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Abstracts (pdf, 0.1 MB) - Lehrstuhl für Komparatistik

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SCHWARZ-WEIßE WELTEN: SCHACH IN LITERATUR, KUNST UND KULTUR<br />

Symposium an der Universität Erlangen, 1. bis 3. April 2009<br />

<strong>Abstracts</strong> der Vorträge<br />

I. Spielarten: Schach, Genres und Schreibweisen<br />

Dr. Claudia Ott (Erlangen)<br />

Der Zug des Affen. Schach in der arabischen Literatur<br />

Affe schlägt Sultan – so endet eine der berühmtesten Schachszenen in „Tausendundeiner<br />

Nacht“. Aber sie ist nur die Spitze eines Eisbergs. Nachdem das Schachspiel über das sasanidische<br />

und frühislamische Persien in die arabische Kultur Einzug gehalten hatte, erlebte es<br />

dort eine einzigartige und bis heute wohl unerreichte Hochblüte.<br />

In diese reichhaltige Kulturgeschichte des Schachspiels im arabischen Orient wirft der Vortrag<br />

einige Schlaglichter, mit folgenden Kapiteln: Zur Geschichte des Schachspiels in der<br />

arabischen Welt; Schachspieler – Spielregeln – Schachwissenschaften; Die Schachmotivik in<br />

der arabischen Literatur; Schach ist Leben.<br />

Dr. Justin Vollmann (Basel)<br />

Schachszenen. Zur narrativen Funktion des Schachspiels in der mittelhochdeutschen<br />

Epik<br />

Spiele konstituieren eine eigene, in sich geschlossene Spielwelt, die sich einerseits von der<br />

übrigen Welt und ihren Zwängen abhebt, es aber andererseits erlaubt, Aspekte dieser übrigen<br />

Welt in symbolischer Verdichtung nach- bzw. neu durchzuspielen oder überhaupt erst spielerisch<br />

zu antizipieren. Auch erzählte Welten können als solche Spielwelten betrachtet werden,<br />

und wenn in diesen erzählten Welten noch einmal gespielt wird, dann stellt sich die Frage,<br />

wie das Verhältnis der Spielwelt ersten Grades zur Spielwelt zweiten Grades jeweils zu bestimmen<br />

ist. Den Versuch einer solchen Bestimmung habe ich in meinem Beitrag <strong>für</strong> die<br />

einschlägigen Schachszenen der mittelhochdeutschen erzählenden Literatur unternommen.<br />

Unter Zuhilfenahme narratologischer Unterscheidungen konnte erstens eine Typologie der<br />

möglichen Spielerkonstellationen entworfen und zweitens gezeigt werden, dass die narrative<br />

Funktion der betreffenden Szenen weit weniger auf der syntagmatischen (handlungslogischen)<br />

als auf der paradigmatischen (symbolischen) Ebene der Texte zu verorten ist. Abschließende<br />

Überlegungen galten dem Versuch, aus diesem Befund Rückschlüsse auf das<br />

mittelalterliche Spielverständnis zu ziehen.<br />

Prof. Dr. Hans Richard Brittnacher (Berlin)<br />

"Gardez la dame!" – "Cherchez la femme!" Das Schachspiel als Strukturmodell <strong>für</strong><br />

Thriller und Kriminalroman<br />

Die besondere Eignung des Schachspiels als Modell <strong>für</strong> die Literatur des Verbrechens dürfte<br />

in seinem prinzipiell agonalen Charakter liegen – kaum ein Spiel ist so sehr als Duell, als ein<br />

Kampfspiel um Leben und Tod zwischen zwei zu allem entschlossenen Kontrahenten:<br />

Schwarz gegen Weiß, angelegt. In diesem Kampf mag es Erschöpfung oder Stillstand (Patt<br />

oder Remis) geben, niemals aber Waffenstillstand oder Frieden. Nichts bleibt beim Versuch<br />

der Vernichtung des Anderen dem Zufall überlassen – so wie das Schachspiel radikaler als<br />

jedes andere Spiel die Gesetze des Zufalls minimiert, ist auch der Kriminalroman das Genre<br />

der radikalen Kontingenzvermeidung, das auf der Geltung unwiderlegbarer Gesetze insistiert,


die es erlauben, ein Verbrechen aufzuklären, den Täter zu überführen, die beschädigte soziale<br />

Ordnung wieder herzustellen – kraft der Souveränität des Intellekts, der sich über die Tyrannei<br />

des Zufalls erhebt. Die Poetik des Kriminalromans, wie sie S. S. Van Dine in den 1930er<br />

Jahren, in einer Zeit der literarischen Manifeste, vorgelegt hat, liest sich nicht zufällig eher<br />

wie die Spielanweisung einer Denksportaufgabe, nicht wie ein literarisches Programm.<br />

Während der klassische whodunit-Krimi der angelsächsischen Literatur einem Schachrätsel<br />

vergleichbar ist und mit einer poetologischen Öffnung zu einem interaktionistischen Modell<br />

den Leser zu einer Retroanalyse des Spielverlaufs einlädt, tritt in den moderneren Varianten<br />

des Kriminalromans das permutative Potenzial des Schachs als Orientierung immer weiter<br />

zurück – in den modernen Varianten des Kriminalromans sind es zumeist Konstellationen wie<br />

der Zugzwang, das erstickte Schach, der vergiftete Bauer oder der Rösselsprung, die narrativ<br />

nachgestellt werden. Während sich der britische Spionageroman von John le Carré bis Brian<br />

Freemantle vor allem durch die Entwicklung raffinierter Varianten des Bauernopfers empfiehlt,<br />

zeichnet sich die amerikanische hardboiled-Tradition des private eye-Romans von<br />

Raymond Chandler bis Mickey Spillane durch das virtuose Spiel mit den Finten des Damenopfers<br />

aus.<br />

II. Spielzüge: Schachkalkül und -repräsentation<br />

André Otto (München)<br />

Alice in der Fläche. Zur Dimensionalität des Schachspiels in Lewis Carrolls Through the<br />

Looking-Glass and What Alice Found There<br />

Bekanntermaßen kommt dem Schachspiel in Lewis Carrolls Through the Looking-Glass nicht<br />

nur eine textstrukturierende, sondern auch ein textgenerative Funktion zu. Gemäß der räumlichen<br />

Disposition des Schachbretts und den Bewegungsmöglichkeiten der Schachfiguren organisiert<br />

sich die Makrostruktur des Textes, entwickeln sich Alices Abenteuer. Darüber hinaus<br />

reagiert das Schachspiel jedoch auch auf einen transzendentalen und poetologischen Problemhorizont,<br />

den die Traumerzählung in Alice’s Adventures in Wonderland aufruft. Gegenüber<br />

den dortigen horizontalen Diskontinuitäten des Umherirrens und den bedrohlichen vertikalen<br />

Veränderungen, die sowohl auf die Traumlogik als auch auf die generativen Modelle der dem<br />

