />
Lärmemissionen und Lärmschutz<br />
Lärmschutzwände:<br />
n Messung und akustische Analyse von Lärmschutzwänden<br />
in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Langzeitverhalten<br />
(Adrienne-Methode)<br />
n Optimierung von Lärmschutzwänden hinsichtlich<br />
Geometrie, Oberfläche, Materialien und Positionierung<br />
mittels moderner Simulationsverfahren<br />
n Prognose der Wirksamkeit von Lärmschutzmaßnahmen<br />
mithilfe von Schallfeld- und Schallausbreitungssimulationen<br />
Weitere Dienstleistungen im Bereich Akustik:<br />
n Gutachten für den Bereich Lärmschutz nach §31a<br />
Eisenbahngesetz<br />
n Akustische Untersuchungen für die Akkreditierung<br />
Wechselwirkung Fahrzeug/Infrastruktur<br />
Analyse der Wechselwirkungen zwischen Infrastruktur<br />
und Verkehr zur<br />
n Erstellung optimierter Erhaltungsstrategien (Life<br />
Cycle Analysis, Asset Management) für Infrastrukturbetreiber<br />
n Unterstützung von Herstellern bei der Entwicklung von<br />
neuartigen Fahrbahnbelägen, Infrastrukturkonstruktionen<br />
und Reifen mit optimierten Eigenschaften (Verkehrssicherheit,<br />
Lärm- und Schadst<strong>of</strong>femissionen)<br />
Verkehrsinfrastruktur – Dynamik<br />
Die Schienenverkehrsinfrastruktur ist aufgrund höherer<br />
Frequenzen und Geschwindigkeiten im Zugverkehr<br />
einer wachsenden dynamischen Belastung ausgesetzt.<br />
Durch die Kombination von Schwingungsmessungen<br />
vor Ort mit mathematischen Modellen können realitätsnahe<br />
Simulationen für Brücken, Straßen, Lärmschutzwände<br />
oder Gebäude erstellt und die<br />
unterschiedlichsten Szenarien simuliert werden.<br />
Numerische Methoden in der Baudynamik<br />
n Transiente Schwingungssimulationen<br />
n Nichtlineare Berechnungen für Boden und Bauwerk<br />
n Simulation der Wellenausbreitung im Untergrund<br />
n Entwicklung von Algorithmen für das Model Updating<br />
n Lösungen für Kontaktprobleme in der Fahrzeug-<br />
Fahrbahn-Interaktion<br />
Erschütterungsprognosen und Schwingungsanalysen<br />
n Analyse von Lärmschutzwänden bei dynamischer<br />
Lasteinwirkung<br />
n Erschütterungsprognosen für Bauverfahren<br />
n Prognosen von Schwingungsimmissionen durch Verkehrseinwirkung<br />
n Vibrationsprüfungen mit elektrodynamischem<br />
Schwingungserreger<br />
n Schock- und Schwingungsmessungen bei klimatisch<br />
veränderbaren Umweltbedingungen<br />
n Experimentelle Modalanalysen von Bauwerken ///<br />
MOBILITY 21<br />
HANNES KARI, ÖBB-INFRA-<br />
STRUKTUR BAU AG, ÜBER<br />
DEN EINSATZ VON LÄRM-<br />
SCHUTZWÄNDEN BEI<br />
HOCHGESCHWINDIGKEITS-<br />
STRECKEN IM SCHIENEN-<br />
VERKEHR .<br />
Herr Kari, welche Rolle spielt das <strong>AIT</strong> Mobility Department bei den<br />
Untersuchungen und Analysen von Lärmschutzwänden auf Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />
der ÖBB, und welches Know-how bringt es ein?<br />
In Zukunft werden immer mehr Züge mit immer höherer Geschwindigkeit<br />
auf dem österreichischen Schienennetz unterwegs sein. Die<br />
Druck- und Sogwelle dieser Hochgeschwindigkeitszüge führt zu einer<br />
stärkeren aerodynamischen Belastung der Infrastruktur entlang der<br />
Strecke. Wesentlicher Part des <strong>AIT</strong> Mobility Departments ist die Messung<br />
der Verformungen und Frequenzen von Lärmschutzwänden, um<br />
deren dynamische Beanspruchung infolge der Zugvorbeifahrten zu<br />
bestimmen. Das Know-how von <strong>AIT</strong> sowie die Messungen und Simulationen<br />
sind für uns eine wichtige Grundlage für die Bemessung und<br />
Erhaltungsplanung, damit wir sowohl optimalen Lärmschutz für die<br />
AnrainerInnen als auch größtmögliche Sicherheit im Bahnverkehr<br />
gewährleisten können.<br />
Was waren die größten gemeinsamen Herausforderungen im Projekt<br />
Opti LSW? Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem <strong>AIT</strong> Mobility<br />
Department?<br />
Die größte Herausforderung bei Projekten dieser Art im Allgemeinen<br />
ist die Frage der zeitlichen Koordination. Sie spielt insbesondere dann<br />
eine wichtige Rolle, wenn es um die Installation von Messinstrumenten<br />
an einer bereits in Betrieb befindlichen Strecke geht. Die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>AIT</strong> gestaltet sich in dieser Hinsicht immer sehr pr<strong>of</strong>essionell<br />
und unkompliziert. Vor allem für die im Rahmen von Opti LSW<br />
geplanten Innovationsmessfahrten ist aufgrund des streng vorgegebenen<br />
Zeitfensters ein koordiniertes Zusammenspiel aller Beteiligten<br />
eine zentrale Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Ablauf und<br />
aussagekräftige Ergebnisse.<br />
Wo sehen Sie die größten Verbesserungspotenziale und Ausbaumöglichkeiten<br />
von Lärmschutzwänden auf Hochgeschwindigkeitsstrecken<br />
zukünftig?<br />
Lärmschutzwände sind mittlerweile Teil unserer Landschaft geworden<br />
und sollten sich daher gestalterisch in die Umgebung einfügen. Gleichzeitig<br />
müssen sie aber auch den Reisenden eine möglichst ungestörte<br />
Aussicht ermöglichen. Diese Aufgabe lässt sich nur mit innovativen<br />
Ansätzen lösen. Dazu zählt unter anderem der Einsatz von Membranen<br />
statt Lärmschutztunnels, die auch für die lokale Energiegewinnung<br />
genutzt werden können. ///<br />
FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT ➜
22 ➜ FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />
STRUKTUR IM CHAOS<br />
/// Komplexe Systeme zeigen <strong>of</strong>t unerwartete Eigenschaften, die nicht aus den<br />
individuellen Handlungen der einzelnen AkteurInnen abgeleitet werden können.<br />
Mit Methoden wie der Multi-Agentenbasierten Simulation können ForscherInnen<br />
des <strong>AIT</strong> die komplexe Dynamik natürlicher und sozialer Systeme analysieren. ///<br />
l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />
HABEN SIE SCHON EINMAL EINEN VOGELSCHWARM<br />
AM ABEND BEOBACHTET, der in harmonischer Koordination<br />
seinem Rastplatz zustrebt? Vielleicht haben<br />
Sie sich auch gefragt, wie die zahlreichen Tiere<br />
sich nahezu perfekt synchronisiert bewegen können.<br />
Es gibt schließlich keine/n AnführerIn, der/die<br />
den ArtgenossInnen den Weg weist. Überraschenderweise<br />
lässt sich das kollektive Flugverhalten von<br />
Vögeln mit nur drei sehr einfachen Regeln beschrei-<br />
Das Verhalten natürlicher und sozialer Systeme wie Innovation, Wissenschaft<br />
und Technologie zeichnet sich <strong>of</strong>t durch eine unvorhersehbare Dynamik aus.<br />
Die individuellen Strategien und Handlungsmöglichkeiten der einzelnen<br />
Akteure resultieren auf der Makroebene in Phänomenen, die sich qualitativ von<br />
jenen der Mikroebene unterscheiden. Mithilfe von Methoden wie der Multi-<br />
Agentenbasierten Simulation (MAS) können Wirkmechanismen komplexer<br />
Systeme analysiert und Entwicklungstrends erkannt werden.<br />
ben, denen die Individuen intuitiv folgen. Diese sogenannte<br />
„Schwarmintelligenz“ findet man auch bei<br />
Fischen und anderen Tierarten. Sie ist ein besonders<br />
anschauliches Beispiel für Systemverhalten, das<br />
„wie von selbst“ aus den Interaktionen der einzelnen<br />
Individuen entsteht. Auch viele andere natürliche<br />
und soziale Systeme weisen überraschende Eigenschaften<br />
auf, die sich erst aus dem Zusammenspiel<br />
ihrer einzelnen AkteurInnen ergeben. In populärer<br />
Formulierung: Das Ganze ist mehr als die Summe<br />
seiner Teile. Die Entwicklung solcher Systeme ist<br />
deshalb nur schwer vorhersehbar. Die ForscherInnen<br />
des <strong>AIT</strong>-Departments „Foresight & Policy Development“<br />
verfügen über Methoden, mit denen sich<br />
solche komplexen Systeme modellieren lassen. Damit<br />
können sie Analysen durchführen, um Entwicklungstrends<br />
zu identifizieren und charakteristische<br />
Systemeigenschaften zu entdecken.
