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Sachverhalt 2. Klausur mit Lösung 14.01.2004

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HD Dr. Elmar Mand<br />

<strong>2.</strong> <strong>Klausur</strong> Propädeutische Übung<br />

19.1.2004<br />

Frage 1:<br />

Der Sportsfreund A möchte sich für die kommende Saison im exklusiven Golfclub einen<br />

flotten Sportwagen der Luxusklasse zule gen und besucht das Autohaus des Mercedes-Händler<br />

M. Ein Mercedes SL 55 AMG, der Höhepunkt im Schauraum, zum Sonderangebot von<br />

150.000 € fällt ihm besonders auf. Sogleich tritt M, ebenfalls Golfkollege aus dem Club,<br />

hinzu und möchte ihn von der Stilsicherheit und Hochwertigkeit des Gefährts überzeugen. Er<br />

verweist auf die 475 PS des Gefährts, den Klang des Motors und überdies sei der Wagen<br />

seiner Meinung nach in der kommenden Saison „DAS Kultauto schlechthin“. A entgegnet tief<br />

beeindruckt: „Den kauf ich sofort“. M gibt ihm daraufhin die erforderlichen Papiere und A<br />

braust <strong>mit</strong> aufheulendem Motor davon.<br />

Als die ersten Sonnenstrahlen das triste Wintergrau auf dem Golfplatz vertreiben, fährt A in<br />

freudiger Erwartung der neidvollen Blicke seiner Sportsfreunde am Golfplatz vor. Zu seiner<br />

Verwunderung bleiben die Kommentare jedoch äußerst zurückhaltend. Unter den<br />

Luxuskarossen vor dem Clubhaus dominiert die Farbe Silbergrau. Die neuen, zurückhaltend<br />

eleganten, aber nicht weniger kraftvollen Modelle von Aston Martin sind offensichtlich DIE<br />

angesagten Gefährte der Saison 2004.<br />

A ist erbost und stellt M, der auch noch in einem Aston Martin DB 9 unter bewunderndem<br />

Raunen am Clubhaus vorfährt, zur Rede und verweigert die Zahlung des Kaufpreises. A<br />

verkündet lautstark, M habe ihn hinters Licht geführt, deshalb fühle er sich an den Vertrag <strong>mit</strong><br />

dem skrupellosen M, sofern er überhaupt zustande gekommen sei, nicht mehr gebunden. M<br />

hingegen verweist auf die einwandfreie Funktion des SL 55 AMG und wenn auch nicht im<br />

Golfclub, so könne er doch vor den Diskotheken in der Provinz Eindruck machen. Er verlangt<br />

in jedem Fall den Kaufpreis von A.<br />

Hat M gegen A einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 150.000 €?<br />

Frage 2:<br />

Um bei der flotten Fahrt <strong>mit</strong> seinem neuen Auto nicht den Überblick zu verlieren, möchte A<br />

eine der Güte des Wagens entsprechende Sonnenbrille erwerben. Bei V entdeckt er das<br />

Modell „Romeo“ von Oakley, das <strong>mit</strong> einem Preis von 100 € ausgezeichnet ist. Zufrieden<br />

über das offensichtliche Schnäppchen bezahlt A an der Kasse bar und nimmt die farblich<br />

exakt zum Wagen passende Brille <strong>mit</strong>. Das Vergnügen währt aber nicht lange. Am Abend ruft<br />

V bei A an und erklärt, er habe sich bei der Preisauszeichnung geirrt und die Modelle<br />

verwechselt. Die Brille koste nicht 100 €, sondern 350 €. Als sich A erbost weigert, den<br />

Differenzbetrag von 250 € zu zahlen, verlangt V von A gegen Rückzahlung der 100 € die<br />

Brille gemäß § 812 BGB zurück. Zu Recht?


<strong>Lösung</strong>sskizze:<br />

Fall 1<br />

M kann gegen A einen Anspruch aus einem Kaufvertrag gem. § 433 II BGB auf Zahlung der<br />

150.000 € haben.<br />

I. Einigung zwischen M und A?<br />

1. Angebot des M durch Ausstellung des Wagens im Schauraum <strong>mit</strong> der Preisbezeichnung?<br />

(-), da bloße invitatio ad offerendum<br />

<strong>2.</strong> Angebot des M durch Beratung, er solle den Wagen für einen guten Preis kaufen(+)<br />

3. Annahme durch A (den kauf ich sofort) [möglich ist auch, hierin erst das Angebot auf<br />

Kauf des Wagens zu sehen und in der Übergabe der Papiere das Angebot]<br />

=> Einigung über den Kauf des SL 55 liegt vor<br />

II. Wirksamkeit der Einigung<br />

1. Vertrag könnte <strong>mit</strong> ex tunc Wirkung gem. § 142 I BGB als nichtig anzusehen sein. Dies<br />

setzt eine wirksame Anfechtung voraus<br />

a) Anfechtungserklärung gem. § 143 I BGB gegenüber dem Anfechtungsgegner. Vor dem<br />

Golfclub teilt A dem M <strong>mit</strong>, dass er ihn betrogen habe, dass der Wagen nicht „in“ sei und dass<br />

er den Preis nicht bezahlen werde. Überhaupt fühle er sich an den Vertrag <strong>mit</strong> dem<br />

skrupellosen M nicht gebunden => Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ergibt, dass er den<br />

Vertrag anficht; das Wort „Anfechtung“ muss die Erklärung nicht enthalten<br />

b) Anfechtungsgrund<br />

aa) § 123 BGB (-)<br />

Täuschung = jede Behauptung unrichtiger Tatsachen; möglich durch positives Tun oder durch<br />

ein Unterlassen, wenn Pflicht zur Aufklärung besteht. Eine Tatsache ist jeder Zustand der<br />