Schach kontrastierenden Spiele zu beziehen sind, ermöglicht das Schachspiel in der Spiegelwelt<br />

die Etablierung einer kontinuierlichen transzendentalen Fläche. Diese Fläche entsteht<br />

ereignishaft aus der textuellen Überlagerung des Schachspiels mit den Dispositiven des Spiegels,<br />

der Fiktion und des Traums. Mehr noch verschachteln sich diese vier Ebenen metaleptisch,<br />

indem sie sich unauflöslich gegenseitig bedingen. Damit verweigert sich der Text<br />

poetologisch aber auch radikal einer Logik der Repräsentation. Schach, Spiegel, Fiktion und<br />

Traum bilden keine Welt mehr ab, sondern produzieren die ontologisch und epistemologisch<br />

enthierarchisierte Fläche des Nonsens-Textes.<br />

Prof. Dr. Hinrich Hudde (Erlangen)<br />

"Zweispringerspott": Die Schachpartie in Samuel Becketts Roman Murphy<br />

Mein Beitrag analysiert die komisch-groteske Schachpartie gegen Ende des Romans Murphy<br />

(1938) von Samuel Beckett. Diese gliedert sich in eine ‚Anti-Eröffnung’ („Anlauf“) und die<br />

eigentliche Partie. Die männliche Titelfigur imitiert lange die absonderlichen Züge ihres schizophrenen<br />

‚Partners’, der seine schwarzen Figuren – auf der Suche nach Symmetrieeffekten –<br />

umstellt. Angesichts dieses ästhetischen Solitärs gibt sein Wärter auf und stirbt bald darauf.<br />

Ausführlich werden Becketts kommentierende Anmerkungen untersucht (im englischen<br />

Original wie in der französischen Selbstübersetzung): Diese parodieren Schachkommentare,<br />

liefern aber auch eine ironische Selbstdeutung Becketts.<br />

2


Am Schluß werden neben Becketts „Zweispringerspott“ zwei Schach-Textbilder des Ungarn<br />

Desz� Tandori (geb. 1938) gestellt, da dieser offensichtlich, in ähnlichem Geist und Humor,<br />

an Beckett anknüpft. Hinweise auf weitere Springerkomik (Edgar Allan Poe, Lewis Carroll<br />

und Friedrich Achleitner) sollen folgen.<br />

Nikolaos Karatsioras (Stuttgart)<br />

Textlogik vs. Schachlogik. Schachpoetologische Konzeption bei Lessing<br />

Die Struktur des Schachspiels, verstanden als strukturstiftendes Modell des Nathan, erlaubt<br />

Einblicke in die poetologische Konzeption des „dramatischen Gedichts“, die sich in einer<br />

experimentellen Lektüre überprüfen lassen. Die Logik des Schachspiels weist Ähnlichkeiten<br />

mit der strukturalistischen Textanalyse auf. Erstere operiert mit der expliziten Disjunktion, die<br />

das Spiel in zwei Parteien (schwarz oder weiß) und unterschiedliche Figurenwerte aufteilt,<br />

letztere gliedert Textelemente in Oppositionspaare auf, deren Ordnung sie im Gesamtsystem<br />

„Text“ zu rekonstruieren versucht. Die Ordnung, die zwischen den relevanten Einheiten des<br />

Nathan zugrunde liegt, kann auf eine Schachlogik zurückgeführt werden. Text- und Schachlogik<br />

gehen im Nathan spielerisch ineinander über. Ferner sind auch die Figuren und das<br />

Schachspiel selbst, aufgrund der langen Tradition der mittelalterlichen Schachzabelbücher,<br />

symbolisch und allegorisch konnotiert.<br />

Die ‚zentrale’ Frage des Nathan nach dem wahren Wesen der Religion ist in seiner poetologischen<br />

Konzeption bereits vorweggenommen. Mit einer binären schwarz/weiß-Logik ist der<br />

Versuch, das Transzendente, also Gott bzw. die Wahrheit verstehen zu wollen, zum Scheitern<br />

verurteilt, denn eine Struktur, die nur auf ein Gegensatzpaar verweist, nämlich schwarz/weiss,<br />

kann keinen Sinn enthalten. Sie kann höchstens auf eine andere, sinnstiftende Struktur verweisen.<br />

Im Nathan gilt es hinter die binären Gegensätze von „gut/böse“, „wahr/falsch“,<br />

„schwarz/weiß“ zu schauen. Die Wahrheit Gottes befindet sich jenseits der auf Binarität beruhenden<br />

menschlichen Logik. Die ‚entweder-weiß-oder-schwarz-Logik’ des Schachspiels<br />

entpuppt sich in diesem Fall als ‚Unlogik’. Die Logik der Disjunktion (entweder/oder) dient<br />

im Nathan vielmehr zum Aufzeigen der Unmöglichkeit, über Gott nachzudenken.<br />

Die Charakteristika der dramatis personae stehen in einem ganz spezifischen Verhältnis zur<br />

Schachlogik. Sie finden ihr Pendant in den Figurencharakteristika des Schachspiels. Die<br />

Träger politischer Macht, Saladin und Sittah, entsprechen den Figuren des Königs und der<br />

Königin. Die schlaue Sittah ist, ähnlich der Schlagkraft der Königin, ihrem einfältigen Bruder<br />

Saladin deutlich überlegen. Die beiden berechnenden Intriganten des Stücks, Daja und der<br />

Patriarch, weichen von ihrer dogmatischen Orthodoxie nicht ab, weswegen sie als Läufer, die<br />

ebenfalls ihre Diagonale nicht verlassen, aufgestellt werden können. Die am Rande der Gesellschaft<br />

Lebenden, Al Hafi und der Klosterbruder, finden ihre Entsprechung in den Türmen.<br />

Der Tempelritter und seine Schwester Recha, die sowohl an den weißen als auch den schwarzen<br />

Felder partizipieren, sind aufgrund ihrer Genealogie dem Christentum und dem Islam eng<br />

verbunden, weswegen sie als Springer aufgestellt werden.<br />

Der ‘Konflikt’ des Stücks, mit dem Nathan nach seiner Reise aus Babylon konfrontiert wird,<br />

ist durch die falsche Aufstellung der Figuren auf dem Brett verursacht. Jerusalem ist aus den<br />

Fugen geraten. Keine Figur spielt ihre Rolle gemäß den Schachregeln. Aus dem Bettler<br />

Al Haft ist der Schatzmeister des Sultans geworden, der wohlhabende Saladin hingegen ist<br />

um sein Vermögen gekommen; der Patriarch, das geistige Oberhaupt der christlichen Kirche,<br />

wird zum Anstifter eines Verschwörungskomplotts. Das Schachspiel ist umgekippt. Erst dann<br />

können die Figuren wieder richtig aufgestellt werden.<br />

Dr. Alexander Belobratow (St. Petersburg)<br />

Schachdarstellung in der deutschsprachigen und russischen Prosa der 1930er Jahre<br />

Vortrag entfiel, erscheint im Symposiumsband.<br />

3


Prof. Dr. Ulrich Ernst (Wuppertal)<br />

Schach und andere Spiele… Zu ludistischen Erzählkonzepten im experimentellen<br />