AGENTEN MIT ZUGEWIESENEN EIGENSCHAFTEN …<br />
Eine sehr mächtige und flexible Methode, um komplexe<br />
natürliche und soziale Systeme im Computer zu<br />
modellieren, ist die Multi-Agentenbasierte Simulation<br />
(MAS). Sie beruht darauf, im Modell eine beliebige<br />
Anzahl von AkteurInnen zu definieren – die AgentInnen.<br />
Diesen werden bestimmte Ziele, Eigenschaften<br />
und Verhaltensweisen zugewiesen. Zusätzlich kann<br />
man weitere Parameter als beeinflussende Rahmenbedingungen<br />
angeben. Anschließend startet man die<br />
Simulation und lässt die AgentInnen ihrer Definition<br />
gemäß agieren. Aus diesem „Simulationslauf“ ergibt<br />
sich das dynamische Systemverhalten als zeitlicher<br />
Ablauf. Durch Veränderung der Agenteneigenschaften<br />
und der übrigen Parameter kann man verschiedene<br />
Startbedingungen ausprobieren und so „Was<br />
wäre wenn“-Szenarien durchspielen.<br />
Die junge Wissenschaftlerin Manuela Korber verwendet<br />
MAS in ihrer Dissertation, die sie derzeit im Rahmen<br />
einer Kooperation zwischen dem <strong>AIT</strong> und der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien schreibt. Am Beispiel der<br />
Biowissenschaften im Raum Wien untersucht Korber<br />
die Wirkung von Forschungsförderung auf die Innovationsleistung<br />
des betrachteten Systems. In ihrem<br />
Modell sind die AgentInnen unterschiedliche Unternehmen,<br />
Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
der Vienna Region. „Die AgentInnen interagieren<br />
und verändern sich und ihre Umwelt“, erklärt Korber.<br />
„Wenn eine/r eine Handlung setzt, werden die anderen<br />
davon beeinflusst und reagieren ihrerseits.“<br />
Jede/r AgentIn hat ein gutes Dutzend Eigenschaften,<br />
darunter das jeweilige Forschungsfeld, spezifische<br />
Kernkompetenzen, Organisationstyp, Budget und MitarbeiterInnenanzahl.<br />
Zwischen den AgentInnen können<br />
während der Simulation verschiedene Arten der<br />
Kooperation entstehen. Diese beinhalten etwa gemeinsame<br />
Forschungsprojekte, Lizenzverträge, Austausch<br />
von ForscherInnen oder die Gründung eines<br />
Start-up-Unternehmens. „In welchem Ausmaß wer<br />
mit wem kooperiert, hängt von den zu Grunde liegenden<br />
Strategien ab“, erklärt Manuela Korber. „Manche<br />
AkteurInnen sind risikoscheu und suchen Partnerschaften<br />
nur mit AkteurInnen, die ein ähnliches Kompetenzpr<strong>of</strong>il<br />
aufweisen. Andere verhalten sich <strong>of</strong>fener.<br />
Wieder andere vermeiden Kooperationen überhaupt.“<br />
… LIEFERN FORSCHUNGSFÖRDERUNGS -<br />
EMPFEHLUNGEN<br />
Die aktuelle Diskussion in der Forschungs-, Technologie-<br />
und Innovationspolitik betrifft zwei Spiel-<br />
MANUELA KORBER ///<br />
Scientist, Foresight & Policy<br />
Development Department<br />
„In der Simulation interagieren<br />
unterschiedliche Agenten beispielsweise<br />
in gemeinsamen<br />
Forschungsprojekten, beim<br />
Austausch von ForscherInnen<br />
oder der Gründung eines Start-<br />
Up-Unternehmens.“<br />
arten öffentlicher Forschungsförderung, einerseits<br />
direkte Förderung in Form von Fördergeldern für<br />
konkrete Forschungsprogramme oder einzelne<br />
Projekte, andererseits indirekte Förderung über<br />
Steuererleichterungen. Letzteres kommt überwiegend<br />
nur Unternehmen zugute, ersteres allen AkteurInnen,<br />
wenn sie ihren Forschungsfokus in den<br />
vom Staat geförderten Forschungsfeldern haben.<br />
Je nachdem, welche Förderarten und -intensitäten<br />
im Modell angenommen werden und wie stark diese<br />
das System beeinflussen, ergeben sich teils sehr<br />
unterschiedliche Entwicklungen des Gesamtsystems.<br />
AgentInnen schließen sich zu Partnerschaften<br />
und Netzwerken zusammen oder lösen diese<br />
wieder auf, wachsen oder schrumpfen.<br />
Manche verschwinden sogar aus dem System, weil<br />
sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Andererseits<br />
gibt es auch Neugründungen, es entstehen also<br />
neue AgentInnen. Der typische Betrachtungszeitraum<br />
dieser Simulationsläufe ist 50 Jahre. Drei<br />
Sys temparameter interessieren Korber in ihrer Arbeit<br />
besonders: die Anzahl der Patente, die Anzahl<br />
der wissenschaftlichen Publikationen und die Anzahl<br />
der Hightech-Jobs.<br />
ERFOLG GANZER REGIONEN WIRD MESSBAR<br />
An diesen Output-Größen lässt sich nicht nur die<br />
Entwicklung eines einzelnen Unternehmens oder<br />
einer Forschungsinstitution, sondern indirekt auch<br />
der Erfolg einer ganzen Region recht gut ablesen.<br />
Für die Regierung bzw. die von ihr beauftragten<br />
Förderstellen sind solche Informationen sehr hilfreich.<br />
Denn sie erlauben es, die Auswirkungen der<br />
einzelnen Förderinstrumente im Vorhinein abzuschätzen.<br />
Dadurch können die politischen Entscheidungsträger<br />
frühzeitig lenkend in Innovationssysteme<br />
eingreifen.<br />
Theoretisch lassen sich Modelle so anpassen, dass<br />
sie jedes beliebige Verhalten zeigen. Ihre praktische<br />
Aussagekraft hängt deshalb davon ab, wie<br />
FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT 23
24 FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT<br />
stark sie in der Realität verankert sind.<br />
Manuela Korber hat die Eingangsparameter ihres<br />
Modells aus empirischen Quellen erhoben. Dafür<br />
erstellte sie eine Datenbank mit Informationen zu<br />
AkteurInnen und deren Forschungs-, Patent- und<br />
Publikationsaktivitäten. Ebenso wichtig ist, die Resultate<br />
des Modells an der Wirklichkeit zu überprüfen.<br />
„Ich habe empirische Daten über die Entwicklung<br />
des Wiener Life-Sciences-Sektors aus den<br />
vergangenen zwei Jahrzehnten ausgewertet“, erklärt<br />
Korber. „Daran kann ich messen, wie gut mein<br />
Modell mit der Realität übereinstimmt und es gegebenenfalls<br />
verfeinern.“<br />
UNTERSCHIEDLICHE FRAGESTELLUNGEN MÖGLICH<br />
Ein solcherart erfolgreich getestetes Modell lässt<br />
sich mit geringfügigen Anpassungen auch auf andere<br />
