lesen - VOLKSSOLIDARITÄT 1990 eV Halle (Saale)
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1 / 2009<br />
Der Verdauungsschnaps nach dem Essen<br />
Die Zeit zwischen Weihnachten und<br />
Neujahr ist auch in kulinarischer<br />
Hinsicht eine ganz besondere. In<br />
vielen Familien gehört es zur<br />
Tradition, dass das Abendessen zu<br />
Heiligabend mit Kartoffelsalat,<br />
Bockwurst und Glühwein etwas<br />
üppiger ausfällt als die Abendmahlzeiten<br />
an den restlichen Tagen des<br />
Jahres. Am ersten und zweiten<br />
Weihnachtsfeiertag wird meist etwas<br />
länger geschlafen, nach einem<br />
gemütlichen Frühstück warten dann<br />
Gänsebraten, Rotkohl und Klöße.<br />
Zum Kaffee stehen Stollen und<br />
Plätzchen bereit und weil sowieso<br />
meist graues Wetter ist, sitzen wir<br />
zwischen all diesen leckeren<br />
Mahlzeiten, auf die wir uns das ganze<br />
Jahr schon freuen, oft faul im Sessel<br />
herum. Auch der Neujahrstag ist<br />
traditionsgemäß ein Tag, in dessen<br />
Mittelpunkt ein gutes Festessen<br />
steht. Und dass, nachdem es zu<br />
Silvester gerade Salate, belegte<br />
Brote, Würstchen und mitternächtliche<br />
Pfannkuchen gegeben hatte.<br />
Kein Wunder, dass das Völlegefühl<br />
im Magen unter diesen Umständen<br />
hier und da schon mal Bauchschmerzen<br />
bereiten kann.<br />
Zu einem guten Essen gehört ein<br />
Schnaps. Der soll gut für die<br />
Verdauung sein. So sagt es jedenfalls<br />
der Volksmund. Ist aber der Schnaps<br />
nach einem fetten Essen wirklich so<br />
gesund, wie ihm immer nachgesagt<br />
wird? Ernährungswissenschaftler<br />
sind sich einig, dass das in die Welt<br />
der Märchen gehört. Zwar löst der<br />
Alkohol eine wohlige Wirkung aus<br />
und betäubt vorübergehend die<br />
Magennerven, so dass das manchmal<br />
schmerzhafte Völlegefühl etwas<br />
nachlässt. Eine positive Wirkung auf<br />
die Verdauung hatAlkohol allerdings<br />
nicht. Wenn schon etwas wirkt, dann<br />
ein Kräuterschnaps. Dessen verdauungsfördernde<br />
Wirkung ist aber nicht<br />
auf den Alkohol zurückzuführen<br />
sondern entsteht durch die Kombination<br />
aus Zucker und Kräutern. Ein<br />
Kräutertee nach dem Essen hat die<br />
gleiche verdauungsfördernde Wirkung<br />
wie ein Kräuterschnaps. Auch<br />
wenn das Essen gut mit Kräutern<br />
gewürzt wird, wird die Verdauung<br />
gefördert. Hier bieten sich vor allem<br />
Kümmel, Fenchel, Lorbeer, Anis,<br />
Senf oder Bohnenkraut an.<br />
Keinesfalls sollte man nach einem<br />
Fetten Essen Cognac oder Whisky zu<br />
sich nehmen. Beides wird mit<br />
Zuckercouleur oder Karamell gefärbt,<br />
die die Verdauung hemmen.<br />
Ohnehin gilt, dass zu viel Schnaps<br />
die Magenentleerung behindert: Der<br />
Alkohol geht sofort ins Blut und von<br />
dort ins Gehirn. Dort blockiert er die<br />
Nerven, die dafür sorgen, dass<br />
Speisen vom Magen in den Darm<br />
gelangen. Dazu kommt, dass unsere<br />
Verdauungsorgane nach fetter Kost<br />
sowieso schon auf Hochleistung<br />
fahren. Ein Gläschen mit hochprozentigem<br />
Schnaps setzt sie noch<br />
zusätzlich unter Druck.<br />
Die beste Verdauungshilfe ist und<br />