Roman<br />

In dem Vortrag ging es um literarische Werke, die produktionsästhetisch nach den Spielregeln<br />

des Schachspiels konzipiert sind, das zudem als poetisches Ordnungsprinzip fungiert und den<br />

Rezipienten durch das Angebot verschiedener Lektüren als Mitspieler aktiviert.<br />

In einem ersten Abschnitt wurden <strong>für</strong> die literarische Ästhetisierung des Schachspiels historische<br />

Vorbilder aus der Lyrik namhaft gemacht: z. B. ein lateinisches optisches Schachgedicht<br />

des Jacobus Nicholai de Dacia (1363) und ein niederländisches Figurengedicht in Schachform<br />

des Rederijkers Matthijs de Castelein (1555).<br />

In einem zweiten Abschnitt wurde der Transfer der Schachregeln auf eine erzählerische<br />

Makrostruktur in Lewis Carrolls Roman Through the Looking-Glass and What Alice Found<br />

There (1871) analysiert, dessen Handlung mit einigen Devianzen den Regeln eines Schachspiels<br />

folgt, wie ein vorangestelltes Diagramm programmatisch zeigt. Für Carroll konstitutiv<br />

ist eine artistisch höchst interessante Kombination von Narrativik, Ludistik und Mathematik.<br />

In einem dritten Abschnitt wurde die Carroll-Rezeption in den Neo-Avantgarden untersucht,<br />

z. B. in der Konkreten Poesie, in der Friedrich Achleitner in seinen quadratroman (1973) ein<br />

Oswald Wiener gewidmetes Schachdiagramm aufnimmt, oder in der Gruppe Oulipo, in der<br />

Georges Perec seinem Roman La Vie mode d’emploi (1978) den Grundriss eines Mietshauses<br />

unterlegt, das in der Erzählordnung im Rösselsprung durchmessen wird.<br />

Den Vortrag beschloss ein kurzer Ausblick auf affine ludistische Romankonzepte, z. B. nach<br />

dem Modell des Kartenspiels (Italo Calvino) und des Hüpfspiels (Julio Cortázar), die einen<br />

Wandel in der Spieltheorie von der Moderne zur Postmoderne indizieren.<br />

III. Spielfelder: Schach in politisch-ideologischen Diskursen<br />

Prof. Dr. Dietmar Peil (München)<br />

Das Schachspiel in der politischen Metaphorik<br />

Seit den Anfängen der Forschung über die mittelalterlichen Schachbücher gilt es als ausgemacht,<br />

dass die Figuren auf dem Schachbrett die ständisch-soziale Ordnung widerspiegeln.<br />

Nach Wackernagel war das Schach der Inder und Perser "nur das Abbild eines indischen,<br />

eines persischen Kriegsheeres gewesen, in welchem Alle, vom Könige bis zum Fusssoldaten,<br />

zu einer und derselben Kaste gehörten: das europäische nun stellte eher die Gliederung eines<br />

germanischen Staates dar, die ganze Abstufung von höheren zu niederen Ständen. Heinemann<br />

präzisiert Wackernagels Auffassung, kommt aber auch zu dem Schluss, dass durch die von<br />

Jacobus de Cessolis vorgenommene Differenzierung auch der dienenden Stände "das Schachspiel<br />

zum Abbild der gradualistisch abgestuften Feudalgesellschaft geworden" war. Nach<br />

Thomas Cramer ist "das soziale Bild der Schachzabelbücher als Ergebnis einer Allegorese bei<br />

aller Detailliertheit kein Abbild wirklicher Verhältnisse"; vielmehr "erfolgt der Griff nach<br />

dem Schachspiel als einem Bildkomplex, der in sich selbst über eine Ordnung verfügt, die der<br />

Wirklichkeit abhanden gekommen ist", als Versuch, Normen zu gewinnen. Zuletzt hat Volker<br />

Honemann das Schachspiel als "Metapher <strong>für</strong> die menschliche Gesellschaft in ihrer<br />

grundsätzlichen Gleichheit und ständischen Differenzierung" gesehen.<br />

Tatsächlich ist festzuhalten, dass das Schachspiel in seinen indisch-orientalischen Anfängen<br />

als Modell einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen zwei feindlichen Heeren zu<br />

werten ist. Sofern man das Heer als einen sozialen Verband versteht, kann man sagen, dass<br />

die Schachfiguren in ihrer Gesamtheit einer soziomorphen Interpretation unterzogen worden<br />

sind. In der weiteren Tradierung des Spiels erfährt die soziomorphe Interpretation eine Verschiebung,<br />

indem die Schachfiguren nunmehr teilweise auch als Spiegelung einer staatlichen<br />

4


Ordnung verstanden werden. Die Königin, die Richter oder Landvögte (Türme) und die<br />

Ratgeber (oder Bischöfe) sind weniger Bestandteil eines Heeres als vielmehr Elemente einer<br />

politisch-sozialen Ordnung. Diese soziale Ordnung ist nicht das Resultat einer Allegorese des<br />

Schachspiels, sondern einer Projektion der staatlichen Ordnung auf das Schachspiel. Nach<br />

Meister Ingold sind in den Schachfiguren der Adel und sein dienstlüt wiederzufinden. Zum<br />

Adel gehören der König und die Königin, die Ratgeber (die Alten), die Ritter und die Richter<br />

(Türme). Die Bauern sind die dienstlüt oder amptlüt, die all mit dem küng ze veld ziehend.<br />

Anders als jene Autoren, die sich eng an Jacobus de Cessolis orientieren, versteht Meister<br />

Ingold die Reihe der Bauern als Pförtner oder Kämmerer, Arzt (mit Jäger, Bäcker, Koch,<br />

Fischer und Apotheker), Kanzler und Schreiber, Beichtvater, Kaplan, panerher (Hauptmann?)<br />

und Marschall oder Wagner. Die Divergenzen zu den Berufsreihen bei den anderen Autoren<br />

lassen vermuten, dass eine vollständige Abbildung der mittelalterlichen Ständeordnung in den<br />

Figuren des Schachspiels gar nicht angestrebt und wohl auch gar nicht möglich war. Auch das<br />

Schema der Figuren des Adels ist, gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen, äußerst<br />

lückenhaft.<br />

So gesehen ist das Schachspiel eine Dispositionsallegorie, ein mnemotechnisches Hilfsmittel,<br />

das es erlaubt, die verschiedenen Stände und Berufe nacheinander aufzurufen. Die einzelnen<br />

Stände und Berufe werden nicht aus der jeweiligen Figur zwingend allegorisch abgeleitet,<br />

sondern scheinen von den jeweiligen Präferenzen des Autors (und der Festigkeit der Tradition)<br />

abhängig zu sein. Auch die den Figuren zugeordneten Eigenschaften, die als verpflichtende<br />

Normen ausgewiesen werden, sind nicht Resultat der Allegorese, sondern beruhen auf<br />

mehr oder weniger willkürlichen Setzungen und werden vor allem über einschlägige Exempel<br />

näher begründet.<br />

Das soziomorph gedeutete Schachspiel bietet in einem weiteren Schritt die Möglichkeit einer<br />

christlich-heilsgeschichtlichen Interpretation, in der Meister Ingold den König als Christus<br />

auslegt, die Königin als Gottesmutter, die Ratgeber als Patriarchen und Propheten sowie als<br />