Fragestellungen anwenden. So soll eine verallgemeinerte<br />
Variante von Korbers Modell in einem<br />
Projekt zur Anwendung kommen, das derzeit<br />
in Zusammenarbeit mit der deutschen Universität<br />
Hohenheim in Planung ist. „In diesem Projekt<br />
wollen wir nicht nur die Biowissenschaften, sondern<br />
das Zusammenspiel mehrerer Technologiesektoren<br />
in einer gegebenen Region untersuchen“,<br />
sagt Manfred Paier vom Geschäftsfeld Re-<br />
„MAS“ ist zwar nicht das universelle Wundermittel, mit<br />
dem man jede mögliche Frage an natürliche oder soziale<br />
Systeme beantworten kann, fügt sich aber ideal in das<br />
umfangreiche <strong>AIT</strong>-Methoden-Repertoire ein.<br />
search, <strong>Technology</strong> & Innovation Policy. „Das Ziel<br />
ist es, die regionale Innovationsdynamik besser zu<br />
verstehen. So können z. B. Cluster-Strategien zur<br />
Vermeidung von regionaler Überspezialisierung<br />
und Lock-in ‚erprobt‘ werden.“<br />
Für Paier eignet sich MAS vor allem dazu, Sys -<br />
temzusammenhänge aufzudecken, die sich aus<br />
dem Zusammenspiel vieler einzelner AkteurInnen<br />
ergeben. Zudem lässt sich das Moment des<br />
Zufalls, das in realen Systemen immer eine Rolle<br />
MANFRED PAIER ///<br />
Scientist, Foresight & Policy<br />
Development Department<br />
„Unser Ziel ist es, die regionale<br />
Innovationsdynamik besser zu<br />
verstehen. So können etwa<br />
Clus ter-Strategien zur Vermeidung<br />
von regionaler Über spezi -<br />
ali sierung und Lock-in ‚erprobt‘<br />
werden.“<br />
ERNST GEBETSROITHER ///<br />
Scientist, Foresight & Policy<br />
Development Department<br />
„Im Projekt ‚MoZert’ spielen wir<br />
unterschiedliche Szenarien<br />
durch, wie sich ein personenbezogener<br />
Zertifikatshandel auf die<br />
sozialen Milieus, aber auch auf<br />
das Energiesystem als Ganzes<br />
auswirken kann.“<br />
spielt, gut erfassen. „Die neoklassische Ökonomie<br />
geht davon aus, dass Märkte zu einem Gleichgewichtszustand<br />
tendieren“, sagt Paier. „In der<br />
Praxis sehen wir, dass viele Systeme nicht so<br />
funktionieren. Mit Multi-Agentenbasierter Simulation<br />
können wir komplexe ökonomische Phänomene<br />
analysieren, die mit der Gleichgewichtstheorie<br />
nicht behandelbar sind.“<br />
KOMBINATION AUS MEHREREN METHODEN<br />
MAS ist zwar nicht das universelle Wundermittel,<br />
mit dem man jede mögliche Frage an natürliche<br />
oder soziale Systeme beantworten kann. Sie fügt<br />
sich aber ideal in das reichhaltige Repertoire an<br />
Methoden, das <strong>AIT</strong>-MitarbeiterInnen des Departments<br />
Foresight & Policy Development bei ihren<br />
Projekten zur Verfügung steht. Jede Methodik hat<br />
ihre Stärken und Schwächen.<br />
Eine clevere Kombination aus mehreren Methoden<br />
liefert <strong>of</strong>t Einsichten und Resultate, die die Möglichkeiten<br />
einer einzelnen übersteigen. „Durch die<br />
Kombination mehrerer Methoden können wir deren<br />
jeweiligen Stärken optimal ausnützen“, sagt Ernst<br />
Gebetsroither vom Geschäftsfeld Regional & Infrastructure<br />
Policy. So verbindet er beispielsweise im<br />
Projekt „MoZert“ (Modellierung und Analyse der<br />
Wirkungen personenbezogener Zertifikatshandelsmechanismen<br />
auf Haushalte und Energiesystem)<br />
MAS mit einem linearen Optimierungsansatz und<br />
dem Ansatz der Systemdynamik nach Jay W.<br />
123RF<br />
Forres ter.<br />
Das vom Klima & Energiefonds geförderte und über<br />
die FFG abgewickelte Projekt MoZert untersucht, <strong>Technology</strong>, <strong>of</strong><br />
welche Auswirkungen sogenannte „personenbezogene<br />
Zertifikatshandelssysteme“ auf das Energie-<br />
<strong>Institute</strong><br />
system, bzw. auf die ökonomische und soziale Situation<br />
der Menschen hätten. Dabei handelt es sich<strong>Austrian</strong><br />
um eine Forschungskooperation zwischen dem <strong>AIT</strong>, <strong>AIT</strong><br />
der <strong>Austrian</strong> Energy Agency, dem ecoPolicy-Lab<br />
Zeiller,<br />
und der Energy Economics Group der TU-Wien. Sol- &<br />
che Zertifikatssysteme sind zwar aktuell noch nicht<br />
im Einsatz, werden aber von einigen ExpertInnen<br />
Krischanz<br />
als mögliche Komponente einer Lösung des Klimaund<br />
Energieproblems, einer Transition zu einer so- FOTOS:
genannten „Low Carbon Society“, betrachtet.<br />
Die Idee besteht in einem jener Systeme z. B. darin,<br />
vergleichbar mit den bereits in der EU eingeführten<br />
CO 2 -Zertifikaten für die Industrie, den BürgerInnen<br />
Kontingente für den Energieverbrauch zuzuweisen.<br />
Wer mehr verbraucht, muss Zertifikate zukaufen.<br />
Verbraucht man weniger, kann man seine<br />
Zertifikate gewinnbringend verkaufen.<br />
Mittels MAS werden in MoZert rund 3.700 AgentInnen<br />
simuliert, von denen jeder 1.000 österreichische<br />
Haushalte repräsentiert. Jede/r AgentIn ist einem<br />
sozialen Milieu zugeordnet und hat verschiedene<br />
Verhaltensoptionen. So können manche in ein<br />
Passivhaus ziehen oder mehr öffentliche Verkehrsmittel<br />
verwenden etc.<br />
Die veränderte Endenergienachfrage der Haushalte<br />
wird an das Energiesystem als Bedarf übergeben,<br />
wobei jenes die Nachfrage so kostengünstig<br />
wie möglich befriedigen will. Dieser Kostenoptimierungsprozess<br />
wird über ein lineares Optimierungsmodel<br />
abgebildet. Das Energiesystem reagiert auf<br />
die geänderte Nachfrage mit Veränderungen im<br />
Energiepreis und jener wirkt wieder auf die zukünftigen<br />
Entscheidungen der AgentInnen zurück. „In<br />
der Simulation spielen wir unterschiedliche Szenarien<br />
durch, wie sich ein personenbezogener Zertifikatshandel<br />
auf die sozialen Milieus, aber auch auf<br />
das Energiesystem als Ganzes auswirken kann“,<br />
sagt Gebetsroither.<br />
KOMPLEXITÄT DES SYSTEMVERHALTENS<br />
Die Komplexität des Systemverhaltens ergibt sich<br />
hierbei aus der hohen Anzahl beteiligter Akteure,<br />
deren verschiedenen Handlungsoptionen (ca. 60<br />