bleibt ein Spaziergang an der<br />
frischen Luft.<br />
Das beste Verdauungsgetränk soll<br />
übrigens Espresso sein. Er heizt den<br />
Energieverbrauch an und fördert so<br />
die Fettverbrennung. Außerdem<br />
schadet Kaffee nicht der Leber oder<br />
dem Gehirn. Durch seine spezielle<br />
Zubereitung werden beim Espresso<br />
besonders wenig Cholesterin und<br />
Fettsäuren aus der Kaffeebohne<br />
heraus gelöst. Trotz des leicht<br />
bitteren Geschmacks und der scheinbaren<br />
Stärke enthält ein Espresso<br />
vergleichsweise wenig Koffein jedenfalls<br />
weniger als ein Filterkaffee.<br />
Espresso ist dank des Mangels an<br />
Säuren außerdem besonders magenfreundlich.<br />
Wein zum Essen unterstützt<br />
die Verdauung ebenfalls.<br />
Wegen seiner Gerbsäuren ist hier der<br />
Rotwein besonders gut geeignet.<br />
Wenn schon der Verdauungsschnaps<br />
nicht wirklich hilft, so ist auch die<br />
Verdauungszigarette nicht nützlich.<br />
Das Nikotin lässt die Muskulatur des<br />
Magens erschlaffen und verstärkt<br />
damit die Gefahr von Sodbrennen.<br />
Übrigens:<br />
Das Wort Schnaps<br />
bedeutet ursprünglich „kurzer<br />
Schluck“ oder „Mundvoll“. Nicht<br />
zuletzt deshalb gilt für ein Gläschen<br />
nach dem Essen: Das Maß entscheidet.<br />
Sagenhafte Wirkung - nicht nur die<br />
Verbesserung der Verdauung sondern<br />
die Förderung der Gesundheit<br />
im Allgemeinen betreffend wird dem<br />
Schwedenbitter nachgesagt. Als sein<br />
Erfinder gilt der schwedische Arzt<br />
Doktor Claus Samst, der im 17.<br />
Jahrhundert lebte. Er wurde 104<br />
Jahre alt und soll an einem Reitunfall<br />
gestorben sein. Angeblich soll Samst<br />
trotz seines hohen Alters noch<br />
regelmäßig ausgeritten sein. Seine<br />
gute Gesundheit soll er dem regelmäßigen<br />
Genuss von Schwedenkräutern<br />
zu verdanken haben. Er<br />
hinterließ der Nachwelt eine „Alte<br />
Handschrift“, die noch heute eine<br />
wichtige Informationsquelle für die<br />
Nutzung von Schwedenkräutern ist.<br />
Maria Treben entdeckte das Rezept<br />
von Claus Samst für den Schwedenbitter<br />
und machte es in der Welt<br />
bekannt. Die Ursprünge der Schwedenkräuter<br />
liegen allerdings schon<br />
weit vor Samst Lebzeiten, nämlich<br />
im Mittelalter. Damals war es üblich,<br />
nach schweren Mahlzeiten eingelegte<br />
oder kandierte Kräuter zu<br />
reichen, damit das schwere Essen<br />
besser verdaut werden konnte.<br />
Paracelsus wird nachgesagt, dass er<br />
der eigentliche Urheber der Schwedenkräuter-Rezepte<br />
sei, die von den<br />
verdauungsfördernden Kräuterimbissen<br />
der Reichen inspiriert waren.<br />
Foto: W. Kubak<br />
Rezeptur<br />
„Kleiner Schwedenbitter“<br />
10 Gramm Aloe (Es kann auch<br />
Enzianwurzel oder Wermutpulver<br />
verwendet werden.)<br />
5 Gramm Myrrhe<br />
0,2 Gramm Safran<br />
10 Gramm Sennesblätter<br />
10 Gramm Naturkampfer<br />
10 Gramm Zitwerwurzel<br />
10 Gramm Manna<br />
5 Gramm Eberwurzel<br />
10 GrammAngelikawurzel<br />
10 Gramm Rhababerwurzel<br />
10 Gramm Theriak venezian<br />
1,5 Liter Doppelkorn<br />
13<br />
Der Verdauungsschnaps nach dem Essen