Engel, die Ritter als Märtyrer und die Richter als die Apostel. Die Ämterreihe der Bauern<br />

wird unter Rückgriff auf entsprechende Bibelzitate gänzlich auf die verschiedenen heilsgeschichtlichen<br />

Funktionen Christi bezogen.<br />

Insofern bietet die Ordnung des Schachspiels durchaus verschiedene Möglichkeiten der Interpretation<br />

und ist (auch aufgrund der Lückenhaftigkeit der daraus abgeleiteten Ordnungen)<br />

keineswegs ausschließlich als "Metapher <strong>für</strong> die menschliche Gesellschaft in ihrer grundsätzlichen<br />

Gleichheit und ständischen Differenzierung" (Honemann) zu verstehen.<br />

PD Dr. Markus May (Erlangen/München)<br />

Die Kunst des Schachs im napoleonischen Zeitalter: Wilhelm Heinses Roman Anastasia<br />

und das Schachspiel<br />

Trotz der beachtlichen Konjunktur, die die Heinse-Forschung in den letzten Jahren erlebt hat,<br />

ist Anastasia und das Schachspiel, kurz vor Heinses Tod 1803 veröffentlicht, im Vergleich zu<br />

den anderen Romanen des wenig Beachtung zuteil geworden. Dies erklärt sich vor allem aus<br />

der merkwürdigen Struktur des Textes, der wie ein Zwitter aus Roman und Schachlehre wirkt.<br />

Doch lässt sich diese Struktur im Kontext der philosophischen und ästhetischen Prämissen,<br />

die von einem intellektualen Sensualismus und einer quasi „lebensphilosophischen“ Präferenz<br />

des Lebens vor der Kunst geprägt sind, durchaus sinnvoll erklären. Hier setzt ein Textverständnis<br />

ein, das nicht allein die aktive Partizipation des Lesers im Sinne einer ludistischen<br />

Umsetzung des Textes, einer Überführung in Lebenspraxis postuliert, sondern auch eine<br />

wechselseitige Erhellung von Schach- und Lebensführung mit enthält. Dadurch, dass der Text<br />

seine eigenen Grenzen überschreitet und eine eigene performative Pragmatik entwirft, wird<br />

Anastasia und das Schachspiel somit zu einem Vorläufer der experimentellen Literatur der<br />

Avantgarde. Darüber hinaus entwirft der Text auch eine mit dem Schachspiel verknüpfte<br />

politisch-ästhetische Utopie, die in der Unabhängigkeit eines wieder zu kultureller Blüte er-<br />

5


starkten Griechenlands - zu Heinses Zeiten unter noch türkischer Herrschaft - ihre Apotheose<br />

finden soll. Und schließlich liefert der Text auch eine eigenwillige Erklärung <strong>für</strong> die militärischen<br />

Erfolge Napoleons: Er spielt als Feldherr und Schachspieler nicht nach der französischen,<br />

mit dem Namen Philidors verbundenen Schule, sondern nach der italienischen Methode<br />

der Modeneser Schule.<br />

Prof. Dr. Horst Weich (München)<br />

Schach als Schule des Lebens? Zu Ideologie und Ästhetik bei Fernando Pessoa/Ricardo<br />

Reis<br />

Schach ist geregeltes agonales Spiel. In der mit 103 Versen außergewöhnlich langen Ode „Os<br />

Jogadores de Xadrez“ („Die Schachspieler“, datiert auf den 1. 6. 1916) des neuklassischen,<br />

neo-paganen Pessoa-Heteronyms Ricardo Reis referiert der Erzähler eine Geschichte aus dem<br />

alten Persien, in der zwei Partner gegeneinander Schach spielen, unbekümmert davon, dass<br />

um sie herum ein Krieg tobt. Die Einbettung des inszenierten Kriegs auf dem Schachbrett in<br />

den ‚realen’ ermöglicht die Kontrastierung zentraler ideologischer und ästhetischer Problemlagen:<br />

Spiel vs. Ernst, Regelhaftigkeit vs. Regellosigkeit, Kalkül vs. Unvorhersehbarkeit,<br />

Selbstzweckhaftigkeit vs. Involviertheit, Gleichgültigkeit vs. Engagement, Freiheit vs. Fremdbestimmung,<br />

Sorge um sich vs. Sorge um andere. Der Doppelungsgestus wiederholt sich auf<br />

der Vermittlungsebene, insofern die Geschichte in einem ausführlichen zweiten Teil vom<br />

Erzähler besprochen und kommentiert wird. In didaktischer Manier wird die Empfehlung<br />

formuliert, es den Schachspielern gleichzutun und das Simulacrum dem Leben vorzuziehen.<br />

Auf textueller Ebene setzt sich das agonale Spiel fort, indem Ricardo Reis intertextuell in<br />

Wettstreit tritt zu Pindar und Horaz, deren Oden er – mit Vorbehalt – imitiert, aber auch zum<br />

persischen Dichter Omar Kayyam, dessen Lebensphilosophie schon der Hilfsbuchhalter<br />

Bernardo Soares – ein weiteres Heteronym Pessoas – in seinem Livro do Desassossego (Buch<br />

der Unruhe) zu schätzen wusste und den Ricardo Reis in Konkurrenz zu Epikur treten lässt.<br />

Die Pluralisierung der textuellen Ebenen des Gedichts sowie der intertextuellen Referenzen<br />

führt gleichwohl, im Gegensatz zum ausgestellten Antagonismus des Schachspiels, zu einer<br />

eindeutigen Sinngebung: Propagiert wird eine Lebensphilosophie im Zeichen eines letztlich<br />

„traurigen Epikureertums“, das Pessoa selbst seinem Heteronym Ricardo Reis zuschreibt.<br />

Prof. Dr. Leonard Olschner (London)<br />

Wolfgang Kohlhaases Hörspiel Die Grünstein-Variante und das Holocaust-Verständnis<br />

der DDR<br />

In der Literatur figuriert Schach als Metapher oder als Allegorie, jedoch selten allein als nur<br />

Schach, als Requisit unter beliebig anderen Requisiten, sondern tendenziell als Bild in der<br />

Verquickung mit einem anderen Diskurs. Das ist der allgemeine Rahmen und Ausgangspunkt<br />

der hier vorgelegten Lektüre des 1975 geschriebenen, 1976 erstgesendeten und 1977 mit dem<br />

Prix Italia ausgezeichneten Hörspiels Die Grünstein-Variante des DDR-Autors Wolfgang<br />

Kohlhaase (*1931). Eine Kontextualisierung umfasst nicht nur den Text innerhalb der Hörspielproduktion<br />

der DDR, die anders verlief als die bundesdeutsche, sondern weitere Schichten<br />

wie Judentum, Geschichte und Gesellschaft. Diese Arbeit <strong>für</strong> den Rundfunk, weder oppositionell<br />

noch staatstragend, nahm sich eines ungewöhnlichen Themas an, das, wenn in der<br />

