Schönheitschirurgie – nur ein - ZEITUNG AM SAMSTAG
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N<br />
Übles Spiel<br />
a klar, wollten jetzt wieder<br />
viele an den Lippen<br />
von Robin Dutt hängen.<br />
Man musste unbedingt erfahren,<br />
wie er sich gefühlt habe, auf St.<br />
Pauli, in Ruchweite des Kiez,<br />
zwischen Eros, Kommerz und<br />
Fußball. Wie es war, als er mitten<br />
im Hexenkessel am Millerntor<br />
um <strong>ein</strong> Haar den Kopf verloren<br />
hätte. Weil zwischen s<strong>ein</strong>er<br />
Stirn und der Nase von Thomas<br />
Meggle, dem Heißsporn im<br />
Dress des FC St.Pauli, k<strong>ein</strong> Blatt<br />
Papier passte. Das schrie nach<br />
Aufklärung. Das roch förmlich<br />
nach vogelfreier, wilder Welt im<br />
Zeichen des Totenkopfes, dem<br />
Emblem des Hamburger Kult-<br />
Klubs. Doch Dutt schwieg dazu.<br />
Schon im Vorfeld des Fußballspiels<br />
in St.Pauli war die heimische<br />
Presse bemüht, jenen<br />
Abstand zu thematisieren, der<br />
zwischen dem Idyll von<br />
Schwarzwaldtannen und dem<br />
Mythos der Reeperbahn liegt. Da<br />
zeigte sich der Freiburger Trainer<br />
noch gesprächig und deutete an,<br />
dass er s<strong>ein</strong>en Mannen womöglich<br />
sogar Ausgang gewähren würde,<br />
wie <strong>ein</strong> umsichtiger Lehrer s<strong>ein</strong>en<br />
pubertierenden Jungs auf dem<br />
Landschulheim. Was er dann nach<br />
dem Sieg auch tat. Nur dass s<strong>ein</strong>e<br />
Schützlinge ja schon Bärte tragen<br />
und sie deshalb auf der Reeperbahn<br />
nicht auffallen. Dort, wo sonst <strong>nur</strong><br />
echte Seefahrer, hauptsächlich aus<br />
dem flachen Umland, Lüneburg<br />
und so, den ultimativen Lebenswandel<br />
suchen.<br />
Doch das alles ist <strong>nur</strong> Legende,<br />
ersonnen in der Provinz, wo halt<br />
beschaulich über allen Wipfeln die<br />
Ruhe herrscht. Was aber auf der<br />
Spielstätte in St. Pauli geschah, war<br />
so authentisch, dass es sehr schade<br />
wäre, darüber schnell Gras wachsen<br />
zu lassen. Denn es zeigte <strong>ein</strong>en<br />
außergewöhnlichen Dreiklang, den<br />
Robin Dutt anstimmte, und der ihm<br />
Profil verlieh. Gerade weil dieser<br />
unmöglich am Marketing-Reißbrett<br />
Entlassung.<br />
Nach s<strong>ein</strong>em Rausschmiss<br />
wird suggeriert,<br />
dass Jürgen Klinsmann nicht<br />
genügend Trainer-Kompetenz<br />
habe. Das ist unfair. Seite 10<br />
geplant gewesen s<strong>ein</strong> konnte. Dazu<br />
war zu spontan.<br />
Robin Dutts erster Streich war<br />
also <strong>ein</strong> Kopf-an-Kopf mit Meggle,<br />
der zornig an die Außenlinie gerannt<br />
war, um dem SC- Trainer mal<br />
so richtig die M<strong>ein</strong>ung zu geigen.<br />
Schon zuvor war Meggle Freiburgs<br />
Abdessadki nahe gekommen. So<br />
nahe, dass er ihn sogar in die Lippe<br />
biss. Eine Geste zwei wilder Tiere,<br />
die ihre Zähne fletschen. Oder eben<br />
ganz nahe am Kiez-Kult.<br />
Weil Meggle sich kurz darauf<br />
von <strong>ein</strong>em Ellbogen Abdessadkis<br />
drangsaliert fühlte, Robin Dutt dies<br />
jedoch für übertriebene Schauspielerei<br />
hielt, rannte der Hamburger also<br />
auf den Freiburger Trainer zu.<br />
Und der ruckte s<strong>ein</strong>en Kopf nach<br />
vorne, Stirn an Stirn, bis Meggle irritiert<br />
zurück wich. Sich dabei über<br />
die eigene Nase strich, die <strong>ein</strong>en<br />
Hauch von Dutts fester Stirn verspürt<br />
hatte.<br />
Diese Geste, nicht <strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>zigen<br />
Millimeter zurück zu weichen,<br />
war auch <strong>ein</strong> aggressives Zeichen<br />
SPORT<br />
Samstag, 2. Mai 2009<br />
Steht der KSC auf?<br />
Bundesliga.<br />
Für den Karlsruher SC steht<br />