pro Zeitschritt), sowie der direkten und indirekten<br />
Beeinflussung der AgentInnen untereinander. Zudem<br />
gibt es mehrere Varianten, wie ein personenbezogenes<br />
Zertifikatshandelssystem im Detail umgesetzt<br />
werden kann. Daraus resultieren verschiedene<br />
mögliche Auswirkungen (Szenarien) auf Bevölkerung<br />
und Energiesystem.<br />
Die Frage lautet dabei nicht nur, ob die Energiewende<br />
geschafft und der Ausbau erneuerbarer Energieträger<br />
mit dem neuen Zertifikathandelsinstrument<br />
erreicht werden könnte, sondern auch wie?<br />
Welche Varianten sind sozial verträglicher? Einige<br />
Szenarien zeigen die Gefahr auf, dass z. B. einkommensschwache<br />
Haushalte sich den Einsatz von<br />
Strom und Wärme nur mehr eingeschränkt leisten<br />
können und so in die „Energiearmut“ fallen. „Wir<br />
können zwar keine Prognosen im strengen Sinn abgeben“,<br />
sagt Gebetsroither. „Wir können aber analysieren:<br />
Wenn ich im Modell an diesen und jenen<br />
Schrauben drehe, hat das diese und jene Änderun-<br />
gen im System zufolge. Zudem können sensible<br />
Sys temelemente gefunden werden, die wesentlich<br />
für das Monitoring und die Regelung des Systems<br />
sind“ Sozio-ökonomische Entscheidungen der AkteurInnen<br />
werden <strong>of</strong>t sehr wesentlich durch die<br />
Handlungen politisch Verantwortlicher beeinflusst.<br />
Mithilfe der MAS in Kombination mit anderen Methoden<br />
liefern die WissenschaftlerInnen des <strong>AIT</strong><br />
den politischen Entscheidungsträgern hilfreiche<br />
Informationen, um mögliche Rückkopplungen des<br />
Systems als Reaktion auf ihrer Steuerungsversuche<br />
fundiert beurteilen zu können. Dies kann wiederum<br />
helfen, Lösungen mit einer höheren Akzeptanz<br />
in der Bevölkerung zu finden. ///<br />
Weitere Infos: Foresight & Policy<br />
Development Department,<br />
Beatrice Rath, Tel.: +43 505 50-4508,<br />
E-Mail: beatrice.rath@ait.ac.at,<br />
Web: www.ait.ac.at/f_pd<br />
RESEARCH SERVICES<br />
Systemische Forschungs-, Technologie- und Innovationspolitik<br />
FTI-Politik spielt eine zentrale Rolle für die Entwicklung<br />
von Innovationssystemen, die Stärkung der wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit und die Bewältigung gesellschaftlicher<br />
Herausforderungen. Hierfür müssen<br />
leistungsfähige und gut aufeinander abgestimmte Organisationsstrukturen,<br />
Governanceprozesse und Politik -<br />
instrumente entwickelt, analysiert und bewertet werden.<br />
Vor allem Foresight ist hierfür ein wichtiges Instrument.<br />
Klimaschutz- und Klimafolgenforschung<br />
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und<br />
Gesellschaft verlangen nach Strategien und Maßnahmen,<br />
wie diese Zukunft bewältigt werden könnte. Das Department<br />
befasst sich mit der Erfassung und Bewertung von<br />
Schadst<strong>of</strong>femissionen, um geeignete Vorschläge für<br />
Maßnahmen zur Minderung dieser entwickeln zu können.<br />
Dazu gehören sowohl technische Maßnahmen zum Klimaschutz<br />
als auch die Entwicklung von Ideen für die<br />
Gestaltung einer regionalen, nationalen und internationalen<br />
Technologiepolitik. Regionale Klimasimulationen<br />
liefern die Datengrundlage für die Erarbeitung von<br />
Anpassungsstrategien, die es ermöglichen sollen, mit<br />
bereits erkennbaren Umweltveränderungen sowohl ökonomisch<br />
als auch sozial verträglich in Einklang zu treten.<br />
Infrastrukturpolitik & Raum<br />
Um eine nachhaltige Regionalentwicklung sicherzustellen,<br />
ist es wichtig, ökologisch und sozial verträgliche<br />
Infrastrukturen bereitzustellen. Dafür ist die<br />
Kenntnis von Raumstrukturen, Raumbezügen, Wechselwirkungen<br />
und Prozessen sowie deren räumliche<br />
Analyse und Modellierung eine essenzielle Expertise,<br />
die im Department in den vergangenen Jahren aufgebaut<br />
werden konnte. ///<br />
FORESIGHT & POLICY DEVELOPMENT 25<br />
HEALTH & ENVIRONMENT<br />
➜
26 ➜ HEALTH & ENVIRONMENT<br />
WIN-WIN-SITUATION FÜR<br />
PFLANZEN UND BAKTERIEN<br />
/// In oder auf einer Pflanze lebende Mikroorganismen haben zahlreiche positive<br />
Auswirkungen auf die Gesundheit ihrer „Wirte“. ForscherInnen des <strong>AIT</strong> erkunden die<br />
vielfältigen Aspekte dieser Lebensgemeinschaften und ihrer AkteurInnen. ///<br />
l AUF DEN PUNKT GEBRACHT<br />
DENKT MAN AN BAKTERIEN, verbindet man damit<br />
meist wenig Erfreuliches wie etwa Infektionen. Tatsächlich<br />
aber spielen Bakterien auch eine äußerst<br />
positive Rolle im menschlichen Organismus, denn<br />
viele von ihnen produzieren wichtige St<strong>of</strong>fe wie Antibiotika<br />
und Enzyme.<br />
ANGELA SESSITSCH ///<br />
Head <strong>of</strong> Business Unit<br />
„Bioressources“<br />
„Bakterien können beispielsweise<br />
das Wachstum und die<br />
Gesundheit von Pflanzen fördern,<br />
sie vor bestimmten<br />
Krankheiten schützen oder<br />
ihre ‘Stressresistenz’ stärken.“<br />
Welche zentrale Bedeutung Bakterien auch für<br />
Pflanzen haben, wurde von der Wissenschaft lange<br />
übersehen. Das <strong>AIT</strong> war eine der weltweit ersten<br />
Forschungseinrichtungen, die sich mit diesem<br />
Thema befassten. „Als wir begannen, die positiven<br />
Wirkungen von Bakterien im Pflanzeninneren<br />
auf ihren Wirt zu erforschen, wurde von vielen<br />
noch nicht einmal akzeptiert, dass es solche Mikroorganismen<br />
überhaupt gibt“, berichtet Angela<br />
Für viele Probleme und Krankheiten liefert die Natur selbst die besten Heilmittel.<br />
So wird die Gesundung und Stärkung von Pflanzen maßgeblich von Mikroorganismen<br />
bestimmt, die in enger Gemeinschaft mit bzw. direkt in ihnen leben.<br />
Diese Bakterien können „ihre“ Pflanzen sogar vor Krankheiten schützen, gegen<br />
die Pestizide machtlos sind. Sie fördern Wachstum und Widerstandskraft selbst<br />
in schwermetallbelasteten Böden und wirken so maßgeblich bei der Sanierung<br />
mit. Um das enorme wirtschaftliche und ökologische Potenzial dieser pflanzenassoziierten<br />