DDR-Literatur nicht verpönt, wohl auch nicht willkommen sein oder gefördert werden konnte.<br />

Denn behutsam nähert sich Kohlhaase der Shoah, die die DDR unter dem umfassenderen<br />

Begriff des „Völkermords“ verstand, was neben anderem auch jedem Diskurs über die Einmaligkeit<br />

dieses Verbrechens die Schärfe nimmt.<br />

Im Hörspiel wird die Shoah in ihrer bewussten Vorwegnahme thematisiert, jedoch nicht<br />

lehrhaft, nicht ‚offiziell‘, sondern in der Gestalt des polnischen Juden Frajwl Grünstein, einem<br />

6


koscheren Schlachter, der sich zusammen mit zwei anderen Männern, einem griechischen<br />

Koch und dem deutschen Seekapitän Lodek in Pariser Haft befindet. Die Geschichte wird,<br />

ähnlich dem Erzählduktus in Jurek Beckers Jakob der Lügner (1969) und im übrigen ähnlich<br />

diesem nicht ohne Humor, in der Zeit nach dem Weltkrieg erzählt: eine sonst ‚gewöhnliche‘<br />

Begegnung, läge der Zeitpunkt der erzählten Zeit und der Handlung des eingeblendeten<br />

Geschehens nicht im August 1939. Um die Zeit zu ‚vertreiben‘, spielen Grünstein und Lodek<br />

Schach. Nach 17 verlorenen Partien gewinnt Grünstein, der zuvor das Spiel nicht kannte,<br />

durch Spielzüge, die der Kapitän später die „Grünstein-Variante“ nennt, an deren Ausführung<br />

er sich nicht mehr erinnern kann. Er gewinnt, indem er intuitiv die nächsten Spielzüge Lodeks<br />

voraussieht. Kohlhaase lässt Grünstein im Text überleben, damit vergegenwärtigt er ihn und<br />

zudem, im Sinne des Eingedenkens, eine jüdische Präsenz, die als solche in der DDR wenig<br />

herausgebildet war. Kohlhaases Lodek geht nicht auf die Shoah und die Geschichte ein: diese<br />

Figur lenkt Schiffe, über die Geschichte denkt sie in den größeren Zusammenhängen nicht<br />

nach, die wir als Nachgeborene zumindest besser überschauen, wenn nicht immer begreifen<br />

können. Eine mögliche Lektüre kann in der bitteren Ironie gipfeln, dass Grünstein ebengerade<br />

begonnen hatte, die nächsten Züge des Gegners am Brett vorauszusehen, aber nicht die<br />

nächsten Züge des historischen Feindes, der wohl ihn, seine Familie und seine Welt einholte.<br />

Siegfried Schönle (Kassel)<br />

Schach und Moral in Drucken der Barockzeit. Fundstücke eines Sammlers<br />

Die Kulturgeschichte des Schachspieles ist ein seit Jahrhunderten besonders langer und breiter<br />

Strom, der weder von Gebirgen noch nationalen Grenzen sich eindämmen ließ und lässt.<br />

Er verbindet und durchfließt Kontinente und Nationen, seine Quelle liegt wahrscheinlich in<br />

Indien und er erreichte im 11. Jh. auch Zentraleuropa.<br />

Insbesondere in der Renaissance und im Barock stand das Schachspiel in einer engen Wechselbeziehung<br />

zu literarischen und anderen künstlerischen Ausdrucksformen. Im Barock<br />

(1600-1700) nahm das Spiel, auch das Schachspiel, unterschiedlichste Funktionen in der<br />

Literatur und Kunst ein.<br />

Zum einen war es ein Mittel zur nützlichen und gelehrten "Zeit=Vertreibung" (Menochio,<br />

1699) des Bürgertums wie auch des Adels; der Adel gestaltete das Schachspiel auch zu einem<br />

gesellschaftlichen Ereignis mit lebenden Figuren (Harsdörffer, 1657) aus; zum anderen diente<br />

es im Schachgedicht und anderen literarischen Formen zur Verdeutlichung der dichterischen<br />

Aussage, half in der allegorischen Ausdeutung der barocken Lebens- und Weltbezüge, der<br />

Darstellung der Tugenden wie der Laster, der gesellschaftlichen Ordnungen und Unordnungen<br />

in der Welt des 17. Jahrhunderts. Der polare Charakter des Schachspiels (zwei Parteien,<br />

Weiß/Schwarz usw.) eignete sich in besonderer Weise, das Lebensgefühl der Epoche auszudrücken,<br />

von der Vergänglichkeit des Seins und der materiellen Werte (König und Bauer<br />

werden in den gleichen Kasten zurückgelegt / der Tod ist der große Gleichmacher) oder der<br />

Freude am Diesseits zu erzählen. So versinnbildlicht Martin Limburger (1637-1692) in dem<br />

Buch Die Betruebte Pegnesis... (1684) mit Hilfe eines Schach-Emblems und einer Vanitasdichtung<br />

die Bedrückungen im Verlauf des barocken Lebens, deutet das Leben als eine Reise<br />

durch das Jammertal hinauf zu Gott mit zwei Figuren auf dem Schachbrett an: Läufer und<br />

Dame. Das Motto "Durch die Schaaren der Gefahren" und die Bewegungen der Figuren auf<br />

dem Schachbrett weisen auf den beschwerlichen Lebensweg hin. Diese und andere Bezüge<br />

aus weiteren Schriften des Barock von Lassenius, Olearius, Harsdörffer, Laurentius von<br />

Schnüffis, Francisci u.a. sind Thema des Vortrages.<br />

7


IV. Spielregeln: Schach und Diskursordnungen<br />

Barbara Holländer (Berlin)<br />

Das Schachspiel als Fokus einer enzyklopädischen Ordnung mittelalterlichen Wissens<br />

Nach dem Muster des Rosenromans entstand am Ende des 14. Jahrhunderts das Versgedicht<br />

Les Echez amoureux eines anonymen Dichters, das um 1404 dem Pariser Arzt, Gelehrten und<br />

Schriftsteller Evrard de Conty als Ausgangspunkt eines umfangreichen, enzyklopädischen<br />

Kommentars diente. Der gesamte Götterhimmel, die kosmischen Erscheinungen, Natura und<br />

Fortuna, antike Mythen und christliche Allegorien, die Bedeutungen des Gartens als Varianten<br />

der Weltbeschreibung sowie das in den Fächern der Artes liberales gespeicherte Wissen<br />

werden herangezogen, um einem Spiel seinen bedeutungsvollen und zentralen Ort zu geben,<br />

der es, umgekehrt, zur leitenden Metapher im Labyrinth des Wissens werden läßt.<br />

Eine besondere Rolle spielen Arithmetik, Geometrie und Astronomie. Das Schachbrett mit<br />

seinen 8x8 = 64 Feldern, den 4x8 oder 2x16 Figuren repräsentiert eine auffällige Zahlenkonstellation,<br />

denn 64 ist zugleich die erste Quadrat- und Kubikzahl und spielt in der anhaltenden<br />

Diskussion quadratischer Gleichungen eine Rolle. Auf diesem Verhältnis baut sich ein Geflecht<br />

von räumlichen, musikalischen (also kosmologischen) und damit kombinatorischen<br />

