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Altstadtsanierung am "Pelô"

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170 Horizontale Diskriminierung: Die Verdrängung gesellschaftlicher Integrationsdefizite<br />

eine aggressive Entladung der Spannungen nach "oben". Die "Ausgegrenzten" besitzen nicht<br />

die Macht und haben auch nicht den Glauben daran, sowohl an den sozialen Verhältnissen<br />

als auch an der eigenen Biographie etwas ändern zu können. 47) Diese während der indivi-<br />

duellen Entwicklung und im historischen Prozeß gewachsene Alltagserfahrung reproduziert<br />

sich täglich aufs neue, sei es durch die zum Teil menschenverachtende Ignoranz der Politiker<br />

hinsichtlich der immensen sozialen Probleme der unteren Schicht oder sei es in der schwie-<br />

rigen Beziehung mit den höheren sozialen Schichten, deren charakteristische Merkmale hier<br />

als Stigmatisierung und Abgrenzung erkannt wurden. Die Resignation angesichts der unver-<br />

änderlich erscheinenden sozialen Antagonismen richtet sich daher in Form von Aggression<br />

gegen die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe, die einzige Ebene, die erreichbar und<br />

beeinflußbar erscheint. Nur auf dieser Ebene hat die Relativierung des internalisierten<br />

Minderwertigkeitsgefühls Aussicht auf Erfolg. Über die horizontale Diskriminierung wertet<br />

man sich selbst auf und kompensiert gleichzeitig die eigene Ausgrenzungsfrustration. An der<br />

Existenz dieses sozialen Phänomens stellen wir zugleich fest, daß die F<strong>am</strong>ilie allein, die hier<br />

als wichtigste und für viele als einzige Instanz sozialer Integration erkannt wurde, nicht<br />

ausreicht, um die aufgebauten Spannungen zu entladen bzw. den Frust zu kompensieren; sie<br />

kann sie lediglich relativieren, nicht aber generell beseitigen. Der verbliebene "Spannungs-<br />

überschuß" drängt nach Befreiung. Hierfür ist horizontale Diskriminierung eine denkbare<br />

Alternative. Ihre Bedeutung wächst zudem mit der Beschränkung "traditioneller" Alternativen,<br />

mit denen die sozialen Spannungen im historischen Zentrum früher abgebaut wurden.<br />

Gewalttätige Ausbrüche in Form von zahllosen Schlägereien, wie sie zu Zeiten der comunida-<br />

de zum täglichen Bild des Stadtteillebens gehörten, wurden durch die Verstärkung der<br />

Polizeipräsenz seit Beginn des ehrgeizigen Restaurierungsprojekts aus dem Maciel/Pelourinho<br />

verbannt. Beseitigt wurden aber nicht die Ursachen für die aggressive Spannungsentladung,<br />

denn das soziale Problem, das mit den phänotypischen Unterschieden eng verbunden ist,<br />

besteht auch im "demokratischen" Brasilien in unverminderter Schärfe weiter.<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend ergibt sich, daß das soziale System des historischen Zentrums auf den<br />

Beziehungen zwischen sozial und phänotypisch heterogenen Bevölkerungsgruppen beruht.<br />

Das kennzeichnende Merkmal dieses Systems ist die soziale Ausgrenzung der alteingesesse-<br />

47) Vgl. Kap. III.B.4.

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