Mikroorganismen nutzbar zu machen, werden am <strong>AIT</strong> mithilfe<br />
molekularbiologischer Methoden die Geheimnisse dieser nachhaltigen Partnerschaft<br />
gelüftet.<br />
Sessitsch, Head <strong>of</strong> Business Unit „Bioresources“<br />
am <strong>AIT</strong>. Was also macht diese Bakterien so interessant?<br />
„Sie können beispielsweise das Wachstum<br />
und die Gesundheit von Pflanzen fördern, sie<br />
vor bestimmten Krankheiten schützen oder ihre<br />
Stressresistenz so weit stärken, dass sie sogar in<br />
schwermetallverseuchten Böden wachsen“, erklärt<br />
die Mikrobiologin.<br />
BAKTERIEN ALS BIO-PESTIZIDE<br />
Der absolute Hotspot mikrobieller Aktivitäten ist<br />
der Wurzelraum im Boden, dem auch die direkt in<br />
der Pflanze lebenden Endophyten entstammen. Bei<br />
etlichen Pflanzenkrankheiten können bestimmte<br />
Endophyten als biologische Pflanzenschutzmittel<br />
genutzt werden. So beschäftigen sich die ForscherInnen<br />
in einem vom Wissenschaftsfonds geförderten<br />
Projekt etwa mit dem Einsatz nützlicher Mikroorganismen<br />
bei Phytoplasmosen, das sind<br />
durch pathogene Bakterien verursachte Pflanzenkrankheiten<br />
wie etwa die Schwarzholzkrankheit bei<br />
Weinreben, gegen die es keine wirksamen Pestizide<br />
gibt. „Wir untersuchen in diesem Zusammenhang,<br />
ob bestimmte Mikroorganismen in der Pflanze<br />
eine Resistenz bewirken und so die Toleranz gegen<br />
Phytoplasmosen erhöhen können“, erläutert<br />
GÜNTER BRADER ///<br />
Scientist, <strong>AIT</strong> Health &<br />
Environment Department<br />
„Wir untersuchen in diesem<br />
Zusammenhang, ob<br />
bestimmte Mikroorganismen<br />
in der Pflanze eine Resistenz<br />
bewirken und so die Toleranz<br />
gegen Phytoplasmosen<br />
erhöhen können.“
Projektleiter Günter Brader. Ein wesentliches Forschungsziel<br />
ist nicht zuletzt ein besseres Verständnis<br />
der Wechselwirkung zwischen Pflanze, Pathogen<br />
und Mikroorganismen. Genomsequenzierung<br />
und -vergleiche verschiedener Phytoplasmastämme<br />
sollen wertvolle Informationen darüber liefern,<br />
welche Phytoplasmagene in das Krankheitsgeschehen<br />
involviert sind. Da man Phytoplasmen<br />
nicht im Labor kultivieren kann, sind diese Untersuchungen<br />
auch technisch höchst anspruchsvoll.<br />
WOHER DIE KARTOFFEL IHRE KRAFT NIMMT<br />
Um die Erforschung der positiven Eigenschaften<br />
von Bakterien, die in Pflanzen oder in deren Wurzelraum<br />
leben, geht es auch im EU-Projekt VALORAM.<br />
Im Zentrum steht hier die Kart<strong>of</strong>fel, die in ihrer Ursprungsregion,<br />
den Anden, sogar noch in Höhen<br />
von über 4.000 Metern sehr gut gedeiht. Die Aufgabe<br />
der <strong>AIT</strong>-ExpertInnen ist es dabei, die mit der<br />
nahrhaften Knolle assoziierten Mikroorganismen<br />
unter die wissenschaftliche Lupe zu nehmen und<br />
dadurch zahlreiche <strong>of</strong>fene Fragen zu beantworten:<br />
Wie viele verschiedene Arten dieser hilfreichen<br />
Bakterien gibt es? Welche von ihnen stärken die<br />
Gesundheit der Kart<strong>of</strong>felpflanze? Welche können<br />
Pathogene abwehren oder die Ernährung der<br />
Pflanze verbessern? „Mit unseren Untersuchungen<br />
wollen wir Know-how schaffen, das vor allem den<br />
Menschen vor Ort zugute kommt“, so Sessitsch. Da<br />
Pestizide für die Andenbauern zu teuer sind, gibt es<br />
in dieser Region zahlreiche Firmen, die Mikroorganismen<br />
als Düngemittel anbieten. Über sie kann<br />
das neu gewonnene Wissen unmittelbar in die bäuerliche<br />
Praxis eingebracht werden.<br />
HIGHTECH-BEFRAGUNG DER BAKTERIELLEN GENE<br />
Wie bei sämtlichen Projekten in diesem Forschungsfeld<br />
setzen die WissenschaftlerInnen zur<br />
Erkundung der Pflanzen-Bakterien-Interaktion<br />
molekularbiologische Methoden ein. So werden etwa<br />
die wachstumsfördernden Eigenschaften der<br />
Um das enorme wirtschaftliche und ökologische<br />
Potenzial pflanzenassoziierter Mikroorganismen<br />
nutzbar zu machen, werden am <strong>AIT</strong> mit Hilfe molekularbiologischer<br />
Methoden die Geheimnisse der Pflanzen-Bakterien-Lebensgemeinschaft<br />
gelüftet.<br />
Bakterien mithilfe sogenannter metagenomischer<br />
Ansätze ermittelt, welche die Identifizierung der<br />
DNA einer ganzen Bakteriengemeinschaft ermöglichen.<br />
Damit erhalten die ForscherInnen Einblick<br />
in die komplexe Physiologie und Ökologie der Mikroorganismen.<br />
Zudem werden neueste Sequenziertechnologien<br />
zur Bewertung der Bakterienge-<br />
HEALTH & ENVIRONMENT 27
28 HEALTH & ENVIRONMENT<br />
Von der Schädlingsbekämpfung<br />
über die Bioenergieproduktion<br />
aus Pflanzen bis<br />
zur Phytosanierung – hilfreichen<br />
Bakterien und neuen<br />
molekularbiologischen<br />
Methoden gehört in diesen<br />
Bereichen die Zukunft.<br />
meinschaften genutzt. „Letztlich wollen wir mit diesen<br />
Untersuchungen eine ideale Wechselwirkung<br />
zwischen Pflanze, Bakteriengesellschaft und Boden<br />
gewährleisten und damit eine möglichst ertragreiche<br />
und nachhaltige Landwirtschaft nicht<br />
nur in den Anden fördern“, so Angela Sessitsch.<br />
MIT PFLANZENPOWER GEGEN SCHWERMETALLE<br />
Im Feld der Phytosanierung werden Pflanzen eingesetzt,<br />
um Schwermetalle entweder aus dem Boden<br />
zu extrahieren oder sie im Untergrund zu stabilisieren.<br />
Auch dabei spielen Bakterien eine wesentliche<br />
Rolle. So kann eine Pflanze nur dann<br />
Schwermetalle in sich aufnehmen, wenn diese in<br />
einer verfügbaren Form vorliegen. Untersuchungen<br />
im Rahmen des FWF-Forschungsprojekts „Salix“<br />
haben gezeigt, dass bei schwermetallaufnehmenden<br />
Weidenarten in der Wurzelzone Bakterien<br />
leben, welche die Metallakkumulation fördern können,<br />
indem sie die Löslichkeit von Zink und Kadmium<br />
im Boden steigern. Überdies erleichtern diese<br />
Bakterien das Pflanzenwachstum in kontaminierter<br />
Erde und lindern den Schwermetallstress der<br />