Interpretationsmustern auf. Sie repräsentieren die rationale Grundlage des menschlichen<br />

Erkenntnisvermögens. Neben den antiken Gewährsleuten <strong>für</strong> seine Darstellung – Aristoteles,<br />

Ptolemäus oder Boethius – zitiert Evrard eine Reihe von jüdischen und arabischen Gelehrten,<br />

deren Schriften er offensichtlich aus den Übersetzungen des 13. Jahrhunderts, zum Beispiel<br />

des Hermann von Carinthia, kannte.<br />

Die komplexe Wissensgrundlage, besonders die Kenntnisse der „Vorhersage“, müssten einem<br />

Kenner des Schachs erlauben, nach dem ersten Zug alle weiteren Züge und damit den Verlauf<br />

des Spiels bis zum Matt vorherzusagen. Al Kindi zitierend, erklärt Evrard jedoch: Alles ist<br />

geordnet und vorherbestimmt, aber der Mensch kennt nur einen Teil der möglichen Züge auf<br />

dem Schachbrett der Welt. Alles zu wissen, ist nur Gott gegeben. Daher ist das von Evrard als<br />

das „schönste Spiel“ bezeichnete Schach in seinem Ablauf zwar nie vollkommen vorhersehbar.<br />

Da es seinen Ort jedoch im Spannungsbogen zwischen menschlichem und göttlichem<br />

Wissen hat, ist seine herausragende Stellung unter den Beschäftigungen des menschlichen<br />

Geistes gesichert.<br />

Dr. Hanna Eglinger (München)<br />

Spieler oder Spielfigur? Schach als epistemologisches Modell bei Solvej Balle<br />

Die mit dem Schachspiel verknüpfte epistemologische Frage nach der Stellung des Menschen<br />

als Spieler oder Spielfigur umfasst nicht erst mit Kierkegaard Fragen nach Willens- und<br />

Handlungsfreiheit und Erkenntnismöglichkeit – sie bestimmt auch noch die schachthematische<br />

Modellierung von literarischen Subjekten in der skandinavischen Literatur des 20.<br />

Jahrhunderts und insbesondere bei der dänischen Autorin Solvej Balle, wobei es nicht mehr,<br />

wie noch bei Kierkegaard, um die Frage nach einer göttlichen, sondern vielmehr um die nach<br />

einer literarischen oder narrativen Transzendenz geht.<br />

Der Beitrag befasst sich mit der zweiten Erzählung aus Solvej Balles Erzählungsband Ifølge<br />

loven (1993, Nach dem Gesetz) und ihrem thematisch wie strukturell eingesetzten Schachmotiv.<br />

Im Text werden zwei verschiedene Weltbilder (aristotelisch vs. kopernikanisch) und<br />

Raumkonzepte (mittelalterlicher von Nachbarschaftsverhältnissen geprägter Raum vs. euklidisch<br />

und perspektivisch konstruierter Raum) gegeneinander ausgespielt. Über deren Verbindung<br />

mit den historisch verschiedenen Spielarten des Schach (Dynamisierung des Spiels<br />

durch die Umwandlung der ehemals kurzschrittigen Figuren zu langschrittigen) kann eine<br />

Überlagerung der unterschiedlichen Weltkonzepte aufgezeigt werden, die sowohl die Mängel<br />

8


einer cartesianischen Wirklichkeitskonstruktion hinterfragt als auch die Möglichkeit der Trennung<br />

von einem Diesseits und einem Jenseits der Erkenntnis. Gezeigt wird somit, inwiefern<br />

Balles Erzählung auf narrativer Ebene (und im wechselnden Status der Protagonistin zwischen<br />

Spielerin und Spielfigur) die vergebliche epistemologische Suche nach einer aus dem<br />

Blick geratenen Transzendenz inszeniert.<br />

Prof. Dr. Hans Petschar (Wien)<br />

Das Schachspiel – ein historischer Welt- und Wissensraum<br />

Der Vortrag gliederte sich in zwei Teile: zum einen wurde anhand eines Vergleich der Regelsysteme<br />

des Spiels in Indien, China, Japan und Europa erneut die schachgeschichtliche<br />

Fragestellung nach dem Ursprung des Schachspiels aufgeworfen und hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen<br />

Sinnhaftigkeit hinterfragt, zum anderen wurde anhand einer kulturgeschichtlich<br />

bedeutsamen Quelle zum mittelalterlichen Schach (dem „Liber de moribus hominum et<br />

officiis nobelium ac popularium super ludo scachorum“ des Jacobus de Cessolis) die Frage<br />

nach dem „Wirklichkeitsgrad“ des Schachspiels als Welt- und Wissensmodell <strong>für</strong> die mittelalterliche<br />

Gesellschaft diskutiert.<br />

Um die Mitte des 7. Jahrhunderts lernten die die Araber in Persien ein Kriegsspiel ein Brettspiel<br />

indischen Ursprungs kennen, das in seinem Aufbau dem indischen Heer mit Fußsoldaten,<br />

Kavallerie, Streitwagen und Elephanten entsprach. Das Schachspiel fand auf Handelswegen<br />

seinen Weg nach Europa. Früheste Quellen <strong>für</strong> das Schachspiel im christlichen Westeuropa<br />

sind das 1008 verfaßte Testament des Grafen der seine Schachsteine dem Kloster des<br />

Hl. Aegidius stiftete, das Gedicht „Versus de scacchis“, das wahrscheinlich um das Jahr 1000<br />

im Kloster Einsiedeln entstand, sowie ein Brief des Petrus Damiani, Erzbischof von Ostia, an<br />

den Papst Alexander II. (1061/1062), der einen Florentiner Bischof beschuldigt, die Nacht in<br />

einer Herberge beim Schachspiel verbracht zu haben.<br />

Kostbare Schachfiguren aus Elfenbein und Bergkristall finden (u.a. aufgrund der ihnen zugesprochen<br />

magischen und sakralen Kräfte als gemmae spiritales) Aufnahme in den Schatz<br />

von Kirchen, Adeligen und Regenten. Die zum tatsächlichen Spiel bestimmten einfacheren<br />

Gebrauchsfiguren wurden aus Holz, Knochen, Hischgeweih oder Walroßzähnen gefertigt.<br />

Entscheidend <strong>für</strong> den durchschlagenden Erfolg des Schachspiels in Europa war die Transformation<br />

des indisch/ persischen Kriegsspiels in eine Darstellung der höfischen und seit dem<br />

13. Jahrhundert der mittelalterlichen Gesellschaft insgesamt.<br />

Die Transformation des Ministers (pers.-arab. Farzane, firzan) in die europäische Königin<br />

bzw. Dame ist nur das markanteste Beispiel einer Reihe von Veränderungen in den Interpretationen<br />

der arabischen Figuren im europäischen Mittelalter.<br />

Während aber die Bezeichnungen und die Darstellungen der Figuren durchaus der europäischen<br />

Vorstellungswelt angepasst wurden, blieben die Regeln des Spiels zunächst unverändert:<br />