Gegenwart oder Vergangenheit, der dem Beweis zugänglich ist. Die Frage, ob eine Sache in<br />

der kommenden Saison „in“ oder „angesagt“ ist, ist in diesem Sinne keine Tatsache. M hat<br />

eine wertende Prognose über Entwicklungen in der Zukunft abgegeben, die im Zeitpunkt der<br />

Erklärung nicht als richtig oder falsch qualifiziert werden kann. Vielmehr handelt es sich um<br />

ein subjektiv gefärbtes Werturteil des M. Dies wird von M auch verdeutlicht („seiner<br />

Meinung nach“, „wohl“). Mangels Täuschung über Tatsachen scheidet eine Anfechtung<br />

gemäß § 123 BGB daher aus.<br />

bb) § 119 I BGB (-), M war sich über den Sinngehalt seiner Aussage im Klaren<br />

cc) § 119 II BGB (-), M irrt sich nicht über verkehrswesentliche Eigenschaften des Wagen,<br />

d.h. über Merkmale, die auf der natürlichen Beschaffenheit der Sache beruhen und für die


Wertbildung von Bedeutung sind; Auto hat tatsächlich die angegebene PS Zahl und<br />

funktioniert einwandfrei. Die Möglichkeit, dass das Auto in der kommenden Saison besonders<br />

„in“ sein wird, ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft und wird von § 119 II BGB nicht<br />

erfasst<br />

Es handelt sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum.<br />

Fall 2<br />

� kein Anfechtungsgrund => A konnte den Kaufvertrag nicht wirksam anfechten<br />

� demnach wurde zwischen A und M ein wirksamer Kaufvertrag über den Mercedes SL<br />

55 geschlossen. A muss daher gem. § 433 II BGB M den Kaufpreis zahlen.<br />

Anspruch des V gegen A auf Rückgabe der Brille gem. § 812 I 1, 1. Var. BGB. [möglich ist<br />

auch, auf § 812 I 2 BGB abzustellen, vgl. aber Wortlaut von § 142 I BGB]<br />

I. etwas erlangt<br />

(+) etwas ist jede vermögenswerte Rechtsposition. V hat A gemäß § 929 S. 1 BGB durch<br />

Einigung und Übergabe das Eigentum und den Besitz auf V übertragen. A hat deshalb<br />

„etwas“ erlangt.<br />

II. durch Leistung<br />

(+) Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. V wollte A<br />

das Eigentum übertragen und den Besitz an der Brille verschaffen. Er handelte dabei<br />

„solvendi causa“, d.h. <strong>mit</strong> dem Ziel, den (vermeintlich wirksamen) Kaufvertrag <strong>mit</strong> A zu<br />

erfüllen.<br />

III. ohne Rechtsgrund<br />

Rechtgrund der Vermögensmehrung kann ein Kaufvertrag zwischen V und A sein.<br />

1. V und A haben gem. § 433 BGB einen Kaufvertrag über die Brille zu einem Preis von 100<br />

€ geschlossen<br />

<strong>2.</strong> Dieser ist jedoch gem. § 142 BGB von Anfang an nichtig, wenn V den Kaufvertrag<br />

wirksam angefochten hat.<br />

a) Anfechtungserklärung des V gegenüber A gem. § 143 BGB (+), V ruft A an, klärt seinen<br />

Irrtum auf und verlangt die Brille gegen Rückzahlung der 100 € Zurück. Nach §§ 133, 157<br />

BGB ist diese Erklärung als Anfechtung auszulegen. Das Wort Anfechtung muss nicht fallen.


) Anfechtungsgrund<br />

aa) § 119 II<br />

Dann muss sich V in einem Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft befunden<br />

haben. Darunter fallen alle wertbildenden Faktoren einer Sache, nicht aber der Wert als<br />

solcher. V hat die Brille für 100 € verkauft, weil er sich bei der Preisauszeichnung vertan und<br />

die Modelle verwechselt hat. Bei Abschluss des Kaufvertrags irrt er sich demnach nicht (nur)<br />

über den Wert der Sache selbst, sondern letztlich über einen wertbildenden Faktor, nämlich<br />

die Modellreihe. Er unterlang also einem nach § 119 II BGB beachtlichen Irrtum. Der Irrtum<br />

war auch ursächlich für die Abgabe seiner Willenserklärung.<br />

bb) Ein Irrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB scheidet dagegen aus. V hat sich nicht verschrieben,<br />

sondern die Ware bewusst <strong>mit</strong> 100 € ausgezeichnet, weil er davon ausging, es handele sich<br />

um ein anderes Modell (andere Deutung des <strong>Sachverhalt</strong>s wurde wegen der mündlichen<br />

Ergänzung nicht als falsch gewertet). Zudem ist die Preisauszeichnung als solche noch keine<br />

Angebot, sondern nur eine invitatio ad offerendum. Bei der zeitlich nachfolgenden Einigung<br />

über den Vertragsschluss <strong>mit</strong> A war sich V dagegen wohl darüber im Klaren, dass er für die<br />

konkrete Brille einen Preis von 100 € verlangt hat.<br />

c) Anfechtungsfrist gemäß § 121 I 1 BGB: Anfechtung muss unverzüglich, d.h. ohne<br />

schuldhaftes Zögern erfolgen. Als V seinen Fehler bemerkte, rief er A sofort an (+)<br />

=> V hat den Vertrag wirksam angefochten, der Kaufvertrag ist daher gemäß § 142 I BGB als<br />

von Anfang an nichtig anzusehen. V hat das Vermögen des A ohne rechtlichen Grund<br />

vermehrt.<br />

=> V hat gegen A einen Anspruch auf Rückgabe der Brille gem. § 812 I 1 Var. 1 BGB

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