Pflanze. Um diese positiven Wirkungen gezielt in<br />
der Phytoextraktion einsetzen zu können, analysieren<br />
die <strong>AIT</strong>-ForscherInnen gemeinsam mit WissenschaftlerInnen<br />
der BOKU und der Universität Wien<br />
die komplexe Interaktion zwischen der Weide und<br />
ihren bakteriellen Unterstützern. Mit molekularbiologischen<br />
Methoden wird zudem untersucht, welche<br />
Bakteriengruppen sich bevorzugt mit metallakkumulierenden<br />
Pflanzen verbinden. „Diese Erkenntnisse<br />
sollen dazu beitragen, in Zukunft neben<br />
den geeigneten Pflanzen auch das beträchtliche<br />
Potenzial der mit ihnen assoziierten Bakterien für<br />
die Phytoextraktion besser zu nutzen“, erklärt Angela<br />
Sessitsch.<br />
NEUER TREND: MIKROORGANISMEN STATT CHEMIE<br />
Um kontaminierte Böden als Anbauflächen verwenden<br />
zu können und die Aufnahme von Schwermetallen<br />
durch die Pflanzen zu verhindern, müssen<br />
die Giftst<strong>of</strong>fe im Untergrund fixiert werden. Auch<br />
dazu bedarf es spezieller Bakterien. Diese werden<br />
im EU-Projekt „Greenland“ von den <strong>AIT</strong>-ForscherInnen<br />
näher untersucht.<br />
Ob Bodensanierung oder Pflanzenschutz und<br />
-wachstumsförderung, die Einsatzbereiche einer<br />
kontrollierten Pflanzen-Bakterien-Kooperation<br />
sind vielfältig und ihr potenzieller Nutzen immens.<br />
Eine Erkenntnis, die sich optimal in den europäischen<br />
Trend in Richtung Nachhaltigkeit einfügt. So<br />
soll in Frankreich beispielsweise der vor allem im<br />
Weinbau extrem hohe Pestizideinsatz bis 2018 halbiert<br />
werden.<br />
Von der Schädlingsbekämpfung über die Bioenergieproduktion<br />
aus Pflanzen bis zur Phytosanierung<br />
– hilfreichen Bakterien und neuen molekularbiologischen<br />
Methoden gehört in diesen Bereichen die<br />
Zukunft. Dass auch die EU die große Rolle der kleinen<br />
Organismen längst erkannt hat, beweist unter<br />
anderem die kürzlich ins Leben gerufene COST-<br />
Aktion „Endophytes for Agriculture and Biotechnology“,<br />
in deren Ausschuss mit Angela Sessitsch eine<br />
Pionierin der österreichischen Endophytenforschung<br />
vertreten ist. ///<br />
Weitere Infos: Health & Environment<br />
Department, Susanne Kiefer,<br />
Tel.: +43 505 50-4406,<br />
E-Mail: susanne.kiefer@ait.ac.at,<br />
Web: www.ait.ac.at/health_environment<br />
FOTOS: Krischanz & Zeiller, <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong> <strong>Technology</strong>, Bio-Ferm GmbH
RESEARCH SERVICES<br />
Nutzung der Kooperation zwischen Pflanze und<br />
Mikroorganismen<br />
Mikroorganismen spielen eine wesentliche Rolle für<br />
Wachstum und Widerstandsfähigkeit einer Pflanze. Das<br />
Department untersucht mit genbasierten Analysemethoden<br />
die molekularen Mechanismen von nützlichen<br />
Pflanzen-Bakterien-Interaktionen. Dieses Wissen kann<br />
gezielt zur Förderung des Pflanzenwachstums, zur<br />
Bekämpfung von Schädlingen und zur Sanierung kontaminierter<br />
Böden durch Pflanzen eingesetzt werden.<br />
n Bereitstellung Tausender Bakterienstämme mit<br />
potenziell nützlichen Eigenschaften<br />
n Selektion geeigneter Bakterienstämme zur Anwendung<br />
in der Pflanzenproduktion und Bodensanierung<br />
n Monitoring und Optimierung von Anwendungen im<br />
Feld<br />
n Identifizierung und Nutzbarmachung neuer Mechanismen<br />
gegen Pflanzenstress oder Schädlingsbefall<br />
mithilfe genetischer Methoden<br />
Nutzung des genetischen Potenzials pflanzenassoziierter<br />
Mikroorganismen<br />
Für eine effiziente Auswahl geeigneter Mikroorganismen<br />
zum Einsatz in der Landwirtschaft, bei der Bodensanierung<br />
oder in der Industrie (z. B. neue Antibiotika<br />
und Enzyme) werden molekularbiologische Verfahren<br />
erarbeitet. Einerseits werden Hochdurchsatz-Screenings<br />
entwickelt, in denen eine Vielzahl von Stämmen<br />
getestet werden kann, andererseits werden geno -<br />
mische Verfahren herangezogen, um effiziente<br />
Mikroorganismen zu identifizieren. Mittels genomischer<br />
und metagenomischer Methoden können auch<br />
neue Eigenschaften bzw. Enzyme oder Metabolite aufgespürt<br />
werden.<br />
n Etablierung von Hochdurchsatz-Screenings zur Identifizierung<br />
von Mikroorganismen mit gewünschten<br />
Eigenschaften<br />
n (Meta-)Genomische Methoden zur Auffindung neuer<br />
bioaktiver Enzyme und Metaboliten<br />
n Taxonomische und genomische Charakterisierung<br />
von Bakterien<br />
n Entwicklung von Markern zur Nachverfolgung von<br />
Mikroorganismen ///<br />
HEALTH & ENVIRONMENT 29<br />
CHRISTINA DONAT VON<br />
DER BIO-FERM GMBH<br />
ÜBER DIE BEDEUTUNG<br />
VON BIOTECHNOLOGI-<br />
SCHEM PFLANZEN-<br />
SCHUTZ.<br />
Frau Donat, welche Rolle spielt<br />
Forschung im Bereich biotechnologischer<br />
Pflanzenschutz für bi<strong>of</strong>erm?<br />
Forschung spielt für uns bei bi<strong>of</strong>erm<br />
eine große Rolle. Ein Drittel<br />
unserer MitarbeiterInnen sind im Bereich der Forschung mit dem<br />
Hauptsitz in Konstanz tätig. Pflanzenschutzmittel haben eine begrenzte<br />
Lebensdauer am Markt, die Registrierungsdaten sind bei Pflanzenschutzmitteln<br />
nur zehn Jahre geschützt. Ab dann könnten andere Firmen<br />
ähnliche Produkte auf den Markt bringen. Es ist für uns daher sehr<br />
wichtig, immer wieder neue Produkte und Produktkonzepte in der Pipeline<br />
zu haben. bio-ferm präsentiert die eigenen Forschungsergebnisse<br />
bei wissenschaftlichen Konferenzen und hat großes Interesse an Forschungskooperationen.<br />
Unsere Produkte verfügen über einen intelligenten<br />
Wirkmechanismus: Lebende, sowohl für die Pflanze selbst, als<br />
auch für Mensch und Umwelt unschädliche Mikroorganismen werden<br />
auf die Pflanze aufgebracht und treten dort mit den Krankheitserregern<br />
in Konkurrenz um Platz und Nährst<strong>of</strong>fe. Gegen diese natürliche Konkurrenz<br />
unserer Antagonisten können keine Resistenzen entwickelt<br />
werden.<br />
Das <strong>AIT</strong> nutzt Wechselwirkungen zwischen Mikroorganismen und<br />