Die Zugweisen der einzelnen Figuren geben dem mittelalterlichen Schachspiel einen<br />

im Vergleich zum modernen Schachspiel recht statischen Charakter. Erst gegen Ende des 15.<br />

Jahrhunderts ändert sich dies durch die Einführung einer neuen Zugweise <strong>für</strong> den Läufer und<br />

die Dame, die nunmehr mit einem maximaler Reichweite über die ganze Linie bzw. Diagonale<br />

ziehen können. Diese Änderung führt zu einer systemimmanenten Beschleunigung des<br />

Spiels und zu einer Änderung des Spielsystems im Ganzen, die in den Spielbüchern des 16.<br />

Jahrhunderts ausführlich beschrieben und kommentiert wird.<br />

In den erhaltenen mittelalterlichen Quellensammlungen sind dagegen hauptsächlich Problemstellungen<br />

mit konkreten Aufgaben überliefert und festgelegte Mittelspielstellungen<br />

(tabyas), von denen ausgehend gespielt werden konnte. Die kurzweilige Aufbereitung von<br />

Schachproblemen, die unter Wetteinsatz gelöst werden konnten, und die künstliche Beschleunigung<br />

des Spiels durch tabyas bewirkten, dass das Schachspiel zu einem Freizeitvergnügen<br />

<strong>für</strong> die unterschiedlichsten sozialen Schichten werden konnte.<br />

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Gegen Ende des 13. Jahrhunderts war das Schachspiel im westlichen Europa so weit im<br />

öffentlichen Bewusstsein verankert, dass es aufgrund seiner inhärenten Qualitäten als symbolisches<br />

Ordnungssystem verstärkt <strong>für</strong> moralisierende und didaktische Zwecke genutzt<br />

werden konnte. Mit der allgemeinen Verbreitung des Schachspiels einher geht daher die<br />

Aufnahme des Schachspiels als Motiv und als allegorische Darstellung der mittelalterlichen<br />

Gesellschaft in der Literatur und der Ikonographie.<br />

V. Spielsteine: Schachästhetik<br />

Prof. Dr. Tobias Janz (Hamburg)<br />

"Chess-Pieces" – Schach in der musikalischen Avantgarde<br />

Dass Schach und Musik einander in hohem Maße ähneln, scheint ein Gemeinplatz unter<br />

denen zu sein, die sich gleichermaßen <strong>für</strong> Musik und Schach interessieren. Man spricht im<br />

Bereich des Problemschachs von Schachkomponisten und Schachkompositionen, so wie man<br />

mit dem Musikwissenschaftler Carl Dahlhaus sagen könnte, musikalische Kompositionen<br />

exponierten (wie das Problemschach?) im Wesentlichen die Probleme, <strong>für</strong> die sie gleichzeitig<br />

eine Lösung darstellen. Darin sich ausdrückende oder daran anknüpfende Analogiekonstruktionen<br />

verdecken jedoch die Tatsache, dass Schach und Musik sich auch fundamental voneinander<br />

unterscheiden, dass das eine – banal gesagt – primär ein Spiel, das andere primär<br />

Kunst ist (und zwar selbst dann, wenn man mit Schiller beide auf dieselbe anthropologische<br />

Wurzel des Spielens zurückführt). Man kann Kunstwerke (metaphorisch) als Spiele betrachten<br />

und deren Herstellung als ein Spielen nach Regeln, wie man anders herum den Verlauf<br />

oder die Struktur eines Spiels als Kunst betrachten oder sogar zu Kunst werden lassen kann,<br />

ohne dass dadurch deren prinzipieller Unterschied nivelliert würde. Eine gespielte oder<br />

komponierte Schachpartie mag ästhetisch ansprechen oder ästhetische Qualitäten vorweisen,<br />

sie als ein Kunstwerk zu rezipieren wäre jedoch genau so zweckentfremdend (wenn auch<br />

künstlerisch nicht uninteressant) wie die Idee, sich ein Fußballspiel als Ballettinszenierung<br />

(oder wörtlich als „Rasenschach“) anzusehen.<br />

Interessant jenseits dieses Labyrinths von teils produktiven, teils irreführenden Metaphern<br />

und Analogien sind deshalb vor allem Fälle, in denen sich die Musik dem Schachspiel konkret<br />

als einem Sujet oder in struktureller Hinsicht zuwendet, das Schach also benutzt, um<br />

neue musikalische Formideen oder Ausdrucksmöglichkeiten zu generieren. Es ist kein Zufall,<br />

dass sich Beispiele da<strong>für</strong> erst in der Musik des 20. Jahrhunderts und vor allem da finden<br />

lassen, wo die Musik sich von den traditionellen Grundlagen ihrer Sprache löst. Paradoxerweise<br />

ist die erste „Komposition“, die auf der Idee beruht, den Verlauf einer Schachpartie<br />

vollständig in Klangereignisse umzusetzen – Reunion aus dem Jahr 1968 – eine Konzeptkunst-Performance<br />

aus John Cages indeterministischer Phase, einer Phase, in der Cage den<br />

traditionellen Begriff von Musik und musikalischen Kunstwerken bereits so weit entgrenzt<br />

hat, dass von einer Annäherung zwischen Schach und Musik aufgrund struktureller Verwandtschaft<br />

keine Rede mehr sein kann. Mein Beitrag zeichnet den Weg Cages von seiner<br />

ersten künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Schachspiel in Chess Pieces (1944) über<br />

die aleatorische Musik der 1950er Jahre bis hin zu Reunion nach, bezieht auf diesem Weg<br />

daneben aber auch musikalische Schachkompositionen von Bohuslav Martin� (Échec au Roi),<br />

Vittorio Rieti (Chess Serenade) und Hans Zender (Schachspiel) mit ein.<br />

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Prof. Dr. Erika Greber (Erlangen)<br />

Der Schwarz-Weiß-Film im Schachfieber (Vsevolod Pudovkin)<br />

Die Filmkomödie Schachfieber (�achmatnaja gorja�ka, 1925) zeigt eine vom Schach besessene<br />

Welt: Moskau während des ersten in der jungen Sowjetunion stattfindenden internationalen<br />

Schachturniers. Dokumentarische Echtbilder der Schachmeister und Schachembleme<br />

aller Art sind in eine fiktionale Liebesgeschichte eingefügt, in der ein schachbesessener<br />

junger Mann und seine vernachlässigte, das Schachspiel zunehmend hassende Verlobte sich<br />

trennen und nach einer Serie traurig-witziger Komplikationen wieder zusammenfinden – zum<br />

Schachspiel. Mit diesem Opus debütierte Vsevolod Pudovkin, einer der bedeutenden Regisseure<br />

des russischen Stummfilms. Filmhistorisch gilt Schachfieber als Beleg <strong>für</strong> bestimmte<br />

Entwicklungsetappen und Neuerungen: 1) ein neuer – <strong>für</strong> die Herausbildung des jungen Sowjetfilms<br />

wesentlicher – Stil der mediengemäßen eigentlichen Filmschauspielerei (Schauspieler<br />

mit montage-gerechten Bewegungen) und 2) eine neue Montagetechnik, nämlich ein gleitender<br />

