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Untersuchungen zur geschichte und altertumskunde Aegyptens

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26 3- Die Phonetisierung der Bilderschrift<br />

sterben", das Kreuz, von allen christlichen Völkern gelesen werden kann, wobei es von jedem<br />

anders gesprochen wird. Freilich gehört hierzu die Kenntnis der konventionellen Setzungen,<br />

zu denen die betreffende Bilderschrift auf Gr<strong>und</strong> besonderer Gedankengänge gelangt ist. Dies<br />

trifft gerade in dem Falle des Grabkreuzes zu.<br />

In der Tat ist es im Verlauf der Geschichte zu wiederholten Malen geschehen, daß ein Volk<br />

die Schrift eines anderen übernahm <strong>und</strong> die alten Schriftbilder mit den entsprechenden Wörtern<br />

seiner eigenen Sprache las, also anders als sie von ihren Schöpfern gelesen wurden. So haben die<br />

Japaner die Schrift der Chinesen zusammen mit ihrer Kultur übernommen. Sie wurde dann<br />

freilich allmählich stark umgestaltet, da ihre Sprache ganz anders geartet war. Ebenso entlehnten<br />

die semitischen Einwohner Mesopotamiens, die Akkader — Babylonier <strong>und</strong> Assyrer —<br />

die Schrift der eingesessenen Bevölkerung, der Sumerer, die eine ganz andere Sprache besaßen.<br />

Ähnlich haben später noch die Perser, bevor sie zum Islam übertraten <strong>und</strong> dabei die arabische<br />

Schrift annahmen, die rein lautliche Schrift der semitischen Aramäer auf ihre eigene zum indo-<br />

germanischen Sprachstamm gehörende Sprache übertragen. Aramäisch war im persischen<br />

Reich die allgemeine Verkehrssprache. Die Perser lasen die aus Buchstaben bestehenden Schrift-<br />

bilder der aramäischen Wörter mit den entsprechenden persischen Wörtern <strong>und</strong> schrieben sie<br />

hierfür, als ob es sich um Ideogramme handelte. So lasen sie das aramäische lahmä ,,Brot" nän,<br />

das aramäische bisrä ,, Fleisch" gust, das aramäische malkä ,, König" säh^. Man nennt diese<br />

aramäisch geschriebene, persisch gelesene Schrift Pehlevi. Ähnlich lesen übrigens auch heute<br />

die Engländer einige Abkürzungen lateinischer aus dem Mittelalter überkommener Aus-<br />

drücke mit ihrer englischen Übersetzung, so e.g. — abgekürzt aus exempli gratia ,,zum Bei-<br />

spiel" — mit for instance , i.e. — abgekürzt aus id est ,,das ist" — mit that is , etc. mit<br />

and so on. Beidemal sind Elemente einer rein lautlichen Buchstabenschrift ganz nach Art der<br />

alten Begriffsbilderschriften behandelt. Lautliche Schreibungen sind Ideogramme geworden.<br />

Es hat ein Rückfall der jüngsten Form der Schriftentwicklung in die älteste stattgef<strong>und</strong>en.<br />

3. Die Phonetisierung der Bilderschrift<br />

Die reine Begriffsschrift hatte sich aus dem ursprünglichen Gebrauch des Bildes <strong>zur</strong> Ver-<br />

ständigung ganz natürlich entwickelt. Keine der alten Bilderschriften ist hierbei stehengeblieben.<br />

Da der Mensch in Worten denkt, haben sie sich vielmehr alle sehr früh zu einer Lautschrift<br />

oder genauer zu einer Begriffslautschrift umgewandelt. Die Bilder (Ideogramme) bezeichnen<br />

nun nicht nur die Begriffe, die sie selbst darstellen oder andeuten, sondern auch schon Wörter,<br />

die diesen Begriffen entsprechen. Es sind die Wörter, mit denen in der jeweiligen Sprache die<br />

Begriffe gedacht <strong>und</strong> die Bilder gelesen werden. Die Bilder werden so aus Begriffszeichen<br />

automatisch zu Wortzeichen. Sie erhalten einen bestimmten Wortlaut oder auch mehrere,<br />

wenn es Synonyma für den in dem Bilde dargestellten Begriff gab. Diese innerliche, sich ganz<br />

von selbst einstellende Phonetisierung der Bilderschriften hat zu einem weiteren Schritt in der<br />

Entwicklung der Schrift geführt, der nicht so selbstverständlich ist. Er stellt sich jedoch überall,<br />

1 [s. Jensen, Schrift (2. Aufl.) S. 301 ff., v. Bissing im Handbuch der Archäologie S. 165, Diringer,<br />

Alfabeto, S. 447f.]

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