Pflanze, um mit weniger Chemie höhere Erträge zu erzielen. Was halten<br />
Sie davon?<br />
Die intensive Forschung an diesen Wechselwirkungen im Bereich der<br />
Phytoplasmosen ist vielversprechend und sehr wichtig. Gegen diese<br />
Pflanzenkrankheiten, die durch endophytische Krankheitserreger ausgelöst<br />
werden, gibt es nach momentanem Stand des Wissens keine<br />
chemischen Bekämpfungsmöglichkeiten. Um aber diese Ansätze in<br />
absehbarer Zeit zur Marktreife zu führen, müssen noch ein paar Hürden<br />
genommen werden – neben der kosten- und zeitintensiven Registrierung<br />
ist eine weitere bei endophytischen Anatgonisten sicher die Ausbringungstechnik.<br />
Um hier Fortschritte zu erzielen, ist es wichtig, dass<br />
Forschung und Entwicklung von öffentlicher Hand gefördert werden.<br />
Welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht diese neuen Ansätze im biotechnologischen<br />
Pflanzenschutz für die Zukunft der Landwirtschaft?<br />
Wir bei bio-ferm verstehen unter biotechnologischem Pflanzenschutz<br />
den Einsatz von lebenden Mikroorganismen zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten<br />
und sehen hier sehr viel Potenzial für die Zukunft. Die<br />
chemische Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten ist mit einigen Nachteilen<br />
verbunden, wie etwa dem Auftreten von Resistenzen. Auch die<br />
Rückstände von chemischen Pestiziden auf pflanzlichen Nahrungsmitteln<br />
werden von der Gesellschaft zunehmend kritischer betrachtet. Aus<br />
meiner Sicht ist im Bereich biotechnologischer Pflanzenschutz noch viel<br />
Entwicklungs- und Überzeugungsarbeit bei den PflanzenschutzberaterInnen<br />
und LandwirtInnen zu leisten. Unsere intelligenten Produkte<br />
funktionieren genauso gut wie chemische Pflanzenschutzmittel, die<br />
Wirkung ist vergleichbar und die Ausbringungstechnik dieselbe. Zusätzlich<br />
ist auch eine breite Aufklärung bei den KonsumentInnen wichtig,<br />
um die neuen Möglichkeiten des biotechnologischen Pflanzenschutzes<br />
bekannt zu machen und so die Nachfrage nach in dieser Form behandelten<br />
Lebensmitteln zu steigern. ///<br />
BERUFSBILDER ➜
30 ➜ BERUFSBILDER<br />
KARRIEREWEGE BEIM <strong>AIT</strong><br />
/// Tomorrow Today wollte von Petra Schaper-Rinkel, Senior Scientist am <strong>AIT</strong> Fore-<br />
sight & Policy Development Department, wissen, wie der Forschungsalltag einer<br />
Foresight-Expertin aussieht und wie exakt die Hochrechnung der Gegenwart auf<br />
die Zukunft wirklich sein kann. ///<br />
Petra Schaper-Rinkel,<br />
Senior Scientist am<br />
<strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong><br />
<strong>of</strong> <strong>Technology</strong><br />
Frau Schaper-Rinkel, Sie haben im November einen<br />
Buchbeitrag mit dem Titel „Die Generierung<br />
von Zukunft“ veröffentlicht. Wie weit lässt sich „Zukunft“<br />
auf Basis wissenschaftlicher Hypothesen<br />
über die mögliche Weiterentwicklung der Gegenwart<br />
wirklich vorhersagen? Und wie hoch liegt dabei<br />
die „Trefferquote“?<br />
Petra Schaper-Rinkel: Akteurinnen und Akteure aus<br />
Politik und Wirtschaft wollen heute wissen, was morgen<br />
wichtig ist. Zukunft wird heute gemacht, und mit<br />
unserer Forschung analysieren wir die Faktoren, die<br />
für die Zukunft entscheidend sind. Wir sagen keine<br />
Zukunft voraus, denn für vielschichtige Sachverhalte<br />
in komplexen Gesellschaften lassen sich keine Vorhersagen<br />
treffen. Die Zukunft ist ein Möglichkeitsraum,<br />
doch um bestimmte Möglichkeiten in der Zukunft<br />
zu eröffnen, müssen in der Gegenwart Entscheidungen<br />
getr<strong>of</strong>fen werden. Wir können nicht sagen,<br />
wie die Zukunft sein wird, aber welche Entscheidungen<br />
zukünftige Entwicklungen voraussichtlich in welche<br />
Richtung beeinflussen werden.<br />
Welche Art von Orientierungshilfe wird aus Politik<br />
und Wirtschaft von Foresight-ExpertInnen am<br />
meis ten angefragt?<br />
Schaper-Rinkel: Strategisches Handeln ist heute in<br />
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit der Antizipation<br />
hypothetischer Zukünfte verbunden. Wir entwickeln<br />
solche möglichen Zukünfte in Form von Simulationen,<br />
Modellen, Strategien, Empfehlungen<br />
und insbesondere in Form von Szenarien. Für die<br />
Europäische Kommission erarbeiten wir diese Zukunftsexpertise<br />
in internationalen Netzwerken und<br />
in Foresight-Prozessen mit WissenschaftlerInnen<br />
und ExpertInnen aus Universitäten, Forschungseinrichtungen,<br />
aus der Politik, NGOs und Verbänden.<br />
Wie sieht der Arbeitsalltag einer Foresight-Forscherin<br />
aus?<br />
Schaper-Rinkel: Mein Spezialgebiet ist die Frage,<br />
wie zukünftige Technologien gesellschaftlich formiert<br />
werden und wie sie politisch und gesell-<br />
schaftlich bestimmt werden können. Zu solchen<br />
Fragen führen wir partizipative Foresight-Prozesse<br />
durch. Das sind analytische Suchprozesse, um<br />
aus ganz unterschiedlichen Disziplinen und Perspektiven<br />
Vorstellungen zu entwickeln, wie die<br />
Welten von morgen technologisch und gesellschaftlich<br />
aussehen könnten – und was diese unterschiedlichen<br />
möglichen Zukünfte an heutiger<br />
Forschungs- und Innovationspolitik erfordern. Wir<br />
werten wissenschaftliche Datenbanken aus, analysieren<br />
Trends sowie futuristische Blogs und führen<br />
Szenario-Workshops durch, in denen wir wissenschaftliche<br />
und kreative Methoden verbinden, um<br />
aus dem linearen Denken auszubrechen, das die<br />
Gegenwart einfach in die Zukunft verlängert.<br />
Was schätzen Sie bei Ihrer Arbeit am <strong>AIT</strong> am meis ten?<br />
Schaper-Rinkel: Ich schätze die Internationalität<br />
der Teams und die Unterschiedlichkeit meiner Projekte:<br />
Die reicht von der Beratung zur Weiterentwicklung<br />
von bestehenden Forschungsprogrammen<br />
bis hin zur Analyse von Zukunftstechnologien,<br />
deren Realisierung in der Zukunft noch völlig ungewiss<br />
