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Schönheitschirurgie – nur ein - ZEITUNG AM SAMSTAG

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2<br />

Z<br />

FREIBURG REPORTAGE. NACHGEFRAGT Samstag, 2. Mai 2009<br />

wanzig Sekunden, mehr nicht.<br />

Aus dieser Zeitspanne besteht<br />

die Gegenwart <strong>ein</strong>es Pferdes.<br />

Für den jungen, jeansbekleideten<br />

Mann <strong>ein</strong>e Ewigkeit. Denn Fips, der<br />

braune Wallach, bleibt <strong>ein</strong>fach stehen.<br />

Fragend stehen sich Pferd und<br />

Mensch gegenüber.<br />

Schließlich läuft das große Tier weiter,<br />

Erleichterung steht dem Mann<br />

ins Gesicht geschrieben. Und nachdem<br />

die Führrunde beendet ist,<br />

strahlt er sogar und gesteht: „Ich habe<br />

nämlich Angst vor Pferden. Deshalb<br />

habe ich mich auch für den<br />

Workshop gemeldet.“<br />

Der Workshop ist <strong>ein</strong> Kommunikationstraining,<br />

welches Daniel Wilmsen<br />

von Inlingua und Annette Altenbach<br />

von der DIS AG für das Regio-Netzwerk-Baden<br />

in <strong>ein</strong>er<br />

Reithalle bei Umkirch organisiert<br />

haben. Thema: „Von der Führungskraft<br />

zur Führungspersönlichkeit“.<br />

Trainer sind genannter Fips und<br />

Happy Hour T, <strong>ein</strong>e temperamentvolle<br />

Trakehner-Stute. Andrea<br />

Hauschel und Barbara Sillmann, die<br />

Seminarleiterinnen und Besitzerinnen<br />

der Pferde, verhalten sich<br />

zurückhaltend, nehmen meist die<br />

Rolle der Beobachterinnen <strong>ein</strong>, die<br />

<strong>nur</strong> hin und wieder die Teilnehmer<br />

dezent auf eigene Erkenntnisse<br />

schubsen.<br />

? ?<br />

Nach der Volksabstimmung in Berlin<br />

wird es an dortigen Schulen weiterhin<br />

k<strong>ein</strong>en Religionsunterricht, sondern<br />

ausschließlich das Fach Ethik<br />

geben. Über „Lebenskunde“ und die<br />

Trennung von Kirche und Staat<br />

sprach Barbara Breitsprecher mit<br />

Arno Ehret, dem Regionalsprecher<br />

des Bundes der Konfessionslosen und<br />

Atheisten (IBKA) Freiburg.<br />

ZaS: Was sagen Sie zu dem Argument,<br />

dass Religionsunterricht nötig sei, um<br />

die christlichen Werte, auf denen unsere<br />

Kultur auch beruht, zu vermitteln?<br />

Arno Ehret: Die Aufgabe des Religions-<br />

In 20 Sekunden also entscheidet das<br />

Pferd, wie es reagieren muss, unmittelbar,<br />

direkt, vollkommen im<br />

Hier und Jetzt. Das macht die Tiere<br />

zum idealen Partner fürs Team-Training.<br />

Manager und Personalleiter<br />

können mit ihnen lernen, wie die ei-<br />

Geht er wohl mit? Der Versuch, <strong>ein</strong>em<br />

Pferd die Richtung zu weisen.<br />

gene Haltung sich auf andere auswirkt,<br />

wie non-verbale Kommunikation<br />

funktioniert.<br />

Ganz eng fassen zu Beginn die Teilnehmer,<br />

allesamt Vertreter namhafter<br />

Firmen der Region, unter anderem<br />

von Herrenknecht, Testo AG,<br />

Endress+Hauser, GE Healthcare,<br />

Madeira Garnfabrik und VIV Finanz-<br />

und Versicherungsmakler, die<br />

Pferde am Halfter. In der irrigen Annahme,<br />

so könnten sie die großen<br />

Tiere besser steuern. Nach und nach<br />

„Die Berliner Lösung ist besser“<br />

unterrichts ist in erster Linie die konfessionsgebundeneGlaubensvermittlung.<br />

