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04 Harmful Was hat eine Band zu sagen, die seit über 15 Jahren in Originalbesetzung besteht, gefühlte 365 Tage im Jahr auf Tour ist, aber dennoch ‚nur' als ‚Kritikerband' gilt und nun gerade ihr siebtes Studioalbum aufgenommen hat? Im Falle von HARMFUL eine ganze Menge, wie das noisyNeighbours im Gespräch mit Sänger/Gitarrist Aren Emirze erfuhr. Schließlich hat die Band - nicht zuletzt angestoßen durch persönliche Verarbeitungsprozesse - so etwas wie eine Neugeburt erfahren. Hinzu kommt ebenfalls, dass Harmful künftig auch noch prominente Verstärkung an der Gitarre erhalten wird. Wenn Aren vom neuen, schlicht „7“ betitelten Harmful-Album erzählt, hört man den Enthusiasmus und die Freude förmlich aus jeder Silbe, aus jedem Wort sprechen. Obwohl ich ihn nur am Telefon habe, bin ich mir sicher, dass seine Augen funkeln. „Wir wollten diesmal nicht krampfhaft versuchen, irgendwas auszusagen, was nicht da war, sondern einfach zusammen im Proberaum sein und dieses Gefühl empfinden, das man hat, wenn man gemeinsam Musik macht. Insgesamt haben wir uns also nicht lange den Kopf darüber zerbrochen, welche Message die Platte haben soll.“ Das war nicht immer so. Denn spätestens seit dem Weggang vom Mutterlabel bluNoise hatte man bei jedem neuen Harmful- 7 Album das Gefühl, dass eine gewisse Aussage nach außen getragen werden sollte, dass sich die Band für irgendetwas rechtfertigen will. Oft begann dies schon beim Albumtitel. Da war beispielsweise das Major-Debüt „Counterbalance“. Der Titel galt damals als Statement, das die Band als Gegenpart zum Rockbiz, dessen Teil man mit einem Majorvertrag zwangsläufig war, definieren sollte. Oder das 2001er Album „Wromantic“, dessen Titel sich aus ‚wrong' und ‚romantic' zusammensetzt und in seiner Gegensätzlichkeit dafür steht, dass „Harmful schon immer eine Band war, die zwischen den Stühlen sitzt. In unsere bisherigen Platten wollten wir immer möglichst alles, für was wir stehen, hineinbringen - also das Noisige, das Popige, das Melodiöse. Und das immer alles auf einmal. Die neue Platte klingt nicht so. Sie sollte einfach nur für eines stehen: für Harmful als Band. Für eine Band also, die schon seit 15 Jahren in Originalbesetzung besteht
und gemeinsam Rockmusik macht. Und die einzige Motivation, die diese Band hat, ist die Liebe zur Musik. Eine Platte aus dem Bauch heraus aufzunehmen, die selbstbewusst klingt, war also das große Ziel. Und ich denke, das ist uns gelungen und man hört der Platte dieses Selbstbewusstsein an. Deshalb auch der einfache, nichts verbergende Titel „7“, der die eben angesprochene Kontinuität ausdrücken soll und soviel sagt wie: „das ist Harmful nach 15 Jahren und entweder du nimmst es oder du lässt es eben sein.“ In der Tat ist „7“ wohl das kompakteste Harmful-Album bisher. Knapp 35 Minuten lang, elf Songs, keine Zeit für Nebensächlichkeiten. Messerscharf auf den Punkt gebracht. Selbstbewusst. Ja. Aber dennoch ist Aren leicht unsicher - oder besser ausgedrückt: brennend daran interessiert, was ich von dem Album halte. Denn wie er sagt, bin ich der erste ‚Fremde' mit dem er über das Album spricht. Er interessiert sich dafür, was ich vom etwas abrupten Einstieg „Old Mistakes“ halte. Oder wie ich den Mittelteil von „Elaine“ beurteile und wie denn der Sound auf meiner Anlage kommt. Alles Fragen, die davon zeugen, dass hier wirklich mit Herzblut und Enthusiasmus Musik gemacht wird, obwohl es Aren „im Moment noch schwer fällt, auf Harmful umzuschalten“. Verständlich. Schließlich sitzt er während unseres Gesprächs im Backstage-Raum eines Dresdener Clubs, wo er später, nur unterstützt durch seine Gitarre und einen Kontrabassisten, die Songs seines im Spätsommer veröffentlichten Solodebüts „A Gentle Kind Of Desaster“ darbieten wird, das er unter dem Namen Emirsian aufgenommen hat. „Die Emirsian-Platte war wie ein Spiegel für mich“ Aber gerade dieses Soloalbum hatte einen großen Einfluss auf das, was man nun auf „7“ von Harmful zu hören bekommt. Nicht unbedingt im musikalischen Sinne - hier liegen Emirsian