gegen Cottbus <strong>ein</strong> Spiel an, das<br />
plötzlich wieder Chancen eröffnet.<br />
Hoffenheim kann in Wolfsburg für <strong>ein</strong><br />
rasantes Match sorgen. Seite 10<br />
Dicke Lippen riskiert<br />
an s<strong>ein</strong>e Mannschaft. Diese Geste<br />
all<strong>ein</strong> wäre noch nichts Besonderes<br />
gewesen. Den zweiten Ton brachte<br />
der Freiburger Trainer aber <strong>nur</strong> wenige<br />
Augenblicke später zum Klingen.<br />
Er wechselte nach <strong>nur</strong> <strong>ein</strong>er<br />
halben Stunde Abdessadki aus, der<br />
dies damit quittierte, dass er nach<br />
diversen Tritten an <strong>ein</strong>e Werbeban-<br />
de dann mit der bloßen Faust gegen<br />
das Dach der Auswechselbank hieb.<br />
Das hat ihm weh getan.<br />
Diese kühle Auswechslung des<br />
für das Freiburger Spiel wichtigen<br />
Mittelfeldakteurs war natürlich <strong>ein</strong><br />
Opfer an die Mannschaft. Denn die<br />
wäre wohl ansonsten bald dadurch<br />
geschwächt worden, dass Abdes-<br />
Auf der Türschwelle<br />
SC Freiburg.<br />
Nach dem Sieg in St.Pauli ist<br />
die Tür zum Aufstieg schon<br />
weit offen. Doch die letzten<br />
Schritte sind oft nicht leicht.<br />
Seite 12<br />
Robin Dutt stimmte am Kiez nahe der Reeperbahn <strong>ein</strong>en Dreiklang an, der authentisch bewies, dass der SC-Trainer s<strong>ein</strong>er<br />
Mannschaft die mentale Stärke vorlebt, die er stets an ihr lobt. Emotional und kühl zugleich. Von Michael Zäh<br />
Der wilde Biss: Yacine Abdessadki und Thomas Meggle kamen sich so nahe, dass sie sich nicht mehr recht verstanden<br />
Mit Stirn und Hirn: Robin Dutt weicht in St.Pauli k<strong>ein</strong>en Millimeter zurück<br />
Fotos: Achim Keller<br />
sadki mit <strong>ein</strong>er gelb-roten Karte<br />
vom Platz geflogen wäre. Robin<br />
Dutt schützte also s<strong>ein</strong> Team,<br />
aber auch den Spieler selbst, den<br />
er nicht gesperrt haben wollte.<br />
Und er tat dies, obwohl er selbst<br />
noch wenige Minuten zuvor die<br />
nahezu identische Kopf-an-<br />
Kopf-Szene hingelegt hatte wie<br />
s<strong>ein</strong> Spieler.<br />
Beides tun zu können, hoch<br />
emotional und kühl berechnend<br />
im Abstand weniger Minuten,<br />
zeigte den Trainer im Profil. Es<br />
waren nicht die zwei Gesichter<br />
des Robin Dutt, sondern es war<br />
im Gegenteil <strong>ein</strong> zusammengehöriges<br />
Handlungsmuster. Das<br />
Ganze geht dem Einzelnen vor,<br />
selbst wenn es schwer fällt. So<br />
musste Abdessadki die bittere<br />
Pille schlucken, sich doppelt ungerecht<br />
behandelt zu fühlen.<br />
Zuerst vom Schiedsrichter, dann<br />
vom eigenen Trainer.<br />
Den dritten Ton stimmte<br />
Dutt dann mitten in der Euphorie<br />
nach dem wichtigen Sieg an. Auf<br />
die naheliegende Einschätzung des<br />
Fernsehreporters, dass man doch<br />
jetzt bald den Champagner aus dem<br />
Eisfach holen könne, weil doch sicherlich<br />
aufsteigen wird, wer selbst<br />
solche Spiele glücklich gewinnt,<br />
hatte der SC-Trainer <strong>ein</strong>e wirklich<br />
frappierende Antwort parat.<br />
Dutt sagte: „Gerade dieses Spiel<br />
heute hat doch gezeigt, dass wir<br />
den Champagner noch nicht<br />
herausholen können.“<br />
Alle drei Töne zusammen<br />
ergaben <strong>ein</strong>en satten Sound,<br />
waren authentisch und spontan,<br />
und sagten mehr als tausend<br />
wohlüberlegte Worte. Robin<br />
Dutt lebte s<strong>ein</strong>er Mannschaft<br />
am Kiez nahe der Reeperbahn<br />
jene mentale Stärke vor, die er<br />
stets an ihr lobt. Mit Stirn und<br />
Hirn. Und die Sache mit den<br />
Lippen, an denen so mancher<br />
gerne hängt, überließ der Coach<br />
doch lieber Thomas Meggle. Der<br />
entschuldigte sich nach dem Spiel.