Montagestil, der (anders als bei Eisenstein) Kontinuitäten und Kausalzusammenhänge<br />

suggeriert und daher eine andere Art des narrativen Films begünstigt.<br />

Schachfieber ist allerdings mehr als eine bloße Vorübung und ist auch mehr als ein Streifen<br />

übers Schachspielen. Sowohl die Handlung als auch die filmische Darbietung ist so stark von<br />

der Schachidee strukturiert, daß man sagen könnte, der Film selbst sei im Schachfieber. Dies<br />

gilt <strong>für</strong> alles, Optik ebenso wie Erzählhandlung, und reicht von der Schwarz-Weiß-Ästhetik<br />

über die Schachtopik bis zum Agon.<br />

Schach bestimmt die Schnittfolge und die Filmtricks. Das Schwarz-Weiß, an sich eine bloß<br />

technische Medienbedingung des frühen Films, ist schachisiert; entsprechend funktional wird<br />

daher das Schneeweiß der winterlichen Stadt. Der Film ist als Agon komponiert, mit Parallelmontagen<br />

des Liebesplots. Held und Heldin sind als Antagonisten konzipiert (Kontrast zweier<br />

Aktionsstile und zweier Epochenstile: Jugendstil vs. neue Sachlichkeit) und auch ikonographisch<br />

als Gegensatzpaar gekennzeichnet, wobei die arabeske Sphäre des Nichtschachs von<br />

der rectangulären Sphäre des Schachs besiegt wird. Das an einem Höhepunkt eingesetzte Verfahren<br />

der rückwärtslaufenden Filmsequenz fungiert als meta-kinematographisches Verfremdungselement<br />

und gleicht einer Schach-Retroanalyse.<br />

Genaues Hinschauen entlarvt die vermeintlich kontinuierliche Montage: sie ist nämlich<br />

konterkariert von wohlplazierten Diskontinuitäten, die eine Art Metalepse zwischen Realwelt<br />

und Fiktionswelt herstellen. Dieser Befund führt auch zu einer Revision der gängigen Annahmen<br />

über die Produktion des Films. Dem Film Schachfieber, so ist zu zeigen, liegt ein<br />

total vom Schachkalkül bestimmtes kinematographisches Konzept zugrunde.<br />

Prof. Dr. Ernst Strouhal (Wien)<br />

Hartwigs Problem. Probleme der Bauhaus-Ästhetik am Beispiel des Schachspiels<br />

von Josef Hartwig 1924<br />

Gesetzt den Fall, ein bösartiger, kunstfressender Virus zerstörte alle Kunstwerke des 20. Jahrhunderts<br />

und nur eine relativ vollständige Sammlung von Künstler-Schachspielen bliebe erhalten.<br />

Eine horrible Vorstellung – dennoch wäre es zukünftigen Generation von KunsthistorikerInnen<br />

möglich, die verschiedenen Stile und Strömungen von der frühen Avantgarde bis<br />

zur Gegenwart anhand dieser einen Sammlung zu rekonstruieren.<br />

Der Beitrag widmet sich dem Schachspiel von Josef Hartwig aus dem Jahr 1924, das im<br />

Selbstanspruch den End- wie Kristallisationspunkt einer Form bildet. Bis heute gilt das Bauhaus-Schach<br />

als Beispiel einer vollendeten Symbiose von Form und Funktion. Die abstrakte<br />

Form seines Schachsets bildet die Funktion der Figuren am Schachbrett, ihre Bewegungsart,<br />

ab. Diese Bewegungsregeln werden direkt und in höchster Ökonomie in Form übertragen.<br />

Tatsächlich?<br />

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Anhand einer genauen Analyse der Schachfiguren wird der Funktionalismus von Hartwig<br />

zunächst kritisch befragt und in einem zweiten Schritt in Beziehung zu anderen Beispielen<br />

(Itten, Mondrian, Montessori, Hauer und Musil) gesetzt, mit der These, dass das Konzept der<br />

Reinheit und Rationalität der Form am Höhepunkt in Mystik kippt.<br />

Prof. Dr. Hans Holländer (Berlin)<br />

Schachlabyrinthe der Malerei im 20. Jahrhundert<br />

Schach ist ein kinetisches Labyrinthspiel mit beständigem Entscheidungszwang. Mit jedem<br />

Zug verändert sich die Konstellation der antagonistischen Kräfte in den Koordinaten des<br />

Schachbretts. Im 20. Jahrhundert konnte sich die surrealistische Kombinatorik mit dem<br />

Schachspiel verbinden. Welche Rolle Marcel Duchamp dabei spielte, ist oft diskutiert<br />

worden.<br />

Das Spiel wurde von einer neapolitanischen Surrealistengruppe der sechziger Jahre fortgesetzt.<br />

Mario Persico schleuste heterogene Zeichenkombinationen in Schachdiagramme ein,<br />

die er mit einknickenden Feldern, Andeutungen einer rätselhaften Mechanik, Ziffern und<br />

Buchstaben zu „Monumenten“ montierte. Es handelt sich um ein quasi-pataphysikalisches<br />

Spiel mit dem Spiel, das in einem Falle dem König Ubu gewidmet ist.<br />

Die Schachlandschaften von Samuel BAK lassen hinter zerschlissenen Schachbrettmustern<br />

ruinöse Unterwelten aus Gängen, Kammern, konspirativen Verstecken erkennen. Es sind<br />

Bilder einer Welt, in der die Chiffren noch wahrnehmbar sind, aber kein Schlüssel mehr passt.<br />

Ohne dass es eine direkte Berührung gäbe, stimmen seine Bilder merkwürdig genau mit<br />

Beschreibungen Dürrenmatts im Winterkrieg in Tibet überein.<br />

Helena Viera da Silva hat ihre Perspektiven komplizierter polyfokaler Räume auf die Hirnwelten<br />

des Schachspiels übertragen. Auffällig ist die Nähe ihrer Interpretation zu den Schilderungen<br />

Stefan Zweigs in der Schachnovelle, die sie vielleicht in der ersten portugiesischen<br />

Ausgabe während ihres Exils in Brasilien gelesen hat. Die Nähe ihrer Bilder zur Literatur<br />

bestätigt der Essay mit dem Titel Itinéraire, den Michel Butor ihren „Wegen im Labyrinth“<br />

gewidmet und nach ihren Bildtiteln gegliedert hat.<br />

* * *<br />

Die Publikation der Beiträge in einem Tagungsband ist geplant (Erscheinungsdatum vermutlich<br />

Mitte/Ende 1910). Aktuelle Information erfolgt per Rundschreiben; Interessierte<br />

können sich gerne in die Mailingliste eintragen lassen..<br />

<strong>Lehrstuhl</strong> <strong>für</strong> <strong>Komparatistik</strong><br />

Department Germanistik & <strong>Komparatistik</strong><br />

Universität Erlangen<br />

Bismarckstr. 1<br />

D - 91054 Erlangen<br />

Sekretariat Frau Urban:<br />

Tel. ++49 9131 85-22419 Fax -22118<br />

<br />

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