Wir haben ja k<strong>ein</strong>en christlichen<br />

Religionsunterricht, sondern <strong>ein</strong>en katholischen<br />

und <strong>ein</strong>en evangelischen.<br />

ZaS: Was haben Sie am Fach Ethik, wie<br />

es an den Schulen in Baden-Württemberg<br />

angeboten wird, auszusetzen?<br />

Ehret: Es ist im Prinzip <strong>ein</strong> Ersatzfach.<br />

Die Berliner Lösung ist die bessere. Dort<br />

ist Ethik „Lebenskunde“. Dabei sind<br />

auch die verschiedenen Religionen <strong>ein</strong><br />

Unterrichtsthema, aber ohne jede<br />

Glaubensvermittlung. Bei uns können<br />

<strong>nur</strong> Eltern ihre Kinder oder Jugendliche<br />

sich selbst ab 14 Jahren vom Reli-<br />

Pferde als Spiegel<br />

Pferde als Trainer für Führungskräfte. In <strong>ein</strong>em Workshop, den das<br />

Regio-Netzwerk-Baden veranstaltete, lernten Personalleiter und Manager<br />

viel über sich selbst und <strong>ein</strong> wenig über Pferde. Von Barbara Breitsprecher<br />

lernen sie, dass es mit durchhängendem<br />

Führstrick viel besser läuft.<br />

Nicht Kontrolle, sondern Kontakt ist<br />

der Zaubercode. Und der, versichern<br />

die Trainerinnen, lässt sich genau so<br />

in jeder Firma anwenden.<br />

Pferde können das Adrenalin,<br />

die Angst riechen. Der ruhige Fips<br />

wusste <strong>ein</strong>fach nicht, was der unsichere<br />

Mensch von ihm wollte, also<br />

blieb er stehen. Zu ungenau war die<br />

Körpersprache, <strong>ein</strong> sicherer, dominanter<br />

Beschluss kam bei Fips nicht<br />

an. Also wartete er erst <strong>ein</strong>mal ab.<br />

Da ist Happy Hour T schon anders.<br />

Es braucht <strong>nur</strong> <strong>ein</strong>en winzigen Augenblick,<br />

