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Abstracts (pdf, 0.1 MB) - Lehrstuhl für Komparatistik

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Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war das Schachspiel im westlichen Europa so weit im<br />

öffentlichen Bewusstsein verankert, dass es aufgrund seiner inhärenten Qualitäten als symbolisches<br />

Ordnungssystem verstärkt <strong>für</strong> moralisierende und didaktische Zwecke genutzt<br />

werden konnte. Mit der allgemeinen Verbreitung des Schachspiels einher geht daher die<br />

Aufnahme des Schachspiels als Motiv und als allegorische Darstellung der mittelalterlichen<br />

Gesellschaft in der Literatur und der Ikonographie.<br />

V. Spielsteine: Schachästhetik<br />

Prof. Dr. Tobias Janz (Hamburg)<br />

"Chess-Pieces" – Schach in der musikalischen Avantgarde<br />

Dass Schach und Musik einander in hohem Maße ähneln, scheint ein Gemeinplatz unter<br />

denen zu sein, die sich gleichermaßen <strong>für</strong> Musik und Schach interessieren. Man spricht im<br />

Bereich des Problemschachs von Schachkomponisten und Schachkompositionen, so wie man<br />

mit dem Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus sagen könnte, musikalische Kompositionen<br />

exponierten (wie das Problemschach?) im Wesentlichen die Probleme, <strong>für</strong> die sie gleichzeitig<br />

eine Lösung darstellen. Darin sich ausdrückende oder daran anknüpfende Analogiekonstruktionen<br />

verdecken jedoch die Tatsache, dass Schach und Musik sich auch fundamental voneinander<br />

unterscheiden, dass das eine – banal gesagt – primär ein Spiel, das andere primär<br />

Kunst ist (und zwar selbst dann, wenn man mit Schiller beide auf dieselbe anthropologische<br />

Wurzel des Spielens zurückführt). Man kann Kunstwerke (metaphorisch) als Spiele betrachten<br />

und deren Herstellung als ein Spielen nach Regeln, wie man anders herum den Verlauf<br />

oder die Struktur eines Spiels als Kunst betrachten oder sogar zu Kunst werden lassen kann,<br />

ohne dass dadurch deren prinzipieller Unterschied nivelliert würde. Eine gespielte oder<br />

komponierte Schachpartie mag ästhetisch ansprechen oder ästhetische Qualitäten vorweisen,<br />

sie als ein Kunstwerk zu rezipieren wäre jedoch genau so zweckentfremdend (wenn auch<br />

künstlerisch nicht uninteressant) wie die Idee, sich ein Fußballspiel als Ballettinszenierung<br />

(oder wörtlich als „Rasenschach“) anzusehen.<br />

Interessant jenseits dieses Labyrinths von teils produktiven, teils irreführenden Metaphern<br />

und Analogien sind deshalb vor allem Fälle, in denen sich die Musik dem Schachspiel konkret<br />

als einem Sujet oder in struktureller Hinsicht zuwendet, das Schach also benutzt, um<br />

neue musikalische Formideen oder Ausdrucksmöglichkeiten zu generieren. Es ist kein Zufall,<br />

dass sich Beispiele da<strong>für</strong> erst in der Musik des 20. Jahrhunderts und vor allem da finden<br />

lassen, wo die Musik sich von den traditionellen Grundlagen ihrer Sprache löst. Paradoxerweise<br />

ist die erste „Komposition“, die auf der Idee beruht, den Verlauf einer Schachpartie<br />

vollständig in Klangereignisse umzusetzen – Reunion aus dem Jahr 1968 – eine Konzeptkunst-Performance<br />

aus John Cages indeterministischer Phase, einer Phase, in der Cage den<br />

traditionellen Begriff von Musik und musikalischen Kunstwerken bereits so weit entgrenzt<br />

hat, dass von einer Annäherung zwischen Schach und Musik aufgrund struktureller Verwandtschaft<br />

keine Rede mehr sein kann. Mein Beitrag zeichnet den Weg Cages von seiner<br />

ersten künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Schachspiel in Chess Pieces (1944) über<br />

die aleatorische Musik der 1950er Jahre bis hin zu Reunion nach, bezieht auf diesem Weg<br />

daneben aber auch musikalische Schachkompositionen von Bohuslav Martin� (Échec au Roi),<br />

Vittorio Rieti (Chess Serenade) und Hans Zender (Schachspiel) mit ein.<br />

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