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Rhythmus und Instrumentation im Theater Einar Schleefs233

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14. Oktober 1888“ von Josef Weilen, der auch <strong>im</strong> Berliner Schillertheater<br />

brav heruntergeleiert wird. Später baut er Passagen aus Hugo von Hofmannsthals<br />

Elektra <strong>und</strong> Heinrich von Kleists Penthesilea ein. Vor allem<br />

aber greift er in den Sprachduktus der Jelinek selbst nicht unerheblich ein.<br />

Im Bewegungschor der Sportler (Jelinek 1999/1998: 138f.) beispielsweise<br />

verkürzt <strong>und</strong> verdichtet Schleef die Sprache der Autorin merklich. Verben,<br />

Füllwörter, Eigentlichkeitspartikel, Nebensätze werden großflächig gestrichen,<br />

Konstruktionen mit Hilfsverben fast <strong>im</strong>mer zu Vollverben umgestellt,<br />

wie in folgender Textpassage. Sie lautet <strong>im</strong> Original so:<br />

186<br />

Auf diese Weise könnten wir der Jugend das Fernsehen ersparen. Indem wir sie aktivieren,<br />

sich selber aus großer Ferne zu sehen. Selber Fernsehen werden, das wärs!<br />

Nichts hindert uns an etwas. Jeder von uns verhält sich als Zuschauer wie sonst<br />

auch, nur viel zorniger, weil er zu mehreren ist. Jeder allein hat ja schon mehr als<br />

ausreichend Gr<strong>und</strong> zum Zorn. Weil wir gemeinsam doch viel stärker sind, als du<br />

uns je verraten hast, Autorin, stolpern wir auch gemeinsam in die Nachrichten hinein,<br />

um, nach der Wettervorschau, gerichtet zu werden, Arm in Arm. Dort will man<br />

uns aber nicht aufschreiben. (Jelinek 1999/1998: 139)<br />

Bei Schleef hingegen liest sich der Text folgendermaßen:<br />

Auf diese Weise kann man der Jugend das Fernsehen ersparen. Indem wir sie aktivieren.<br />

Selber Fernsehen werden. Nichts hindert uns. Jeder Zuschauer verhält sich<br />

zorniger, weil er zu mehreren ist. Jeder hat ausreichend Gr<strong>und</strong> zum Zorn. Weil wir<br />

gemeinsam stärker sind, stolpern wir in die Nachrichten, um gerichtet zu werden,<br />

Arm in Arm. Dort will man uns aber nicht.<br />

Wie sich zeigen wird, n<strong>im</strong>mt Schleef diese merklichen Veränderungen des<br />

Jelinekschen Sprachgestus‘ vor, um ihn so musikalisieren zu können, wie<br />

er es tut. Andere Passagen, die weniger stark als Musik inszeniert sind als<br />

der zitierte Chor, sind entsprechend weniger angetastet. Der Monolog der<br />

„Frau“ 241 (Elisabeth Rath) zu Anfang des eigentlichen Bühnengeschehens<br />

beispielsweise, weist nur marginale Textänderungen auf. Welche Beziehung<br />

Text <strong>und</strong> Musikalisierung bei Schleef eingehen, wird eine der Fragen<br />

sein, die ich erst nach eingehender Beschäftigung mit der spezifischen<br />

Musikalität seiner Inszenierung(en) zu beantworten suche.<br />

3.2 Ein Sportstück. Ein Musikstück<br />

Was aber am meisten auffällt, ist das obsessive Arbeiten mit stampfenden Körperrhythmen<br />

<strong>und</strong> das Zerhacken der Sprache durch verfremdende Brüche. Es gibt unvermutete<br />

Steigerungen zu Schrei <strong>und</strong> Brüllen – viele Passagen in Schleefs <strong>Theater</strong><br />

sind sehr laut. Die Kontinuität des Sprachsinns wird <strong>im</strong>mer wieder gestört durch<br />

Wechsel der St<strong>im</strong>mlage, scheinbar unmotivierte Ausbrüche, gehetzt <strong>und</strong> atemlos<br />

erscheinende Intonierung. Best<strong>im</strong>mte Textstellen werden, oft mehrfach, wiederholt,<br />

sonderbar rhythmisiert, zerfetzt, zerdehnt, in chorischen Repetitionen oder <strong>im</strong> Zeit-<br />

241 Jelinek 1999 (1998): 17ff.

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