in dem die Konzentration<br />

und Körperspannung nachlässt, und<br />

schon kehrt die schöne Stute der Seminar-Teilnehmerin<br />

ihr weißes<br />

Hinterteil zu und begibt sich auf eigene<br />

Wege. „Zicke“, kommentiert<br />

<strong>ein</strong> Beobachter leise.<br />

„Einer dynamischen Mitarbeiterin<br />

muss man eben auch etwas<br />

Interessantes bieten“, lautet dagegen<br />

der lakonisch-muntere Kommentar<br />

von Barbara Sillmann. Also zieht die<br />

Teilnehmerin los, um die Stute zurück<br />

zu holen. Doch das Pferd dreht<br />

um, legt die Ohren an und schießt<br />

plötzlich in wildem Galopp heran.<br />

Da hält die zierliche Frau nichts<br />

mehr: So schnell sie kann rennt sie<br />

durch die Halle schutzsuchend auf<br />

Andrea Hauschel und Barbara Sillmann<br />

zu.<br />

NACHGEFRAGT: RELIGIONSUNTERRICHT<br />

Unterricht abmelden, vorher ist es<br />

Pflichtfach. Ein weiteres Problem ist,<br />

dass es in unseren Grundschulen noch<br />

nicht das Fach Ethik gibt. Die Karoline-<br />

Kaspar-Schule im Vauban ist dafür bestes<br />

Beispiel. Dort gibt es k<strong>ein</strong> entsprechendes<br />

Angebot, obwohl der überwiegende<br />

Teil der Kinder konfessionslos ist<br />

oder <strong>ein</strong>er anderen Glaubensrichtung<br />

angehört.<br />

ZaS: Zeugt die geringe Wahlbeteiligung<br />

am Volksentscheid in Berlin von<br />

knapp 30 Prozent von mangelndem<br />

Demokratieverständnis oder Desinteresse?<br />

Ehret: Ich könnte mir vorstellen, dass<br />

Leises Lachen der anderen hinter<br />

den sicheren Balken. Aber es klingt<br />

nicht hämisch, eher mitfühlend. K<strong>ein</strong>er<br />

hier ist der große Pferdekenner.<br />

Im Gegenteil: Die meisten bekennen,<br />

dass sie bislang kaum je etwas mit<br />

diesen Vierb<strong>ein</strong>ern zu tun hatten.<br />

Umso größer ist das Staunen, als sie<br />

aufgefordert werden, die Pferde nun<br />

ohne Strick um aufgestellte Kegel<br />

herum zu führen. Bei Fips klappt es,<br />

bei Happy Hour T nicht.<br />

Im Büro wäre Fips der „Contoller“,<br />

Happy Hour T für das Marketing<br />

oder den Vertrieb zuständig. So<br />

schätzen die Teilnehmer <strong>ein</strong>vernehmlich<br />

den schläfrig wirkenden<br />

Wallach und die aufgeweckte Stute<br />

<strong>ein</strong>. Er der Angestellte kurz vor der<br />

Pensionierung, sie die anstrengende<br />

Mitarbeiterin.<br />

Foto: Keller<br />

die Berliner zu Recht nicht verstanden<br />

haben, was plötzlich für <strong>ein</strong> Wirbel getrieben<br />

wurde. Das war ja schon fast<br />

<strong>ein</strong> Kulturkampf. Die Berliner sind wohl<br />

<strong>ein</strong>fach mit der bisherigen Lösung<br />

recht zufrieden.<br />

ZaS: Ist das französische Prinzip der<br />

Trennung von Kirche und Staat das<br />

Fotos: Achim Keller<br />

Als die nächste Runde mit Fips<br />

problemlos klappt, ist sich <strong>ein</strong>e<br />

kurzhaarige junge Frau auch gleich<br />

sicher: „M<strong>ein</strong> Mann ist Buchhalter,<br />

das wird’s s<strong>ein</strong>.“ Was sie nicht sehen<br />

konnte, ist jedoch, dass ihr Schritt<br />

energischer, die Haltung bestimmter<br />

Zwei von vier Trainern: Barbara Sillmann und Andrea Hauschel (rechts)<br />

war, als bei ihrer Vorgängerin. Fips<br />

wusste, woran er war, was von ihm<br />

gewünscht wurde, und folgte brav.<br />

„Pferde-spiegeln-Führung“ nennen<br />

die beiden Trainerinnen passend<br />

ihre Workshops. Denn: „Diese Seminare<br />

sollen <strong>ein</strong> Blick in den Spiegel<br />

s<strong>ein</strong>“. Das eigene Verhalten, die eigene<br />

Wirkung auf andere zu reflektieren<br />

und authentisch zu s<strong>ein</strong>, darum geht<br />

es. Und <strong>ein</strong> Teilnehmer kommt so<br />

nebenbei noch zu <strong>ein</strong>em weiteren<br />

Schluss: „Mit dem anstrengenden Mitarbeiter<br />

hat es mehr Spaß gemacht.“<br />

bessere?<br />

Ehret: Die Trennung von Kirche und<br />

Staat ist ja auch bei uns verfassungsmäßig<br />

anders angedacht, als es tatsächlich<br />

verwirklicht wird.<br />

ZaS: Widerspricht Ihrer M<strong>ein</strong>ung nach<br />

die Kirchensteuer diesem Verfassungsgedanken<br />

der Trennung?<br />

Ehret: Die Finanzierung <strong>ein</strong>er Religionsgem<strong>ein</strong>schaft<br />

sollte deren eigene<br />

Aufgabe s<strong>ein</strong>. Steuerzahler sollten da<br />

nicht „Amtshilfe“ leisten müssen. Verschiedene<br />

andere Glaubensgem<strong>ein</strong>schaften<br />

müssen das ja auch schaffen,<br />

ohne den Staat dafür in Anspruch zu<br />

nehmen.

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