und Harmful nicht unbedingt im selben Bettchen - als vielmehr auf emotionaler Ebene. Die Geschichte beginnt schon 2005 zu Zeiten des letzten Harmful-Albums „Sis Masis“. Hier nimmt Aren erstmals - musikalisch als auch textlich - auf seine armenischen Wurzeln Bezug. „Sis Masis“ ist einerseits eine politische Platte, die Themen wie Genozid und Vertreibung thematisiert, andererseits blitzen aber schon hier persönliche und intime Motive auf, die das Innerste von Aren beschäftigen - Dinge wie Heimat, Verlust und Schmerz. Obwohl „Sis Masis“ musikalisch außerhalb jeder Kritik stand und mit „The Art Of Rebellion“ einen waschechten Hit aufweisen konnte, lässt sich aus heutiger Warte der leichte Beigeschmack nicht herunterschlucken, es hier mit einer Kopfgeburt zu tun zu haben, die letztlich an ihrem Anspruch scheiterte, im Bandkontext von Harmful eine sehr intime Notwendigkeit, die im Grunde jedoch nur Aren betraf, verarbeiten zu wollen. Aren erkannte das und so kam es fast zwangsläufig dazu, dass er begann, in jeder freien Minute Songs für Emirsian zu schreiben und aufzunehmen. Es gab intime Dinge, persönliche Notwendigkeiten, die ihn antrieben - allem voran der Tod seines Vaters, aber auch die damit verbundene Suche nach dem Sinn und die Frage danach, was am Ende noch zählt und was Heimat eigentlich bedeutet. All das war zu persönlich und zu intim, um es im Harmful- Kontext ausdrücken zu können. Harmful 05 Heute weiß Aren: „Die Emirsian-Platte war wie ein Spiegel für mich, der mir gezeigt hat, wer ich wirklich bin. Ich war all die Jahre vorher und bei all den Platten, die ich in diesen Jahren gemacht habe, immer auf der Suche. Auf der Suche nach mir als Mensch, als Musiker usw.. Und die Emirsian-Platte war die erste, die mir gesagt hat: „Jetzt hast du es gefunden.“ Diese Platte hat mir sehr viel Selbstvertrauen gegeben und mir gezeigt, wozu ich in der Lage bin. Dadurch hat meine Liebe zur Musik eine Art Neugeburt erlebt. Davon hat Harmful auch extrem profitiert. All die Energie, die mir Emirsian gegeben hat, hat auch Harmful bereichert.“ In der Tat ist es so, dass man „7“ dieses ‚Verarbeitet haben' anhört. Als wäre eine Last von der Band gefallen, klingt alles irgendwie leichter, frischer, befreiter und weniger konzeptionell festgefahren. Welche Bedeutung Emirsian aber tatsächlich für Harmful hatte, zeigt, dass Aren offen bekennt, „dass es ohne Emirsian keine neue Harmful-Platte geben würde - zum jetzigen Zeitpunkt zumindest.“ „It sounds like fun to me“ Und noch einen positiven Effekt hatte Emirsian für die Weiterentwicklung von Harmful: „Dadurch, dass ich mit Emirsian über ein halbes Jahr beschäftigt war, hatte Chris (Basser) auch das erst Mal die Gelegenheit, zusammen mit unserem Drummer Nico Ideen und Riffs auszuprobieren, die er sonst nicht hätte ausprobieren können, weil ich eigentlich schon recht dominant bei Harmful bin. Als ich diese Sachen dann hörte, habe ich oft nur noch Teile ergänzt oder etwas am Songwriting verändert. Auch dabei habe ich von den Erfahrungen mit Emirsian profitiert, weil ich dort meinen Stil als Songwriter endlich gefunden habe und es nun vor allem zulasse, Kopf- und Bauchebene eine Sprache sprechen zu lassen. Und wie gesagt: Die Basis der Songs war oftmals schon vorhanden, als ich dazukam. Das war für mich und die anderen Beiden insgesamt eine völlig andere Herangehensweise an das Songwriting. Etwas Neues, das wir bisher so nicht hatten und uns und unserer Musik wirklich gut getan hat.“ nN: Weil du gerade das Songwriting ansprichst..! Eines Sache frage ich mich schon lange: Seit eurem Weggang von bluNoise und all den (Label-)Irrungen und Wirrungen, die dann kamen, gab es doch eine Konstante - nämlich der kontinuierliche Weg hin zu mehr musikalischer Eingängigkeit und Struktur. Hat man sich als Band seinerzeit nach der „Apoplexy 136“ und vor der „Counterbalance“, die ja der größte Schritt hin zu mehr Melodie war, eigentlich mal zusammengesetzt und das als „Plan“ festgelegt oder ist das „einfach so“ bzw. ganz automatisch gekommen?
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