ist. Und ich schätze es sehr, im schönen<br />
Wien zu leben und in internationalen Projekten die<br />
Wissenschaftskulturen anderer Länder kennenzulernen.<br />
Was unterscheidet aus Ihrer Sicht die Forschungsarbeit<br />
an einer Universität mit jener in außeruniversitären<br />
Einrichtungen für den/die einzelne/n WissenschaftlerIn?<br />
Schaper-Rinkel: Transdisziplinarität ist an einer außeruniversitären<br />
Forschungseinrichtung wie dem<br />
<strong>AIT</strong> viel stärker gefragt als an einer Universität. Wir<br />
verknüpfen wissenschaftliches Wissen mit Expertise<br />
von AkteurInnen aus Gesellschaft und Wirtschaft,<br />
um Handlungsmöglichkeiten für die Zukunft zu analysieren.<br />
Wir arbeiten gleichzeitig in mehreren interdisziplinären<br />
Projekten und können uns breitere<br />
Wissenschaftsgebiete erschließen. Das ist in disziplinärer<br />
Universitätsforschung schwieriger. ///
INNOVATIONSKALENDER<br />
02. – 04. 03. 2012: ENERGIESPARMESSE WELS<br />
Die Energiesparmesse Wels ist Österreichs Leitmesse für innovatives<br />
Bauen sowie für effiziente Energienutzung und -gewinnung. Mit<br />
über 74.000 privaten und rund 28.000 gewerblichen BesucherInnen<br />
aus dem gesamten Bundesland und den angrenzenden Nachbarländern<br />
ist die Energiesparmesse nicht nur Österreichs größte Publikumsmesse,<br />
sondern vor allem auch die größte und stärkste österreichische<br />
Fachmesse für Energie-ExpertInnen. Veranstaltungsort:<br />
Messe Wels.<br />
Infos: www.energiesparmesse.at<br />
11. – 15. 03. 2012: TMS 2012: LINKING SCIENCE AND TECHNOLOGY<br />
FOR GLOBAL SOLUTIONS; ANNUAL MEETING & EXHIBITION<br />
Im März finden sich in Orlando im Zuge der TMS 2012 ExpertInnen aus<br />
Industrie und Forschung aus über 68 Ländern ein, um über Innovationen<br />
auf dem Werkst<strong>of</strong>fsektor zu diskutieren und diese zu präsentieren.<br />
Christian Chimani, Light Metals Technologies Ransh<strong>of</strong>en, wird einen<br />
Vortrag zum Thema „Studies on Flow Characteristics at High-<br />
Pressure Die-Casting“ halten. Veranstaltungsort: Swan and Dolphin<br />
Resort, Orlando, Florida.<br />
Infos: www.tms.org/meetings/annual-12/AM12home.aspx<br />
15. 03. – 17. 03. 2012: EU SPRI PHD SPRING SCHOOL, WIEN<br />
Das Foresight & Policy Development Department veranstaltet die EU<br />
SPRI PhD Spring School zum Thema: „Anticipation in the Governance<br />
<strong>of</strong> Innovation: Expectations, Foresight and <strong>Technology</strong> Assessment”.<br />
Infos: www.ait.ac.at/eu-spri-school<br />
HEALTH & ENVIRONMENT SEMINAR SERIES 2012<br />
07. 03. 2012<br />
FERGAL O'GARA, NATIONAL UNIVERSITY OF IRELAND,<br />
IRELAND<br />
New horizons for beneficial plant – bacterial interactions to<br />
promote agricultural biotechnology *<br />
28. 03. 2012<br />
OTTO STRACK, UNIVERSITY OF MINNESOTA, USA<br />
The analytic element method for groundwater modeling:<br />
an overview<br />
25. 04. 2012<br />
HÉLÈNE BERGÈS, NATIONAL INSTITUTE FOR<br />
AGRICULTURAL RESEARCH, FRANCE<br />
Efficient gene identification: combining novel sequencing<br />
technologies with established resource collections *<br />
13. 06. 2012<br />
ALEX MIHAILIDIS, UNIVERSITY OF TORONTO, CANADA<br />
Disruptive technologies for elder care and wellness<br />
➜ VERANSTALTUNGEN 31<br />
29. 03. 2012: 9. FORUM INNOVATION, PERCHTOLDSDORF<br />
Die Plattform für Innovationsmanagement (PFI) veranstaltet zum<br />
neunten Mal das Forum Innovation – die österreichische Topveranstaltung<br />
für Innovationsmanagement, bei der InnovationsexpertInnen die<br />
neuesten Trends und Erfahrungen austauschen.<br />
Infos: www.pfi.or.at<br />
31. 03. – 01. 04. 2012: ARGUS BIKE FESTIVAL<br />
Das ARGUS Bike Festival ist eine der größten Fahrradmessen Österreichs<br />
mit rund 100 Ausstellern, E-Bike-Beratung und Testmöglichkeit<br />
mit über 50 verschiedenen E-Bike-Modellen, permanentem Bühnenprogramm<br />
mit Produktvorstellungen sowie diversen Workshops.<br />
Das <strong>AIT</strong> Mobility Department nimmt als Staatspreis-Gewinner des<br />
Projektes „SEEKING – SAFE E-BIKING“ ebenfalls teil und betreibt im<br />
Zuge der Veranstaltung freiwillige Parcourstests für das Forschungsprojekt.<br />
Veranstaltungsort: Rathausplatz, 1010 Wien<br />
Infos: www.bikefestival.at<br />
21. – 25. 05. 2012: SMART GRIDS WEEK<br />
Die Smart Grids Week soll entscheidend dazu beitragen, den in Österreich<br />
erfolgreich begonnenen Prozess der Weiterentwicklung der<br />
Elektrizitäts-Infrastrukturen weiter zu stärken und die Anbindung an<br />
die internationalen Entwicklungen zu forcieren. Als Kooperationspartner<br />
ist das <strong>AIT</strong> Energy Department auch heuer wieder mit ExpertInnen-Vorträgen<br />
vertreten. Veranstaltungsort: Illwerke vkw sowie Bregenzer<br />
Festspiel- und Kongresshaus, Bregenz.<br />
Infos: www.nachhaltigwirtschaften.at/results.html/id6505<br />
… features lectures and discussions with leading scientists referring to our research fields.<br />
Supported by:<br />
03. 10. 2012<br />
RICHARD SIMON, NATIONAL INSTITUTE OF HEALTH,<br />
USA<br />
Developing targeted, personalized oncology therapeutics:<br />
new opportunities, challenges and paradigms<br />
Date<br />
WEDNESDAYS, 3.30 PM<br />
Place<br />
TECHGATE, SEMINAR ROOM 0.3, DONAU-CITY-STR. 1,<br />
1220 VIENNA<br />
*<strong>AIT</strong> TULLN, KONRAD-LORENZ-STRASSE 24,<br />
3430 TULLN<br />
Further information<br />
WWW.<strong>AIT</strong>.AC.AT/HEALTH_ENVIRONMENT
Wenn es um bahnbrechende Innovationen geht, ist das <strong>AIT</strong> <strong>Austrian</strong> <strong>Institute</strong> <strong>of</strong><br />
<strong>Technology</strong> der richtige Partner für Ihr Unternehmen: Denn bei uns arbeiten<br />
schon heute die kompetentesten Köpfe Europas an den Tools und Technologien<br />
von morgen, um die Lösungen der Zukunft realisieren zu können.<br />
Mehr über die Zukunft erfahren Sie hier: www.ait.ac.at<br />
Mehr Informationen<br />
über uns fi nden Sie hier: