3 Gender Mainstreaming - EQUAL - ESF
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THEMENHEFT 1<br />
GENDER<br />
MAINSTREAMING<br />
GRUNDLAGEN UND STRATEGIEN IM RAHMEN DER<br />
GEMEINSCHAFTSINITIATIVE <strong>EQUAL</strong><br />
–2., AKTUALISIERTE AUSGABE –
IMPRESSUM<br />
Bestell-Nr.: A454<br />
Herausgeber:<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
Referat VIa5<br />
Nationale Koordinierungsstelle <strong>EQUAL</strong><br />
53107Bonn<br />
http://www.equal.de<br />
Fotos:<br />
©Bundesbildstelle, Berlin (Deckblatt +S.2,33, 37)<br />
©Mediathek der Europäischen Kommission, Brüssel<br />
(S. 10,14, 45, 49)<br />
Entwicklungspartnerschaft „JobChance“,<br />
Volker Hielscher, Klettbach b.Erfurt (S. 67)<br />
Entwicklungspartnerschaft „MaGNet“,<br />
Kristina Schäfer, Mainz (S. 39, 43, 71)<br />
Entwicklungspartnerschaft „Offensive für Ältere“,<br />
Foto Ruppert, Köln (S. 7, 11,15, 19)<br />
Druck:<br />
W. Peipers &Co, Köln-Marsdorf<br />
2. Auflage: 3.000<br />
Stand: April 2006<br />
Gefördert durch das<br />
Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
und den Europäischen Sozialfonds
Inhalt<br />
0 Vorwort 5<br />
1 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>: Geschlechtergleichstellung als 7<br />
Querschnittsaufgabe<br />
Marianne Weg<br />
2 Quo vadis <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –Eindrücke aus den 23<br />
Bundesländern<br />
Henriette Meseke<br />
3 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –eine Strategie zur betrieblichen 32<br />
Veränderung für kleine und mittelständische Unternehmen?<br />
Dörthe Jung<br />
4 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Querschnittsthema im Rahmen der 38<br />
GI <strong>EQUAL</strong>: Beispiele aus den Entwicklungspartnerschaften<br />
4.1 Gründerinnenförderung und <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> – 39<br />
Hand in Hand ein starkes Paar<br />
Wolfgang Kanka<br />
4.2 Gute Fernsicht aus dem Flachland 44<br />
Astrid Nielsen, Doris Schneider<br />
4.3 Flying Experts 48<br />
Cornelia Benninghoven<br />
4.4 Strategien zur Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> im 52<br />
Strafvollzug<br />
Renate Wielpütz<br />
4.4 <strong>Gender</strong>training als Einstieg in das <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> 58<br />
Serena Junker, Jana Voigt<br />
5 Halbzeit! –Ausgewählte Ergebnisse zu <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> 66<br />
und Chancengleichheit von Frauen und Männern inder<br />
1. Förderrunde der GI <strong>EQUAL</strong><br />
Henriette Meseke<br />
6 Leitfäden für die Integration von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> 70<br />
in der Projektplanung<br />
7 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 74<br />
8 Literatur und Internetadressen 75<br />
3
Vorwort<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –ein Begriff, der so<br />
heftig umstritten ist wie seine Anwendung.<br />
Viele sind begeistert, weil sie in <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> eine echte Chance sehen, die<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern als<br />
ein selbstverständliches Entscheidungskriterium<br />
in Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu<br />
verankern. Andere misstrauen dieser „Zauberformel“,<br />
denn sie befürchten, dass es auf<br />
Grund mangelnder klarer Hinweise und Hilfen<br />
nur bei verbalen Willensbekundungen<br />
bleibt.<br />
Dabei wurde <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf<br />
Europäischer Ebene 1997 im Amsterdamer<br />
Vertrag für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen<br />
Union verbindlich festgelegt und ist<br />
deshalb auch integrierter Bestandteil der<br />
Gemeinschaftsinitiative <strong>EQUAL</strong>, der arbeitsmarktlichen<br />
Innovationswerkstatt zur Erprobung<br />
neuer Methoden zur Bekämpfung von<br />
Diskriminierungen und Ungleichheiten auf<br />
dem Arbeitsmarkt. Ziel von <strong>EQUAL</strong> ist, die<br />
faktische Gleichbehandlung aller auf dem<br />
Arbeitsmarkt benachteiligten oder ausgegrenzten<br />
Personen zu verwirklichen, so dass<br />
niemandem der Zugang zum bzw. die Rückkehr<br />
auf den Arbeitsmarkt versperrt wird.<br />
Neben der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit<br />
gilt ein wesentlicher Aspekt von<br />
<strong>EQUAL</strong> der Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern.<br />
Beschäftigung, Wettbewerbsfähigkeit und<br />
Wachstum sind nicht ohne das Aufbrechen<br />
verkrusteter Strukturen in Wirtschaft, Politik,<br />
Verwaltung und Gesellschaft sowie der<br />
Modernisierung des sozial konstruierten und<br />
daher veränderbaren Geschlechterverhältnisses<br />
zu erreichen. Mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wird ein nachhaltiger Veränderungsprozess<br />
in Gang gesetzt, von dem nicht nur Frauen,<br />
sondern auch Männer und die Gesellschaft<br />
als Ganzes profitieren. Bereits in der Phase<br />
der Planung und Entscheidungsfindung sollen<br />
die unterschiedlichen Lebensbedingungen<br />
und Bedürfnisse von Frauen und Männern<br />
systematisch berücksichtigt und zudem überprüft<br />
werden, welche Voraussetzungen notwendig<br />
sind, damit es Frauen wie Männern<br />
gelingt, ihre beruflichen und privaten<br />
Lebensentwürfe zu vereinbaren.<br />
Um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
für beide Geschlechter zu erreichen, flexiblere<br />
Arbeitszeitmodelle zu entwickeln und das<br />
Klischee „typischer Frauen- und Männerarbeit“<br />
zu überwinden, ist die konsequente<br />
Einbeziehung beider Geschlechter erforderlich.<br />
„Gemeinsam mehr erreichen“, so die<br />
Devise von <strong>EQUAL</strong>, ist deshalb ein Handlungsauftrag,<br />
der sich anFrauen und Männer<br />
gleichermaßen richtet.<br />
Dank eines enormen Engagements bei allen<br />
Beteiligten läuft die Gemeinschaftsinitiative<br />
<strong>EQUAL</strong> nun in der praktischen Umsetzung<br />
seit 2002. In der 2. Förderrunde (2005 –2007)<br />
sind 129Entwicklungspartnerschaften auf<br />
dem Weg zumehr Chancengleichheit in der<br />
Arbeitswelt. Der erste Schritt ist also getan –<br />
weitere müssen und werden folgen.<br />
Die vorliegende Broschüre ist nicht nur<br />
Spiegelbild der bisherigen Entwicklung in<br />
Deutschland. Sie stellt einen praxisorientierten<br />
Leitfaden dar, der allen Interessierten, die<br />
mit der Umsetzung des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
befasst sind, umfassende Informationen<br />
und Hilfestellungen zur Planung, Realisierung<br />
und Kontrolle von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
der Projektarbeit vermittelt.<br />
Die Broschüre erscheint als erster Band einer<br />
im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative<br />
<strong>EQUAL</strong> zu entwickelnden Broschürenreihe.<br />
Ich danke allen Beteiligten, die an der<br />
Erstellung dieser Broschüre mitgewirkt<br />
haben.<br />
Wolfgang Koberski<br />
Leiter der Abteilung „Europäische und<br />
Internationale Beschäftigungs- und<br />
Sozialpolitik“ im Bundesministerium für<br />
Arbeit und Soziales<br />
5
1 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>:<br />
Geschlechtergleichstellung als<br />
Querschnittsaufgabe<br />
Marianne Weg<br />
1. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>:<br />
Was ist das?<br />
Ein Begriff macht Karriere, ist aber (noch)<br />
nicht populär und akzeptiert<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –der sperrige Begriff<br />
ist zunächst für viele weniger eine Hilfe als<br />
eine Hürde, wenn es darum geht, die weitreichende<br />
Fortentwicklung der Chancengleichheitspolitik<br />
für Frauen und Männer zu verstehen.<br />
Viele wirken an der Einführung dieses<br />
neuen Prinzips mit, haben es umzusetzen<br />
und tun sich trotzdem nicht leicht damit, es<br />
inhaltlich nachzuvollziehen und sicher anzuwenden.<br />
Oft gibt es zunächst Missverständnisse, Unklarheiten<br />
und Zweifel. Entweder: „Das ist<br />
doch nichts anderes als Frauenförderung –<br />
nur ein neues Etikett, alter Wein in neuen<br />
Schläuchen!“ Oder umgekehrt: „Jetzt geht es<br />
nicht mehr um Frauenförderung und Frauenprojekte,<br />
sondern um„<strong>Gender</strong>“, was auch<br />
immer das ist, „<strong>Gender</strong>“: Jedenfalls muss<br />
auch immer etwas für Männer mit dabei<br />
sein!“<br />
So einfach eins zu eins übersetzen lässt sich<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> nicht. „<strong>Gender</strong>“<br />
bedeutet im Englischen „soziales Geschlecht“.<br />
Gemeint sind damit die sozial und kulturell<br />
geprägten Rollen von Frau und Mann, mit<br />
denen geschlechtsspezifische Chancen und<br />
Benachteiligungen verbunden sind. <strong>Gender</strong><br />
meint also eine gesellschaftlich konstruierte<br />
–und damit auch veränderbare! –Bestimmung<br />
von Geschlecht, im Gegensatz zur rein<br />
biologischen (im Englischen: sex).<br />
„<strong>Mainstreaming</strong>“ bedeutet, dass eine<br />
bestimmte Sichtweise oder Leitlinie durchgängig<br />
die Entscheidungen und das Handeln<br />
in einer Organisation prägt. Bei <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> ist dies die Sichtweise aus der<br />
Geschlechterperspektive: Die Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern wird zum Querschnittsthema.<br />
Für solche Querschnittsthemen oder -kriterien<br />
gibt es auch andere Beispiele: In der<br />
Umweltpolitik z.B. ist die Sichtweise der<br />
Nachhaltigkeit von vergleichbarer Bedeutung;<br />
bei der Verwaltungsmodernisierung<br />
sind Dienstleistungs- und Kostenbewusstsein<br />
zwei Querschnittsthemen.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Fachbegriff für<br />
das neue Leitprinzip der Chancengleichheitspolitik<br />
ist inzwischen europaweit und weltweit<br />
eingeführt. Es wird von den Partnerinnen<br />
und Partnern inder europäischen<br />
Zusammenarbeit gemeinsam verwendet.<br />
Wir sollten deshalb nicht versuchen, eine Eindeutschung<br />
zu finden, um den Fachbegriff<br />
zu vermeiden. Das tun wir bei Begriffen wie<br />
Controlling, Software und Website auch<br />
nicht und wissen, wovon die Rede ist.<br />
Kurzformeln auf Deutsch wie z.B. „Integrierte<br />
Chancengleichheitspolitik“ oder „Geschlechtergleichstellung<br />
als Gemeinschaftsaufgabe“<br />
oder „Gleichstellungsverträglichkeitsprüfung“<br />
sind sicher hilfreich zum ersten Verständnis.<br />
Sie sind aber jede auf ihre Weise verkürzt.<br />
Denn <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> umfasst verschiedene<br />
Aspekte, die für die erfolgreiche<br />
Einführung und Anwendung dieses Leitprinzips<br />
wichtig sind. Sie kommen in den<br />
Definitionen der europäischen Ebene zum<br />
Ausdruck.<br />
So abstrakt und theoretisch diese Definitionen<br />
auf den ersten Blick erscheinen, so viel<br />
Konkretes und Praxisleitendes enthalten sie<br />
bei genauem Hinschauen:<br />
Kapitel 1<br />
7
8<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –die Definition<br />
der Europäischen Gemeinschaft<br />
„<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> besteht in der (Re-)<br />
Organisation, Verbesserung, Entwicklung<br />
und Evaluierung der Entscheidungsprozesse,<br />
mit dem Ziel, dass die an politischer Gestaltung<br />
beteiligten Akteure und Akteurinnen<br />
den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen<br />
Frauen und Männern in allen Bereichen und<br />
auf allen Ebenen einnehmen.“<br />
(Europarat (1998))<br />
Bei <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> geht es um Organisations-<br />
und Qualitätsentwicklung, und<br />
zwar im Hinblick auf bessere Entscheidungen<br />
im Sinne der Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern. Ausdrücklich werden die Akteurinnen<br />
und Akteure der politischen Gestaltung,<br />
die Entscheidungsträger angesprochen, das<br />
heißt: <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist eine Anforderung<br />
an die Führungs- und Verantwortungsebene.<br />
Definition im Kontext der EU-Strukturfonds<br />
„<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bedeutet, dass bei<br />
der Vorbereitung, Durchführung, Begleitung<br />
und Bewertung aller allgemeinen Maßnahmen<br />
und Tätigkeiten die Auswirkungen auf<br />
die jeweiligen Situationen der Frauen und<br />
Männer erkennbar und aktiv berücksichtigt<br />
werden. Dazu gehört auch die Planung,<br />
Durchführung, Begleitung und Bewertung<br />
von gezielten Maßnahmen und Tätigkeiten<br />
zur Förderung der Gleichstellung und Unterstützung<br />
von Frauen, damit diese gleichberechtigt<br />
teilnehmen und profitieren können.<br />
Die Pläne und Programme sollen insgesamt<br />
zur Gleichstellung von Frauen und Männern<br />
beitragen und so gestaltet sein, dass ihre<br />
Wirkung vor, während und nach der Durchführung<br />
erkennbar wird.“<br />
(Europäische Kommission (2000))<br />
In dieser Definition wird besonders deutlich,<br />
dass die Geschlechterperspektive grundsätzlich<br />
bei allen Projekten und laufenden Aufgaben<br />
zu beachten ist, und zwar im gesamten<br />
Ablauf von Anfang an, mit entsprechender<br />
Steuerung und Evaluierung. Außerdem wird<br />
klargestellt: Gezielte Frauenförderungsmaß-<br />
nahmen gehören im Gesamtkonzept mit<br />
dazu.<br />
Hier wird jedem Missverständnis vorgebeugt,<br />
Definition der Doppelstrategie: <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> plus Frauenförderung<br />
„<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> und spezifische<br />
Gleichstellungspolitik ergänzen sich. Sie sind<br />
zwei unterschiedliche Strategien für ein und<br />
das selbe Ziel, nämlich Gleichstellung der<br />
Geschlechter. Beides muss zumindest so<br />
lange Hand in Hand gehen, bis es in der<br />
gesamten Gesellschaft eine echte Kultur und<br />
einen tatsächlichen Konsens über die<br />
Gleichstellung der Geschlechter gibt.“<br />
(Europarat (1998))<br />
dass <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> eine moderne<br />
Version von Gleichstellungspolitik sei, die die<br />
klassische Frauenförderung ablösen solle.<br />
Beide müssen sich zur Doppelstrategie verbinden.<br />
Dies gilt insbesondere so lange wie<br />
in der Gesellschaft die Ziele und Meinungen<br />
zum Thema „Gleichstellung der Geschlechter“<br />
in hohem Maße streitig sind und ein<br />
gleichstellungsorientiertes Verhalten noch<br />
nicht überall „ganz normal“ und die Realität<br />
ist.<br />
2. Wie stellt sich <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> als Leitprinzip<br />
konkret dar?<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bedeutet ein großes<br />
Plus an gleichstellungsförderndem Handeln<br />
in Politik und Verwaltung, in einer Organisation,<br />
bei einem Träger, Trägerverbund oder<br />
Netzwerk von Akteuren, in einem konkreten<br />
Projekt:<br />
Es passiert einfach mehr, nämlich<br />
überall etwas<br />
... nicht nur dort, wo es ein Frauenprogramm<br />
gibt, nicht nur in der Frauenabteilung oder<br />
im Frauenprojekt, sondern auch und besonders<br />
in „gemischten“ und „männertypischen“<br />
Handlungsbereichen, bei Fachprojekten, bei<br />
denen man bisher an eine etwaige Gleich-
stellungsrelevanz gar nicht gedacht hat.<br />
Dazu müssen Zielsysteme, Organisationsleitbilder<br />
und Selbstverpflichtungen, Beschreibungen<br />
von Projektzielen sowie von Arbeitsaufträgen<br />
(an ein Arbeitsteam, an einen<br />
Beirat, eine Kommission usw.) ausdrücklich<br />
und konkret Geschlechtergleichstellung mit<br />
enthalten und vorgeben.<br />
Der Blickwinkel auf beide Geschlechter<br />
gilt von Anfang an, im gesamten<br />
Ablauf<br />
... nicht erst, wenn das Konzept fertig ist und<br />
dann –durch Beteiligung oder durch Zufall –<br />
die Gleichstellungsbeauftragte und engagierte<br />
Frauen die fehlende Geschlechterperspektive<br />
erkennen, bemängeln und Korrekturen<br />
einfordern. Dazu braucht es den klaren Auftrag,<br />
das Wissen und die Kompetenz bei den<br />
Beteiligten sowie praktikable Arbeitshilfen<br />
und Instrumente, damit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wirklich zueinem selbstverständlichen<br />
Bestandteil aller Handlungsschritte wird.<br />
Gleichstellungsverantwortung hat<br />
jeder und jede im eigenen Handlungsbereich<br />
... nicht: „Gleichstellung von Frauen ist eine<br />
Spezialaufgabe, dafür haben wir doch das<br />
Frauenministerium, das kommunale Frauenbüro,<br />
die Gleichstellungsbeauftragte, das<br />
Frauenprojekt!“ Und auch nicht: „Wozu<br />
Frauenförderung hier bei der allgemeinen<br />
Weiterbildungs- oder Arbeitsmarktförderung,<br />
in der Integrationspolitik? Dafür gibt es doch<br />
extra Programme!“<br />
Vielmehr ist zu prüfen: Was kann in diesem<br />
Fachgebiet, bei diesem Handlungsauftrag,<br />
bei diesem Projekt –zum Fachziel hinzukommend<br />
–gleichzeitig für die Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern getan werden? Wie<br />
wird die jeweils besondere Situation von<br />
Frauen und Männern dadurch berührt, was<br />
die Fachpolitik an Rahmenbedingungen<br />
setzt, was vom Fachprogramm gefördert<br />
wird, wie die Zugangsbedingungen zu einem<br />
Projekt sind und wie es konkret ausgestaltet<br />
ist?<br />
Top-down-Prinzip des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
... nicht: „Dafür haben wir doch die Frauenbeauftragte!“<br />
Und auch nicht: „Das hängt<br />
von der individuellen Einstellung und dem<br />
Rollenbewusstsein der Mitarbeiter ab!“<br />
Besonders gefordert sind die Führungskräfte:<br />
Sie haben in gleicher Weise wie für die originären<br />
Fachziele auch für die Umsetzung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> die Führungs- und<br />
Ergebnisverantwortung. Sie müssen vermitteln,<br />
dass Gleichstellung ein wesentliches Ziel<br />
und <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> Bestandteil der<br />
Arbeitsqualität und -leistung ist, nicht bloß<br />
eine Frage der persönlichen Einstellung und<br />
Haltung.<br />
Gleichstellungsförderndes Handeln<br />
wird systematisch eingeführt,<br />
gesteuert und evaluiert<br />
... nicht: „Gleichberechtigung kommt durch<br />
die gesellschaftliche Entwicklung, die Zeit<br />
wird esbringen!“ „Gute Frauen setzen sich<br />
durch!“<br />
Oder bezogen auf das Leitprinzip von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>: „Einmal <strong>Gender</strong>training<br />
für alle und schon sind, quasi wie<br />
bei einer Schutzimpfung, alle für die nächsten<br />
Jahre geschlechtersensibel und diskriminierungsfrei“,<br />
oder „Machen wir doch erst<br />
mal ein Pilotprojekt!“ Es gilt: Einmal ist keinmal!<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> muss wie jeder<br />
Organisationsentwicklungs- und Qualitätsentwicklungsprozess<br />
systematisch vonstatten<br />
gehen:<br />
Erstens: Von alleine kommt nichts –<strong>Gender</strong>-<br />
Wissen, <strong>Gender</strong>kompetenz, kontinuierliche<br />
Steuerung der Planung und Evaluierung sind<br />
notwendig, und dies im gesamten Bereich.<br />
Zweitens: Damit „<strong>Gender</strong> in den Mainstream<br />
kommt“ (Stiegler, B.(2000)), sind die vorhandenen<br />
Planungs- und Controlling-Instrumente<br />
mit Themen und Kriterien des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> anzureichern: Zielvereinbarungen,<br />
Checklisten zur Qualitätssicherung,<br />
Arbeitshilfen für das Projektmanagement,<br />
Systematiken und Fragebögen für Folgeabschätzungen<br />
und Evaluierungen. Oder es<br />
sind eigenständige Prüf- und Steuerungsinstrumente,<br />
Leitfäden zur „Gleichstellungsverträglichkeitsprüfung“<br />
zu entwickeln und<br />
anzuwenden.<br />
Strukturen werden verändert, neue<br />
Diskriminierungen vermieden<br />
... was auch die spezifische Frauengleichstellungspolitik<br />
will und anstrebt, aber schwer<br />
oder gar nicht erreichen kann. Nicht etwa<br />
aus Selbstbescheidung konzentriert sich die<br />
Frauengleichstellungspolitik in der Realität<br />
auf Programme und Projekte zum Abbau vor-<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
als Leitprinzip<br />
Kapitel 1<br />
9
10<br />
handener Frauendiskriminierungen und<br />
Beseitigung von Notlagen –die Frauenpolitik<br />
hat einfach nicht die Entscheidungsgewalt<br />
darüber, wie von vorneherein die Rahmenbedingungen<br />
so gestaltet und die Ressourcen<br />
so verteilt werden, dass Diskriminierungen<br />
gar nicht erst entstehen.<br />
Männer werden in die Chancengleichheitsperspektive<br />
einbezogen<br />
... während die spezifische Frauengleichstellungspolitik<br />
sich allein für die Chancengleichheit<br />
von Frauen einsetzt, weil sie das<br />
Geschlecht sind, für das am meisten Handlungsbedarf<br />
besteht. Bei <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
werden auch Männer mit einbezogen,<br />
wenn es darum geht, geschlechtsspezifische<br />
Lebensrisiken und Diskriminierungen zu erkennen<br />
und zu verändern. Bedürfnisse und<br />
Bedarf anmehr geschlechtergerechten Angeboten<br />
und Rahmenbedingungen haben auch<br />
Männer bzw. Gruppen innerhalb des männlichen<br />
Geschlechts: Z.B. für die Integration in<br />
Bereiche, in denen Männer bisher wenig<br />
aktiv sind, wo sie Nachholbedarf haben oder<br />
wo in der Lebenslage von Männern<br />
geschlechtsspezifische Defizite und Belastungen<br />
zuerkennen sind (Gesundheit, Bildung,<br />
Familienorientierung, Auswege aus besonders<br />
prekären Lebenssituationen).<br />
3. Was haben <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und Frauenpolitik/Frauenförderung<br />
gemeinsam, wo liegen die<br />
Unterschiede, wie gehören<br />
sie zusammen?<br />
AUFEINEN BLICK:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> und Frauengleichstellungspolitik<br />
stimmen überein<br />
Zielebene: Im generellen Gleichstellungsziel<br />
sowie in den operationalisierten<br />
Zielen zur Gleichstellung von Frauen<br />
Analyseebene: Geschlechterdifferenzierung<br />
grundsätzlich erforderlich<br />
Lösungsebene: Lösungsgrundsatz<br />
„geschlechtergerecht“ –viele konkrete<br />
Lösungsvorschläge und Instrumente sind<br />
identisch<br />
Betonung des doppelten Nutzens:<br />
Chancengleichheitspolitik ist im Interesse<br />
der Frauen und nützt zugleich auch der<br />
Gesellschaft, der Organisation, dem<br />
Unternehmen, der Region.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> unterscheidet<br />
sich von Frauengleichstellungspolitik<br />
Das Gleichstellungsziel steht gleichwertig<br />
und integriert imGesamtzielsystem.<br />
Die Geschlechterperspektive ist ausdrücklich<br />
als Bestandteil jeder Fachaufgabe und<br />
als Qualitätsbedingung anerkannt.<br />
Erweiterung der Akteure für gleichstellungsorientiertes<br />
Handeln: Alle sind verantwortlich<br />
und eingebunden. Die Gleichstellungsaufgabe<br />
ist nicht wegdelegiert an<br />
die frauenpolitisch Zuständigen.<br />
<strong>Mainstreaming</strong> statt Modellprojekte<br />
Männer sind mit im Boot: Als Beteiligte<br />
der neuen Chancengleichheitspolitik, aber<br />
auch als Betroffene, beim geschlechterdifferenzierenden<br />
Blick auf die Zielgruppen<br />
des Handelns.
Gleichstellungspolitik der Zukunft<br />
als Doppelstrategie: <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
plus Frauenförderung<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> soll sich mit der spezifischen<br />
(Frauen-)Gleichstellungspolitik zu<br />
einer Doppelstrategie verbinden, ist also<br />
nicht ein Konzept zum Überflüssigmachen<br />
der bisherigen Frauengleichstellungspolitik<br />
(der „traditionellen“, „klassischen“).<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist also<br />
keine Begründung für Streichung der bisherigen<br />
Programme und Angebote zur<br />
Mädchen- und Frauenförderung;<br />
kein Argument für die Abschaffung von<br />
Institutionen und Netzwerken der Frauengleichstellungspolitik<br />
–Frauenbüro,<br />
Gleichstellungsausschuss des Parlaments,<br />
bestehende Frauengremien;<br />
kein System kommunizierender Röhren<br />
zur Mittelumverteilung von Frauenprojekten<br />
hin zu Männerprojekten;<br />
kein Ausbremsen der Praxis für Mädchen<br />
und Frauen dort, wo sie weiter fortgeschritten<br />
ist als für Jungen und Männer;<br />
kein Ansatz, gleichstellungspolitische<br />
Fach- und Methodenkompetenz zur<br />
„Jedermann-Kompetenz“ zu erklären: „Mit<br />
ein bisschen <strong>Gender</strong>training und den richtigen<br />
Statistiken bei der Hand kann das<br />
jeder!“<br />
Doppelstrategie meint kein isoliertes Nebeneinander<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> und<br />
Frauenpolitik, sich womöglich nur dann<br />
begegnend, wenn es um Ressourcenkonkurrenz<br />
geht.<br />
Beide müssen Hand in Hand gehen: <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> braucht die frauenfördernden<br />
Strukturen –Frauenbüro, Gleichstellungsbeauftragte<br />
–und braucht die Expertinnen aus<br />
der Frauenpolitik und den Frauenprojekten<br />
als Impulsgeberinnen, als fachliche und strategische<br />
Beraterinnen. Sie unterstützen diejenigen,<br />
die als Akteure nun <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in ihrer Aufgabenstellung verantwortlich<br />
umzusetzen haben.<br />
Und umgekehrt profitieren frauenpolitische<br />
Initiativen und frauenfördernde Projekte<br />
durch die Einbettung in einen Gesamtzusammenhang,<br />
der mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
gestaltet ist –z.B. eine Regionalentwicklungskooperation,<br />
ein Weiterbildungsnetzwerk,<br />
ein Bündnis für Arbeit, eine Integra-<br />
tionskampagne: Sie werden viele neue<br />
Kooperationen gewinnen. Ihre Wirksamkeit<br />
und ihre Ausstrahlung werden größer sein.<br />
4. Entwicklung der rechtlichen<br />
und politischen<br />
Verankerung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in Europa<br />
Die Grundidee von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist<br />
die Verantwortlichkeit aller Politikfelder und<br />
-ebenen nicht allein für ihre fachlichen Ziele,<br />
sondern auch für das Ziel der Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern. Sie muss dann<br />
zwangsläufig aufkommen und als Leitprinzip<br />
eingefordert werden, wenn Politiker und<br />
Politikerinnen erkennen,<br />
wie oft die Initiativen und Programme der<br />
speziellen Frauen(gleichstellungs)politik<br />
an Grenzen stoßen;<br />
wie minimal die Ressourcen sind, die sie<br />
zur Verfügung haben im Gegensatz zu<br />
den zahlreichen, generationenlang verfestigten<br />
Problemen der Frauendiskriminierung<br />
und im Gegensatz zu den gesellschaftlichen<br />
Ressourcen, die Männern<br />
zugute kommen;<br />
wie stark sie immer wieder konterkariert<br />
werden durch Rahmenbedingungen, die<br />
andere Politikbereiche ohne Beachtung<br />
des Zieles der Geschlechtergleichstellung<br />
setzen.<br />
Die grundlegenden Initiativen:<br />
Weltfrauenkonferenzen in Nairobi<br />
und Peking<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> wurde als politische<br />
Strategie und Forderung der Frauenpolitikerinnen<br />
weltweit zum ersten Mal auf der dritten<br />
Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985<br />
artikuliert. Zehn Jahre später beschloss die<br />
vierte Weltfrauenkonferenz in Peking 1995<br />
das Prinzip in der Arbeitsplattform. Damit<br />
wurden die Mitgliedstaaten der Vereinten<br />
Nationen (UN) aufgefordert, <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in ihren nationalen gleichstellungspolitischen<br />
Strategien zu verwirklichen.<br />
Die UN selbst fasste 1995 in der Generalversammlung<br />
eine Resolution mit der Selbstverpflichtung,<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in allen<br />
Programmen und Maßnahmen umzusetzen.<br />
Kapitel 1<br />
11
12<br />
Entwicklung in Europa –inder<br />
Gemeinschaft und in einzelnen<br />
Mitgliedstaaten<br />
Mitte der 90er Jahre begann in einigen europäischen<br />
Staaten, an der Spitze Schweden<br />
und Norwegen, die Implementierung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf nationaler, regionaler<br />
und lokaler Ebene. Das neue Leitprinzip<br />
ergänzt und verallgemeinert seitdem die bisherige<br />
spezifische Frauengleichstellungspolitik<br />
–die Frauen-Aktionspläne, Frauenförderprogramme<br />
für Beruf und Arbeitsmarkt,<br />
Quotierungen und die Maßnahmen zur Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie sowie zu<br />
anderen zentralen Themen wie z.B. der<br />
Gewalt gegen Frauen. Diese Länder weisen<br />
im Vergleich zuDeutschland schon eine<br />
wesentlich längere Tradition von ausdrücklicher<br />
Frauengleichstellungspolitik auf, mit<br />
entsprechenden Ergebnissen. Das prägt auch<br />
die sozialen Umgangsweisen, das Bewusstsein<br />
und die politischen und öffentlichen<br />
Debatten mehr im Sinne einer gleichstellungspolitischen<br />
Kultur. Mit diesem Vorlauf<br />
und diesen gesellschaftlichen Voraussetzungen<br />
machen sie <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ab<br />
Mitte der 90er Jahre zur Hauptstrategie ihrer<br />
Gleichstellungspolitik. Entsprechende<br />
Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> soll Handlungs- und Entscheidungsprinzip aller Regierungen,<br />
Organisationen und Parteien werden<br />
Amsterdamer Vertrag 1996<br />
Verbindliche Vorgaben zum <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> für alle EU-Staaaten<br />
(Artikel 2und 3des EG-Vertrags)<br />
Beschäftigungspolitische Leitlinien<br />
der EU 1999, 2000, 2001<br />
4. Säule: Verstärkung der<br />
Chancengleichheit für Frauen und<br />
Männer durch den <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Ansatz<br />
Quelle: In Anlehnung an Linde, K. (2001).<br />
Konzepte und Selbstverpflichtungen sowie<br />
Verantwortungsstrukturen „Top-down“ werden<br />
geschaffen –Gleichstellungspolitik ist<br />
nicht mehr allein Angelegenheit der Frauenministerin,<br />
sondern Chefsache (und Chefinsache)<br />
in jedem Ressort. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wird praktisch umgesetzt, vor allem<br />
auch auf regionaler und lokaler Ebene.<br />
Beispiele von Good-Practice und praktikable<br />
Arbeitshilfen werden entwickelt (z.B. die „3-<br />
R-Methode“ in schwedischen Kommunen, vgl.<br />
Kapitel 7).<br />
Seit 1998 ziehen immer mehr Regierungen<br />
von EU-Mitgliedstaaten nach, die Bundesrepublik<br />
Deutschland 1999 durch einen<br />
Beschluss des Bundeskabinetts.<br />
Auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft<br />
wird <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> seit<br />
1994/1996 vorangetrieben: Durch den<br />
Europarat, der 1995 eine Expertinnen- und<br />
Expertenkommission zur Entwicklung der<br />
Konzeption und Methoden einsetzte, durch<br />
Selbstverpflichtungen der Kommission, jährliche<br />
Arbeitsplanung der Kommissionsdienststellen<br />
unter Einschluss von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>,<br />
jährliche Fortschrittsberichte zur<br />
EU-Strukturfonds, Leitlinien und<br />
Verordnungen 1999<br />
Berücksichtigung der Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern imSinne der allgemeinen<br />
Politik der Chancengleichheit<br />
(<strong>Mainstreaming</strong> Politik)
Umsetzung, hochrangige Beratungen z.B.<br />
des Nordischen Ministerrates sowie durch<br />
Entschließungen des Europäischen<br />
Parlaments.<br />
Die rechtlich verbindliche Grundlage erhält<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> durch den Amster–<br />
damer Vertrag von 1999 in Art. 2und Art. 3,<br />
Abs. 2des EG-Vertrags: Die Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern ist explizit als eines<br />
der Ziele der Gemeinschaft anerkannt, und<br />
die Gemeinschaft wird darauf verpflichtet,<br />
bei allen ihren Tätigkeiten darauf hinzuwirken,<br />
Ungleichheiten zu beseitigen und die<br />
Gleichstellung beider Geschlechter zu fördern.<br />
Diese Verpflichtung gilt für alle Politikfelder<br />
und -bereiche, die Gegenstand des<br />
Vertrags sind. Sie bedeutet ein Handeln im<br />
Sinne der Strategie von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>.<br />
1999 wird inden Beschäftigungspolitischen<br />
Leitlinien ebenfalls <strong>Gender</strong> Main–<br />
streaming verankert. Das Gleiche gilt für die<br />
Programmebene: Die EU-Strukturfondsprogramme<br />
sowie das V. Rahmenprogramm zur<br />
Forschungsförderung enthalten <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> im Zielsystem. Entsprechende<br />
Evaluierungen und Umsetzungsbegleitungen<br />
sind gestartet worden.<br />
Wie steht es mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in den Mitgliedstaaten bei der<br />
Umsetzung der EU-Programme?<br />
Einige Hinweise auf gute Beispiele<br />
Die Fortschrittsberichte zu<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
im ganzen Bereich der Kommission<br />
sowie aktuell die Mitteilungen der Kommission<br />
zur Implementierung in den Strukturfonds,<br />
wie sie sich aufgrund der Programmevaluierung<br />
zum <strong>ESF</strong> und aus den Programmplanungsdokumenten<br />
der Mitgliedstaaten darstellt,<br />
machen deutlich: Zwar ist im einzelnen<br />
an vielen Stellen mit dem <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Ansatz<br />
begonnen worden, die Umsetzung<br />
steckt aber immer noch inden Anfängen.<br />
Von den vorbildlichen Einzelinitiativen<br />
und Good-Practice-Beispielen bis zu tatsächlichem<br />
<strong>Mainstreaming</strong> ist der Weg praktisch<br />
überall noch weit.<br />
In der aktuellen Mitteilung vom Dezember<br />
2002 zur Halbzeitüberprüfung des Programmplanungszeitraumes<br />
2000 bis 2006<br />
wird festgestellt, dass die Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern inden laufenden<br />
Programmen wirksamer angegangen wird als<br />
in den früheren Planungszeiträumen vor<br />
2000. Die positiven Entwicklungen konzentrieren<br />
sich allerdings auf die vom Europäischen<br />
Sozialfonds finanzierten Bereiche<br />
„Beschäftigung“ und „Entwicklung der<br />
Humanressourcen“. Das Schwergewicht liegt<br />
dabei immer noch auf Frauenförderungskonzepten<br />
und -maßnahmen, die an der<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie, an<br />
Problemen der Berufsrückkehr nach der<br />
Familienphase und vergleichbaren klassischen<br />
Momenten der Frauendiskriminierung<br />
ansetzen. Projekte, mit denen die bestehenden<br />
Segregationen des Arbeitsmarktes –das<br />
Lohngefälle, die unterschiedlichen Chancen<br />
für Berufskarrieren –strukturell und präventiv<br />
in Angriff genommen werden, sind immer<br />
noch nur sehr gering vertreten.<br />
Problematisiert wird, dass in den Bereichen<br />
Umwelt, Verkehr, Entwicklung des ländlichen<br />
Raumes, Forschung und Entwicklung und<br />
anderen, <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> noch weitgehend<br />
bis fast vollständig zu vermissen ist.<br />
Verknüpfungen von Geschlechtergleichstellung<br />
mit Querschnittszielen wie Nachhaltigkeit<br />
oder Förderung der Wissensgesellschaft<br />
fehlen in den meisten Programmen bisher<br />
immer noch. Damit sind gerade die Politikfelder,<br />
die –auch nach ihrem eigenen<br />
Anspruch –besonders zur Zukunftspolitik zu<br />
rechnen sind, gegenwärtig immer noch hinter<br />
der gleichstellungspolitischen „neuen<br />
Zeit“ zurück.<br />
Beim Blick auf die Umsetzung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in den Mitgliedstaaten werden<br />
beispielsweise zum Schwerpunkt<br />
„Humanressourcenentwicklung“ die Programme<br />
in Spanien und Portugal positiv hervorgehoben:<br />
Sie enthalten Ansätze für strukturwirksame<br />
Veränderungen der Arbeitsmarktsegregation<br />
durch breite regionalspezifische<br />
Maßnahmenbündel oder für die Schaffung<br />
von Grundlagen für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
(Statistiken, Instrumente, Qualifizierung<br />
usw.).<br />
Für den Europäischen Fonds für regionale<br />
Entwicklung, der insgesamt noch wenig an<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Ansätzen zeigt, wird<br />
z.B. das strukturell ansetzende Programmkonzept<br />
für Ostfinnland mit neuen Formen<br />
der Beteiligung sowie innovativen Dienstleistungsstrukturen<br />
hervorgehoben; für die<br />
Verankerung<br />
von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
in Europa<br />
Kapitel 1<br />
13
14<br />
Gemeinschaftsinitiative LEADER die Festlegung<br />
von Frauenquoten in den Partnerschaften<br />
innerhalb der lokalen Aktionsgruppen<br />
(Schweden und Niederlande).<br />
Zur Doppelstrategie „<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
plus spezifische Frauenförderungsmaßnahmen“<br />
stellt die Kommission fest, dass es<br />
durchweg bei Absichtsbekundungen bleibt<br />
und nur in ganz wenigen Programmen ein<br />
echter Querschnittsansatz auch praktisch<br />
durchgeführt wird.<br />
Bei den Ziel 1-Programmen (Entwicklung und<br />
strukturelle Anpassung der Regionen mit<br />
Entwicklungsrückstand) werden Süd-Yorkshire<br />
und West-Wales sowie The Valleys und<br />
Ostfinnland als beispielgebend genannt.<br />
Bei Ziel 2(Förderung der wirtschaftlichen<br />
und sozialen Umstellung der Gebiete mit<br />
Strukturproblemen) weist das Programm für<br />
Nordwestengland eine systematische <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Strategie auf: Mit spezifischen<br />
Chancengleichheitszielen für die vertikalen<br />
Prioritäten (z.B. für die Zahl der geschaffenen<br />
oder gesicherten Arbeitsplätze, der unterstützten<br />
Unternehmensgründungen sowie<br />
kleine und mittlere Unternehmen, Auswirkungen<br />
auf Lernen, Beschäftigung und Start<br />
in Selbständigkeit). Methodisch werden zur<br />
Steuerung und Begleitung im Sinne des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> drei Instrumente eingesetzt:<br />
ein Kriteriensystem für die Bewertung<br />
von Projekten, eine Sachverständigenund<br />
Beratungsgruppe sowie konkrete<br />
Unterstützung und Beratung für Projektträger.<br />
Die Evaluierung der Kommission, inwiefern<br />
bisher Instrumente zur Implementierung des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in die Programmplanung<br />
und -durchführung eingesetzt werden,<br />
zeigt in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten<br />
noch wenig an konkreten Instrumenten<br />
auf.<br />
Positiv hervorgehoben werden<br />
Spanien mit einer ex-ante-Bewertung der<br />
geschlechtsspezifischen Dimension im Ziel<br />
1-Programm für Andalusien;<br />
Spanien sowie Österreich mit systematischer<br />
Einbindung von gleichstellungspolitischen<br />
nichtstaatlichen Organisationen<br />
und Netzwerken, von staatlichen Frauenbeauftragten<br />
und Gleichstellungsbüros;<br />
Großbritannien beim Ziel 2-Programm für<br />
Yorkshire und Humber sowie Schweden<br />
beim Ziel 3-Programm mit der systematischen<br />
Begleitung durch <strong>Gender</strong>-Expertinnengremien<br />
und<br />
Irland mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Schulungen für verschiedene Gruppen von<br />
Akteuren.<br />
Beispielgebend ist in Österreich die <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Plattform der österreichischen<br />
Beschäftigungspakte (TEP =Territorial<br />
Employment Pacts, vgl. http://www.pakte.at).<br />
Sie werden seit 2002 als gemeinsame Grundlage<br />
für die Umsetzung in der TEP-Struktur,<br />
im jeweiligen Arbeitsprogramm sowie in den<br />
einzelnen Projekten entwickelt und umgesetzt.<br />
Aus Österreich ist außerdem die<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Koordinierungsstelle<br />
beispielgebend zu nennen, die eine ganze<br />
Reihe praxisnaher Hilfestellungen für <strong>ESF</strong>-<br />
Projekte sowie für <strong>EQUAL</strong>-Entwicklungspartnerschaften<br />
entwickelt hat und die praktische<br />
Anwendung durch Informations- und Qualifizierungsangebote<br />
unterstützt (vgl. http://<br />
www.gem.or.at; http://www.equal-esf.at).<br />
Überall in Europa haben die an der Programmplanung<br />
Beteiligten und die Programmverantwortlichen<br />
sowie die Träger und Projekte<br />
noch viel zu tun, um <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
auf breiter Ebene, also wirklich als gute<br />
Routine und als „<strong>Mainstreaming</strong>“ zu verwirklichen.<br />
Auch bei der Kommission besteht noch großer<br />
Handlungsbedarf, um die Handlungsmöglichkeiten<br />
durch Programmsteuerung und<br />
-evaluierung auszuschöpfen und <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> von Worten (in den Programmrichtlinien)<br />
zu Taten (bei der Programmumsetzung)<br />
zu befördern.<br />
Dies zu tun, steht nach den Ergebnissen der<br />
Halbzeitüberprüfung in der Mitteilung der
Kommission klar auf der Agenda. Im Arbeitsprogramm<br />
der Kommission zur Umsetzung<br />
der Rahmenrichtlinie zur Gleichstellung von<br />
Frauen und Männern und in den Leitlinien<br />
zur Halbzeitüberprüfung 2003 werden die<br />
Empfehlungen zur wirkungsvolleren Ausrichtung<br />
der Strukturfonds auf das Ziel der<br />
Geschlechtergleichstellung und zur Verwirklichung<br />
der Doppelstrategie –<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
plus spezielle Frauenförderung –<br />
einen Schwerpunkt bilden. Die Zukunft für<br />
Projektträger, für Entwicklungspartnerschaften<br />
und Netzwerke von Akteuren liegt also<br />
darin, sich aktiv auf die Strategie des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> einzustellen, Kompetenz zu<br />
erwerben, die eigenen Ziele und Konzepte<br />
zu reflektieren und weiterzuentwickeln.<br />
5. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –<br />
Handlungsfelder und<br />
Umsetzung<br />
Wo ist <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> umzusetzen?<br />
Überall. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> richtet sich<br />
als Leitprinzip und Auftrag wirklich analle<br />
politischen und fachlichen Handlungsfelder:<br />
Von der Ausbildungsmarktpolitik bis zur<br />
Zuwanderungspolitik, von Themen wie<br />
Arbeitsorganisation und -qualität und<br />
Bildung/Beratung bis hin zu Vernetzung und<br />
Wirtschaftsförderung.<br />
Für <strong>EQUAL</strong>-Entwicklungspartnerschaften und<br />
-Projekte heißt das zweierlei:<br />
Erstens geht <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> die<br />
beteiligten Akteure nicht nur im <strong>EQUAL</strong>-<br />
Zusammenhang an, sondern ist grundsätzlich<br />
auch bei ihren anderen Aufgaben bindend<br />
oder zumindest relevant. Es handelt sich also<br />
nicht nur um ein abzuarbeitendes Muss in<br />
Gestalt der Förderbedingung für dieses konkrete<br />
Vorhaben, eine Methode und Strategie,<br />
die man aber ansonsten gar nicht braucht.<br />
Zweitens gilt <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auch im<br />
ganzen Umfeld, nämlich inder Sozial-,<br />
Arbeitsmarkt-, Bildungs- sowie der Stadt- und<br />
Regionalentwicklungspolitik als Leitprinzip<br />
und Methode. Entsprechend sind auch hier<br />
die Diskussions- und Umsetzungsprozesse im<br />
Gange. Sie führen zu flankierenden Prozessen<br />
und Rahmenbedingungen, mit denen<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in der Gestaltung der<br />
Entwicklungspartnerschaft, in den Zielentscheidungen<br />
sowie in den konkreten Inhalten,<br />
Modulen und Projekten unterstützt wird.<br />
Implementierung<br />
Innerhalb jedes Handlungsfeldes bedeutet<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zunächst, aktiv zu<br />
werden für einen Implementierungsprozess,<br />
mit dem die Basis für die fachliche Umsetzung<br />
geschaffen wird.<br />
Dazu gehören folgende Bausteine und<br />
Essentials:<br />
Top-down-Engagement der Leitungs- und<br />
Entscheidungsebene und der Führungskräfte;<br />
Projektgruppen, Gremien, Beiräte, Netzwerke:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> konkret im<br />
Auftrag verankert –geschlechtergemischte<br />
Zusammensetzung (Managing Diversity)<br />
und Beteiligung der frauenpolitischen<br />
Instanzen;<br />
Implementierungskonzept und kontinuierlicher<br />
Prozess: Verantwortlichkeit, z.B. ein<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Beauftragtenteam<br />
und/oder eine Steuerungsgruppe (Frauen<br />
und Männer!), Ziel- und Zeitplan-Vereinbarungen;<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Organisations-<br />
und Qualitätsentwicklungsprozess;<br />
Wissensbasis: Geschlechterdifferenzierende<br />
Daten, qualitative Erkenntnisse;<br />
Qualifikations- und Kompetenzbasis:<br />
<strong>Gender</strong>training plus Gleichstellungsinhalte<br />
bei Fach- und Methodenfortbildung –<br />
Learning by Doing ist sinnvoll, aber nicht<br />
allein ausreichend;<br />
Instrumente: Praxistaugliche, handhabbare<br />
Arbeitshilfen, Leitfäden, Checklisten;<br />
<strong>Gender</strong>-Transparenz für Haushaltsbudgets<br />
und generell für Ressourcenverwendung;<br />
Evaluierung mit Geschlechterdifferenzierung<br />
und Bewertung der gleichstellungspolitischen<br />
Auswirkungen.<br />
Fachliche Umsetzung<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>, kompetent und konsequent<br />
umgesetzt, bringt mehr gleichstellungspolitische<br />
Wirksamkeit, aber auch generell<br />
mehr Qualität und Erfolg für die fachlichen<br />
Ziele der Partnerschaft, der Netzwerke<br />
und Projekte:<br />
Kapitel 1<br />
15
16<br />
Problemanalysen werden erst<br />
durch geschlechterdifferenzierendeFragestellungenrealitätsgerecht<br />
und in vollem<br />
Umfang<br />
zutreffend.<br />
Folgenabschätzungen<br />
und<br />
Abwägungsprozesse<br />
sind<br />
umfassender.<br />
Insgesamt sind<br />
die Entscheidungsgrundlagen<br />
tragfähiger<br />
als bei scheinbar<br />
geschlechtsneutralem,<br />
in Wahrheit aber<br />
geschlechtsblindem<br />
Blick.<br />
Konzeptionen sind passgenauer<br />
für die Kundinnen und Kunden.<br />
Bei der Umsetzung wird mehr Qualität,<br />
Effektivität und Effizienz erreicht.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist die Voraussetzung,<br />
um Partizipation und Integration<br />
für Frauen und Männer gleichermaßen in<br />
den Zielgruppen zu erreichen.<br />
Alle Potenziale werden einbezogen –die<br />
vielfältigen und unterschiedlichen Sichtweisen<br />
und Kompetenzen, die Frauen und<br />
Männer einbringen, finden Wertschätzung<br />
und werden genutzt.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bringt neue Ideen<br />
und Denkanstöße durch neue Sichtweisen.<br />
Mehr Ansatzpunkte für Prävention kommen<br />
in den Blick.<br />
Ausstrahlung und Image der beteiligten<br />
Institutionen und Organisationen werden<br />
verbessert.<br />
Q u e l l e : B e r a t u n g s s t e l l e F r a u<br />
Dieser Nutzen oder „Mehrwert“ von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> kann sich grundsätzlich in<br />
allen Handlungsfeldern von Politik, Verwaltung<br />
und Gesellschaft realisieren. Besonders<br />
aber kommt er zum Tragen in Bereichen und<br />
Projekten, die direkt mit Zielgruppen zu tun<br />
haben, wie die Arbeitsmarktpolitik und die<br />
Bildungspolitik, die Sozialpolitik allgemein<br />
und besonders die Politik zur Integration und<br />
zum Abbau von Diskriminierungen und<br />
Ungleichheiten.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> steht fast<br />
überall noch amAnfang -gute<br />
Praxisbeispiele, die tatsächlich<br />
konsequent gemäß<br />
diesem immer noch als<br />
neu empfundenen Leitprinzip<br />
vorgehen und<br />
bereits solide Ergebnisse<br />
vorzeigen können,<br />
sind rar.<br />
Inwiefernsich<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
von bisheriger<br />
Frauenförderung<br />
oder auch von generellerZielgruppenarbeit<br />
unterscheidet<br />
und wie <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
mehr Gleichstellungswirksamkeit<br />
und zugleich<br />
mehr fachliche Qualität<br />
und Effizienz bringen kann, dazu fehlt<br />
vielen noch die konkrete Vorstellung.<br />
u n d B e r u f – I t z e h o e<br />
6. Beispiele für Relevanz und<br />
Umsetzungsmöglichkeiten<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Die Führungsebene setzt sich ein:<br />
Top-down<br />
Die fachpolitische Spitze macht Gleichstellung<br />
zum Thema<br />
Ein Wirtschaftsminister oder ein Wirtschaftsdezernent<br />
macht in seinen Beratungen mit<br />
führenden Wirtschaftsvertretern deutlich,<br />
dass Politik für die Chancengleichheit von<br />
Frauen im Beruf nicht nur in einer Demokratie<br />
selbstverständlich ist, sondern dass<br />
damit auch Potenziale aktiviert werden, die<br />
betriebswirtschaftlich und volkswirtschaftlich<br />
unverzichtbar sind –umsomehr angesichts<br />
des demographischen Rückgangs der<br />
erwerbsfähigen Bevölkerung, der regionalen<br />
Abwanderungen und der Probleme beim<br />
Nachwuchs. Er vermittelt den Führungskräften<br />
inseinem Ressort bei Leitungskonferenzen<br />
sowie nach außen gegenüber den führenden<br />
Akteuren der Wirtschaft ein Leitbild<br />
der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik,
in dem die Förderung der beruflichen Gleichstellung<br />
von Frauen und Männern von vorneherein<br />
einen Stellenwert hat: Sie kommt in<br />
konkreten Zielen zum Ausdruck und fließt in<br />
die Handlungsüberlegungen mit ein. Durch<br />
Leitungsentscheidung setzt der Wirtschaftsminister<br />
oder der Wirtschaftsdezernent<br />
einen Implementierungsprozess für <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in Gang und trifft auch die<br />
erforderliche Ressourcenentscheidung.<br />
Der Handlungsauftrag ist umdas<br />
Thema Gleichstellung erweitert<br />
Wirtschaftsförderung im Bereich Existenzgründungen<br />
Im Amt für Wirtschafts- und Strukturförderung<br />
ist die Aufgabe „Unterstützung von<br />
Existenzgründungen“ so anzugehen, dass<br />
von Anfang an auch nach etwaigen Unterschieden<br />
in punkto Beratungsbedarf oder<br />
besondere Infrastrukturerfordernisse von<br />
Existenzgründerinnen im Vergleich zu<br />
Existenzgründern gefragt wird. Es wird außerdem<br />
gezielt nachgefragt oder vielleicht<br />
durch einen Ideenwettbewerb zutage gefördert,<br />
inwiefern Frauen in der Region besondere<br />
Potenziale und innovative Gründungsideen<br />
haben, die man angemessen unterstützen<br />
will. Die Zuständigen aus dem Amt für<br />
Wirtschaftsförderung informieren sich systematisch<br />
und beziehen auch die Gleichstellungsbeauftragte<br />
mit ein, die sich bereits<br />
auskennt, z.B. weil sie schon einmal eine<br />
Frauenmesse mit Unternehmerinnen und<br />
Existenzgründerinnen durchgeführt hat. Sie<br />
fragen gezielt auch Unternehmerinnen in der<br />
Region, was diese für besonders förderlich<br />
halten.<br />
Regionale und kommunale Planung<br />
Bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes,<br />
bei der politischen Diskussion und fachlichen<br />
Planung zur Sanierung eines Stadtviertels,<br />
bei der Weiterentwicklung des öffentlichen<br />
Nahverkehrs im ländlichen Raum eines<br />
Flächenkreises, beim städtischen Verkehrslenkungs-<br />
und Parkraumkonzept, bei der<br />
Neugestaltung der Parks und Grünflächen im<br />
Hinblick auf Freizeit- und Erholungsnutzung<br />
usw. werden nun von vornherein die Ist-<br />
Situation sowie der Bedarf und die Vorstellungen<br />
der Betroffenen differenziert nach<br />
Frauen und Männern inihren unterschied-<br />
lichen Lebenslagen erhoben und analysiert.<br />
Die Konzepte sind geprägt von dem Ziel, die<br />
Lebenslage und die sozialen Chancen<br />
geschlechtergerecht zuverbessern und die<br />
Planungen richtig zuzuschneiden, z.B. auf<br />
einen festgestellten großen Anteil allein<br />
erziehender Mütter, auf Männer, die sich als<br />
Berufspendler (vielleicht zu einem großen<br />
Teil Wochenendpendler) in einer besonderen<br />
Weise eingeschränkten Situation befinden,<br />
auf allein stehende alte Menschen, bei denen<br />
der Frauenanteil überwiegt.<br />
Projekte mit Geschlechterperspektive<br />
helfen auch bei Problemlagen<br />
von Männern<br />
Vereinbarkeit von Vater-Sein und Beruf<br />
Immer mehr Männer entwickeln ein differenzierteres<br />
Rollenverhalten in der Familie und<br />
suchen eine Balance zwischen beruflichen<br />
Anforderungen und dem Vater-Sein. Sie<br />
möchten die Elternfreistellung wahrnehmen<br />
oder vorübergehend auf Teilzeitarbeit<br />
gehen, merken aber, dass sie bei Vorgesetzten<br />
und im beruflichen Umfeld Probleme<br />
haben, ihr anderes Lebenskonzept zu vertreten<br />
und durchzusetzen ohne diskriminiert zu<br />
werden. Ein Internet-Beratungsangebot<br />
„Väter und Beruf“ gibt Männern Hilfestellung<br />
für andere Optionen als das klassische,<br />
gesellschaftlich für normal angesehene<br />
Rollenbild des berufs- und karriereorientierten<br />
Mannes. Das Angebot ist auf sie spezifisch<br />
zugeschnitten, weil ihr Bedarf anBeratung<br />
und Austausch, Tipps und Unterstützung<br />
in manchen Punkten ein anderer ist als<br />
bei einer Frau, die in Elternzeit oder Teilzeit<br />
gehen will.<br />
Bildungsdefizite, weniger Zugang zu<br />
Bildungsinfrastrukturen<br />
Für Männer sind im Vergleich zuFrauen<br />
Defizite inpunkto Bildungsabschlüsse und<br />
spezifische Bildungskompetenzen und<br />
-zugänge festzustellen. In der allgemeinen<br />
schulischen und außerschulischen Bildung<br />
zeigt die <strong>Gender</strong>-Analyse Handlungsbedarf<br />
für bestimmte benachteiligte Gruppen von<br />
Frauen, aber in großem Maße auch Bedarf<br />
von Jungen und Männern: Z.B. sind in der<br />
Volkshochschule, Bibliotheken und Einrichtungen<br />
der Familienbildung Frauen die<br />
Hauptnutzerinnen. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Der Spagat<br />
zwischen<br />
Vater-Sein<br />
und Beruf<br />
Kapitel 1<br />
17
18<br />
gibt neue Anstöße für Programmarbeit, um<br />
gezielt Jungen/Männer mit besonders zugeschnittenen<br />
Angeboten anzusprechen –<br />
neben der Schließung der Lücken für benachteiligte<br />
Frauen.<br />
In jedem Fachzusammenhang werden<br />
alle relevanten Akteure erreicht<br />
Arbeitsmarktpolitik auf Landesebene<br />
Die Abteilungsleitung Arbeitsmarktpolitik<br />
oder Regional- und Strukturpolitik eines<br />
Ministeriums kommt regelmäßig mit den<br />
Führungskräften des Landesarbeitsamtes<br />
zusammen, mit den Verantwortlichen der<br />
Kammern und Verbände, mit den Geschäftsführerinnen<br />
und Geschäftsführern von<br />
Beschäftigungs- und Strukturfördergesellschaften.<br />
Wenn <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> verwirklicht<br />
wird, wird inden Abstimmungsgesprächen<br />
zu Programmen und anderen<br />
Initiativen, zu gemeinsamen Erklärungen<br />
oder Aktivitäten (z.B. zum Thema Ausbildungsangebote<br />
für die Schulabgängerinnen<br />
und -abgänger) die Frage nach geschlechtsspezifischen<br />
Unterschieden in der Zielgruppe,<br />
um die es geht, jeweils mitgestellt. So werden<br />
alle mit eingebunden und wirken daran<br />
mit, dass die Konzepte und Handlungsschritte<br />
die Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern fördern. Nach diesen Kriterien<br />
werden anschließend die Ergebnisse der<br />
Maßnahmen zur Überprüfung der Fortschritte<br />
und für die weitere Steuerung eines<br />
gleichstellungsorientierten Kurses in der<br />
Beschäftigungspolitik ausgewertet.<br />
Berufliche Rehabilitation<br />
In Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation<br />
sind Frauen seit langem stark unterrepräsentiert<br />
(15 –20%). Die Tendenz hat sich<br />
kaum verbessert, obwohl in den 80er Jahren<br />
in der alten Bundesrepublik die doppelte<br />
Diskriminierung von Frauen mit Behinderung<br />
immer stärker von Frauennetzwerken und<br />
Frauenpolitikerinnen zum Thema gemacht<br />
worden ist.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bedeutet, dass die<br />
zuständige Referatsleiterin bzw. der zuständige<br />
Referatsleiter des Landesministeriums,<br />
der im Vorstand oder in der Mitgliederversammlung<br />
des Berufsförderungswerkes sitzt,<br />
verpflichtet ist, ausdrücklich nach den<br />
Gründen für die Unterrepräsentanz von<br />
Frauen in der Einrichtung zu fragen und<br />
Veränderungen beim Zugang (z.B. geschlechtergerechte<br />
Beratung durch die Rehabilitations-Beraterinnen<br />
und -Berater, besondere<br />
Informationsangebote für Frauen mit Behinderung)<br />
sowie bei der Angebotspalette der<br />
Berufe und bei den Rahmenbedingungen zu<br />
fordern und vielleicht auch mit Landesmitteln<br />
besonders zu fördern. Er tut all dies in dem<br />
Gremium, in dem die Leitung des Berufsförderungswerkes<br />
und die Vertreter der<br />
Berufsgenossenschaft, Unfall- und Rentenversicherung,<br />
des Landesarbeitsamtes und<br />
des Bundesarbeitsministeriums sitzen und<br />
die grundlegenden Entscheidungen für die<br />
Aktivitäten des Berufsförderungswerkes treffen<br />
und seine Weiterentwicklung steuern.<br />
Soziale Bedarfsgerechtigkeit und<br />
Integration wird für beide<br />
Geschlechter in den sozialen<br />
Gruppen verwirklicht<br />
Geschlechterdifferenzierende Analyse als<br />
Grundlage des Handelns<br />
Auswertungen der Daten zur Arbeitslosigkeit<br />
benachteiligter sozialer Gruppen (z.B.<br />
Menschen ohne Berufsausbildung, Ältere,<br />
Migrantinnen und Migranten, Menschen mit<br />
Behinderung) müssen jeweils nach Geschlecht<br />
differenziert werden. Die Ergebnisse liefern<br />
die Grundlage für die Ziele und Konzepte,<br />
denn sonst bleiben in jeder benachteiligten<br />
Gruppe die Frauen öfter auf der Strecke. Oder<br />
auch: Es werden ganze Maßnahmen oder<br />
Maßnahmenelemente amBedarf vorbei angeboten,<br />
was nicht nur Betroffene enttäuscht,<br />
sondern auch unnötige Kosten verursacht.<br />
Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit<br />
Ein kommunales Programm zum Abbau von<br />
Jugendarbeitslosigkeit muss genau unterscheiden,<br />
wie die Benachteiligung der<br />
Mädchen ohne Ausbildungsplatz zustande<br />
kommt und wie das bei den Jungen ist. Nur<br />
dann können für beide Geschlechter gleiche<br />
Integrationschancen zu einem echten<br />
Handlungsziel werden. Wenn z.B. ein<br />
Programm für benachteiligte Jugendliche als<br />
Hauptkriterium für die Zielgruppe mangelhafte<br />
Schulabschlüsse festsetzt, dann geht<br />
das an den geschlechtsspezifischen Gründen<br />
für die Benachteiligung von Mädchen auf<br />
dem Ausbildungsmarkt vorbei: Für die
Mädchen sind es in nicht wenigen<br />
Ausbildungsberufen, bei nicht wenigen<br />
Arbeitgebern traditionelle Vorurteile wie<br />
„das ist nichts für Mädchen“, „Mädchen können<br />
das nicht“ oder fehlende weibliche<br />
Vorbilder, die ihnen trotz guter Schulabschlüsse<br />
den Zugang versperren. Für Jungen<br />
dagegen bestehen andere Hindernisse und<br />
auch die kommen durch <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
präziser in den Blick.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> gehört zu<br />
einem Leitbild als Dienstleister mit<br />
Kundenorientierung<br />
Nutzung kommunaler Infrastrukturen<br />
Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform<br />
ist auch unter dem Stichwort<br />
„Kundenorientierung“ <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
zum Thema geworden. Mittels <strong>Gender</strong>-<br />
Analyse haben Kommunen z.B. festgestellt,<br />
dass auf den kommunalen Sportstätten zu<br />
70% Männer Sport treiben, also diese kommunal<br />
(mit)finanzierten Angebote nutzen.<br />
Frauen als die weibliche Hälfte der Bevölkerung<br />
stellen potenziell die Hälfte der Sporttreibenden<br />
dar. Und immerhin sind –mit<br />
steigender Tendenz –insgesamt 38 bis 40%<br />
aller Mitglieder von Sportvereinen weiblich.<br />
Ihre Zahlen wachsen absolut und relativ.<br />
Ergänzender Hinweis: Die Zahl der Männer in<br />
Sportvereinen geht nicht nur relativ, sondern<br />
auch absolut zurück.<br />
Daraus ergibt sich für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
zum Beispiel, dass bei der Förderung von<br />
Sportstätten und -vereinen die Richtlinien so<br />
zu verändern sind, dass Vereine, die gezielt<br />
ihre Angebote für Mädchen und Frauen erweitern,<br />
Priorität bei der Förderung erhalten.<br />
Die Förderung wird also umgesteuert, damit<br />
auch die weibliche Hälfte der Einwohner als<br />
Kundinnen an den Angeboten des Breiten-,<br />
Freizeit- und Gesundheitssports gleichermaßen<br />
teilhaben wie Männer.<br />
Beratungsangebote, Begleitung und Hilfe<br />
zur Selbsthilfe<br />
Im ganzen Feld der Beratungsangebote ist<br />
die Geschlechterperspektive ein Muss für<br />
eine qualifizierte Dienstleistung. Das gilt für<br />
die Beratung in besonders prekären Lebenslagen<br />
wie Arbeitslosigkeit, u. U. noch verbunden<br />
mit anderen Problemen, für die Begleitung<br />
durch Krisen und in Umstellungsphasen<br />
(z.B. Wiedereinstieg in den Beruf), für soziale<br />
und familiäre wie für bildungs- und berufsbezogene<br />
Beratungen. Bei Beratung, Begleitung<br />
und Hilfe zur Selbsthilfe sind die<br />
<strong>Gender</strong>aspekte der Kundinnen und Kunden<br />
von Bedeutung –ihr Rollenbild, ihre durch<br />
die geschlechtspezifische Arbeitsteilung<br />
geprägte Situation. Geschlechtsspezifische<br />
Umgangsweisen mit Problemlagen können<br />
Stärken, aber auch Schwächen auf dem<br />
Lösungsweg darstellen und müssen bewusst<br />
und konstruktiv aufgegriffen werden.<br />
Inhalte und Ausgestaltung des Angebots,<br />
Medien und Orte der Ansprache usw. werden<br />
nur mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> tatsächlich<br />
dem Bedarf und den Wünschen sowie auf<br />
Prioritäten und Qualitätsmaßstäben der<br />
Kundinnen und Kunden entsprechen.<br />
Durch Passgenauigkeit werden<br />
Qualität, Wirksamkeit und Effizienz<br />
gesteigert<br />
Beschäftigungsförderung<br />
Eine ganze Reihe von Maßnahmen und innovativen<br />
Instrumenten der Arbeitsmarktpolitik<br />
setzen <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zumindest in<br />
Ansätzen bereits um. Erfolgreiche Arbeitsmarktagenturen<br />
und Träger von Vorfeld-<br />
Maßnahmen für Jugendliche oder für<br />
erwachsene Arbeitslose arbeiten oft schon<br />
mit einem geschlechtsspezifischen Ansatz.<br />
Woran esinaller Regel noch fehlt, das ist das<br />
systematische, fundierte <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
als Element in der Qualitätsentwicklung –<br />
hierin liegt das Neue, was noch zuverwirklichen<br />
ist.<br />
Beim arbeitsmarktpolitischen Ansatz von<br />
Beratung und –möglichst –direkter Vermittlung<br />
in den ersten Arbeitsmarkt ist es unumgänglich,<br />
bei der Erstellung des individuellen<br />
Stärken-Schwächen-Profils und beim individuellen<br />
Hilfekonzept wesentlich auf<br />
geschlechtsspezifische Aspekte zuachten.<br />
Dazu braucht es bei allen Fachkräften, die<br />
Ausbildung und Anleitung vermitteln, sowie<br />
bei den Beraterinnen und Beratern <strong>Gender</strong>-<br />
Kompetenz: Sensibilität plus Wissen. Gerade<br />
für arbeitslose Mädchen und Frauen gilt, dass<br />
ohne diese Aufmerksamkeit und Herangehensweise<br />
wesentliche persönliche<br />
Erfahrungen, Stärken und Potenziale nicht<br />
erkannt werden und deshalb auch nicht für<br />
die Reintegration in den Arbeitsmarkt nutz-<br />
Kapitel 1<br />
19
20<br />
bar gemacht werden können.<br />
In Landes- und kommunalen Programmen<br />
von „Arbeit statt Sozialhilfe“ wurde die<br />
Erfahrung gemacht: Langzeiterwerbslose<br />
Sozialhilfeempfängerinnen, oft allein erziehende<br />
Mütter, brauchen vielfach nur eine<br />
wirksame Hilfe bei der Regelung der<br />
Kinderbetreuung und Unterstützung bei der<br />
Berufsorientierung und bei der (Wieder-)Gewinnung<br />
von Selbstbewusstsein. Dagegen<br />
brauchen langzeiterwerbslose männliche<br />
Sozialhilfeempfänger überdurchschnittlich<br />
oft eine Berufsqualifizierung, Hilfen bei<br />
gesundheitlichen Problemen oder Alkoholproblemen<br />
und längerfristige Unterstützung<br />
bei der Strukturierung eines Arbeitstages, bei<br />
Zeitdisziplin und Durchhaltevermögen.<br />
Informationstechnologie<br />
Immer stärker wird die Frage des nach<br />
Geschlecht unterschiedlichen Zugangs zu<br />
Informationstechnologien oder allgemein zu<br />
Technik gestellt. Es gibt eine Reihe von interessanten<br />
Erkenntnissen über Geschlechterunterschiede<br />
bei der Zugangsweise und<br />
beim Verständnis sowie bei der Art der<br />
Nutzung von Informationstechnologien (IT)<br />
und von Technik ganz generell. Sie werden<br />
bisher noch zuwenig zur Kenntnis genommen,<br />
was sich mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
ändert.<br />
Die Unterschiede gehen keineswegs in<br />
Richtung der alten Vorurteile „Das ist nichts<br />
für Frauen!“, sondern eszeigt sich, dass der<br />
Zugang von Mädchen und Frauen lediglich<br />
ein anderer ist, der unter Umständen sogar<br />
sinnvoller und realistischer erscheint.<br />
Konsequenzen daraus werden in geschlechterspezifischer<br />
Gestaltung von Informations-,<br />
Motivierungs- und Bildungsangeboten für<br />
Schülerinnen, weibliche Studierende, berufstätige<br />
oder erwerbslose Frauen gezogen –<br />
teils exemplarisch, teils aber auch breiter<br />
umgesetzt: Frauen-Computerschulen, spezielle<br />
EDV-Frauenkurse an Volkshochschulen,<br />
Computerwochen für Mädchen als Berufs–<br />
orientierungsangebot, veranstaltet von<br />
Arbeitsämtern gemeinsam mit der kommunalen<br />
Gleichstellungsbeauftragten, oder vom<br />
Landesarbeitsamt, dem Wirtschafts- und dem<br />
Frauenministerium gemeinsam.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> wird aber auch dazu<br />
führen, dass die Frage gestellt wird, ob es<br />
nicht auch „technikscheue“ Jungen oder<br />
Männer mit erschwertem Zugang zu Technik<br />
gibt. Und eswird der Frage nachgegangen,<br />
wo möglicherweise der „männertypische“<br />
Umgang mit EDV und Technik allgemein<br />
auch Risiken und Nachteile in sich birgt.<br />
Beispiele dafür sind a) jungentypische Besessenheit<br />
von Computerspielen und b) der oftmals<br />
extreme Arbeitseinsatz jüngerer, durchweg<br />
männlicher Beschäftigter im IT-Bereich,<br />
der auf Dauer nicht durchhaltbar ist und zu<br />
gesundheitlichen und sozialen Schädigungen<br />
führen kann. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> wird zu<br />
geschlechtsorientierten Ansätzen für Jungen<br />
und Männer führen, die aufklärend und verhaltensändernd<br />
wirken können.<br />
Verknüpfung von Arbeitsschutz und<br />
Arbeitsförderung<br />
In der für Arbeitsschutz zuständigen Ministeriumsabteilung<br />
des Landes Sachsen-Anhalt<br />
wurde als Pilotprojekt das Thema der<br />
Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen<br />
gewählt. Bei der geschlechtsspezifischen<br />
Datenauswertung einer Untersuchung zu<br />
Gefahrstoffexpositionen in 350 Betrieben<br />
zeigte sich, dass Arbeitgeber bezogen auf<br />
den Mutterschutz besonders häufig gegen<br />
Meldevorschriften der Gefahrstoff-Verordnung<br />
verstießen. Die Konsequenz wurde nun<br />
nicht in schärferen Kontrollen und Strafen<br />
gesucht, sondern inUnterstützungs- und<br />
Informationsangeboten für Arbeitgeber und<br />
schwangere Frauen. Neben einer verbesserten<br />
Information für kleine und mittlere<br />
Unternehmen zur Umlagefinanzierung der<br />
Lohnkosten im Mutterschutz werden die<br />
möglichen arbeitsmarktpolitischen Lösungen<br />
durch geförderte Jobrotation bekannt<br />
gemacht. Jobrotation wird propagiert mit<br />
ausdrücklichem Bezug auf die Eignung für<br />
solche Mutterschutzfälle, bei denen der<br />
Arbeitsschutz die Weiterbeschäftigung auf<br />
dem bisherigen Arbeitsplatz verbietet. Mit<br />
arbeitsmarktpolitischen Fördermitteln unterstützt<br />
kann nun der Platz der schwangeren<br />
Frau von einer bisher arbeitslosen Person<br />
(vorzugsweise auch eine Frau) übernommen<br />
werden, während die Schwangere die<br />
Chance zu einer Qualifizierung erhält.
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> plus Frauenförderung wirkt als Doppelstrategie<br />
So zum Beispiel könnte die Doppelstrategie im Bereich der kommunalen/regionalen<br />
Wirtschaftsförderung aussehen:<br />
Der Ausgangspunkt: Alle im Amt für Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, in der<br />
Regional- oder Stadtentwicklungs-GmbH sind über ihre Verantwortung im Sinne des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> informiert und haben eine entsprechende Qualifizierung erhalten. In den<br />
Zielvereinbarungen mit den Führungskräften zuAufgaben und Projekten des Fachbereichs<br />
wird ausdrücklich die Gleichstellungsförderung als Teil der Ergebnisverantwortung definiert,<br />
und zwar anhand ganz konkreter Ziele und Kriterien.<br />
Frauenspezifische Maßnahmen wie z.B. ein Existenzgründerinnenkurs, ein Frauen-Gründerinnenzentrum,<br />
eine Frauen-Weiterbildungsmesse oder eine Unternehmerinnen-Messe werden<br />
fortgesetzt oder kommen als neue Projekte hinzu: Sie können in der Initialphase in der<br />
Verantwortung des kommunalen Frauenbüros liegen, wenn von dort der Anstoß, das Konzept<br />
und das Umsetzungs-Know-how stammen. Nach der Modellphase werden sie als Regelpraxis<br />
in die Aufgaben und Projektstrukturen der Wirtschaftsförderung übernommen, dort verantwortlich<br />
weitergeführt und auch inandere Zusammenhänge implementiert. Das Frauenbüro<br />
wirkt bei Bedarf weiter unterstützend oder macht auf eventuelle Probleme aufmerksam.<br />
Es gibt allerdings keine Begrenzung auf frauenspezifische Projekte –imGegenteil: Die für<br />
Wirtschaftsförderung und Region Verantwortlichen machen eine Wirkungsanalyse mit<br />
geschlechterbezogenen Kriterien und Fragen für die bisherigen, als geschlechtsneutral unterstellten<br />
Maßnahmen. Aufgrund der Ergebnisse setzen sie Handlungsbedarf und Ziele für alle<br />
ihre Aktivitäten neu fest, damit diese künftig auch der Gleichstellung von Frauen und<br />
Männern dienen und keinesfalls (unbeachtet, ungewollt) zu neuen Diskriminierungen und<br />
Ungleichheiten beitragen.<br />
Auch das Frauenbüro startet weitere Innovationsprojekte. Es stellt zudem öffentlich die<br />
Zusammenhänge zwischen gleichstellungsfördernder Wirtschaftspolitik und anderen<br />
Handlungsfeldern (Schule, Bildung, Soziales) her und wirkt im Sinne von Networking und<br />
Empowerment von Frauen.<br />
Frauenbüro und Wirtschaftsförderung setzen sich gemeinsam für notwendige flankierende<br />
Dienstleistungen der Kommune ein, z.B. Ganztags-Kinderbetreuung und Zeiten der kommunalen<br />
Serviceangebote. Sie geben z.B. in gleiche Richtung Stellungnahmen in den<br />
Ausschüssen des Kommunalparlaments ab.<br />
Das Amt für Wirtschaftsförderung veranlasst eine geschlechterbezogene Arbeitsmarktanalyse<br />
und Beschäftigungsprognose sowie Prognose des zukünftigen Qualifizierungsbedarfs. Esdiskutiert<br />
die Ergebnisse mit den Verbänden. Dabei wird die Geschlechterfrage mitgestellt,<br />
besonders auch bei den Überlegungen, was ineinem kommunalen Bündnis für Arbeit oder in<br />
einer regionalen Weiterbildungsoffensive angepackt werden soll. Das Frauenbüro ist hieran<br />
beteiligt, aber nicht federführend, sondern mit Anregungen und Ergänzungen. Das<br />
Frauenbüro organisiert zur Unterstützung ein zusätzliches Diskussionsforum, in dem Good-<br />
Practice-Beispiele zur Erweiterung des Berufsspektrums von Frauen (und von Männern inausgewählten<br />
„Frauenberufen“, z.B. Erzieher) dargestellt werden, vielleicht aus einem europäischen<br />
Nachbarland, das schon weiter voran ist.<br />
Bei der Konzeptionsentwicklung und Planung eines Weiterbildungsnetzwerkes für die Region<br />
hat die Wirtschaftsförderung die Federführung und geht konsequent im Sinne der<br />
3-R-Methode (vgl. Kapitel 7) vor. Das Frauenbüro unterstützt ein geschlechtergerechtes,<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
als<br />
Doppelstrategie<br />
Kapitel 1<br />
21
22<br />
gleichstellungsförderndes Konzept durch Vermittlung von Kontakt zu Expertinnen mit<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz. Es führt gemeinsam mit dem Mütterzentrum sowie mit anderen Fraueninitiativen<br />
eine Aktion durch, die sich andie Frauen in der Region wendet. Um ein (auch)<br />
gender-adäquates Qualitätsmanagement bei allen Weiterbildungsträgern des Netzwerkes zu<br />
realisieren, entwickeln Wirtschaftsförderung und Frauenbüro zusammen die Kriterien und<br />
agieren arbeitsteilig bei der Information und Einführung.<br />
Das Amt für Wirtschaftsförderung vereinbart –bei Bedarf unter Mitwirkung des Frauenbüros<br />
–mit den Kammern und Arbeitgeberverbänden eine Kampagne für mehr Schülerbetriebspraktika,<br />
die gezielt die Jungen auch für „weibliche“ und die Mädchen auch für „männliche“<br />
Berufsfelder anspricht. Das Frauenbüro veranstaltet zusätzlich den „girl’s day“, wobei die<br />
Wirtschaftsförderung mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit und im Rahmen ihrer laufenden<br />
Kontakte gleichfalls bei Unternehmen für den „girl’s day“ wirbt.
2 Quo vadis <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –<br />
Eindrücke aus den Bundesländern<br />
Henriette Meseke<br />
Mit Beginn der Programmperiode 2000–2006<br />
der Europäischen Strukturfondsförderung<br />
kommt <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> der Status<br />
einer rechtlichen Verpflichtung 1 für alle Mitgliedstaaten<br />
der Europäischen Union zu.<br />
Parallel zu der Initiative auf europäischer<br />
Ebene wurde von Seiten der Bundesregierung<br />
und –teilweise bereits vorher –auf Länderebene<br />
die Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
zum Gegenstand von Diskussionen und<br />
von Beschlüssen innerhalb der Verwaltung<br />
gemacht. Seit 1999 findet ein Prozess der<br />
Implementierung und Umsetzung der<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Strategie statt, der<br />
bei vielen Akteurinnen und Akteuren<br />
Unsicherheiten hervorruft.<br />
Diese Unsicherheiten beziehen sich auf folgende<br />
grundsätzlichen Fragen:<br />
Ist <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> eine Organisationsentwicklungsstrategie<br />
oder eine Strategie,<br />
die sich auf politisches Handeln im<br />
weitesten Sinne bezieht?<br />
Was ist der Unterschied zwischen Frauenförderung<br />
und <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
oder weiter gefragt: wie bedingen sich<br />
beide Ansätze?<br />
Welche Probleme der Messbarkeit ergeben<br />
sich bei der Bewertung von Projekten<br />
unter dem Fokus von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und Chancengleichheit?<br />
Zielsetzung<br />
Der folgende Beitrag soll einen Einblick in<br />
den Prozess der Implementierung und Umsetzung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> innerhalb<br />
der Bundesländer geben. Die Zielsetzung<br />
besteht darin, einerseits den Diskussionsprozess<br />
über <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> widerzuspiegeln<br />
und andererseits, durch die Skizzierung<br />
einiger Beispiele, die Entwicklung der<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Strategie aufzuzeigen.<br />
Damit sollen auch (mögliche) Antworten<br />
auf die oben genannten Fragen gegeben<br />
werden. Es können durch die Skizzierung dieser<br />
Aktivitäten Impulse und Anregungen vermittelt<br />
werden. Es soll jedoch auch über<br />
Fallstricke informiert werden, die dem Ziel<br />
der Geschlechtergerechtigkeit entgegenstehen.<br />
Der Fokus liegt dabei auf der Implementierung<br />
und Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
innerhalb des Europäischen Sozialfonds.<br />
Die Beispiele, die aus einigen Bundesländern<br />
dargestellt, und als Good-Practice im Zusammenhang<br />
mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
genannt werden, werfen auch die Frage auf,<br />
um welche Praxis es sich handelt: Geht es um<br />
die Implementierung der Strategie, zum Beispiel<br />
in Form eines Organisationsentwicklungsprozesses?<br />
Das würde bedeuten, dass<br />
die Institutionen und Organisationen, in<br />
denen <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> integriert werden<br />
soll, betrachtet werden müssen. Oder<br />
geht es um die Einbeziehung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> im Rahmen von Politikbereichen,<br />
von Programmen und Projekten? Dann<br />
ist die Außenaktivität dieser Institutionen zu<br />
betrachten.<br />
Der vorliegende Beitrag bezieht sich im<br />
Wesentlichen auf die Außenwirkung, also auf<br />
die politisch-programmatische Ebene. Wobei<br />
betont werden muss, dass beide Formen der<br />
Interpretation richtig und wichtig sind. Sie<br />
bedingen sich gegenseitig, denn ohne die<br />
systematische Entwicklung von <strong>Gender</strong>kompetenz<br />
innerhalb einer Organisation<br />
oder innerhalb von Verwaltungen kann auch<br />
die Außenaktivität keine fundierte und nachhaltige<br />
Wirkung für die Chancengleichheit<br />
zwischen den Geschlechtern entfalten.<br />
Im Folgenden wird zuerst eine Erläuterung<br />
zu den Begriffen <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> (als<br />
integrative Strategie), Chancengleichheit und<br />
Frauenförderung gegeben, die sich im<br />
Wesentlichen auf die Ebene der Programmplanung<br />
bezieht. Über einen kurzen Einblick<br />
Kapitel 2<br />
23
24<br />
zum Thema Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern auf dem Arbeitsmarkt wird im<br />
zweiten Schritt die Problematik angesprochen,<br />
wie widersprüchlich die Förderung<br />
konkreter Projekte inihrer Wirkung sein kann<br />
und welche Rahmenbedingungen entscheidend<br />
sind. Daran anschließend werden verschiedene<br />
Beispiele aus einigen Bundesländern<br />
vorgestellt, die die Bandbreite der<br />
Aktivitäten exemplarisch verdeutlichen.<br />
Abschließend werden noch einmal aktuelle<br />
Entwicklungen und Perspektiven kritisch<br />
reflektiert.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als integrative<br />
Strategie<br />
Bei der Planung von Förderprogrammen geht<br />
es um die Entwicklung der einzelnen Verfahrensschritte.<br />
Wichtig für die Integration von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist dabei, dass die<br />
Analyse der Ausgangslage, die politische Zielsetzung,<br />
die Implementierung, die Ebene der<br />
Umsetzung sowie die Ansätze im Rahmen des<br />
Controlling und der Evaluierung als systema-<br />
Ziel<br />
Chancengleichheit für<br />
Frauen und Männer:<br />
„die Teilnahme am<br />
wirtschaftlichen, politischen<br />
und sozialen<br />
Leben wird nicht<br />
durch geschlechtsspezifische<br />
Hindernisse eingeschränkt“<br />
Quelle: Linde, K. (2001).<br />
Strategie<br />
Fortführung,<br />
Verbesserung,<br />
Erweiterung frauenspezifischer<br />
Maßnahmen<br />
In allen politischen<br />
Bereichen und auf<br />
allen Ebenen die<br />
geschlechtsspezifischen<br />
Auswirkungen beobachten,<br />
bilanzieren und<br />
verändern,<br />
als permanenter<br />
Verbesserungsprozess<br />
gegen Diskriminierung<br />
und für gleiche Beteiligung<br />
von Frauen<br />
tische Phasenabfolge berücksichtigt werden<br />
müssen. Diese Betrachtungsweise ist deshalb<br />
von Bedeutung, weil es sich bei <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
um eine integrative Strategie handelt,<br />
deren Zielsetzung in der Förderung der<br />
Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />
besteht. Häufig ist festzustellen, dass bereits<br />
in der Analyse der Ausgangsbedingungen<br />
keine geschlechterdifferenzierten Informationen<br />
vorliegen. Hierbei entsteht der oberflächliche<br />
Eindruck, dass sich die Ausgangsbedingungen<br />
für Frauen und Männer gleichen,<br />
was für die meisten Zusammenhänge<br />
nicht der Fall ist. Oftmals wird inder Diskussion<br />
an dieser Stelle behauptet, eine<br />
bestimmte Intervention, ein bestimmtes<br />
Programm sei in seiner Wirkung gleichstellungsneutral.<br />
Obgleich inallen relevanten<br />
Dokumenten zu <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> hervorgehoben<br />
wird, dass es keine „geschlechtsneutrale“<br />
Wirklichkeit gibt, ist es wichtig<br />
Fakten zu benennen, die die unterschiedlichen<br />
Ausgangslagen von Frauen und<br />
Männern transparent machen.<br />
Methode<br />
„<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
besteht in der (Re-)Organisation,<br />
Verbesserung,<br />
Entwicklung und Evaluierung<br />
der Entscheidungsprozesse,<br />
mit dem<br />
Ziel, dass die an politischer<br />
Gestaltung beteiligten<br />
Akteure und<br />
Akteurinnen den Blickwinkel<br />
der Gleichstellung<br />
zwischen Frauen<br />
und Männern in allen<br />
Bereichen und auf allen<br />
Ebenen einnehmen.“<br />
(Expertinnengruppe der<br />
EU)
Bei der politischen Zielsetzung, aber auch für<br />
die Verfahrensschritte der Implementierung<br />
und Umsetzung eines Programms ist es notwendig,<br />
dass detaillierte geschlechterdifferenzierte<br />
Informationen zugrunde gelegt<br />
sind und als Basis für die Handlungsorientierung<br />
dienen. Werden im Vorfeld der Umsetzung<br />
–z.B. für ein konkretes Projekt –<br />
keine deutlichen Aussagen auf der politischen<br />
Planungsebene getroffen, so ergibt<br />
sich für die beteiligten Akteurinnen und<br />
Akteure ein Handlungsfeld der Beliebigkeit.<br />
Aber nicht nur deutliche Vorgaben, sondern<br />
auch die Unterstützung der Prozessbeteiligten<br />
bei der Einbeziehung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
ist wichtig.<br />
Auf der Stufe der Evaluierung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>, aber auch von Chancengleichheit<br />
zwischen Frauen und Männern –<br />
als Abschluss der Phasenabfolge –gibt es<br />
zum jetzigen Zeitpunkt die größten<br />
Unsicherheiten. Die Berücksichtigung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Strategie kann in<br />
Form eines Organisationsentwicklungsprozesses<br />
analysiert werden. In diesem Fall sind<br />
die Organisationen bzw. deren Arbeit Gegenstand<br />
der Untersuchung. Dies ist ein vergleichsweise<br />
aufwändiges Verfahren und<br />
erfordert ein hohes Maß an <strong>Gender</strong>kompetenz.<br />
Zugleich ist die Einbeziehung der<br />
Evaluatorinnen und Evaluatoren in die<br />
Arbeitsprozesse notwendig, damit eine<br />
Beobachtung und Bewertung des integralen<br />
Ansatzes von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> überhaupt<br />
stattfinden kann. Wenn Programme<br />
Gegenstand der Untersuchung sind, ist es vor<br />
allem von Bedeutung, die Steuerungssysteme<br />
zu analysieren, da in diesem Fall verschiedene<br />
Entscheidungsträgerinnen und -träger auf<br />
unterschiedlichen Ebenen agieren.<br />
Eine Bewertung von Projekten unter dem<br />
Gesichtspunkt von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist<br />
problematisch bzw. nur bedingt möglich, da<br />
es sich umeine langfristig angelegte politische<br />
Strategie handelt. Projekte können und<br />
müssen unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung<br />
der Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern bewertet werden. Die Ergebnisse<br />
müssen reflexiv in die Strategie des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> einfließen. Dennoch<br />
wird häufig die Frage gestellt, wie denn<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf der Projektebene<br />
umzusetzen sei. Hierin offenbaren sich die<br />
Irritationen bei der Abgrenzung zwischen<br />
der Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>, der<br />
inhaltlichen Zielsetzung der Chancengleichheit<br />
und der Zielsetzung der Frauenförderung.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist als politische<br />
Strategie zu verstehen, die alle gesellschaftlichen<br />
Bereiche, alle Politikbereiche und jegliches<br />
politisches und administratives<br />
Handeln umfasst. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
basiert auf verschiedenen Analyse- und<br />
Steuerungsinstrumenten und wird grundsätzlich<br />
an dem inhaltlichen und fachspezifischen<br />
Kontext der Chancengleichheit<br />
zwischen den Geschlechtern ausgerichtet.<br />
Elementarer Bestandteil der Zielsetzung<br />
Chancengleichheit ist die spezifische<br />
Frauenförderung.<br />
Deshalb sei an dieser Stelle festgehalten:<br />
Trotz der deutlichen Formulierung, dass<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf einer Doppelstrategie<br />
2 basiert, wird jedoch häufig in Frage<br />
gestellt, dass spezifische Maßnahmen für<br />
Frauen gefördert werden („das sei ja nicht<br />
<strong>Gender</strong>...“). Dieser Sachverhalt wird im<br />
Abschluss dieses Beitrages noch einmal aufgegriffen.<br />
Chancengleichheit auf dem<br />
Arbeitsmarkt<br />
Das Politikfeld „Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern“ ist mit einer Vielzahl<br />
von inhaltlichen Zielsetzungen verknüpft.<br />
Eingegrenzt auf den Kontext der Arbeitsmarkt-<br />
und Beschäftigungspolitik, geht es<br />
um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf,<br />
um Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern,<br />
umdie Aufhebung der horizontalen<br />
und vertikalen Segregation auf dem Arbeitsmarkt,<br />
um eine Neuordnung der Arbeitsteilung<br />
von Reproduktions- und Erwerbsarbeit<br />
zwischen Frauen und Männern und um vieles<br />
mehr. Praktikerinnen und Praktiker der<br />
Arbeitsmarktpolitik wissen um den problematischen<br />
Sachverhalt, dass sich diverse<br />
Zielkonflikte oder Widersprüche innerhalb<br />
der Thematik Chancengleichheit wiederfinden.<br />
So stellt sich z.B. die Frage, ob die<br />
Förderung der Teilzeitbeschäftigung für<br />
Frauen ein Beitrag zur Förderung der<br />
Chancengleichheit ist oder ob damit lediglich<br />
die Zuschreibung von Hausarbeit und<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
als<br />
integrative<br />
Strategie<br />
Kapitel 2<br />
25
26<br />
Kinderversorgung an die Adresse der Frauen<br />
reproduziert wird. Die Widersprüche aus<br />
einem anderen Blickwinkel betrachtet: Die<br />
Qualifizierung von Männern inPflegeberufen<br />
leistet zwar einerseits einen Beitrag zur Auf–<br />
hebung der geschlechtsspezifischen Arbeits–<br />
marktsegregation, ihr unmittelbarer „Durch–<br />
marsch“ in Leitungspositionen von Pflege–<br />
einrichtungen stellt jedoch andererseits die<br />
alte Ordnung bzw. die bekannten männlichen<br />
Hierarchiestrukturen erneut her bzw. baut sie<br />
aus. Wie sollen solche Maßnahmen hinsichtlich<br />
ihres Beitrages zur Gleichstellung der<br />
Geschlechter bewertet werden? Welche<br />
Indikatoren können auf der Projektebene<br />
zweifelsfrei einen Fortschritt zu mehr<br />
Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern<br />
anzeigen? Zu diesen Fragen gibt es keine<br />
befriedigenden Antworten. Es scheint eher<br />
der Fall zu sein, dass die Bemühungen in der<br />
Projekt-Praxis die komplexen Strukturen der<br />
strukturellen Diskriminierung nicht lösen<br />
können und die Antworten auch politischer<br />
Herkunft sein müssen. Dies zeigt auch der<br />
folgende Abschnitt.<br />
<strong>Gender</strong>-Praxis<br />
Im Rahmen des Projektes des Bundesministeriums<br />
für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend „Von der Strategie zur Praxis –<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in Förderprojekten der<br />
Europäischen Strukturfonds“ 3 wurde eine<br />
Seminarreihe in Form von <strong>Gender</strong>trainings<br />
für Verwaltungen und Projektträger, die<br />
innerhalb der Europäischen Strukturfondsförderung<br />
tätig sind, durchgeführt. In vielen<br />
Seminaren wurde die Problematik diskutiert,<br />
wie die Wirksamkeit einer Strategie, die sich<br />
im Wesentlichen auf Prozesse und Verfahrensabläufe<br />
bezieht, in einer „kleinteiligen“<br />
Maßnahme bewertet werden kann. Neben<br />
den o.g. Widersprüchen sind die Projekte<br />
einer Fülle von Rahmenbedingungen unterworfen<br />
und werden von Akteurinnen und<br />
Akteuren getragen, die zum Teil noch weit<br />
davon entfernt sind, mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in Berührung zu stehen. Das Beispiel der<br />
berufsbegleitenden Qualifizierung zeigt hierbei<br />
deutlich, welche Grenzen gesetzt sind,<br />
wenn z.B. Unternehmen an arbeitsmarkt- und<br />
beschäftigungspolitischen Projekten beteiligt<br />
sind: Die Betriebsleitung bzw. die Personalabteilung<br />
einer Firma entscheidet darüber,<br />
wer aneiner berufsbegleitenden Qualifizie-<br />
rung teilnimmt. Welche Chancen hat ein<br />
Bildungs- oder Qualifizierungsträger, Einfluss<br />
auf die Auswahl der Teilnehmenden auszuüben<br />
–sofern dieser von der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Strategie<br />
überzeugt ist und in dieser<br />
speziellen Frage der berufsbegleitenden<br />
Qualifizierung die geschlechtsspezifische<br />
Segmentierung des Arbeitsmarktes mit zum<br />
Gegenstand der Zielsetzungen erhebt?<br />
Welche Diskussionsprozesse und wie viel<br />
Überzeugungsarbeit sind notwendig, um beispielsweise<br />
in gewerblich-technischen Fortbildungen<br />
statt der üblichen 100Prozent<br />
Männer ein Drittel Frauen wiederzufinden? 4<br />
Und: Ist das dann schon <strong>Gender</strong>? Natürlich<br />
nicht. Es ist ein Indikator, wenn auch einer,<br />
der inzwischen niemanden mehr zufrieden<br />
stellen dürfte. Dieses Beispiel veranschaulicht<br />
die Notwendigkeit, tatsächlich alle<br />
Prozessbeteiligten systematisch und verbindlich<br />
indie Gesamtstrategie von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> einzubinden.<br />
Grundlegende Fragestellungen sind bei dem<br />
Blick auf die „<strong>Gender</strong>-Praxis“ festzuhalten:<br />
Welche Analysen liegen bei welchen<br />
Planungen vor, und in welcher Tiefenschärfe<br />
wurden geschlechtsspezifische<br />
Daten und „Kontext-Informationen“ zu<br />
Grunde gelegt?<br />
Welche politischen Rahmenbedingungen<br />
finden wir in der Arbeitsmarkt- und<br />
Beschäftigungspolitik vor, und sind diese<br />
überhaupt kompatibel mit einer<br />
geschlechtergerechten Ausrichtung?<br />
Inwieweit werden sogenannte Zielkonflikte<br />
5 als Ausweichmanöver benutzt, um<br />
dem Querschnittsziel Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern bereits im<br />
Ansatz den Garaus zu machen?<br />
Eindrücke aus den Länderaktivitäten<br />
Obwohl sich die Programmperiode für die<br />
laufende EU-Strukturfondsförderung bereits<br />
in der Halbzeit befindet, liegen keine umfassenden,<br />
länderübergreifenden Materialien<br />
vor, die den Bedarf aneiner praxisbezogenen<br />
Auseinandersetzung mit dem Thema befriedigen<br />
könnten. Marianne Weg hat eine<br />
umfassende und aktuelle Bilanz der Länderaktivitäten<br />
6 zur Verfügung gestellt, die sich<br />
wesentlich auf politische Beschlüsse von<br />
Landesregierungen bezieht (Koalitionsvereinbarungen,<br />
Kabinettbeschlüsse und pro-
grammatische Vereinbarungen auf landespolitischer<br />
Ebene zur Implementierung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>).<br />
Diese politischen Planungen und Beschlüsse<br />
sind wichtig, jedoch lediglich der erste<br />
Schritt, um verbindliche Strukturen für<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zu entwickeln und<br />
innerhalb der einzelnen Ministerien konkretere<br />
Planungen vornehmen zu können.<br />
Interessant ist dabei die Fragestellung, wie<br />
deutlich die Sprache dieser landespolitischen<br />
Beschlusslagen ist und welche konkreten<br />
Initiativen daraus folgen.<br />
Beispiel: Entwicklung von<br />
Strukturen<br />
In Sachsen-Anhalt z.B. wurde mit der Einrichtung<br />
des GISA –<strong>Gender</strong>-Institut Sachsen-<br />
Anhalt 7 –die institutionelle und personelle<br />
Voraussetzung geschaffen, um <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> innerhalb des Landes zu fördern,<br />
zu begleiten und Fortschritte zuevaluieren.<br />
Mit einer solchen Struktur sind die<br />
Bedingungen für weitere Aktivitäten wie die<br />
Erstellung von <strong>Gender</strong>-Reports, die konzeptionelle<br />
Feinarbeit zu <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in fachspezifischen Fragestellungen oder<br />
auch umfassende Fortbildungsangebote<br />
(prozessbegleitende Qualifizierung) sehr viel<br />
besser verankert als in anderen Bundesländern.<br />
Je verbindlicher –auch inrechtlicher<br />
Hinsicht –der politische Wille artikuliert wird<br />
und je klarer die inhaltlichen Zielsetzungen<br />
formuliert werden, desto größer sind die<br />
Chancen für einen gelungenen Start der<br />
Implementierung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>.<br />
Beispiel: Institutionelle Unterscheidung<br />
zwischen Frauenförderung<br />
und <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Andere Beispiele zeigen, in welchem Spannungsfeld<br />
der <strong>Gender</strong>-Ansatz diskutiert und<br />
umgesetzt wird: In Bremen wurde beispielsweise<br />
im Zuge des Senatsbeschlusses zu<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> die Vereinbarung<br />
getroffen, dass bei der Benennung von<br />
<strong>Gender</strong>-Beauftragten keine Frauen- bzw.<br />
Gleichstellungsbeauftragten mit dieser<br />
Funktion betraut werden. Was für viele<br />
selbstverständlich zusein scheint –nämlich<br />
dass es sich hier um zwei unterschiedliche<br />
Funktionsbereiche handelt, die der Doppelstrategie<br />
8 des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> entsprechen<br />
–ist nicht durchgängige Praxis. In<br />
Ermangelung einer adäquaten inhaltlich ver-<br />
antwortlichen Stelle wird innerhalb von<br />
Verwaltungen der Einfachheit halber der<br />
Aufgabenbereich „<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>“<br />
den frauenpolitischen Akteurinnen zugewiesen.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist aber nicht<br />
Frauenpolitik. Es ist ein strategischer Ansatz,<br />
der parallel, in Ergänzung und in Kombination<br />
zur bzw. mit der Frauenpolitik entwickelt<br />
und umgesetzt werden muss. Die<br />
Zuweisung des Aufgabenbereichs <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> an Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte<br />
konterkariert die <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Strategie sowohl inhaltlich<br />
(die Abgrenzung zwischen <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und Frauenförderung wird augenscheinlich<br />
wieder aufgehoben) als auch<br />
strukturell (<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> muss als<br />
Top-down-Prinzip verankert sein und alle<br />
Prozessbeteiligten in die Verantwortung nehmen).<br />
Die Praxis zeigt, dass es vor allem die<br />
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in<br />
den Verwaltungen, aber auch inOrganisationen<br />
und Unternehmen sind, die die entscheidenden<br />
Impulse geben und auch über<br />
das <strong>Gender</strong>-Know-how verfügen. Solange<br />
„Top-down“ nicht oder nur unzureichend<br />
funktioniert und solange <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
von vielen als zusätzliche Mehrarbeit<br />
angesehen wird, werden derartige<br />
Zuweisungen von Funktionen zur Verlagerung<br />
der Verantwortung und zur Entstehung<br />
von kostenloser Mehrarbeit führen. Um<br />
einem Missverständnis vorzubeugen: Es geht<br />
um die Entwicklung von Strukturen 9 zur<br />
Verankerung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>, die<br />
in jedem Fall in Absprache und Kooperation<br />
mit den frauenpolitischen Akteurinnen stattfinden<br />
muss. Es geht jedoch zugleich darum,<br />
die frauenspezifischen Strukturen aufrecht<br />
zu erhalten und auszubauen. Solange<br />
„<strong>Gender</strong>“ noch nicht in den „Mainstream“<br />
gelangt ist, sind diese parallelen Strukturen<br />
notwendig. Laut International Labor<br />
Organisation (ILO) dauert dies noch ungefähr<br />
bis zum Jahre 2390.<br />
<strong>Gender</strong> Budgeting<br />
Bei der Betrachtung der politisch-administrativen<br />
Strukturen, die im Kontext von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> gebildet werden, wird auch<br />
die Frage relevant, ob „<strong>Gender</strong>“ Geld kosten<br />
darf, und wenn ja, wie viel. Ein gewichtiges<br />
Argument für die Einführung der <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Strategie besteht darin, dass<br />
Kapitel 2<br />
27
28<br />
kostspielige Nacharbeiten bzw. Korrekturen<br />
von politischen Entscheidungen vermieden<br />
werden, da zu Beginn jeglicher Planungen<br />
die Berücksichtigung der unterschiedlichen<br />
Interessen und Bedürfnisse von Frauen und<br />
Männern erfolgt. Quer zu den inhaltlichen<br />
Zusammenhängen (z.B. in der wirtschaftspolitischen<br />
Planung einer Region), in denen<br />
eine geschlechtsspezifische Analyse und<br />
Planung vorgenommen wird, beinhaltet<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> verschiedene<br />
Instrumente und Verfahren wie beispielsweise<br />
das <strong>Gender</strong>-Budgeting.<br />
Der Grundgedanke des <strong>Gender</strong>-Budgeting<br />
besteht darin, dass es keine geschlechtsneutrale<br />
Haushaltspolitik gibt und dass politische<br />
Entscheidungen über eine finanzielle<br />
Ressourcenverteilung immer Auswirkungen<br />
auf die Geschlechter nach sich ziehen. Jeder<br />
Euro, der ausgegeben wird und auch jeder<br />
Euro, der gespart wird, hat eine geschlechtsspezifische<br />
Komponente 10 .Esist nicht damit<br />
getan, zu untersuchen, wie viele Männer und<br />
wie viele Frauen (resp. Mädchen oder Jungen)<br />
direkt von staatlichen Ausgaben profitieren<br />
(obgleich das Zählen von Köpfen und Geld in<br />
Bezug auf die Geschlechter in vielen Kontexten<br />
bereits einen Fortschritt darstellt). Es<br />
geht beim <strong>Gender</strong>-Budgeting auch und gerade<br />
darum, die politischen Regelsysteme<br />
(Steuerpolitik, Sozialversicherung etc.) zu<br />
durchdringen und sie auf ihre Implikationen<br />
bezüglich der Geschlechterdisparitäten hin<br />
zu untersuchen und zu bewerten.<br />
In Berlin hat die „Initiative für eine<br />
geschlechtergerechte Haushaltsführung“ 11<br />
einen Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses<br />
zum <strong>Gender</strong>-Budgeting herbeigeführt.<br />
Mit diesem Beschluss, der in Anbetracht der<br />
prekären Haushaltslage Berlins umso notwendiger<br />
erscheint, ist es bei Weitem nicht<br />
getan. Zwar ist Berlin das erste Bundesland,<br />
das eine solche Initiative ergreift, allerdings<br />
bleibt zu beobachten, inwieweit dem politischen<br />
Bekunden nun auch Taten folgen.<br />
Das Berliner Beispiel des <strong>Gender</strong>-Budgeting<br />
zeigt, wie weit reichend die notwendigen<br />
Maßnahmen sein müssen, um erstens die<br />
komplexen politisch-administrativen Strukturen<br />
zu durchdringen und zweitens den tatsächlichen<br />
Grad der strukturellen Diskriminierung<br />
von Frauen zu ermitteln. Es besteht<br />
durchaus keine Einigkeit unter den <strong>Gender</strong>-<br />
Expertinnen und -Experten darüber, obnicht<br />
schon ausreichend Analysen, Studien und<br />
Untersuchungen zum Thema Geschlechtergerechtigkeit<br />
in verschiedenen Kontexten<br />
existieren. Einerseits gibt es (inzwischen auch<br />
zu <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>) eine unüberschaubare<br />
Fülle an Material –nahezu einen<br />
„information-overkill“ –andererseits scheint<br />
dieses Material entweder nicht zugänglich<br />
oder nicht adäquat oder nicht zutreffend für<br />
bestimmte Akteurinnen und Akteure der<br />
jeweiligen Arbeitsbereiche zu sein.<br />
Das folgende Beispiel betrifft einen Politikbereich,<br />
der bislang nahezu ausschließlich<br />
als geschlechtsneutrale Domäne galt und zu<br />
dem so gut wie keine Informationen vorliegen<br />
–die Landwirtschaftspolitik im Rahmen<br />
der EU-Strukturpolitik.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in der<br />
regionalen Entwicklung<br />
Wenn bereits innerhalb der Förderungen<br />
durch den Europäischen Sozialfonds (<strong>ESF</strong>) in<br />
Bezug auf <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> von komplizierten<br />
Verfahren, Hürden und fehlenden<br />
Indikatoren zur Bemessung der Fortschritte<br />
von Chancengleichheit zwischen Frauen und<br />
Männern die Rede ist, so gilt dies in noch<br />
stärkerem Maße für den Europäischen Fonds<br />
für regionale Entwicklung (EFRE) und den<br />
Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds<br />
für die Landwirtschaft (EAGFL).<br />
Die überwiegende Mehrzahl der Planungsdokumente<br />
für den EFRE und den EAGFL<br />
weist eine erstaunliche Abstinenz bezüglich<br />
jedweder Aussagen zum Thema Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern auf. Der<br />
allgemeinen Formulierung, dass „<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> zur Anwendung komme“,<br />
folgt in der Regel die Bemerkung, dass die<br />
Interventionen dieser Fonds geschlechtsneutralen<br />
Charakter haben und somit irrelevant<br />
für das Politikfeld Chancengleichheit seien.<br />
Diese Behauptung wird innerhalb der<br />
„Ergänzung zur Programmplanung“ (EzP) 12<br />
in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich<br />
in Frage gestellt. In diesem Dokument wird<br />
der Versuch unternommen, erstens überhaupt<br />
einen Ansatz zur Berücksichtigung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> innerhalb des EAGFL<br />
zu entwickeln, zweitens eine Klassifizierung/<br />
Wertung der Maßnahmen des Fonds anhand<br />
von sechs inhaltlichen Fragestellungen vorzunehmen<br />
sowie drittens Schlussfolgerungen
für die Frage der Indikatoren und Bewertungsmethoden<br />
festzulegen.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in den drei<br />
Strukturfonds<br />
Im Land Brandenburg wurde ein weitergehender<br />
Ansatz zur Implementierung des<br />
<strong>Gender</strong> Ansatzes vorgenommen. Dort wurde<br />
im Jahr 2000 eine Machbarkeitsstudie 13 für<br />
alle drei Strukturfonds im Auftrag des Ministeriums<br />
für Arbeit, Soziales, Gesundheit und<br />
Frauen (MASGF), finanziert über den Europäischen<br />
Sozialfonds, durchgeführt. Diese<br />
Studie enthält wichtige Aussagen bezüglich<br />
der Ausgangsbedingungen, Voraussetzungen<br />
und notwendiger Operationalisierungen für<br />
ein integriertes <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Konzept der EU-Strukturfondsförderung in<br />
Brandenburg. Diese Studie bildet nun auch<br />
die Grundlage, um hinsichtlich der Indikatorenbildung<br />
–fondsübergreifend –konkretere<br />
Schritte einzuleiten.<br />
Diese Beispiele zeigen, wie vielfältig und<br />
komplex die Anforderungen für die tatsächliche<br />
Berücksichtigung der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Strategie<br />
sind. Die Erfolgskriterien, oder<br />
besser gesagt die Erfolgsbedingungen, wie<br />
etwa ein eindeutiger politischer Wille, der<br />
von den Leitungspersonen getragen und<br />
transportiert wird, Transparenz im Verfahren,<br />
die Einführung von Kontrollmechanismen,<br />
die Sensibilisierung aller Akteurinnen und<br />
Akteure etc., fehlen in vielen Politikbereichen<br />
noch immer. Druck und auch Impulse können<br />
in solchen Situationen von Gremien entwickelt<br />
bzw. gegeben werden, die von übergeordneter<br />
Stelle aus agieren. In verschiedenen<br />
Bundesländern wurden bzw. werden so<br />
genannte <strong>Gender</strong>-Beiräte 14 gebildet. Diese<br />
sind entweder auf Landesebene und somit<br />
übergeordnet oder bezogen auf die Begleitung<br />
der EU-Strukturpolitik tätig.<br />
Kennzeichnend für die <strong>Gender</strong>-Beiräte ist ihre<br />
Zusammensetzung aus Vertreterinnen und<br />
Vertretern der Verwaltung, der Nichtregierungsorganisationen,<br />
der Gewerkschaften,<br />
der Wissenschaft und der Parteien. Vor dem<br />
Hintergrund, dass sich die Implementierung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> noch überwiegend<br />
in den Kinderschuhen befindet (z.B. der<br />
Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />
aus feministischer Forschung oder <strong>Gender</strong><br />
Studien), bedarf eseiner genauen Beobach-<br />
tung der Entwicklungen. Diese Beobachtung<br />
sollte durch externe Expertinnen und Experten<br />
geleistet werden. Durch Maßnahmen zur<br />
Qualitätssicherung innerhalb der Verwaltungsstrukturen<br />
muss der interne <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Prozess gesteuert werden.<br />
Aktuelle Entwicklungen und<br />
Perspektiven<br />
Die Fragen der beteiligten Akteurinnen und<br />
Akteure bezüglich der Implementierung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> finden ihre Zuspitzung<br />
in dem Themenkomplex der Kontrollmechanismen<br />
oder auch des <strong>Gender</strong> Controlling.<br />
In einigen Bundesländern wurden in<br />
den vergangenen zwei Jahren Verfahren bzw.<br />
Instrumente entwickelt, mit denen eine<br />
Bewertung von Projekten und eine Unterstützung<br />
für die bewilligenden Stellen stattfinden<br />
sollte. Mit Checklisten, Leitfäden und<br />
Kriterienkatalogen wird der Versuch unternommen,<br />
Anhaltspunkte für die Bewertung,<br />
Prüfung und Genehmigung von Förderanträgen<br />
zu geben.<br />
Aber: Wie sieht ein Projekt aus, das <strong>Gender</strong>-<br />
Kriterien gerecht wird? Wie kommen Träger<br />
zu der notwendigen <strong>Gender</strong>kompetenz?<br />
Muss ein frauenspezifisches Projekt „gegendert“<br />
werden? Und last but not least: Wie<br />
ergeht es momentan den frauenspezifischen<br />
Projekten bzw. den Frauen auf dem Arbeitsmarkt?<br />
Wie eingangs dargestellt, kann ein einzelnes<br />
Projekt lediglich die Auswirkungen einer vorher<br />
implementierten <strong>Gender</strong>-Strategie abbilden.<br />
Je nach Ergebnis einer geschlechterdifferenzierten<br />
Analyse, einer entsprechenden<br />
Zielformulierung und einer klaren Operationalisierung<br />
kann ein Projekt bestimmte<br />
Bestandteile der gesamten Strategie beinhalten.<br />
Dies kann ein definitiver frauenspezifischer<br />
Ansatz sein, um eine Kompensation<br />
von vorhandener Diskriminierung vorzunehmen.<br />
Dies können aber auch experimentelle<br />
Ansätze (wie in <strong>EQUAL</strong> angestrebt) sein, die<br />
Erkenntnisse zu Ursachen und zum Abbau<br />
von Diskriminierungen hervorbringen.<br />
Ebenso sind methodische und didaktische<br />
Weiterentwicklungen für die berufliche<br />
Bildung zu nennen. Die vielfältigen Zielsetzungen<br />
für den Bereich der Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern bieten zudem<br />
auch Anknüpfungspunkte für Projekte, in<br />
Aneignung<br />
von<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz<br />
Kapitel 2<br />
29
30<br />
denen Männer gefördert werden. Hier wäre<br />
das Thema der Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf zu nennen, welches bisher weit überwiegend<br />
an Frauen adressiert ist.<br />
Die <strong>Gender</strong>kompetenz der Träger arbeitsmarktpolitischer<br />
Maßnahmen ist erfahrungsgemäß<br />
gering. Nur wenige Institutionen<br />
haben in der Vergangenheit in dem Bereich<br />
der Geschlechtergerechtigkeit gearbeitet.<br />
Auch in den Einrichtungen, in denen Frauenprojekte<br />
tätig waren bzw. durchgeführt wurden,<br />
trugen diese nicht unbedingt zu einer<br />
Veränderung des Leitbildes oder der<br />
geschlechtersensiblen Organisationsentwicklung<br />
bei. Viele Einrichtungen bemühen sich<br />
darum, dieses Defizit auszugleichen und führen<br />
<strong>Gender</strong>-Qualifizierungen/Trainings durch.<br />
Den Prozessbeteiligten ist dabei jedoch häufig<br />
nicht bewusst, dass es sich bei der<br />
Aneignung der <strong>Gender</strong>kompetenz um einen<br />
permanenten Prozess handelt –sozusagen<br />
ein „Lebens-Langes-<strong>Gender</strong>-Lernen“. So<br />
begnügen sich viele Organisationen damit,<br />
„<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>“ in ihr Handbuch<br />
zum Qualitätsmanagement zu schreiben,<br />
einer Person den Titel „<strong>Gender</strong>-Beauftragte/r“<br />
zu verleihen und im Übrigen alles beim Alten<br />
zu lassen. Andere Organisationen bemühen<br />
sich umeine wirkliche Implementierung und<br />
lassen sich auf einen Denkprozess ein, der<br />
eine kontinuierliche Veränderung der Organisation<br />
und der Aktivitäten nach sich zieht.<br />
Muss ein frauenspezifisches Projekt „gegendert“<br />
werden? Viele Frauenprojekte haben<br />
derzeit größere Sorgen, als sich darüber<br />
Gedanken zu machen, ob der frauenspezifische<br />
Ansatz implizit bereits ein Beitrag zu<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist oder ob sich hinter<br />
einer bestimmten Form der Frauenförderung<br />
auch die Reproduktion von Diskriminierung<br />
verbirgt. Verschiedene Darstellungen von<br />
Trägern deuten darauf hin, dass im Zuge der<br />
Umsetzung des Hartz-Konzepts und der<br />
Umstrukturierung der Bundesagentur für<br />
Arbeit eine Art Roll-back der Chancengleichheit<br />
stattfinden könnte: Frauen werden in<br />
der Beratung beim Arbeitsamt nach dem<br />
Familienernährer gefragt –ganz so wie<br />
Kritikerinnen und Kritiker befürchteten.<br />
Hinzu kommt, dass in einigen Bundesländern<br />
Frauenprojekte nicht mehr finanziert oder<br />
starken Kürzungen unterworfen werden. 15<br />
Der duale Ansatz, der deutlich die positiven<br />
Aktionen für Frauen beinhaltet, scheint konzeptionell<br />
aufgelöst zu werden, noch bevor<br />
er implementiert wurde.<br />
Die skizzierten Veränderungen kennzeichnen<br />
–trotz aller Bemühungen um <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
–eine bedenkliche Entwicklung.<br />
Innerhalb der Gemeinschaftsinitiative <strong>EQUAL</strong><br />
wurde für alle Akteurinnen und Akteure der<br />
Entwicklungspartnerschaften die Teilnahme<br />
an einem <strong>Gender</strong>training vorgeschrieben.<br />
Diese Vorgabe ist hilfreich, denn dadurch<br />
konnten zumindest für den Start der<br />
Gemeinschaftsinitiative Anregungen und<br />
Impulse gegeben werden. Qualifizierungen<br />
zum Thema <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> werden<br />
auch zukünftig –insbesondere inAuswertung<br />
der ersten Erfahrungen mit <strong>Gender</strong>trainings<br />
–notwendig sein. Diese Trainings<br />
sind jedoch nur Mittel zum Zweck, und nicht<br />
als originärer Beitrag zur Gleichstellung der<br />
Geschlechter zu betrachten. Zugespitzt formuliert,<br />
stehen die Fragen im Raum:<br />
Befinden sich amEnde der Förderperiode der<br />
Strukturfondsförderung im Jahre 2006 tatsächlich<br />
deutlich mehr Frauen in gut bezahlten,<br />
qualifikationsadäquaten, unbefristeten<br />
Beschäftigungsverhältnissen und mehr<br />
Männer in Teilzeitbeschäftigung und/oder in<br />
Elternzeit? Und: Kann <strong>EQUAL</strong>, kann die Arbeit<br />
der Entwicklungspartnerschaften und der<br />
Teilprojekte einen Beitrag zum Abbau der<br />
geschlechtsspezifischen Diskriminierung leisten,<br />
wenn zugleich ein Umbau der Arbeitsmarktpolitik<br />
und ein Abbau der frauenpolitischen<br />
Infrastruktur stattfindet?
Anmerkungen<br />
1 Trotz der Verankerung der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Strategie innerhalb des Amsterdamer Vertrags und der<br />
nachfolgenden Verordnungen (z.B. der Verordnungen<br />
über die Strukturfonds) wird zuRecht nach der recht-<br />
lichen Verbindlichkeit von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
gefragt. In vielen Veröffentlichungen ist jedoch von einer<br />
rechtlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einer<br />
aktiven und integrierten Gleichstellungspolitik die Rede.<br />
Vgl. Schweikert, B. (2002), S. 85.<br />
2 Die Doppelstrategie beinhaltet den Erhalt und den<br />
Ausbau der frauenspezifischen Förderung und zugleich<br />
die systematische Integration der Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern inalle Politiken und Programme.<br />
3 Der Abschlussbericht des Projektes steht als Download<br />
auf der Website http://www.spiconsult.de in der Rubrik<br />
„Kompetenzen“ unter „<strong>Gender</strong>-Training“ zur Verfügung.<br />
Unter http://www.gender-mainstreaming.net hat die<br />
Bundesregierung eine Internetseite eingerichtet, die<br />
wichtige Informationen, Erläuterungen sowie Literatur-<br />
hinweise zum Thema <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> enthält.<br />
4 Auch die Zuweisungspraxis von Mittelgebern muss unter<br />
dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern analysiert und verändert werden.<br />
5 Durch die Europäische Beschäftigungspolitik und die<br />
EU-Strukturpolitik wird eine Fülle von Zielsetzungen vor-<br />
gegeben, die auch durch ihre begriffliche Kunstfertigkeit<br />
(Leitlinien, Oberziele, Querschnittsziele, horizontale Ziele<br />
usw.) nicht zur Klarheit der Prioritäten untereinander bei-<br />
tragen. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bzw. die Chancengleich-<br />
heit von Frauen und Männern wird jedoch, was die<br />
Häufigkeit der Nennungen in den verschiedenen<br />
Dokumenten sowie die Verankerung auf oberster Stufe<br />
(Amsterdamer Vertrag) betrifft, deutlich prioritär behan-<br />
delt. Dennoch kommt es zu so genannten Zielkonflikten<br />
z.B. zwischen dem Ziel der allgemeinen Beschäftigungs-<br />
förderung und der Schaffung von Arbeitsplätzen für<br />
Frauen.<br />
6 Vgl. Weg, M. (2002)<br />
7 Weitere Informationen unter http://www.g-i-s-a.de.<br />
Bezogen auf die strukturelle Unterstützung der Imple-<br />
mentierung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in den Struktur-<br />
fonds sei an dieser Stelle auch die Koordinierungsstelle<br />
im Rahmen des Zieles 2des Landes NRW zu nennen, die<br />
im „Zentrum Frau in Beruf und Technik“<br />
(http://www.zfbt.de) angesiedelt ist.<br />
8 Auch nach EU-Definitionen umfasst <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> immer die Beibehaltung der spezifischen<br />
Frauenförderung und die systematische, integrale<br />
Einbeziehung der geschlechterbezogenen Sichtweisen in<br />
sämtliche Planungen.<br />
9 Der Begriff der Struktur wird hier im Sinne personalpoli-<br />
tischer und organisationspolitischer Festlegungen ver-<br />
wendet. Hierzu zählen z.B. die Benennung von <strong>Gender</strong>-<br />
Beauftragten und die Einrichtung von Arbeitsgruppen<br />
und Arbeitskreisen, die im Sinne einer Prozessbegleitung<br />
auf die quantitativen und qualitativen Fortschritte achten<br />
und Impulse für die verbindliche Verankerung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> geben.<br />
10 Vgl. Budlender, D.u.a. (1998); http://www.gender-bud-<br />
gets.de<br />
11 Diese Initiative entstand im Mai 2001 und setzt sich<br />
aus Frauen aus Nichtregierungsorganisationen, aus der<br />
Wissenschaft, den Gewerkschaften und Parteien zusam-<br />
men.<br />
12 Operationelles Programm Mecklenburg-Vorpommern,<br />
S. 311ff.<br />
13 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und<br />
Frauen des Landes Brandenburg (2001).<br />
14 Zum jetzigen Zeitpunkt sind solche <strong>Gender</strong>-Beiräte<br />
(nicht zu verwechseln mit verwaltungsinternen Gremien,<br />
wie interministeriellen Arbeitsgruppen) bekannt aus<br />
Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.<br />
15 Beispiel Bremen: Hier wurde das Frauengesundheits-<br />
zentrum geschlossen und die frauenspezifischen Bera-<br />
tungsstellen müssen massive Einsparungen vornehmen.<br />
Kapitel 2<br />
31
32<br />
3 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –eine Strategie<br />
zur betrieblichen Veränderung für kleine<br />
und mittelständische Unternehmen?<br />
Dörthe Jung<br />
1. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und der Mittelstand<br />
Die Bemühungen, Chancengleichheit zwischen<br />
Frauen und Männern zuverbessern,<br />
stehen nicht erst mit der von der Europäischen<br />
Kommission eingeführten neuen<br />
Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> (GM)<br />
auf der politischen Agenda. Gleichwohl ist<br />
das Thema mit und seit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wieder stärker in aller Munde. Diese<br />
Popularität hat vor allem zwei Gründe.<br />
Einerseits ist mit der Verabschiedung des<br />
Amsterdamer Vertrags die Umsetzung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> eine verbindliche<br />
politische Vorgabe geworden, die insbesondere<br />
die Beschäftigungspolitik der EU und<br />
der nationalen Staaten beeinflusst.<br />
Andererseits ist für Organisationen und Projektträger<br />
der Erhalt europäischer Finanzmittel<br />
mit der Auflage verbunden, als Mittelempfängerinnen<br />
und -empfänger Aktivitäten<br />
zur Chancengleichheit zukünftig nachweisen<br />
zu müssen. Bislang gab esnicht –jedenfalls<br />
in Deutschland –den „sanften Druck des<br />
Geldes“, wenn es um die Zielerreichung<br />
Geschlechtergerechtigkeit ging.<br />
Vor diesem Hintergrund sind es zur Zeit vor<br />
allem Politik, Verwaltungen und Non-Profit-<br />
Organisationen, die sich inDeutschland mit<br />
dem neuen Chancengleichheitskonzept des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auseinander setzen<br />
und beginnen, erste Umsetzungsschritte zu<br />
entwickeln. In Unternehmen der privaten<br />
Wirtschaft ist die Resonanz eher verhalten.<br />
Große Unternehmen wie z.B. die Telekom<br />
betreiben ihre bislang entwickelten Ansätze<br />
zur konzernweiten betrieblichen Chancengleichheitspolitik<br />
lieber weiter unter der<br />
Fahne Gleichstellung/Chancengleichheit als<br />
den in langer und mühsamer Arbeit erworbenen<br />
Konsens durch neue Modelle und Namen<br />
zu gefährden. Kleine und mittelständische<br />
Unternehmen wiederum sind in Deutschland<br />
in Bezug auf eine gelebte betriebliche<br />
Chancengleichheitspolitik traditionell rückständig.<br />
1 Das trifft insbesondere für die kleinen<br />
und mittleren Unternehmen (KMU) mit<br />
bis zu 200 Beschäftigten zu. Häufig korreliert<br />
dieser Sachverhalt mit der strategischen<br />
Bedeutung, die die Unternehmerin bzw. der<br />
Unternehmer oder die Geschäftsführung der<br />
betrieblichen Personalentwicklung zuschreiben:<br />
So lange diese für die Unternehmensentwicklung<br />
nicht ins Blickfeld systematischer<br />
Betriebspolitik gerät, sind Fragen etwa<br />
zu Nachwuchsförderung von jungen Frauen<br />
kein Gegenstand des unternehmerischen<br />
Handelns.<br />
Ich möchte imFolgenden darlegen, inwieweit<br />
der Gedanke des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und Ansätze zur Umsetzung dieser Strategie<br />
durchaus auch für KMU von Interesse und<br />
Nutzen sein können. Dabei gehe ich von<br />
einem Grundverständnis aus, <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
als eine Lernstrategie anzusehen,<br />
die in laufende Veränderungsprozesse zu<br />
integrieren ist. 2 Denn betriebliche Reorganisation<br />
wird aufgrund veränderter Marktanforderungen<br />
verstärkt zu einer kontinuierlichen<br />
Anforderung für KMU. 3<br />
2. Was ist das Neue an<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>?<br />
Um es gleich vorneweg zusagen: Das Neue<br />
an <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> im Vergleich zu<br />
bisherigen Konzepten und Instrumenten der<br />
Gleichstellungspolitik ist die Möglichkeit zu
einem systematischen Verfahren, mit dem<br />
Organisationen ihre Strukturen und Dienstleistungen/Produkte<br />
prüfen können, ob sie<br />
für Frauen oder Männer benachteiligende<br />
oder fördernde/ausschließende bzw. einschließende<br />
Wirkungen haben. In dieser<br />
Systematik liegt die Chance, den Ansatz in<br />
die gängigen Methoden etwa des Changeund<br />
Qualitätsmanagements oder in bewährte<br />
laufende Verfahren und Prozesse des<br />
Unternehmens einfließen zu lassen. In ihr<br />
liegt ferner die Chance zu überprüfen, inwieweit<br />
eine systematische Berücksichtigung<br />
von Chancengleichheitsaspekten einher geht<br />
mit den Anforderungen des Marktes nach<br />
stärkerer Flexibilisierung, und zwar auf den<br />
Ebenen: Arbeitsstrukturen, Arbeitszeit,<br />
Kompetenzentwicklung, Produktentwicklung<br />
und Lösungen für die Vereinbarkeit von<br />
Arbeit und Familie. Anders gesagt, <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> kann zum Motor notwendiger<br />
Marktanpassungen für KMU werden.<br />
Bausteine des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Die Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> lässt<br />
sich als ein System von fünf Bausteinen charakterisieren.<br />
4 An vorderster Stelle steht, wie<br />
bei jedem professionell durchgeführten<br />
betrieblichen Veränderungsprozess, die Einwilligung<br />
und Verantwortungsübernahme für<br />
den Erfolg von Seiten der Führungskräfte:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist eine Top-down-<br />
Top-down-Strategie<br />
Horizontale Strategie<br />
Verantwortung in allen<br />
Entscheidungsebenen<br />
Frauen und Männer<br />
Bausteine des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Strategie. Und zwar aus hinlänglich bekannten<br />
Gründen. So bedürfen die mit der Veränderung<br />
einhergehenden neuen Werte und<br />
Verhaltensweisen einer gelebten Praxis in der<br />
Führung, um bei den Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeitern Glaubwürdigkeit im Hinblick auf<br />
den gewünschten Wandel herzustellen und<br />
Ängste bzw. Unsicherheiten abzubauen. Aber<br />
auch zur Beseitigung von Stolpersteinen, die<br />
sich häufig bei betrieblichen Veränderungsprozessen<br />
auf den Weg legen, sind es die<br />
Führungskräfte, die dann (nicht selten unkonventionelle)<br />
Entscheidungen treffen müssen,<br />
um den weiteren Erfolg des Vorhabens abzusichern.<br />
Angesichts des in Führungspositionen<br />
in deutschen Unternehmen bestehenden<br />
Geschlechterverhältnisses 5 ,bedeutet Topdown-Strategie<br />
im Kontext des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
auch, dass vermehrt Männer sich<br />
für die Umsetzung von Chancengleichheit<br />
verantwortlich fühlen werden.<br />
Ein weiteres charakteristisches Merkmal des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist ein integratives<br />
Vorgehen. Der Erfolg dieser neuen Strategie<br />
hängt ganz wesentlich davon ab, dass laufende<br />
Prozesse des Unternehmens ‚gegendert‘<br />
werden. Was heißt das? Zeigt etwa die<br />
Analyse der Beschäftigtenstatistik, dass<br />
Führungspositionen nur oder überwiegend<br />
männlich besetzt sind, dann können Fragen<br />
wie: „Wer sind unsere Kundengruppen?“,<br />
„Werden diese von unserer Führungscrew<br />
Integration in<br />
betriebliche Verbesserung<br />
und laufende Prozesse<br />
Systematisches Verfahren zur Herstellung von<br />
Chancengleichheit<br />
Doppelstrategie<br />
ergänzt bisherige<br />
Gleichstellungspolitik<br />
Kapitel 3<br />
33
34<br />
angemessen repräsentiert?“, „Sprechen wir<br />
mit unserem Produkt eine Vielzahl unterschiedlicher<br />
Kundentypen an?“ zu einer veränderten<br />
Personalpolitik führen, die in ihrer<br />
Zielsetzung sowohl zu einem erhöhten Anteil<br />
weiblicher Führungskräfte als auch zuneuen<br />
Strategien der Kundenakquise führt. Die Integration<br />
in laufende Verfahren ist das Typische<br />
an <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>, nicht die Einführung<br />
eines neuen Systems, das neben anderen<br />
besteht. Integration nicht Separation ist hier<br />
die eine Devise.<br />
Commitment<br />
und Verantwortung<br />
aller<br />
Führungskräfte<br />
Horizontale Umsetzung ist die andere Devise.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als eine Lernstrategie<br />
bei KMU zu implementieren bedeutet, Fragen<br />
zur Verbesserung betrieblicher Chancengleichheit<br />
als eine Methode zur Optimierung<br />
der Kundenorientierung (intern/extern) anzuwenden<br />
und zwar auf allen Ebenen des<br />
Unternehmens: Von der Planung bis hin zum<br />
Marketing; vom Leitbild, der Führungskultur<br />
bis hin zur Kompetenzentwicklung der<br />
Beschäftigten. Die Verantwortung für die<br />
Umsetzung und den Erfolg wird demokratisch<br />
verteilt. Je nach Größe und Struktur des<br />
Unternehmens wird sie auf alle Ebenen der<br />
Führung oder in die Projekte hineinverlagert.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist mehr als Frauenförderung.<br />
Angesichts der strukturellen<br />
Benachteiligung von Frauen in Bezug auf<br />
Einkommen, Aufstiegschancen und der primären<br />
Verantwortlichkeit für die Kindererziehung<br />
sind positive Aktionen für Frauen<br />
aber auch weiterhin erforderlich. Deshalb ist<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> gezielt als eine<br />
Doppelstrategie von der EU angelegt. Für<br />
KMU liegt hier vor allem die Chance, die vorhandenen<br />
Potenziale des weiblichen<br />
Personals stärker zu entwickeln und in der<br />
Unternehmensentwicklung zu nutzen.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Implementation in Unternehmen<br />
Einbindung<br />
aller<br />
Mitarbeiter/innengruppen<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
als Lernstrategie<br />
in Veränderungsprozesseintegrieren<br />
Prozessorientiertes<br />
Verfahren<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als ein systematisches<br />
Verfahren zur Herstellung von Chancengleichheit<br />
ist prozessorientiert .Erst so kann<br />
Nachhaltigkeit erzielt werden. Es bedarf in<br />
der Umsetzung einer Prozessarchitektur, die<br />
von dem Commitment der Führungskräfte<br />
getragen wird, in der aber darüber hinaus<br />
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder<br />
relevante Beschäftigtengruppen des Unternehmens<br />
eingebunden und beteiligt werden.
3. Handlungsfelder des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bei<br />
KMU<br />
Zunehmende Globalisierung und die mit den<br />
neuen Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
einhergehende Beschleunigung<br />
sind zentrale Elemente, die die Wettbewerbsfähigkeit<br />
nicht nur der großen Unternehmen,<br />
sondern auch der KMU bestimmen. 6 Wie<br />
Unternehmen auf die neuen Anforderungen<br />
reagieren, ist von Faktoren wie Branche und<br />
Größe des Betriebes abhängig. Auch haben<br />
die neuen kleinen und mittleren Unternehmen<br />
aus dem Informations- und Kommunikationstechnik-Bereich<br />
eine andere Kultur und<br />
andere Wachstumsprozesse als traditionelle<br />
Unternehmen, etwa des Einzelhandels.<br />
Ungeachtet dieser Differenzen stehen Fragen<br />
und Prozesse der Organisations- und<br />
Personalentwicklung auf der Tagesordnung<br />
der KMU, um in Produktentwicklung und<br />
Kundenorientierung dem erhöhten<br />
Flexibilisierungsdruck begegnen zu können. 7<br />
Vor diesem Entwicklungshintergrund stellt<br />
sich die Frage, inwieweit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
hier eine Strategie sein kann, die zum<br />
Nutzen des Unternehmens und zur Verbesserung<br />
der Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt<br />
werden kann.<br />
Ich möchte imFolgenden einige Bereiche<br />
beispielhaft aufzeigen, in denen Handlungsund<br />
Veränderungsbedarf bei KMU besteht<br />
und die gleichzeitig unter dem Gesichtspunkt<br />
von Chancengleichheit für Frauen und<br />
Männer von zentraler Bedeutung sind.<br />
Arbeitsprozesse und -formen<br />
Zur Verbesserung der Prozessqualität von<br />
Arbeitsabläufen steht häufig nicht nur die<br />
Entrümpelung von bürokratischen Regelsystemen<br />
an, sondern eswerden bisher<br />
getrennte Tätigkeiten zusammengelegt und<br />
bestehende Arbeitsteilungen aufgebrochen.<br />
Ergebnisse dieser Veränderungen sind flachere,<br />
flexible Strukturen und neue Arbeitsformen<br />
wie Team- und Projektarbeit, aber<br />
auch die Einführung von (alternierender)<br />
Telearbeit. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Zielorientierung<br />
setzt hier auf verschiedenen<br />
Ebenen an. Ich möchte esbeispielhaft auf<br />
der Ebene der Effektivität von Teams verdeut-<br />
lichen. Eine entscheidende Frage ist, ob sie<br />
geschlechtshomogen zusammengesetzt sind<br />
oder ob weibliche und männliche Mitarbeiter<br />
eine gleichberechtigte Chance haben, Projekte<br />
gemeinsam bearbeiten zu können.<br />
In gemischt geschlechtlichen Teams werden<br />
differente Perspektiven und Sichtweisen eingebracht,<br />
die zu komplexeren Problemlösungen<br />
beitragen können. In der Kommunikation<br />
treten aber auch Konflikte auf, die nicht selten<br />
typische Missverständnisse zwischen den<br />
Geschlechtern als Ursache haben. Frauen und<br />
Männer benutzen unterschiedliche Kommunikationsstile,<br />
die bei einer entsprechenden<br />
Sensibilisierung für diese differenten Strategien<br />
die Kooperationsfähigkeit zu verbessern<br />
helfen. Häufig wird dann auch sichtbar, dass<br />
stereotype Geschlechterrollen die Arbeitsteilung<br />
bestimmen und nicht die individuellen<br />
Stärken und Schwächen der Teammitgliederinnen<br />
und Teammitglieder. Die<br />
Integration von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
bedeutet das Aufbrechen stereotyper<br />
Arbeitsteilung (u.a. wer schreibt immer das<br />
Protokoll?) und die Stärkung individueller<br />
Fähigkeiten, mit dem Ziel, die neu entstehenden<br />
Synergien in der Kooperation von weiblichen<br />
und männlichen Beschäftigten für die<br />
Projektarbeit effektiver zu nutzen.<br />
Personalentwicklung<br />
In vielen KMU ist eine systematische Personalentwicklung<br />
immer noch ein Reizwort. Dabei<br />
sind auch indiesem Betriebssegment qualifizierte<br />
Führungskräfte und Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter die Schlüsselfaktoren der<br />
unternehmerischen Zukunft. Der Bereich der<br />
Personalentwicklung ist bei der Umsetzung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in KMU ein zentrales<br />
Handlungsfeld, und die Berücksichtigung<br />
von Chancengleichheitszielen, etwa bei<br />
dem Aufbau der Personalentwicklung,<br />
ermöglicht den Unternehmen eine aktive<br />
Potenzialerkennung und -förderung von allen<br />
Beschäftigtengruppen, von Frauen und<br />
Männern. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Fragen sind<br />
in diesem Sinne auf allen Ebenen des<br />
Handlungsfeldes von Nutzen: Angefangen<br />
von der Personalrekrutierung über die Anpassungsqualifizierung<br />
und Kompetenzerweiterung<br />
der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
der Führungskräfteentwicklung bis hin zum<br />
betrieblichen Leistungs- und Bewertungssystem.<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
in KMU<br />
Kapitel 3<br />
35
36<br />
Die Integration von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
den Bereich der Personalentwicklung heißt<br />
insbesondere, die Kompetenzen von Frauen<br />
und ihre spezifischen familiären Rahmenbedingungen<br />
in den gestalterischen Blick zu<br />
nehmen. So werden z.B. Frauen in unqualifizierten<br />
Beschäftigtenverhältnissen häufig<br />
erst gar nicht für die Teilnahme an Seminaren<br />
zur Kompetenzerweiterung ins Auge gefasst. 8<br />
Und das, obwohl sich indieser Gruppe häufig<br />
Frauen mit qualifizierten Ausbildungs- und<br />
Berufsbiographien befinden, die aus unterschiedlichen<br />
Gründen aufgegeben worden<br />
sind (u.a. Berufsunterbrechung aufgrund von<br />
Erziehungszeiten, keine sonstige Teilzeitbeschäftigung<br />
in der Umgebung).<br />
Erfahrungen zeigen, dass hier ungenutzte<br />
Potenziale vorhanden sind, die mit der<br />
Beteiligung an Qualifizierungsmaßnahmen für<br />
die interne Stellenbesetzung von großem<br />
betrieblichen Nutzen sein können (z.B.<br />
Gruppenleitungspositionen).<br />
Zur gezielten betrieblichen Förderung von<br />
Frauen können viele Personalentwicklungsinstrumente<br />
auch imKontext von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> zur Anwendung kommen wie<br />
beispielsweise: Einbeziehung von Fragen zur<br />
Familienplanung bei der betrieblichen<br />
Karriereplanung (sollte selbstverständlich<br />
auch bei jungen Männern eine Rolle spielen),<br />
Kontakthalteprogramme während der<br />
Erziehungszeiten, spezielle Seminare für<br />
weibliche Nachwuchskräfte zum Empowermen,<br />
Mentoringprogramme (interne oder bei<br />
kleinen Betrieben so genanntes Cross-<br />
Mentoring zusammen mit anderen KMU).<br />
Bei Personalrekrutierung und interner<br />
betrieblicher Karriereentwicklung zukünftig<br />
auf Frauen zu verzichten kann sich längerfristig,<br />
angesichts des prognostizierten Fachund<br />
Führungskräftemangels und des hohen<br />
Ausbildungs- und Qualifikationsniveaus 9 von<br />
jungen Frauen, kein Unternehmen mehr leisten.<br />
Bei Produktinnovation, der Generierung<br />
neuer Märkte und der Kundenakquise sind<br />
Frauen als relevante Leistungsträgerinnen<br />
zukünftig unabkömmlich. Die Globalisierung<br />
der Märkte erfordert komplexe Lösungen und<br />
Vielfalt in der Produktgestaltung. Wenn in<br />
Unternehmenskultur und Personalentwicklung<br />
gezielt auf eine gemischt geschlechtliche<br />
Belegschaft auf allen Entscheidungsebenen<br />
und Führungspositionen Wert gelegt wird,<br />
sind dies positive Faktoren für die Steigerung<br />
des Innovationspotenzials und der Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Verbindung von Familie und Beruf –<br />
Work-Life-Balance<br />
Ein großer Mangel bisheriger Chancengleichheitsansätze<br />
besteht darin, dass wenig Aktivitäten<br />
und Originalität in die Entwicklung<br />
personalpolitischer Instrumente gelegt<br />
wurde, um aktive Vaterschaft der Belegschaft<br />
zu berücksichtigen bzw. zustärken. Da in der<br />
neuen Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
die Arbeits- und Lebenssituation beider<br />
Geschlechter im Zentrum stehen, wird hier<br />
ein Handlungsfeld sichtbar, indem auf bislang<br />
wenig erprobte Praxis zurückgegriffen<br />
werden kann. Ein Handlungsfeld, in dem<br />
KMU Vorbildfunktion übernehmen können?<br />
Denn nicht nur Großbetriebe, auch KMU können<br />
zukünftig das Umfeld Familie sowie<br />
Fragen nach einer ausgewogenen Balance<br />
von Beruf und freier Zeit zur Entspannung<br />
und Regeneration der Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter nicht länger aus dem Kreis unternehmerischen<br />
Handelns ausschließen. Das<br />
liegt vor allen Dingen an der steigenden<br />
Flexibilisierung von Arbeitszeiten, wodurch<br />
die für Deutschland typischen prekären<br />
Arrangements der Verbindung von Beruf und<br />
Kindererziehung noch mehr ins Wanken<br />
gebracht werden. Geteilte Verantwortungsmodelle<br />
der Eltern 10 sind verstärkt notwendig,<br />
auf die das Unternehmen etwa auf der<br />
Ebene von Teilzeitbeschäftigung auch bei<br />
männlichen Mitarbeitern reagieren muss.<br />
Das kann aber auch proaktiv im Zuge der<br />
Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
geschehen: Z.B. durch mehr Transparenz<br />
über die Bedürfnisse und Wünsche der<br />
Beschäftigten nach aktiver Vaterschaft.<br />
Vordringlich ist in diesem Handlungsfeld die<br />
Gestaltung einer offenen Unternehmenskultur,<br />
die geteilter Verantwortung von<br />
Elternschaft nicht diskriminierend und entwertend<br />
gegenüber steht, wenn Männer mit<br />
reduzierten Arbeitszeiten ihr Zeitbudget für<br />
familienbezogene Tätigkeiten in einer<br />
bestimmten Lebensphase ausweiten wollen.<br />
In dieser Richtung können KMU Vorreiter bei<br />
der Erprobung neuer Arbeitszeitmodelle für<br />
männliche Mitarbeiter werden, da sie häufig<br />
aufgrund ihrer Größe mehr Flexibilität für<br />
individuelle Lösungen aufbringen können als<br />
Großunternehmen.
4. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und Nutzen für KMU<br />
In vielen <strong>EQUAL</strong>-Entwicklungspartnerschaften<br />
sind KMU beteiligt. 11 In allen thematischen<br />
Schwerpunkten des Programms ist vorgesehen,<br />
Aktivitäten zur Verbesserung von<br />
Chancengleichheit zu entwickeln. Hierbei<br />
sollte die in Deutschland bestehende traditionelle<br />
Zurückhaltung kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen gegenüber Fragen<br />
der betrieblichen Chancengleichheit berücksichtigt<br />
werden. Diese wird häufig von einem<br />
Selbstverständnis des Unternehmers begleitet,<br />
in dem die persönliche Fürsorge für die<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch einen<br />
hohen Stellenwert einnimmt. Personalfragen<br />
liegen überwiegend dann in der Hand des<br />
Unternehmers und sind ansonsten Gegenstand<br />
von Personalverwaltung. Personalentwicklung<br />
wird nicht als ein strategisches<br />
Handlungsfeld betrachtet. Das trifft weniger<br />
auf die neuen kleinen und mittleren Unternehmen<br />
zu, in denen moderne Managementmethoden<br />
zum unternehmerischen Handwerkszeug<br />
gehören. Im Rahmen der <strong>EQUAL</strong>-<br />
Entwicklungspartnerschaften werden diese<br />
unternehmerischen Differenzen berücksichtigt<br />
werden müssen, wenn <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in dem Unternehmenssegment KMU<br />
greifen soll. Vordringlich ist, den jeweils<br />
betrieblichen Nutzen zu analysieren, den<br />
eine Auseinandersetzung mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
im Anpassungsprozess des Betriebs<br />
an die neuen und sich rasch wandelnden<br />
Anforderungen des Marktes bedeuten kann.<br />
Abschließend seien noch einmal die wichtigsten<br />
Vorteile für KMU im Kontext von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> aufgelistet:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> gibt Instrumente<br />
für die Potenzialnutzung aller Beschäftigten<br />
auf allen Ebenen an die Hand.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> unterstützt den<br />
Aufbau einer betrieblichen Personalentwicklung,<br />
die dem zukünftigen Fach- und<br />
Führungskräftemangel und den Veränderungen<br />
im System von Elternschaft proaktiv<br />
begegnet („gendersensibles Human<br />
Resources Management“).<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> verbessert die<br />
Wettbewerbsfähigkeit von KMU durch:<br />
–Bessere Potenzialnutzung der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter<br />
–Eine offene Unternehmens- und Arbeits-<br />
kultur, die für individuelle Differenzen<br />
aufgeschlossen ist und geschlechterstereotype<br />
Zuschreibungen und Arbeitsteilungen<br />
aufbricht<br />
–„Mehr Vielfalt in der Produktentwicklung,<br />
der Kundenakquise, der Personalentwicklung<br />
und der Führung“<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist Impuls und<br />
Motor für ein Management von Diversity.<br />
Anmerkungen<br />
1 Vgl. Fries, U./ Hornung, U. (1997)<br />
2 Vgl. Jung, D. (2001) (2003 a,b)<br />
3 Der Grundgedanke der Verzahnungsmöglichkeiten in<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> mit organisatorischen Verände-<br />
rungen trifft ebenso bei Verwaltungen (Verwaltungs-<br />
reform) und für Organisationen zu.<br />
4 Diese Merkmale treffen selbstverständlich auch für die<br />
Umsetzung in Verwaltungen und Non-Profit-Organisa-<br />
tionen zu. Sie variieren in ihrer Ausgestaltung entspre-<br />
chend der unterschiedlichen Organisationskulturen und<br />
-strukturen.<br />
5 Der Frauenanteil beträgt auf der Ebene der Vorstände/<br />
Geschäftsführerinnen/führer 2,7%, auf der Ebene der<br />
Hauptabteilungsleiterinnen/leiter und vergleichbarer<br />
Positionen 3,3% und auf Ebene der Abteilungsleiter-<br />
innen/leiter und vergleichbarer Positionen 6,9%.<br />
Vgl. Assig, D./ Beck, A. (1996), S. 154.<br />
6 Vgl. Hering, E. u.a. (2001).<br />
7 Vgl. Ganz, W. (2001)<br />
8 Ähnliches gilt für Teilzeitkräfte. Diese bleiben nicht<br />
explizit unberücksichtigt, die zeitlichen und organisatori-<br />
schen Rahmenbedingungen der Seminare und Workshops<br />
schließen aber häufig eine Teilnahme aus, wenn kleine<br />
Kinder zu Hause zu versorgen sind.<br />
9 Vgl. Zahlen des neusten Berichts der Bundesregierung<br />
zum Schul- und Ausbildungsniveau von Frauen. So lag in<br />
1999/2000 bei den Abiturienten und den Hochschulreife-<br />
prüfungen der Anteil der Frauen schon über 50% (53,6%/<br />
55,2%). Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend (2002).<br />
10 Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie,<br />
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zum Selbstver-<br />
ständnis von Männern, haben junge Männer ein neues<br />
Verständnis der Vaterrolle. So sieht sich nur noch ein<br />
Drittel der Väter von schulpflichtigen Kindern vorrangig<br />
in der Rolle des „Ernährers der Familie“. Über zwei Drittel<br />
der Väter sehen sich als „Erzieher ihrer Kinder“. Diese<br />
Sicht bestätigen auch ihre Partnerinnen. Zitiert nach<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />
Jugend (2001b).<br />
11 Vgl. u.a. die Entwicklungspartnerschaft ELAN; Jung, D.<br />
(2002).<br />
Kapitel 3<br />
37
38<br />
4 <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als Querschnittsthema<br />
im Rahmen der GI <strong>EQUAL</strong><br />
Beispiele aus den Entwicklungspartnerschaften<br />
Das Besondere an<strong>EQUAL</strong> im Vergleich zufrüheren<br />
Gemeinschaftsinitiativen ist, dass nicht<br />
Einzelprojekte, sondern Projekt-Partnerschaften<br />
gefördert werden. Entwicklungspartnerschaften<br />
sind Netzwerke, in denen alle relevanten<br />
Akteure des Arbeitsmarktes wie z.B.<br />
Arbeitsverwaltungen, Bildungseinrichtungen,<br />
Zielgruppenvertreter und Unternehmen einer<br />
Region/eines Sektors zusammenarbeiten und<br />
eine gemeinsame Strategie sowie ein detailliertes<br />
Arbeitsprogramm zur Bekämpfung<br />
von Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen<br />
in Beruf und Ausbildung entwickeln.<br />
<strong>Gender</strong>-Logo: entworfen von der oberfränkischen<br />
Entwicklungspartnerschaft „MOVE“<br />
Innovationen zur Lösung arbeitsmarktlicher<br />
Probleme erzielen jedoch erst dann nachhaltige<br />
Wirkung, wenn sie auf breiter Basis<br />
Eingang in die Regelförderung finden.<br />
Deshalb bedarf esder Kreativität, Flexibilität<br />
und Lernbereitschaftaller Beteiligten, <strong>Gender</strong>-<br />
Strategien durch ein konsequentes <strong>Mainstreaming</strong><br />
in die Praxis und darüber hinaus in<br />
die politischen Entscheidungen auf allen<br />
Ebenen zu transferieren und somit eine nachhaltige<br />
Veränderung der arbeitsmarktpolitischen<br />
Landschaft herbeizuführen.<br />
Da Chancengleichheit nicht nur ein Themenfeld<br />
von <strong>EQUAL</strong> darstellt, sondern gleichzei-<br />
tig <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als durchgängiges<br />
Prinzip in allen vier Säulen der Europäischen<br />
Beschäftigungspolitik zu verstehen ist, müssen<br />
die Entwicklungspartnerschaften und<br />
alle Teilprojekte den <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Ansatz als Querschnittsthema umsetzen. Es<br />
ist zu gewährleisten, dass Frauen und Männer<br />
in der Organisation der Entwicklungspartnerschaftgleichberechtigt<br />
beteiligt sind und die<br />
Perspektiven beider Geschlechter projekt- und<br />
themenunabhängig in allen wichtigen<br />
Fragen und Entscheidungen berücksichtigt<br />
werden. Um die Entwicklungspartnerschaften<br />
für das Konzept und die dahinter liegende<br />
Problematik zu sensibilisieren und die<br />
Strategieentwicklung im Rahmen der eigenen<br />
Projektarbeit zu unterstützen, ist u.a.<br />
ihre Teilnahme an <strong>Gender</strong>trainings erforderlich.<br />
Die Gemeinschaftsinitiative <strong>EQUAL</strong> läuft seit<br />
Mitte 2002. Innerhalb der 1. Förderrunde<br />
(2002 –2005) waren 109 Entwicklungspartnerschaften<br />
mit rund 1.640 Teilprojekten<br />
auf dem Weg zumehr Chancengleichheit in<br />
der Arbeitswelt. In den folgenden Beiträgen<br />
stellen die Entwicklungspartnerschaften der<br />
1. Förderrunde „Woman way of<br />
Entrepreneurship“, „Steinburger und<br />
Pinneberger Integrations Netzwerk“,<br />
„Maßarbeit im Münsterland“, sowie drei im<br />
Strafvollzug agierende Entwicklungspartnerschaften<br />
„e-Lis“, „MEMBER“ und „BABE“<br />
exemplarisch ihre <strong>Gender</strong>-Strategien vor.<br />
Zudem berichtet die Entwicklungspartnerschaft<br />
„Regionales Tourismusnetzwerk<br />
Lausitz“ über ihre Erfahrung bei der Durchführung<br />
eines <strong>Gender</strong>trainings.
4.1 Gründerinnenförderung und <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> –Hand in Hand ein<br />
starkes Paar<br />
Wolfgang Kanka<br />
„Auf jeden Fall kein weiteres Wachstum. Das<br />
ist klar bei uns. Wir wollen nicht über die<br />
Zehn-Mitarbeiter-Grenze. Denn das ist für<br />
uns so eine Grenze, wo wir sagen: da sind wir<br />
(…) flexibel. Das ist auch so das, wo ich weiß,<br />
da kann ich so arbeiten, wie ich mir das (...)<br />
wünsche. Ich habe einen bestimmten Teil an<br />
Management-Aufgaben, die ich zu machen<br />
habe, aber auch einen ganzen Teil von<br />
inhaltlichen Aufgaben. Ich komme also nicht<br />
zu sehr in diesen reinen Managementbereich<br />
rein. Das finde ich gut.“ 1<br />
Diese Interview-Aussage einer Unternehmerin<br />
führt mitten hinein in das Thema weibliche<br />
Existenzgründung und <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
2 .Denn Frauen gründen meistens<br />
nicht nur anders als Männer 3 ,sie setzen oft<br />
auch andere Schwerpunkte und verfolgen<br />
andere Ziele. So legt (nicht nur) diese Unternehmerin<br />
keinen Wert auf „Wachstum um<br />
jeden Preis“ –denn sie möchte stets strategisch<br />
wie inhaltlich-operativ arbeiten, die<br />
Stärken ihrer Gründung als KMU-Firma nicht<br />
verlieren und den Überblick behalten. Dies<br />
entspricht zwar nicht der dominierenden,<br />
ständig publizierten politischen Wachstumsphilosophie,<br />
dafür aber exakt den Wünschen<br />
und der Firmenphilosophie dieser Frau.<br />
Qualitätsmerkmal: Jede Gründung<br />
ernst nehmen und individuell<br />
fördern<br />
Genau das war ein grundlegendes Qualitätsmerkmal<br />
der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Women Way ofEntrepreneurship“ (WWoE)<br />
zur Gründerinnenförderung 4 :Mögliche<br />
Gründerinnen und Unternehmerinnen nicht<br />
in eine tradierte Gründungs- und Wachstumsschablone<br />
pressen (dass nur die Vollzeit-<br />
Selbständigkeit zählt, ist eine davon), sondern<br />
entsprechend ihren individuellen<br />
Voraussetzungen, Geschäftsideen und Zielen<br />
ernst zu nehmen 5 und in allen Gründungs-<br />
Phasen und -Rollen genderspezifisch zu<br />
begleiten und zu stärken. WWoE hat auf diesem<br />
Wege in den Jahren 2002 –2005 rund<br />
2.500 Frauen unterstützt. Dieses Qualitätsmerkmal<br />
bleibt auch imFocus der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Activating Women’s<br />
Potential for Entrepreneurship“ (AWoPE) in<br />
der 2. Förderrunde. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
bleibt mithin ein zentraler Handlungsansatz<br />
bei der Förderung von Gründerinnen und<br />
Unternehmerinnen, wie die Projekte<br />
zur <strong>Gender</strong>sensibilisierung von Gründungsfachleuten,<br />
die Frauen mit Migrationshintergrund<br />
und ältere Frauen beraten,<br />
zur Gründungs-Sensibilisierung von<br />
Schülerinnen und Lehrkräften,<br />
zur Förderung von Erfindungen durch<br />
Frauen und Erhöhung der weiblichen<br />
Patentanmeldungsquote oder<br />
zur Unterstützung von hochqualifizierten<br />
Frauen, die als Nachfolgerin ein zuvor<br />
männlich geführtes Unternehmen „übernehmen“<br />
möchten,<br />
zeigen.<br />
Stets spielen dabei genderspezifische Aspekte<br />
–inunterschiedlicher Ausprägung –eine<br />
Rolle. Diese wurden und werden im Projektverlauf<br />
erfasst, analysiert und mögliche<br />
Lösungen erarbeitet. So müssen Fachleute,<br />
die gründungsinteressierte Frauen mit<br />
Migrationshintergrund beraten, eine ethnischkulturelle<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz besitzen, um<br />
Vertrauen herstellen zu können. Auch der<br />
großen Gruppe der Frauen über vierzig mit<br />
Gründungspotenzial müssen Gründungsfachleute<br />
gendersensibel gegenübertreten, da<br />
diese oftmals über gute Ideen und Gründungsqualitäten<br />
wie Realitätssinn, Organisations-<br />
und Durchhaltevermögen verfügen,<br />
Kapitel 4.1<br />
39
40<br />
Quelle: Peter Galle@GeM Koordinierungsstelle, Wien<br />
aber bisweilen ihre fachlichen wie persönlichen<br />
Fähigkeiten für eine Gründung als<br />
nicht ausreichend erachten. Hierbei spielt<br />
auch eine Rolle, dass „Frauen eher zur Unter-<br />
(...) Männer eher zur Überschätzung der eigenen<br />
Fähigkeiten tendieren“ 6 .<br />
<strong>Gender</strong>spezifische Gründerinnen-<br />
Typologie<br />
Zu den wesentlichen Innovationen der<br />
Entwicklungspartnerschaft WWoE gehört<br />
eine „Gründerinnen-Typologie“, in die genderspezifisch<br />
relevante Faktoren wie materielle<br />
Ressourcen und Zeitressourcen, fachliche<br />
Qualifikationen und soziale Unterstützung<br />
einflossen. Je nach Gründerinnentyp<br />
(vier Grundtypen), Gründungsphase (Orientierung,<br />
Planung, Start und Wachstum) und<br />
Unterstützungsbereich (Sensibilisierung,<br />
Training, Beratung/Coaching) hat die Entwicklungspartnerschaft<br />
dann ihr Füllhorn an<br />
Angeboten mit dieser Typologie verzahnt.<br />
Das gesamte Angebotsspektrum wurde gendergerecht<br />
auf eine qualitätsorientierte<br />
Gründungsbegleitung hin zugeschnitten 7 .<br />
Dazu hat WWoE zu jedem Thema je einen<br />
modularen Leitfaden mit den jeweiligen genderspezifischen<br />
Merkmalen erarbeitet.<br />
Ein Angebots-Schwerpunkt liegt dabei auf<br />
dem benachteiligten Gründerinnentyp<br />
„Empowerment-Pack“, zu dem langzeitarbeitslose<br />
Menschen oder/und Menschen mit<br />
Hilfe zum Lebensunterhalt gehören. Aber<br />
auch der so genannte „Coaching-Typ“, der in<br />
seiner knappen Zeit die Angebote imallgemeinen<br />
sehr kritisch prüft und effizient<br />
nutzt, findet passgenaue Unterstützung.<br />
Hier einige genderspezifische Merkmale mit<br />
dazugehörigem Thema:<br />
Paritätisch besetzte Dozententeams<br />
(im „Gründungsintensivseminar mit<br />
anschließender Markterprobungsphase“)<br />
Wichtiger Erfahrungsaustausch mit anderen<br />
Gründerinnen und Gründern (im<br />
„Netzwerktreffen“ 8 )<br />
Günstige Seminarzeiten für Gründerinnen<br />
mit Kindern (vormittags, einmal abends<br />
pro Woche, am Wochenende; im „Einzelcoaching“,<br />
„Trainingskonzept für Unternehmerinnen“,<br />
„Wochenend-Workshop“)<br />
Persönliche Beziehung innerhalb der<br />
Gründungsbegleitung (bei „Mentoring“)<br />
Existenzgründungsthemen genderspezifisch<br />
aufbereitet und online jederzeit verfügbar<br />
(im „Web Based Training“)<br />
Aufzeigen der Chancen und spezielle<br />
Risiko-Abschätzung (in den „Info-Veranstaltungen<br />
Selbstständigkeit“)<br />
<strong>Gender</strong>orientierte Gründungsbegleitung<br />
als Qualitätsmerkmal<br />
<strong>Gender</strong>orientierte Gründungsbegleitung als<br />
Qualitätsmerkmal heißt: Die (genderspezifisch<br />
geschulten) Gründungsfachleute beziehen<br />
in allen Phasen der Beratung und Qualifizierung<br />
gleichrangig neben den wichtigen<br />
ökonomischen und marktwirtschaftlichen<br />
Aspekten die individuellen Lebensumstände
und das gesellschaftliche Umfeld von Gründerinnen<br />
und Gründern mit ein. In einem Bild<br />
gesprochen: Hier wird die Frage der konkreten<br />
Auswirkung der Geschlechterverhältnisse<br />
auf die Gründungspersönlichkeit zu einer der<br />
wesentlichen Beratungsstränge, der durchgeflochten<br />
wird und die Gründungsberatung<br />
von Anfang an prägt. Genau diese soziokulturell<br />
fundierte und passgenaue Existenzgründungsbegleitung<br />
ist richtig verstandenes<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in Verbindung<br />
mit dem Thema Gründungsförderung.<br />
Heute existiert aber immer noch eine Vielzahl<br />
an herkömmlichen Gründungsförderungen,<br />
die mit einem „Seminar speziell für<br />
Frauen“ oder ähnlich wohlmeinenden Angeboten<br />
auf der modern-frauenfreundlichen<br />
Welle schwimmen wollen. Sie erliegen dabei<br />
dem sehr verbreiteten Missverständnis, dass<br />
Frauen –imGegensatz zu Männern –spezielle<br />
Bedürfnisse haben, auf die man(n) selbstverständlich<br />
gerne Rücksicht nimmt. Diese<br />
traditionelle Gründungsberatung ist mit<br />
ihren inhaltlichen Strängen wie Machbarkeit,<br />
Kosten und Kenntnissen immer schon, um an<br />
das obige Bild anzuknüpfen, zu einem fertigen<br />
Zopf geflochten und wird amEnde nur<br />
noch mit einer zierenden Schleife („Einen<br />
Frauenkurs haben wir natürlich auch“) versehen.<br />
Hier ist <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> oft nur<br />
ein Anglizismus, von dem man schon mal<br />
gehört hat, hier bleibt noch viel zu tun, bis<br />
diese genderorientierte Qualitätsgründungsbegleitung<br />
als Denk- und Handlungsmuster<br />
zum selbstverständlichen Alltagshandeln<br />
aller mit Gründungsbegleitung befassten<br />
Menschen gehört.<br />
Zu dieser gendergerechten Gründungsbegleitung<br />
gehört auch das zentrale Thema<br />
Gründungsfinanzierung, pointierter, die<br />
„Barriere Bankgespräche“. Gerade weibliche<br />
Gründer haben mit dieser formalen Finanzierungsquelle<br />
große Schwierigkeiten 9 –oft verzichten<br />
sie gar auf eine Gründung, wenn sich<br />
informelle Geldquellen (aus dem sozialen<br />
Umfeld) nicht realisieren lassen. Erfahrungen<br />
in der Entwicklungspartnerschaft WWoE<br />
haben gezeigt, dass es sich bewährt,<br />
Gründerinnen auf diese klassische Hürde gut<br />
vorzubereiten und zwar nicht nur durch<br />
einen gründlichen Businessplan, der selbstverständlich<br />
sein sollte. Auch auf das erwartete<br />
Verhalten des (zumeist männlichen)<br />
Gegenübers kann „frau“ sich einstellen. Dies<br />
geschieht am besten durch ein genderspezifisches<br />
Rollenspiel, bei dem die Gründerin<br />
trainiert, sich nicht so schnell verunsichern<br />
zu lassen oder als Bittstellerin zu fühlen, sondern<br />
als Kundin selbstbewusst und auf<br />
gleicher Augenhöhe aufzutreten. Dazu hat<br />
sie allen Grund, denn Gründerinnen gehen<br />
durch eher geringe Kredithöhen und sorgfältige<br />
Planung ein insgesamt weniger hohes<br />
unternehmerisches Risiko ein als Männer und<br />
tilgen ihren Kredit auch verlässlicher als ihre<br />
Kollegen.<br />
<strong>Gender</strong>orientierte Gründungsbegleitung<br />
verdient langfristige<br />
Förderung<br />
Eine langfristige Förderung der genderorientierten<br />
Gründungsbegleitung ist eminent<br />
wichtig, um jede Person mit Gründungspotenzial<br />
in ihrer Gesamtpersönlichkeit<br />
genau dort abholen zu können, wo sie steht.<br />
Oder andersherum: Diese individuelle<br />
Gründungsbegleitung vermeidet, dass die<br />
Gründerin oder der Gründer an eine<br />
„Gründungsberatung vom Reißbrett“ gerät,<br />
in der oft nur das Vollzeit-Unternehmen mit<br />
großer Wachstumsintention richtig anerkannt<br />
ist.<br />
Die Qualitätsgründungsbegleitung hilft<br />
dagegen, jede Gründung von Anfang an in<br />
die individuell passende Gründungs-Spur zu<br />
setzen und sei es zunächst in eine „Schmaloder<br />
Versuchsspur“ namens Neben- oder<br />
Zuerwerbs-Selbständigkeit. Hier kann die<br />
Gründungsidee in Ruhe auf Tragfähigkeit in<br />
der Praxis hin geprüft werden. Nochmals<br />
zusammengefasst: <strong>Gender</strong>orientierte Gründungsbegleitung<br />
heißt, jede Gründungsabsicht<br />
ernst zu nehmen, sie selbstverständlich<br />
auf Marktfähigkeit hin kritisch zuprüfen,<br />
in jedem Fall aber ihre individuellen Ziele zu<br />
respektieren.<br />
Wenn Gründungsförderung mit <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> von Anfang an konsequent<br />
Hand in Hand geht, ist das ein starkes Paar:<br />
So blieben in Frankfurt/Main von indiesem<br />
Sinne geförderten und zuvor arbeitslosen<br />
Frauen noch ca. 90% auch zwei Jahre nach<br />
ihrer Existenzgründung selbständig 10 .<br />
An dieser Stelle eine kleine, zugegeben hypothetische,<br />
Modellrechnung: Auf der einen<br />
Seite sind –mit Hilfe der genderorientierten<br />
<strong>Gender</strong>orientierteGründungsbegleitung<br />
Kapitel 4.1<br />
41
42<br />
Gründungsbegleitung –100 in aller Gründlichkeit<br />
und sorgfältigen Planung realisierte<br />
„Solo-Selbständige“, von denen fünfzig nach<br />
fünf Jahren eine zusätzliche Stelle schaffen.<br />
Auf der anderen Seite sind –ohne diese<br />
Gründungsunterstützung –30risikofreudige<br />
Unternehmen, die in den ersten beiden<br />
Jahren durchschnittlich fünf Stellen schaffen,<br />
von denen aber nach drei Jahren nur fünfzehn<br />
„überleben“ und weitere fünf Firmen<br />
wieder zwei Angestellte entlassen müssen. Es<br />
ist schnell ausgerechnet, dass –volkswirtschaftlich<br />
wie individuell –das Beispiel der<br />
genderorientierten Gründungsbegleitung<br />
das erfolgreichere ist.<br />
So oder so: Die Tendenz geht hin zu flexiblen<br />
Kleinst- und Kleinunternehmen mit überschaubarem<br />
Kostenapparat 11 .<br />
<strong>Gender</strong>sensible Sprache statt<br />
„Existenzgründer willkommen“<br />
Der letzte Absatz gehört der Sprache: Sie<br />
sollte fair oder –imFachneudeutsch –„gendersensibel“<br />
mit Existenzgründerinnen umgehen<br />
und sie stets mit ansprechen. Darum<br />
bemühen sich die Gründungsfachleute der<br />
aktuellen Entwicklungspartnerschaft AWoPE<br />
–das sei auch den Verantwortlichen aller<br />
Existenzgründungsinstitute oder -initiativen<br />
ans Herz gelegt, die in ihren Pressemeldungen<br />
und auf Plakaten, im Internet und in<br />
Info-Broschüren immer nur die „Existenzgründer<br />
willkommen“ heißen, vom „Unternehmertum“<br />
und von „Gründern“ sprechen<br />
oder auf andere Weise Frauen im besten Fall<br />
zwar mit meinen, aber explizit eben nicht<br />
ansprechen.<br />
Fair in der Sprache: Ein Poster der Entwicklungspartnerschaft „RUNWAY –Startbahn für<br />
Benachteiligte imLandkreis Sigmaringen“ zum Thema <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>
Anmerkungen<br />
1 Hansen, Katrin (2005).<br />
2 Für den in Fachkreisen zwar etablierten und viel zitierten,<br />
aber nicht wirklich populären <strong>Gender</strong>-<strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Begriff sprechen zwei Argumente: 1. Für den englischen<br />
Begriff „<strong>Gender</strong>“ als Bezeichnung der soziokulturell zuge-<br />
schriebenen Geschlechtsrolle gibt es kein äquivalentes<br />
deutsches Wort. 2.Die englischsprachige Bezeichnung<br />
einer internationalen Strategie vereinfacht die internatio-<br />
nale Verständigung.<br />
3 KfW-Bankengruppe (2005a).<br />
4 Aktuelle Gründungs-Zahlen: 2004 haben sich inder BRD<br />
504.000 Frauen selbständig gemacht gegenüber<br />
925.000 Männer. 35% aller Gründungen sind damit weib-<br />
lich. Diesem (unbefriedigenden) Gründerinnenanteil<br />
steht ein Frauenanteil von 45% an der Gesamtheit aller<br />
Erwerbstätigen gegenüber.Vgl.KfW-Bankengruppe (2005b).<br />
5 „Die Beraterinnen der Frauenberatungsstellen bemüh-<br />
ten sich amstärksten, sich tatsächlich mit den Geschäfts-<br />
ideen im Ganzen auseinander zu setzen.“ in: Stiftung<br />
Warentest (2003), S. 85. Zu aktuellen Formen der<br />
Selbständigkeit empfehlenswert: Piorkowsky, Michael-<br />
Burkhard (2005).<br />
6 KfW-Bankengruppe (2005a).<br />
7 „Gründerinnentypologie“ inkl. Matrices und Modul-Leit-<br />
fäden im „WWoE-Handbuch“ (CD-ROM), www.wwoe.org<br />
8 Eine Reihe von Studien belegen Defizite im„sozialen<br />
Kapital“ von Frauen, z.B. für unterstützende Netzwerk-<br />
und Geschäftsbeziehungen. Vgl. Jungbauer-Gans, Monika<br />
(2002).<br />
9 Spezialisiert auf Existenzgründungen mit relativ gerin-<br />
gem Kreditbedarf ist das Deutsche Mikrofinanz-Institut<br />
(DMI); Gründungs-Förderdarlehen gibt es von der KfW-<br />
Mittelstandsbank.<br />
10 Die Quote bezieht sich auf den Rücklauf der Anfragen.<br />
Vgl. Nispel, Andrea (2000).<br />
11 Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) wurden mit<br />
Wirkung zum 01.01.2005 EU-weit neu definiert. Die EU<br />
hat die neue Kategorie „Kleinstunternehmen“ mit weni-<br />
ger als 10 Beschäftigten eingeführt. Dann folgen die<br />
„Kleinunternehmen“ mit weniger als 50 Beschäftigten,<br />
schließlich „Mittlere Unternehmen“ mit weniger als 250<br />
Beschäftigten. Die Definition impliziert zudem noch<br />
jeweils eine bestimmte Jahresbilanzsumme bzw. einen<br />
bestimmten Jahresumsatz.<br />
Kapitel 4.1<br />
43
44<br />
4.2 Gute Fernsicht aus dem Flachland<br />
Erfahrungsbericht der Entwicklungspartnerschaft SPIN<br />
Astrid Nielsen, Doris Schneider<br />
Eine verbesserte Integration von Frauen und<br />
Männern mit Behinderungen in Arbeit und<br />
Ausbildung, die Vermeidung von Schnittstellen<br />
und Parallelstrukturen im Übergang<br />
von medizinischer in berufliche Rehabilitation<br />
und eine bessere Koordinierung und Vernetzung<br />
aller am Rehaprozess beteiligten<br />
Akteure war Zielsetzung der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Steinburger und Pinneberger<br />
Integrations Netzwerk“ (SPIN). Die Koordination<br />
dieser regionalen Entwicklungspartnerschaft<br />
lag in Händen der Brücke Schleswig-<br />
Holstein gGmbH. Um zu erreichen, dass<br />
Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />
bei allen Teilprojekten und innerhalb der gesamten<br />
Entwicklungspartnerschaft als durch-<br />
Mitarbeit auf allen Ebenen<br />
der Entwicklungspartnerschaft<br />
Teilnahme im Steuerkreis<br />
<strong>Gender</strong>analyse der<br />
Trägerorganisationen<br />
Arbeitsmarktanalyse<br />
Kooperation mit transnationalen<br />
Partnern<br />
Vorträge ineinzelnen<br />
Teilprojekten und deren<br />
Trägerorganisationen zu<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Mitarbeit in Bundesgremien<br />
<strong>Gender</strong> Trainings und Workshops auf allen<br />
Ebenen der Entwicklungspartnerschaft<br />
<strong>Gender</strong>trainings und Workshops sind integraler<br />
Bestandteil des Gesamtkonzepts und ein<br />
wichtiges Instrument zum Erwerb von <strong>Gender</strong><br />
Kompetenz.<br />
Während der Projektlaufzeit wurden drei große<br />
<strong>Gender</strong>trainings durchgeführt. Zielgruppen<br />
waren Organisations- und Projektleitungen,<br />
strategische Partner sowie Vertreterinnen und<br />
Vertreter der Querschnitte. Erreicht wurden:<br />
Sensibilisierung für die Vielfalt von<br />
Geschlechterrollen und die Lebensrealitäten<br />
von Frauen und Männern<br />
Erarbeitung von Umsetzungsstrategien und<br />
Instrumenten<br />
Gegenüberstellung von „gender“ und<br />
„diversity“<br />
Die vier <strong>Gender</strong>-Workshops für die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter wurden von den Teilnehmenden<br />
durchweg positiv bewertet, da sie<br />
einen konkreten Bezug zu den Arbeits- und<br />
Handlungsfeldern der Beteiligten darstellten.<br />
gängiges Prinzip berücksichtigt und in<br />
Ansätzen realisiert wird, wurde ein eigenes<br />
Teilprojekt –die Beratungsstelle FRAU &<br />
BERUF aus dem Kreis Steinburg –mit der<br />
Koordinierung, Beratung und Begleitung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> beauftragt. Das<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Konzept der Entwicklungspartnerschaft<br />
SPIN beruhte auf drei<br />
Säulen (vgl. Abbildung).<br />
Das Netzwerk der <strong>Gender</strong> Begleitungen<br />
Eine tragende Säule des <strong>Gender</strong>-Konzepts<br />
war der Aufbau eines <strong>Gender</strong> Begleiterinnen-<br />
Netzwerks für die einzelnen Teilprojekte. Die<br />
<strong>Gender</strong> Begleiterinnen kamen von strategischen<br />
Partnern und besaßen regionale, Fach-<br />
Die Säulen des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Konzepts<br />
Netzwerk der<br />
<strong>Gender</strong> Begleitungen<br />
Beratung, Unterstützung<br />
und Begleitung der<br />
Teilprojekte bei der<br />
Umsetzung konkreter<br />
Maßnahmen zur<br />
Chancengleichheit<br />
Koordinierung des<br />
Netzwerks über FRAU &<br />
BERUF<br />
Regelmäßige Sitzungen<br />
mit allen Begleitungen<br />
Gemeinsame jährliche<br />
Reflektionssitzungen mit<br />
allen Projektleitungen<br />
und <strong>Gender</strong> Begleitungen<br />
Fortbildungen und<br />
Intervision für <strong>Gender</strong><br />
Begleitungen
und <strong>Gender</strong>kompetenz. Als Honorarkräfte<br />
von der Beratungsstelle FRAU &BERUF waren<br />
sie in beratender und unterstützender Funktion<br />
für die gesamte Projektlaufzeit für<br />
jeweils ein Teilprojekt zuständig. Es gab ca.<br />
fünf Treffen jährlich mit den Projektleitungen<br />
sowie den Mitarbeiterinnen und den Mitarbeitern.<br />
Die Treffen wurden von den<br />
<strong>Gender</strong> Begleitungen protokolliert, Vereinbarungen<br />
und Zuständigkeiten wurden mit<br />
Terminangaben festgehalten. Die Protokolle<br />
wurden an die Beteiligten und die Beratungsstelle<br />
FRAU &BERUF verschickt, um Transparenz<br />
herzustellen. Dieses Vorgehen erwies<br />
sich als sinnvoll, da es die Verbindlichkeit<br />
erhöhte und den <strong>Gender</strong> Begleitungen<br />
ermöglichte, gezielt nachzufragen, wenn<br />
Vereinbarungen nicht eingehalten wurden.<br />
Wie fing es an?<br />
Zunächst wurden gemeinsam mit den Projektleitungen<br />
die Konzepte der Teilprojekte hinsichtlich<br />
Chancengleichheit überarbeitet und<br />
gegebenenfalls erweitert. Die geschlechtersensible<br />
Überarbeitung der Zielebene verlief<br />
nicht überall reibungslos, da teilweise andere<br />
Personen die Projektziele entwickelt hatten<br />
als diejenigen, die dann vor Ort an der Umsetzung<br />
arbeiteten, und sie setzte zeitlich<br />
ein, als die Projekte bereits ins Laufen kamen.<br />
Ohne die Formulierung von konkreten <strong>Gender</strong>zielen<br />
kann es jedoch keine systematische<br />
Auszüge aus einem Beispiel<br />
Umsetzung geben, dann bleibt <strong>Gender</strong><br />
schmückendes Beiwerk. Zukünftig ist es<br />
wichtig, <strong>Gender</strong>zielsetzungen von Anfang an<br />
in die Zielentwicklung zu integrieren.<br />
Voraussetzung dafür ist, dass diejenigen, die<br />
an den Zielsetzungen arbeiten, über <strong>Gender</strong>kompetenz<br />
verfügen.<br />
Ausgehend von den erarbeiteten Zielen wurden<br />
im nächsten Schritt für mindestens einen<br />
konkreten Projektbereich (Personal, Klientel,<br />
Finanzen etc.) Maßnahmen zur Umsetzung<br />
von Chancengleichheit festgelegt. Entscheidend<br />
für gelungene Umsetzungsprozesse,<br />
die vom Umfang und von der Ausrichtung<br />
sehr unterschiedlich waren, war immer der<br />
jeweils konkrete Handlungsbezug. Für<br />
Projektleitungen und Mitarbeitende musste<br />
der direkte Nutzen der geplanten Maßnahmen<br />
sichtbar sein. Synergien entstanden,<br />
wenn die Projektmitarbeitenden sich als<br />
Expertinnen und Experten mit ihren Erfahrungen<br />
und ihrem Wissen in die Kooperation<br />
mit der <strong>Gender</strong> Begleitung einbrachten und<br />
es zur Verknüpfung von <strong>Gender</strong>- und Fachwissen<br />
kam (Doppelstrategie von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> +Frauenförderung).<br />
Im Teilprojekt „Ambulante Rehabilitation“<br />
wurde erstmalig eine Qualifizierung als<br />
Einzelmaßnahme in Teilzeit für eine alleinerziehende<br />
Mutter beantragt und bewilligt.<br />
Die vorhergehende Analyse hatte<br />
Teilprojekt BAD –Beratung von Unternehmen und Institutionen zur Beschäftigung und<br />
Wiedereingliederung von Frauen und Männern mit Handicaps<br />
Aufgabenstellung des Teilprojekts unter dem <strong>Gender</strong>-Aspekt:<br />
1. Allgemeine Fragestellungen<br />
Welches Geschlechterverhältnis strebt das Projekt an?<br />
Inwieweit ist <strong>Gender</strong>kompetenz bei der Projektleitung und den Mitarbeitenden gegeben?<br />
Finden geschlechtsspezifisches Bewusstsein und Handeln Berücksichtigung?<br />
2. Beratung von Einzelpersonen/Beratung von Betrieben<br />
Über welche Zugangswege werden die Einzelpersonen geworben?<br />
Existiert die Möglichkeit sich von einem Mann/einer Frau beraten zu lassen?<br />
Gibt es Hemmnisse bei Männern/Frauen eine bestimmte Rehabilitationsmaßnahme anzutreten<br />
wie z.B. Trennung von der Familie, Kinderbetreuung/Familienbetreuung, Ort der<br />
Maßnahme, Qualität der Maßnahme?<br />
Bei wie viel Frauen/Männern wird Erwerbsunfähigkeit festgestellt?<br />
Anzahl der Unfälle pro Unternehmen nach Geschlecht.<br />
Kapitel 4.2<br />
45
46<br />
Auszüge aus einem Beispiel<br />
Teilprojekt ZEBRA –Beratungsleitlinien<br />
Die <strong>Gender</strong> Begeitung entwickelte gemeinsam mit der Projektleitung und den Beschäftigten<br />
Leitlinien für geschlechtersensible Einzelberatung, die als Grundlage für die Einzelberatung<br />
genutzt wurden. Der Prozess der Entwicklung beinhaltete eine Teamreflektion über eigene<br />
Geschlechterkonstrukte und verknüpfte sie mit Beratungsansätzen.<br />
Berücksichtigt werden drei Ebenen:<br />
Biografie,<br />
Phantasie und Reflektion,<br />
Planung und Umsetzung.<br />
Jeweils ein Ziel wird formuliert und exemplarische Fragen zu diesem Ziel genannt.<br />
Ebene: Biografie<br />
Ziel: Männern und Frauen soll der Zugang zur eigenen Biografie durch das Heranführen an<br />
implizite Erlebnis- und Sichtweisen erleichtert werden, die ihre Ursache im spezifischen<br />
Geschlechterrollenverständnis haben.<br />
Richtung der Fragen:<br />
Berufe der Eltern<br />
Wertigkeit von Berufstätigkeit und Hausfrauenarbeit in der Herkunftsfamilie<br />
Auswirkungen auf eigene Berufswegplanung, damals und heute<br />
Vorbilder außerhalb der Familie<br />
Bedeutung kultureller und subkultureller Einbindung<br />
Zusammenhang zwischen Handicap und Vorstellungen angemessener Geschlechterrollen<br />
Die Leitlinien wurden in der Sitzung der <strong>Gender</strong> Begleitungen vorgestellt und in die anderen<br />
Teilprojekte, die ebenfalls einen Beratungsauftrag hatten, transferiert. In der Folge wurde ein<br />
<strong>Gender</strong> Workshop zu Geschlechterrollen und Beratungskompetenzen, an dem Mitarbeitende<br />
verschiedener Teilprojekte teilnahmen, durchgeführt.<br />
ergeben, dass es für diese Zielgruppe bisher<br />
keine Angebote gab und sie bei der<br />
Arbeitsagentur auch nicht berücksichtigt<br />
wurde.<br />
Im Teilprojekt „Frischlinge“ wurden vordem<br />
Umzug des Projektes in neue Räumlichkeiten<br />
die Jugendlichen nach Geschlecht<br />
getrennt befragt, welche Wünsche sie<br />
bezüglich der räumlichen Gestaltung<br />
haben. Die unterschiedlichen Bedürfnisse<br />
von Jungen und Mädchen konnten somit<br />
bei der Einrichtung und Gestaltung der<br />
neuen Räume berücksichtigt werden.<br />
Im Teilprojekt „ZEBRA“ wurden Beratungsleitlinien<br />
für eine geschlechtersensible<br />
Beratung erstellt und angewendet.<br />
Rückblick und Ausblick<br />
Das Konzept der <strong>Gender</strong> Begleitungen ist<br />
aufgegangen. Innerhalb der Projektlaufzeit<br />
gab esnur einen Personalwechsel bei den<br />
Begleitungen. Von den Projektleitungen<br />
wurde die Form der externen, kontinuierlichen<br />
Begleitung während einer Zwischenauswertung<br />
in 2004 und im Rahmen der<br />
Endauswertung in 2005 als gewinnbringend,<br />
verstärkend und zielführend beurteilt. Zwei<br />
Teilprojekte regten diese Form der Begleitung<br />
bei der Implementierung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> auch für die eigene Organisation<br />
an. Im Vergleich der Projekte wurde<br />
deutlich, dass die kontinuierliche Mitarbeit<br />
der Projektleitungen in diesem Prozess notwendig<br />
für eine erfolgreiche Implementierung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist (Topdown-Ansatz).<br />
Delegation an Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen führten teilweise zu Verzögerungen,<br />
da keine Entscheidungsbefugnisse<br />
vorlagen. In den Projekten, in denen<br />
sich die Leitungen aktiv am Umsetzungsprozess<br />
beteiligten und ebenfalls die Mitarbeitenden<br />
einbezogen, ist viel erreicht worden.<br />
Für spätere Projekte ist es wichtig auf die Einhaltung<br />
des Top-down-Ansatzes zu achten.
Resümee zum Gesamtziel<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> hatte als Querschnittsthema<br />
innerhalb der Entwicklungspartnerschaft<br />
eine verbindende Funktion. Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern ist bei<br />
allen Teilprojekten und innerhalb der<br />
Entwicklungspartnerschaft SPIN als durchgängiges<br />
Prinzip berücksichtigt und in<br />
Ansätzen erreicht. Sensibilisierung hat<br />
umfassend stattgefunden, ebenso die<br />
Umsetzung auf die konkrete Projektebene<br />
bzw. die Einbeziehung der Geschlechterthematik<br />
in die verschiedenen Handlungsfelder<br />
der Arbeit. Die regelmäßig stattfindenden<br />
Trainings und Workshops verstärkten<br />
den Erfahrungsaustausch über den Projektrahmen<br />
hinaus. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wurde über regelmäßige Mitarbeit im Steuerkreis<br />
verankert und die Umsetzung fortgeschrieben.<br />
Anfängliche Skepsis und Widerstand<br />
gegenüber der Thematik konnten mit<br />
Lupe und Fernglas erfolgreich angegangen<br />
werden.<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
hat verbindende<br />
Funktion<br />
Kapitel 4.2<br />
47
48<br />
4.3 Flying Experts<br />
Erfahrungsbericht der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Maßarbeit im Münsterland“<br />
Cornelia Benninghoven<br />
„Es zeigte sich, dass, gemessen an der Eingangsbefragung,<br />
bei der das Thema<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> nahezu unbekannt<br />
war, der Stand des Wissens und der Akzeptanz<br />
vieler Teilprojekte erheblich zugenommen<br />
hat –ein ausnehmend positives Ergebnis,<br />
selbst vor dem Hintergrund, dass bei<br />
einigen Teilprojekten noch Überzeugungsarbeit<br />
zu leisten ist. Das zentrale Instrument<br />
waren die Flying Experts. Durch sie wurde<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in der Entwicklungspartnerschaft<br />
sehr stark verankert.“<br />
Thomas Baaken, Volker Hölscher,<br />
Fachhochschule Münster, Begleitforschung<br />
Schlüssel zur Qualität: Flying Experts<br />
Vier so genannte Flying Experts bildeten das<br />
Herzstück bei der Umsetzung des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Maßarbeit im Münsterland“. In der<br />
wissenschaftlichen Begleitforschung haben<br />
Professor Dr. Thomas Baaken und Volker<br />
Hölscher von der Fachhochschule Münster sie<br />
als wichtigstes Qualitätsmerkmal der <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Arbeit in der Entwicklungspartnerschaft<br />
identifiziert. Als eine Art<br />
„<strong>Gender</strong>-Coach“ arbeiteten die Flying Experts<br />
auf Honorarbasis nach schwedischem Vorbild<br />
und wurden aus dem Budget des Teilprojekts<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> bezahlt.<br />
Eine erfolgreiche Arbeit von Flying Experts<br />
ließ sich nur durch ihre passgenaue „Rollenbesetzung“<br />
erreichen, d.h. ihr Einsatz war<br />
individuell auf die Bedürfnisse der Teilprojekte<br />
zugeschnitten. Zur Erfüllung dieser<br />
Rolle waren <strong>Gender</strong>kompetenz und<br />
Erfahrungs- und Netzwerkwissen im Arbeitsfeld<br />
des jeweiligen Teilprojekts (z.B. Jugendund<br />
Behindertenhilfe) unbedingte Voraus-<br />
setzungen. Flying Experts halfen unter anderem<br />
bei der Suche nach adäquaten Trainerinnen<br />
und Trainern. Sie waren außerdem<br />
gefordert, für das jeweilige Projekt gleichstellungsrelevante<br />
Daten passgenau zu erheben<br />
und diese dabei zu unterstützen, konkrete<br />
<strong>Gender</strong>-Ziele zu formulieren sowie adäquate<br />
Maßnahmen zu entwickeln. Flying Experts sollen:<br />
die Fähigkeit haben, eine gute Arbeitsatmosphäre<br />
herzustellen und Motivation<br />
zu schaffen.<br />
Begeisterung für offene Prozesse mitbringen,<br />
um mit den Beteiligten produktiv<br />
und kreativ bedarfsgerechte Maßnahmen<br />
zu initiieren.<br />
Ein Flying Expert nutzte zur Beschreibung<br />
ihrer Rolle ein Bild aus der Seefahrt: Wer<br />
gerade erst einen Segelschein (<strong>Gender</strong>trainings)<br />
gemacht habe, könne ja auch nicht<br />
mit vollen Segeln in fremden Gewässern<br />
segeln, sondern brauche noch einen<br />
Steuermann oder eine Steuerfrau, um gut<br />
durch die steifen Brisen zu kommen. So<br />
wurde es möglich, neben dem Alltagsgeschäft<br />
inden Projekten Ursachen für<br />
<strong>Gender</strong>-Gaps zu analysieren, realistische<br />
<strong>Gender</strong>-Ziele zu formulieren und auch dann<br />
am Ball zu bleiben, wenn es schwierig wurde.<br />
„Was mir zugute kam, war ein großes<br />
Repertoire anKontakten zu Trainerinnen<br />
und Trainern, insbesondere für Mädchenund<br />
Frauenarbeit. Wenn man dieses<br />
Netzwerk an Kontakten nicht hat, ist es<br />
schwer. Ich habe aktuell dann noch vieles<br />
nachgelesen zur Situation von körperbehinderten<br />
Jungen und Mädchen. Ganz zu<br />
Anfang habe ich mir –nach schwedischem<br />
Beispiel –eine Toolbox erstellt. Das war ein<br />
schwarzer Baumarktkoffer mit einer ganzen
Reihe von Konzeptbausteinen, die ich brauche,<br />
um ein Projekt oder eine Fortbildung<br />
vorzubereiten –von der Zielformulierung<br />
über Ideenplanung und Analyse bis zur<br />
Umsetzung. Für mein Gegenüber ist das<br />
auch ein wichtiges Signal: Es gibt etwas, an<br />
das wir uns halten können –wenn wir wollen.“<br />
Irmgard Grieshop-Sander, Flying Expert<br />
Die Beratungsprozesse der Flying Experts<br />
waren auch deshalb so erfolgreich, weil sie<br />
mit ausreichenden Finanzen und einem Zeitbudget<br />
ausgestattet waren, das ihnen eine<br />
qualifizierte Vorbereitung ermöglichte, um<br />
gute Ergebnisse zu erzielen. Fast 3,5% des<br />
Gesamtbudgets standen für das Teilprojekt<br />
zur Verfügung, um <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
die Entwicklungspartnerschaft „Maßarbeit im<br />
Münsterland“ zu integrieren. Damit wurde<br />
allen Beteiligten die Bedeutung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> für die Entwicklungspartnerschaft<br />
signalisiert.<br />
Gute Flying Experts zeichnet aus, dass sie ihr<br />
Gegenüber in der Beratung als gleichberechtigt<br />
wertschätzen. Sie akzeptieren die gegebene<br />
Projekt- und Personalsituation und<br />
begleiten die Beteiligten während des<br />
gesamten Veränderungsprozesses. Hierdurch<br />
entsteht die Erkenntnis, dass eigenes <strong>Gender</strong>handeln<br />
in Projekten zum Erfolg führt und<br />
folglich <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> nicht nur, wie<br />
so oft, an die üblichen Verdächtigen, wie<br />
etwa die Gleichstellungsbeauftragte, delegiert<br />
wird.<br />
„In einem Teilprojekt war esschwierig, die<br />
Gründe herauszufinden, warum imKreis<br />
Borken nur so wenige Frauen mit Handicaps<br />
von der Agentur für Arbeit in das Projekt<br />
zur Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt<br />
geschickt wurden. Erste Nachforschungen<br />
ergaben, dass bei der Arbeitsagentur nicht<br />
mehr Frauen mit Handicaps gemeldet<br />
waren. Weitere Recherchen bei den Rentenversicherungsträgern<br />
hatten dasselbe<br />
Ergebnis. Bei den Krankenversicherungen<br />
jedoch ist die Zahl der Frauen mit Behinderungen<br />
höher als die der Männer.<br />
Allerdings gab eskein nach Geschlechtern<br />
erfasstes Zahlenmaterial auf regionaler<br />
Ebene. Es blieb nur die Einsicht, dass es zu<br />
diesem Themenbereich kaum wissenschaft-<br />
liche Erkenntnisse, dafür aber interessante<br />
Fragestellungen gibt, die deutlich imallgemeinen<br />
Interesse liegen. Denn zu den<br />
„Personen ohne ausreichende Erwerbsbiographie“,<br />
für die „Versorgungslücken festgestellt<br />
werden“, gehören offensichtlich<br />
nicht nur in Ahaus viele Frauen.<br />
Marithres van Bürk-Opahle, Flying Expert<br />
Die Flying Experts sind das „Front-Office“,<br />
das um so mehr glänzt, je besser das „Back-<br />
Office“ funktioniert. Oft reichten die von den<br />
„Kundinnen und Kunden“ geforderten Beratungsinhalte<br />
insoviele Bereiche hinein, dass<br />
ein schneller Zugriff auf das Wissen anderer<br />
Expertinnen und Experten notwendig war.<br />
Im <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Teilprojekt im<br />
Münsterland konnten die Flying Experts zum<br />
Austausch und zur Wissensergänzung auf ein<br />
Netzwerk von regionalen Expertinnen und<br />
Experten zurückgreifen. Wenn die Flying<br />
Experts als besonders erfolgreich inder<br />
Evaluation hervorgehoben wurden, dann verdanken<br />
sie diesen Erfolg auch einem guten<br />
Gesamtkonzept und den darin enthaltenen<br />
Instrumenten und Rahmenbedingungen:<br />
Ohne zusätzliche Fachleute geht es nicht.<br />
Die <strong>Gender</strong>expertise von ausgewiesenen<br />
Fachleuten muss in die Planungs- und<br />
Praxisebenen einer Maßnahme eingebunden<br />
werden.<br />
Die Unabhängigkeit eines <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Projekts<br />
ist ein großer Vorteil<br />
bei der Arbeit. Die Akteure des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Teilprojekts im Münsterland<br />
haben von Anfang an deutlich<br />
gemacht, <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> nur dann<br />
durchzuführen, wenn die anderen Teilprojekte<br />
auch wirklich auf ihre Angebote<br />
zurückgreifen würden. Hätte esnach der<br />
anfänglichen Workshop-Phase keine Nachfrage<br />
nach Beratung, keine Zielvereinbarungen<br />
mit Projekten gegeben, hätten<br />
sie den „Restauftrag“ (und den restlichen<br />
Etat) zurück gegeben.<br />
Bei regionalen Entwicklungspartnerschaften<br />
sind Kenntnisse der regionalen Verhältnisse<br />
von Vorteil. Zudem sollte der<br />
Rückgriff auf regionale Netzwerke gewährleistet<br />
sein. Unter Berücksichtigung des<br />
Aspekts der Nachhaltigkeit können die<br />
Projekte auf diese Netzwerke auch dann<br />
zurückgreifen, wenn die eigentliche<br />
Kapitel 4.3<br />
49
50<br />
„Maßnahme“ vorbei ist.<br />
Alle müssen –entsprechend ihrer Funktion<br />
–aktiv mitarbeiten. „Widerstände“ an der<br />
„Spitze“ wirken stets bis unten nach. Die<br />
Projektleitung muss <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
wollen und in die Projektbeschreibung<br />
einbinden, denn nur so erhält <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> Autorität in der Entwicklungspartnerschaft.<br />
Gute Arbeit kostet Geld. Was nichts kostet,<br />
wird auch nicht wertgeschätzt.<br />
Nichts geht ohne Verbindlichkeit, d.h. die<br />
Vereinbarung von Zielen ist unverzichtbar.<br />
Sieben Schritte der Umsetzung des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Der Auftrag des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Teilprojekts an die anderen Teilprojekte war,<br />
dass diese ein konkretes erreichbares <strong>Gender</strong>-<br />
Ziel vereinbaren, das sie im Rahmen der<br />
Partnerschaft umsetzen wollten. Um alle<br />
Entscheidungsträgerinnen und -träger und<br />
alle, die mit der Durchführung von Projekten<br />
betraut waren, bei der Umsetzung des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zu unterstützen, entschieden<br />
sich die verantwortlichen Projektleiterinnen<br />
des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Teilprojekts für ein Vorgehen in sieben<br />
Schritten:<br />
<strong>Gender</strong>-Analyse der Projektstrukturen<br />
(Zielgruppen, Materialien, Didaktik usw.)<br />
Untersuchung des Geschlechterverhältnisses<br />
(Daten Männer/Frauen, Arbeitsbereiche,<br />
Kompetenzen, Schwierigkeiten usw.)<br />
Sensibilisierung für Geschlechterrollen<br />
und -ungleichheiten<br />
Verknüpfung der projekteigenen Thematik<br />
mit Fragen der Chancengleichheit (z.B.:<br />
Wird die Identitätsfindung der Zielgruppe<br />
mit geschlechtsbewussten Ansätzen und<br />
Instrumenten gefördert?)<br />
Formulierung mindestens eines konkreten<br />
Ziels zur Verbesserung der Chancengleichheit<br />
Entwicklung von Handlungsoptionen und<br />
Strategien<br />
Konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in den jeweiligen<br />
Institutionen<br />
Die Angebote des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Teilprojekts richteten sich analle Beteiligten<br />
–von der Ebene der strategischen Partner bis<br />
zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in<br />
der Praxis. Die wichtigsten Instrumente zur<br />
Begleitung der Projekte waren:<br />
Flying Experts: Sie standen mit ihrem<br />
<strong>Gender</strong>-Wissen und der nötigen „Feldkompetenz“<br />
(z.B. Jugendhilfe, Behindertenhilfe)<br />
den Teilprojekten und den Arbeitsgruppen<br />
zur Verfügung.<br />
Workshops: Sie wurden für verschiedene<br />
Ziele und Arbeitsebenen und für die<br />
Leitungsebene, für Beschäftigte und die<br />
Zielgruppen durchgeführt. Vermittelt wurden<br />
Informationen über <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>,<br />
<strong>Gender</strong>-Prozesse und die<br />
Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Inhalt<br />
waren die Erarbeitung von Zielen für die<br />
Teilprojekte sowie die Vorstellung der<br />
Ergebnisse in der Entwicklungspartnerschaft.<br />
<strong>Gender</strong>trainings: Sie waren Teil der Workshops<br />
zur Sensibilisierung für Geschlechterrollen.<br />
Aufgabe war die Geschlechterkategorien<br />
in Organisationen zu reflektieren<br />
und Handlungsoptionen aufzuzeigen.<br />
Themenspeicher: Er bietet die Möglichkeit,<br />
aufkommende Fragestellungen im Projekt<br />
zum <strong>Gender</strong>thema öffentlich zustellen.<br />
Die Themen wurden entweder im Rahmen<br />
der Arbeitsgruppen oder von Joker Workshops<br />
bearbeitet. Es bestand die<br />
Möglichkeit, Fragestellungen einzelner<br />
Träger zu kumulieren und sich Überblick<br />
über die <strong>Gender</strong>fragen in der Entwicklungspartnerschaft<br />
zuverschaffen.<br />
Joker Workshops: Aus dem Themenspeicher<br />
wurden aktuelle Themen und<br />
Fragestellungen aufgegriffen und in<br />
geeigneter Form (z. B. als Workshop) für<br />
die Kerngruppe und weitere Interessierte<br />
angeboten.<br />
„Was mich ammeisten fasziniert, ist selbst<br />
einen fremden Blick auf’s Alltagsgeschäft<br />
werfen zu können. Man ist so in seinem<br />
Alltag verstrickt und muss sehen, dass das<br />
Geschäft irgendwie läuft, oft unter Zeitdruck.<br />
Und diese Arbeitsgruppen sind für<br />
mich eine Auszeit, wo ich Muße habe über<br />
Dinge nachzudenken und Anregungen einfach<br />
aufzunehmen. Und zugucken: „Was<br />
ist der Alltag? Kann man da nicht doch<br />
etwas verändern?“ Man wird irgendwann<br />
einfach ein bisschen betriebsblind.“<br />
Petra Hanau, Lehrbauhof
Fazit<br />
Der kontinuierliche Einsatz der Flying Experts<br />
führte dazu, dass die Umsetzung des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Maßarbeit im Münsterland“ als<br />
Prozess und nicht als einmalige Aktion verstanden<br />
wurde. Die Verantwortlichen des<br />
Teilprojekts <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> wollten<br />
nicht ein eigenes, möglichst lupenreines,<br />
aber isoliertes „<strong>Gender</strong>-Projekt“ auf die Beine<br />
stellen und damit alle anderen Teilprojekte<br />
von der Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen<br />
imkonkreten Alltag ihrer Maßnahme<br />
entlasten. Statt dessen wurde sich das<br />
ehrgeizige Ziel gesetzt, allen Teilprojekten<br />
maßgeschneiderte Umsetzungen des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> im Rahmen ihrer Projektaufgaben<br />
zu ermöglichen und damit ihre<br />
Praxis zu verbessern.<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
ist ein Prozess<br />
Kapitel 4.3<br />
51
52<br />
4.4 Strategien zur Umsetzung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> im Strafvollzug<br />
Renate Wielpütz<br />
„<strong>Gender</strong> im Strafvollzug? Frauen und Männer<br />
sitzen doch ingetrennten Knästen ...“ –dies<br />
ist einer von vielen, ähnlich lautenden<br />
Kommentaren, wenn es um <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
oder die <strong>Gender</strong>-Perspektive im<br />
Strafvollzug geht. Dass dieser –weltweit –<br />
Unterschiede zwischen Männern und Frauen,<br />
Benachteiligungen und Diskriminierungen<br />
wie kaum ein anderer gesellschaftlicher<br />
Bereich (re-)produziert, und dass gleichstellungspolitische,<br />
soziale, aber auch ökonomische<br />
Gründe dafür sprechen, die Unterschiede<br />
zur Kenntnis zu nehmen und Veränderungen<br />
einzuleiten, dringt kaum in die öffentliche<br />
Diskussion. Einige Daten und Fakten aus<br />
einem <strong>Gender</strong> Impact Assessment (GIA) 1<br />
zum Strafvollzug verdeutlichen dies:<br />
In Deutschland<br />
sind ca. 95,5% der Strafgefangenen männlich<br />
und 4,5% weiblich (weltweiter Frauenanteil:<br />
2-8%),<br />
gibt es nur fünf eigenständige Frauenvollzugsanstalten,<br />
die restlichen weiblichen<br />
Strafgefangenen sind in „Abteilungen“ des<br />
Männervollzugs untergebracht 2 ,<br />
begehen Frauen andere Straftaten (Eigentumsdelikte<br />
wie Diebstahl oder Betrug,<br />
Verstoß gegendas Betäubungsmittelgesetz,<br />
verhältnismäßig wenig Gewaltdelikte) als<br />
Männer. Als gefährlich gelten Delikte, bei<br />
denen das Opfer schwer oder tödlich verletzt<br />
wurde, Waffen im Spiel sind oder ein<br />
Schaden von mehr als 2.500 EUR entstanden<br />
ist. Gemessen an diesen Kriterien wurden<br />
schätzungsweise 90% der weiblichen<br />
Inhaftierten für Straftaten verurteilt, bei<br />
denen keine besondere Gefahr für die<br />
Gesellschaft bestand,<br />
sind Frauen im Schnitt viel weiter entfernt<br />
von ihren Angehörigen untergebracht, was<br />
Besuche und Kontakte erschwert,<br />
hat ein hoher Anteil der weiblichen Straf-<br />
gefangenen Gewalt- oder Mißbrauchserfahrungen,<br />
werden Frauen im Strafvollzug häufig<br />
noch mit Kochen, Waschen und Flicken<br />
beschäftigt, während die Männer in Werkstätten<br />
arbeiten. Damit können sich die<br />
Frauen kaum für eine Beschäftigung nach<br />
der Entlassung qualifizieren, zumal auch<br />
Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten<br />
unzureichend vorhanden sind.<br />
Dank der Gemeinschaftsinitiative <strong>EQUAL</strong><br />
wurde es möglich, Konzepte und Handlungsansätze<br />
zu entwickeln, die nicht nur den<br />
Frauen-Strafvollzug bzw. die Insassinnen<br />
durch positive Aktionen an Bildung, Berufsbildung<br />
oder Beschäftigung partizipieren lassen.<br />
Der Gleichstellungs-Doppelansatz –seit<br />
der Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages<br />
im Europäischen Sozialfonds verpflichtend –<br />
hat Einzug gehalten in bisher nachhaltig<br />
männlich geprägte Strukturen, Perspektiven,<br />
Einstellungen und Haltungen und: erste zarte<br />
Spuren hinterlassen.<br />
Um mehr Chancengleichheit im Justizvollzug<br />
haben sich unter anderem drei Entwicklungspartnerschaften<br />
3 in den Nord-Ost-Bundesländern<br />
Berlin, Brandenburg, Bremen,<br />
Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-<br />
Vorpommern bemüht:<br />
e-LiS –e-Learning im Strafvollzug,<br />
1. <strong>EQUAL</strong>-Förderrunde (www.e-LiS.de),<br />
MEMBER –Medienkompetenz und Qualifizierungsbausteine<br />
in der Berufsvorbereitung<br />
(mit Teilprojekten im Strafvollzug),<br />
2. <strong>EQUAL</strong>-Förderrunde<br />
(www.berufsvorbereitung- medien.org),<br />
BABE –Bildung, Arbeit und berufliche<br />
Eingliederung im Nordverbund, 2. <strong>EQUAL</strong>-<br />
Förderrunde (www.wikiprison.de).
Für die drei hier dargestellten Entwicklungspartnerschaften<br />
galten/gelten gemeinsame<br />
Essentials für den Umsetzungsprozess von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> erfolgt<br />
Top-down durch das Management der<br />
Entwicklungspartnerschaften,<br />
auf der Basis von geschlechterdifferenzierten<br />
Daten und Fakten und deren Bewertung<br />
in den Aufgabenbereichen (soweit<br />
vorhanden),<br />
verankert inden Zielen und Aufgaben<br />
aller Ebenen und Beteiligten der Entwicklungspartnerschaften,<br />
integriert indie Organisations-, Qualitätsund<br />
Personalentwicklungs-Prozesse,<br />
durch <strong>Gender</strong>kompetenz-Entwicklung und<br />
Erweiterung der <strong>Gender</strong>-Handlungskompetenzen<br />
aller Beteiligten,<br />
mithilfe von Evaluations- und Controlling-<br />
Methoden und -Instrumenten zur Zielfindung,<br />
Steuerung, Bewertung und Verbesserung<br />
der Umsetzung.<br />
Die drei Entwicklungspartnerschaften verfolg(t)en<br />
ein gemeinsames Ziel: die Bildungsund<br />
Berufsbildungsstrukturen in den Justizvollzugsanstalten<br />
zu verändern und die<br />
Beschäftigungschancen der Inhaftierten zu<br />
verbessern, um Rückfallquoten zu minimieren<br />
und den Häftlingen nach ihrer Entlassung<br />
eine Reintegration in die Gesellschaft zu<br />
ermöglichen. Ein weiteres gemeinsames<br />
Anliegen war/ist es, die Situation von Frauen<br />
im Justizvollzug zu verbessern, da allen<br />
Beteiligten bewusst ist, dass weibliche Inhaftierte<br />
nicht zuletzt auf Grund ihres Anteils an<br />
der Gefangenenpopulation keinen gleichwertigen<br />
Zugang zu Bildung und Arbeit haben.<br />
Bei der Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
steht jedoch nicht nur die Kompensation<br />
von inder Vergangenheit entstandener<br />
Diskriminierung des Frauenvollzugs zur<br />
Debatte. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> stellt Fragen<br />
nach Unterschieden und Diskriminierungen<br />
bezogen auf das Gesamtsystem, seine Strukturen,<br />
seine Entscheidungsträgerinnen und<br />
-träger, den Ressourcen, wie z.B. den Zugang<br />
zu Bildung und Beschäftigung anstatt einer<br />
unnötigen Übersicherung –auch, wenn die<br />
Unterschiede einer kleinen im Vergleich zu<br />
einer großen Gruppe tangiert sind. Es geht<br />
aber auch umRollenstereotypen, Einstellun-<br />
gen, Haltungen und Handlungskompetenzen<br />
des Personals, das in der Lage sein muss,<br />
geschlechterdifferenziert zuarbeiten, und –<br />
last but not least –der Inhaftierten. Alle<br />
diese Ebenen wurden/werden in den drei<br />
Entwicklungspartnerschaften adressiert und<br />
hier beispielhaft dargestellt 4 .<br />
e-LiS –e-Learning im Strafvollzug<br />
Ziel und Strategie der 2005 beendeten<br />
Entwicklungspartnerschaft e-LiS war es,<br />
E-Learning im Strafvollzug von sechs nordostdeutschen<br />
Bundesländern einzuführen,<br />
um (Berufs-)Bildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen<br />
zu diversifizieren und zwar<br />
angepasst an die Situation, die Bedürfnisse<br />
und Vorerfahrungen der unterschiedlichen<br />
Strafgefangenen-Populationen (Männer,<br />
Frauen, Jugendliche). Die Umsetzung der<br />
Querschnittsaufgabe <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
sollte auf Basis der bei Antragstellung durchgeführten<br />
Bedarfsanalyse zur Situation von<br />
Männern und Frauen im Strafvollzug auf<br />
allen Ebenen und allen Arbeitsfeldern der<br />
Entwickungspartnerschaft erfolgen 5 .<br />
Zu Beginn der Aktivitäten wurden Sensibilisierungs-Workshops<br />
für die Steuerungsgruppe<br />
durchgeführt, um das Management,<br />
die Leitung der Teilprojekte, die Verantwortlichen<br />
für die Querschnittsaufgaben<br />
sowie strategische Partner aus den Justizverwaltungen<br />
mit dem Ansatz vertraut zu<br />
machen. Mit den Workshops wurde das Ziel<br />
verfolgt, <strong>Gender</strong>kompetenzen in den unterschiedlichen<br />
Handlungsfeldern zustärken. Zu<br />
<strong>Gender</strong>kompetenzen zählen die „basics“ der<br />
Theorie und Geschichte des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
ebenso wie das Wissen über<br />
Geschlechterverhältnisse, deren Niederschlag<br />
in gesellschaftlichen und Organisationsstrukturen<br />
sowie in den Einstellungen, Haltungen<br />
und Handlungen von Männern und Frauen.<br />
Dabei geht es z.B. um:<br />
die Klärung des gleichstellungspolitischen<br />
Doppelansatzes (Einführung in die Wurzeln/<br />
Geschichte der Gleichstellungspolitik/des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> (EU-Ebene) und<br />
positiver Aktionen), deren rechtliche<br />
Grundlagen (Amsterdamer Vertrag, Europäische<br />
Beschäftigungsstrategie) bis hin<br />
zur Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in <strong>EQUAL</strong>,<br />
<strong>Gender</strong>-Wissen bezogen auf die Bedarfs-<br />
Kapitel 4.4<br />
53
54<br />
analyse(n) der Entwicklungspartnerschaft/<br />
der Teilprojekte v.a. hinsichtlich der eingangs<br />
erwähnten Unterschiede zwischen<br />
männlichen und weiblichen Strafgefangenen<br />
und deren Auswirkungen,<br />
kommunikative <strong>Gender</strong>kompetenz<br />
(Verständnis für die Bedeutung von<br />
Sprache, Sexismus in der Sprache),<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz in Bildung, Ausbildung<br />
und Erwerbsarbeit.<br />
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />
Teilprojekte erfolgten im Anschluss an die<br />
Einführungsworkshops aufgabenbezogene<br />
Beratungen und zielgruppenspezifische<br />
Trainings. Diese Aktivitäten orientierten sich<br />
am jeweiligen Bedarf der Organisationen<br />
(der Justizvollzugsanstalten, Bildungsträger)<br />
und waren eingebettet in deren Ziele und<br />
Strategien. Hier ging es –jenach Teilprojektaufgabe<br />
–umOrganisations- und Personal-<br />
Entwicklung, um die <strong>Gender</strong>-Perspektive in<br />
der Konzeption und Didaktik von Bildungsmaßnahmen<br />
oder um Qualitätskriterien für<br />
gendersensibles E-Learning.<br />
Quelle: www.womansnews.org<br />
Beispiel JVAF Berlin:<br />
In dieser Organisation wurde <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Top-down und Bottum-up umgesetzt.<br />
Zu Beginn des Prozesses erfolgten<br />
separate Beratungen, Trainings und Workshops<br />
für das JVAF-Management und den<br />
Personalrat der Anstalt. Hier ging es sowohl<br />
um Organisations- als auch Personal-Entwicklungsfragen.<br />
Die Klärung der Frage nach gendergerechten<br />
Vollzugsabläufen stand dabei<br />
ebenso auf der Agenda wie die Rolle von<br />
männlichen Bediensteten im „feminisierten“<br />
Arbeitskontext Frauenvollzug. In einem weiteren<br />
Schritt wurden die an der Umsetzung<br />
des e-LiS-Teilprojekts beteiligten Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in den Prozess einbezogen.<br />
Durch eine für die JVAF neue Personalentwicklungsmaßnahme<br />
wurden noch vor Start<br />
der Arbeit mit den Inhaftierten zwölf<br />
Beschäftigte imRahmen eines „training of<br />
trainers“ für Co-Training und Lernbegleitung<br />
in den Bereichen IT, Projektmanagement,<br />
Kommunikation, Didaktik und selbstorgani-
siertes Lernen qualifiziert. In diese Trainings<br />
und Beratungen wurde <strong>Gender</strong>kompetenz-<br />
Entwicklung integriert, indem alle Lernbereiche<br />
aus der Perspektive der Arbeit mit weiblichen<br />
Inhaftierten, deren biographische,<br />
soziale und Lern-Voraussetzungen reflektiert<br />
wurden. Explizite <strong>Gender</strong>kompetenz-Workshops<br />
dienten z.B. der Reflektion der eigenen<br />
und gesellschaftlich bedingten Geschlechterrollen<br />
und -Stereotypen, dem Verständnis für<br />
die Bedeutung von Sprache und Kommunikation<br />
mit den Insassinnen, der Berücksichtigung<br />
von Gleichstellungsfragen im Training.<br />
Durch diese Personalentwicklungsmaßnahme,<br />
die das Projekt über die gesamte Laufzeit<br />
begleitete und die Integration der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter in die Bildungsarbeit<br />
mit den Strafgefangenen ermöglichte,<br />
konnte Nachhaltigkeit in zweierlei Hinsicht<br />
erreicht werden: Schon im Laufe des e-LiS-<br />
Projektes führten die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter „IT-Freizeitkurse“ für Inhaftierte<br />
durch und wurden nach Beendigung der 1.<br />
<strong>EQUAL</strong>-Förderrunde in ein durch den Berliner<br />
<strong>ESF</strong> gefördertes Nachfolgeprojekt, „eniac –<br />
Medienkompetenzen für drogenabhängige<br />
Frauen im Strafvollzug“, eingebunden. Die<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz-Entwicklung wurde von<br />
den Beschäftigten als Erweiterung ihrer<br />
Handlungskompetenzen bezüglich der Arbeit<br />
mit den Insassinnen und deren vielschichtigen<br />
Problemlagen erlebt.<br />
Die <strong>Gender</strong>-Perspektive wurde auch indie<br />
unterschiedlichen Querschnitts-Aufgaben der<br />
Entwicklungspartnerschaft integriert. Während<br />
es bei der Evaluation der Entwicklungspartnerschaft<br />
umdie <strong>Gender</strong>-Perspektive im<br />
Untersuchungsdesign, in den Fragestellungen<br />
und Methoden ging, wurde im transnationalen<br />
Kontext dazu gearbeitet, wie die <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Strategie und –z.B. im UK<br />
eher gebräuchliche –Antidiskriminierungsoder<br />
Diversity-Ansätze miteinander korrespondieren.<br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Aktivitäten beinhalteten<br />
Trainings für das Leitungspersonal<br />
der Justizverwaltungen und Haftanstalten für<br />
Männer und Jugendliche sowie den Informationsaustausch<br />
mit der für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
zuständigen Mitarbeiterin im<br />
Bundesministerium für Justiz. Ein Arbeitsschwerpunkt<br />
auf Ebene der Entwicklungspartnerschaft<br />
war das „<strong>Gender</strong>-Screening“<br />
der jeweiligen Entwicklungsschritte der<br />
Lernplattform hinsichtlich technischer Um-<br />
setzung, Benutzerführung und Inhalt. Die<br />
technische und didaktische Entwicklung der<br />
Lernplattform wurde kontinuierlich analysiert,<br />
mit den Verantwortlichen diskutiert<br />
und in Form eines „living documents“ dokumentiert.<br />
MEMBER –Medienkompetenz und<br />
Qualifizierungsbausteine in der<br />
Berufsvorbereitung<br />
MEMBER verzahnt neun Teilprojekte, die in<br />
Brandenburg und Berlin mit Jugendlichen<br />
mit besonderem Förderbedarf –innerhalb<br />
und außerhalb des Strafvollzugs –arbeiten.<br />
Ziele sind die Herstellung von Chancengleichheit<br />
und die Verbesserung der Zugangswege<br />
der Jugendlichen beim Übergang von der<br />
Schule in die Ausbildung. Dazu werden auf<br />
Basis des neuen Fachkonzepts der Bundesagentur<br />
für Arbeit verschiedene berufsbezogene<br />
Qualifizierungskonzepte und Curricula<br />
für die Berufsvorbereitung entwickelt und<br />
erprobt sowie der Aufbau einer aufeinander<br />
abgestimmten und transparenten regionalen<br />
Förderstruktur unterstützt.<br />
Die <strong>Gender</strong>-Perspektive wurde in dieser Entwicklungspartnerschaft<br />
von Beginn an in alle<br />
Arbeitsschritte integriert, so auch indie<br />
Bedarfsanalysen der Entwicklungspartnerschaft<br />
und der Teilprojekte. Anhand eines<br />
Fragenleitfadens zu Aspekten und Ebenen<br />
vonpersonellen und organisatorischen Voraussetzungen/Bedingungen<br />
in den Aufgabenbereichen<br />
wurden <strong>Gender</strong>-Bestandsaufnahmen<br />
(GIA) mit den Teilprojekt- und den Verantwortlichen<br />
für die Querschnittsaufgaben der<br />
Entwicklungspartnerschaft geführt. Diese<br />
Gespräche dienten sowohl der Bestandsaufnahme<br />
gender-relevanter Daten und Fakten<br />
im Aufgabengebiet (als Voraussetzung für<br />
die Definition von <strong>Gender</strong>-Zielen, Meilensteinen<br />
und Umsetzungsstrategien), der<br />
Identifikation „weißer Flecken“ in quantitativer<br />
und qualitativer Hinsicht, als auch der<br />
Planung weiterer Schritte zur Umsetzung von<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>. Der Leitfaden, der<br />
entsprechend der jeweiligen Aufgabengebiete<br />
modifiziert wurde (und nicht als Checkliste<br />
zubetrachten ist), wurde nach ersten<br />
Sensibilisierungs-Workshops eingesetzt und<br />
diente der Vertiefung des Themas:<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
im Strafvollzug<br />
Kapitel 4.4<br />
55
56<br />
Persönliche Ebene<br />
Bisherige Berührungspunkte mit <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>?<br />
Bisherige Trainings, Sensibilisierung,<br />
Beratung? Wenn ja, in welchem Kontext,<br />
mit welchem Ergebnis? Erfahrungen mit<br />
„positiven Aktionen“? Erfahrungen mit<br />
anderen Formen von Gleichstellungsund/oder<br />
Chancengleichheitspolitik?<br />
Antidiskriminierungs- oder Anti-Bias-<br />
Arbeit 6 ?Diversity-Management?<br />
Interessen, Fragen/Fragestellungen,<br />
Wissensfragen zu <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>/<br />
<strong>Gender</strong>kompetenzen?<br />
Funktion der Person in der Organisation<br />
und im Teilprojekt?<br />
Organisationsebene<br />
Leitbild der Organisation: <strong>Gender</strong>-/<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>- oder Gleichstellungs-<br />
Themen verankert? Oder: Diversity-<br />
Management? Falls nicht im Leitbild verankert,<br />
anders sichtbar/erfahrbar? Wenn<br />
ja, wodurch? Wie werden die „Zielgruppen“<br />
der Organisation adressiert? Wie werden<br />
Dienstleistungen angeboten/vermarktet?<br />
Personal-Management: <strong>Gender</strong>-Perspektive<br />
bei Einstellungen? <strong>Gender</strong>-Perspektive in<br />
anderen Management-Funktionen?<br />
Gibt es Widerstände in der Organisation,<br />
sich mit dem Thema zu beschäftigen?<br />
Wenn ja, welche? (Einschätzung)<br />
Teilprojekt:<br />
Geschlechtsspezifische Daten (und weitere<br />
Differenzierungen) bezogen auf<br />
-Projektmanagement, Organisation, Durchführung,<br />
-Teilnehmende/ Kunden/Kundinnen,<br />
-Ziele, Maßnahmen und Methoden des<br />
Teilprojekts. An welchen Bedürfnissen der<br />
Zielgruppe(n) setzt das Teilprojekt an (Ziele,<br />
Maßnahmen, Methoden)?<br />
Thematische Bereiche des Teilprojekts, in<br />
denen <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> eine Rolle<br />
spielt<br />
Bestandsaufnahme nach geschlechtspezifischen<br />
Indikatoren vorhanden? Wenn<br />
nein, warum nicht?<br />
<strong>Gender</strong>-Dimensionen in den Bedürfnissen<br />
der Zielgruppen (s. oben)<br />
Welche Ebene vonFunktionen/ Zielgruppen<br />
etc. –z.B. Trainer/innen, Management,<br />
Zielgruppen mit besonderem<br />
Förderbedarf, Entscheider/innen im<br />
Kontext der Maßnahme?<br />
Materialien/Veröffentlichungen?<br />
<strong>Gender</strong>-Wissen<br />
<strong>Gender</strong>-Differenzen in den Lebensentwürfen<br />
von jungen Frauen und Männern des<br />
Teilprojekts?<br />
<strong>Gender</strong> in den Strukturen der Beruflichen<br />
Vorbereitung (BVB)?<br />
<strong>Gender</strong>-Gaps in der Schule, in Berufswahl<br />
und Ausbildung, im Zugang zu Jobs, im<br />
Erwerbsleben etc.?<br />
Bedarf/Bedürfnisse von jungen Frauen und<br />
Männern inder BVB?<br />
Bedarf/Bedürfnisse von jungen Frauen und<br />
Männern mit Migrationshintergrund,<br />
Behinderung, anderen potenziellen<br />
Diskriminierungsmerkmalen?<br />
Umsetzung/Struktur der BVB: Wo werden<br />
hier <strong>Gender</strong> Gaps gesehen?<br />
<strong>Gender</strong>kompetenzen im Teilprojekt<br />
Bestandsaufnahme aus <strong>Gender</strong>-Perspektive?<br />
Ziele, Planung, Umsetzung?<br />
Methoden?<br />
Controlling/Bewertung/Evaluation?<br />
Haltung/Einstellungen/Handlungskompetenzen<br />
bezogen auf die Beschäftigten im Teilprojekt<br />
Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen?<br />
Einsicht in die Veränderbarkeit/Gestaltbarkeit<br />
der Geschlechterverhältnisse?<br />
Auswirkungen auf das Aufgaben- und<br />
Handlungsfeld sichtbar?<br />
Ergebnisse der Bedarfsermittlung und weiteres<br />
Vorgehen<br />
Vereinbarungen für die weitere Arbeit<br />
Ziele (bereits definierbar?)<br />
Maßnahmen (Training, Sensibilisierung,<br />
Beratung)<br />
Weiteres Vorgehen, Terminabsprachen<br />
BABE –Bildung, Arbeit und berufliche<br />
Eingliederung im Nordverbund<br />
Diese sektorale Entwicklungspartnerschaft<br />
zielt –jenseits der Verbesserung der Arbeitsmarktchancen<br />
von Strafgefangenen mit<br />
besonderen Problemlagen (z.B. Insassen mit<br />
Langstrafen) durch die Entwicklung von gendersensiblen<br />
Kompetenz-Erfassungsverfahren,<br />
die Qualifizierung bis hin zur Produktentwicklung<br />
und -vermarktung durch Strafge-
fangene –auf Strukturveränderung im Strafvollzug<br />
durch Wissensmanagement und<br />
Vernetzung. Ein kooperativ mithilfe aller<br />
Entwicklungspartnerschaften und der transnationalen<br />
Partner betriebenes Wissensportal<br />
soll dazu führen, dass Erfahrungswissen<br />
zu relevanten Bereichen des Strafvollzugs<br />
zwischen den Akteuren ausgetauscht wird.<br />
Zu diesen Bereichen gehören auf der operativen<br />
Ebene z.B. Diagnose- und Beratungsmethoden,<br />
Bildungsplanung oder Berufsvorbereitung<br />
und Ausbildung, auf der strategischen<br />
Ebene etwa <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
oder kriminologische Politikberatung. Das<br />
Portal wird neben dem Faktenwissen vor<br />
allem auch komplexes Problemlösungs- und<br />
Prozesswissen enthalten. Die als partizipative<br />
Systementwicklung bezeichnete Methode<br />
bezieht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
in Entwicklung und Betrieb des Wissensportals<br />
ein und kann als „organizational memory“<br />
bezeichnet werden. Die unmittelbare Beteiligung<br />
an der Wissensentwicklung im Sinne<br />
eines Empowerment erhöht die Akzeptanz,<br />
die Anwendbarkeit und die Nützlichkeit des<br />
Wissens.<br />
In dieser Entwicklungspartnerschaft wird die<br />
<strong>Gender</strong>-<strong>Mainstreaming</strong>-Strategie vergleichbar<br />
mit den für e-LiS und MEMBER beschriebenen<br />
Ansätzen umgesetzt und eingebunden in die<br />
Organisations- und Personal-Entwicklung in<br />
den Justizvollzugsanstalten, die im Rahmen<br />
des Wissensmanagements stattfindet.<br />
<strong>Gender</strong>kompetenzen und -Wissen werden im<br />
Kontext der Wissensgenerierung und der<br />
Einführung von Wissensmanagement in den<br />
Anstalten thematisiert und vertieft. Auch die<br />
Entwicklung der Wissensmanagement-<br />
Plattform erfolgt gender-sensibel; dies betrifft<br />
die technische Umsetzung/Adaptation der<br />
Plattform ebenso wie die Benutzerführung<br />
und die Wissens-Generierung sowie die<br />
Dokumentation der Inhalte.<br />
Erste „Wirkungen“ der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Aktivitäten verdeutlicht der Auszug aus dem<br />
Bericht eines Teilprojekts, in dem mit Männern<br />
mit langen Haftstrafen gearbeitet wird:<br />
„Im Dienstleistungsbereich „Reinigung“ sind<br />
überwiegend Frauen beschäftigt. Männliche<br />
Gefangene, die in dieses Berufsfeld integriert<br />
werden sollen, sind auf ihre Rolle in den<br />
Reinigungsteams vorzubereiten. Sie müssen<br />
lernen, die Gleichberechtigung aller Team-<br />
Mitglieder zu akzeptieren und ihr Handeln<br />
danach auszurichten. (…) Im Rahmen des<br />
Bewerbungstrainings müssen entsprechende<br />
Verhaltensproben bzw. Rollenspiele entwickelt<br />
und trainiert werden. Hilfreich wäre<br />
auch, wenn in dem Ausbildungsteam Frauen<br />
und Männer tätig sind, damit ein der Situation<br />
angemessenes Verhalten modellhaft vorgelebt<br />
werden kann.“ 7<br />
Anmerkungen<br />
1 <strong>Gender</strong> Impact Assessment wird mit „Gleichstellungs-<br />
verträglichkeitsprüfung“ übersetzt.<br />
2 Der Trennungsgrundsatz ist in diversen Konventionen<br />
und Strafvollzugs-Grundsätzen auf UN- und EU-Ebene<br />
ebenso wie das Diskriminierungsverbot auf Grund des<br />
Geschlechts festgehalten. Danach müssen Frauen<br />
entweder in eigenen Anstalten untergebracht werden<br />
oder zumindest deutlich räumlich getrennt von<br />
männlichen Gefangenen. Vgl. Frieder Dünkel u.a. (2005).<br />
3 Auch andere Entwicklungspartnerschaften (z.B. Mabis-<br />
net; http://www.mabis-net.de) haben sich imKontext der<br />
GI <strong>EQUAL</strong> mit der Thematik auseinandergesetzt.<br />
4 Beispielhaft bedeutet dies, dass für die drei Entwick-<br />
lungspartnerschaften die jeweils typischen Ansätze oder<br />
Entwicklungen im jeweiligen Kontext beschrieben wer-<br />
den, wodurch die Einbindung in die Ziele und Prozess-<br />
schritte oder wichtige Aspekte der Entwicklungspartner-<br />
schaften deutlich werden.<br />
5 Das <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in e-LiS wird hier ausführ-<br />
licher dargestellt als in den beiden Entwicklungspartner-<br />
schaften der 2. Förderrunde, da die Entwicklungspartner-<br />
schaft bereits beendet wurde.<br />
6 Mit dem Anti-Bias-Ansatz werden Vorurteile (englisch:<br />
bias) transparent gemacht und Schritte zueinem respekt-<br />
vollem Umgang miteinander eingeleitet.<br />
7 Teilprojekt „Anpassungsausbildung Gebäudereiniger“<br />
der Entwicklungspartnerschaft BABE (2005).<br />
Kapitel 4.4<br />
57
58<br />
4.5 <strong>Gender</strong>training als Einstieg in das <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
Erfahrungsbericht der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Regionales Tourismusnetzwerk Lausitz“<br />
Serena Junker, Jana Voigt<br />
Zu einer qualitätsvollen Entwicklung des<br />
Tourismus in der Lausitz beizutragen und<br />
neue Ideen, Geschäftsfelder und nachhaltige<br />
Ansätze zur Entwicklung des Tourismus in<br />
der Region mitzuentwickeln war Ziel der<br />
Entwicklungspartnerschaft „Regionales<br />
Tourismusnetzwerk Lausitz. Sächsisch-<br />
Brandenburgische Entwicklungspartnerschaft<br />
im Dreiländereck Deutschland –Polen –<br />
Tschechien“. Die Umsetzung erfolgte inacht<br />
Teilprojekten, in denen neue Organisationsformen<br />
im Tourismus (z.B. Gästeführerausbildung<br />
mit neuen regionalen Inhalten,<br />
Gästeführerring, Eventmanagement) entwickelt,<br />
neue Lernformen (z.B. Bildungscamps, Projektarbeit<br />
oder Teilzeit- und Homelearning)<br />
erprobt, Existenzgründungen im Tourismus<br />
unterstützt, Modellprojekte für einen innovativen<br />
und beschäftigungsorientierten<br />
Tourismus in der Region (z.B. Reittourismus)<br />
sowie einen barrierefreien und behinderten-<br />
gerechten Tourismus erarbeitet oder auch<br />
neue Technologien im Tourismus (z.B. virtuelle<br />
Führungen) eingesetzt wurden.<br />
Das Thema Tourismus hat per se eine genderbezogene<br />
Komponente, da der Tourismus als<br />
ein Wirtschaftszweig gilt, der stark frauenspezifisch<br />
ausgeprägt ist. 80% der Studierenden<br />
in tourismusrelevanten Studiengängen<br />
sind weiblich. Hotel- und Gaststättenberufe<br />
werden mit Ausnahme des Berufsbildes<br />
Koch/Köchin zu einem großen Anteil von<br />
weiblichen Arbeitnehmern erlernt und ausgeübt.<br />
Es finden sich imTourismus und dem<br />
ihm nahe stehenden Hotel- und Gaststättengewerbe<br />
überproportional prekäre Beschäftigungsverhältnisse<br />
(Teilzeitarbeit, Mini- und<br />
Aushilfsjobs, Ungelernte oder Anlerntätigkeiten).<br />
Zudem findet Tourismus teilweise in<br />
Familienbetrieben statt, wo ein Großteil der<br />
Arbeit durch weibliche Familienmitglieder
geleistet wird. Der Tourismus weist also<br />
erhebliche geschlechterbezogene Ungleichgewichte<br />
auf, die allerdings nicht immer<br />
Benachteiligungen sein müssen, denn er bietet<br />
auch Chancen und Raum zum Experimentieren,<br />
gerade im Hinblick auf genderorientierte<br />
Ansätze.<br />
Die Entwicklungspartnerschaft ging in ihrem<br />
Entwicklungsansatz also nicht von einer reinen<br />
Frauenperspektive aus, sondern von der<br />
generellen These des <strong>Gender</strong>ungleichgewichts,<br />
wo das Pendel in Wirtschaftsbereichen wie<br />
dem Tourismus auch einmal in Richtung der<br />
Männer ausschlagen kann! Sie hat die<br />
Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> als<br />
Querschnittsaufgabe für alle Aktivitäten im<br />
Projekt definiert, denn <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
bedeutet im Ansatz eine systematische<br />
Einbeziehung des Themas Chancengleichheit<br />
zwischen Männern und Frauen bei der<br />
(Re-)Organisation, Verbesserung, Entwicklung<br />
und Evaluation von Entscheidungsprozessen<br />
in allen Politik- und Arbeitsbereichen, insbesondere<br />
aber im Beschäftigungssystem, da<br />
hier die Ungleichgewichte imGeschlechterverhältnis<br />
am ausgeprägtesten sind und<br />
unmittelbaren Einfluss auf die wirtschaftliche<br />
und soziale Lage der Betroffenen haben.<br />
Die Entwicklungspartnerschaft „Regionales<br />
Tourismusnetzwerk Lausitz“ hat sich zur Aufgabe<br />
gemacht, mit ihren acht Teilprojekten<br />
die Dimension der Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern imHandlungsansatz<br />
und in ihrer eigenen Struktur zu berücksichtigen.<br />
Die Gleichstellungsbeauftragte im<br />
Konvent der Landräte mit Sitz in Kamenz für<br />
Sachsen und die Gleichstellungsbeauftragte<br />
des Landkreises Oberspreewald-Lausitz für<br />
Brandenburg gehörten zur Lenkungsgruppe<br />
der Entwicklungspartnerschaft und brachten<br />
ihre <strong>Gender</strong>kompetenz sowohl auf der strategischen<br />
als auch auf der operationellen<br />
Ebene ein. In einem gemeinsamen <strong>Gender</strong>training<br />
haben sich alle Teilprojekte und<br />
Akteure der Entwicklungspartnerschaft mit<br />
dem Thema vertraut gemacht und wurden<br />
für die Dimension der Chancengleichheit im<br />
Projekt aber auch inihrer täglichen Arbeit<br />
sensibilisiert.<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz durch Training:<br />
Der Weg ist das Ziel!<br />
Unter dieses Motto hat die Entwicklungspartnerschaft<br />
ihr <strong>Gender</strong>training 1 gestellt, um<br />
deutlich zumachen, dass ein solches Training<br />
nur ein Ausgangspunkt sein kann und damit<br />
nicht die Thematik <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
der Arbeit der Entwicklungspartnerschaft<br />
„abgehandelt“ ist. Es sollte vielmehr dazu<br />
beitragen, daß <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
sowohl auf der Ebene der Entwicklungspartnerschaft<br />
als auch auf der Ebene der Teilprojekte<br />
zueinem maßgeblichen Handlungsprinzip<br />
wird. Ziele des Trainings waren:<br />
Die Förderung der Sensibilisierung für<br />
Geschlechterfragen sowie eine Erweiterung<br />
der Fähigkeiten, des Wissens und des<br />
Bewusstseins über die unterschiedlichen<br />
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen<br />
der Lebenswelten von Männern und<br />
Frauen.<br />
Die Sensibilisierung für die eigenen individuellen<br />
Handlungsmuster basierend auf<br />
eigenen Geschlechterrollen und damit die<br />
Förderung der kritischen Reflexion des<br />
eigenen Verhaltens.<br />
Die Sensibilisierung für die strukturellen,<br />
gesellschaftspolitischen und organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>.<br />
Die Sensibilisierung für die Notwendigkeit<br />
und Möglichkeit der Veränderung –<br />
sowohl des eigenen Verhaltens als auch<br />
der Ausgestaltung von fachlichen und<br />
strukturellen Rahmenbedingungen.<br />
Die Vermittlung von Handlungsorientierung<br />
zur Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe<br />
in den jeweils eigenen Arbeitsund<br />
Fachzusammenhang.<br />
Die Förderung der Dialogfähigkeit zwischen<br />
den Projektpartnern.<br />
Die Teilnehmerzusammensetzung entsprach<br />
einem gemischtgeschlechtlichen Verhältnis<br />
von zehn Frauen und neun Männern aus<br />
unterschiedlichen beruflichen Kontexten<br />
(Bildung, Beratung, Gleichstellung, Tourismus,<br />
Wissenschaft) mit unterschiedlichen<br />
Aufgaben in der Entwicklungspartnerschaft.<br />
So war die Lenkungsgruppe, die die Koordinierung<br />
der Entwicklungspartnerschaft zu<br />
verantworten hatte, nahezu komplett vertreten,<br />
ebenso die Teilprojektleiterinnen, die<br />
Evaluatoren sowie je nach Aufgabenstellung<br />
und Interesse auch die Projektmitarbeiter-<br />
Kapitel 4.5<br />
59
60<br />
Gruppenarbeit „Assoziationen“: Die „Frau“ Gruppenarbeit „Assoziationen“: Der „Mann“<br />
innen und Projektmitarbeiter. Dazu kamen<br />
Vertreterinnen und Vertreter der strategischen<br />
Partner sowie externe Interessenten.<br />
Das Training war für zwei Tage konzipiert,<br />
wobei der erste Tag der Sensibilisierung der<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie<br />
einem eher intuitiven und assoziativen<br />
Herangehen an die Thematik diente und der<br />
zweite Tag stärker theoretisch konzeptionell<br />
ausgestaltet war. Die Teilnehmenden hatten<br />
vor Beginn des Trainings ein besonderes<br />
Interesse an praktischen und theoretischen<br />
Hinweisen und Hilfen zu einer genderorientierten<br />
Projektgestaltung geäußert, gerade<br />
auch inProjekten mit Bezug zur regionalen<br />
Entwicklung, und es wurde mit den Trainerinnen<br />
im Vorfeld des Trainings vereinbart,<br />
dass in einem handlungsorientierten Teil des<br />
Trainings auch praktische Beispiele gegeben<br />
und übungshalber einige Projekte der<br />
Entwicklungspartnerschaft „gegendert“ werden.<br />
Das Training wurde ergänzt durch<br />
Materialien und Leitfäden zur Verankerung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in verschiedenen<br />
Zusammenhängen 2 sowie durch eine Auswertung<br />
und Dokumentation des Trainings,<br />
die in schriftlicher Form allen Teilnehmenden<br />
nach Abschluss des Trainings zur Verfügung<br />
gestellt wurde 3 .<br />
Sensibilisierungsphase (1. Tag)<br />
Im Mittelpunkt stand, biografische und individuelle<br />
Elemente, eigene Rollenbilder und<br />
Verhaltensweisen, unterschiedliche Lebensplanungen<br />
von Männern und Frauen sowie<br />
gesellschaftliche Rollenzuteilungen unter<br />
anderem durch Gruppenarbeiten und<br />
Rollenspiele zu verdeutlichen. Die Teilnehmenden<br />
sollten insbesondere für Benachteiligungen<br />
sensibilisiert und dazu motiviert<br />
werden, sich mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen.
Das Training begann mit einer Vorstellungsrunde,<br />
in der die Teilnehmenden dazu aufgefordert<br />
waren, Biographisches zur eigenen<br />
Person, Informationen zum beruflichen<br />
Kontext, zu ihrer persönlichen Motivation<br />
und ihren Erwartungen an das Training sowie<br />
zum Wissen um und den Erfahrungen mit<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zu berichten. Es zeigte<br />
sich, dass ein Großteil der Teilnehmenden<br />
des Trainings bislang noch wenig oder gar<br />
keine beruflichen Erfahrungen in Zusammenhang<br />
mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
machen konnten, der Thematik jedoch offen<br />
und mit Neugier gegenüber standen. Eine<br />
Ausnahme bildeten die „hauptamtlichen“<br />
Gleichstellungsbeauftragten der beiden<br />
Gebietsvertretungen für die Entwicklungspartnerschaft<br />
sowie einige Mitwirkende der<br />
Entwicklungspartnerschaft, die sich inanderen<br />
Zusammenhängen schon mit der Thematik<br />
beschäftigt hatten.<br />
Auf der anderen Seite standen auch skeptische<br />
Meinungen, die<br />
entweder eine besondere geschlechtliche<br />
gesellschaftliche Benachteiligung verneinten:<br />
–„Benachteiligung trifft doch vielfältigere<br />
Gruppen als nur Mann und Frau. Das<br />
kann man doch nicht nur auf diese<br />
Gruppen runterbrechen.“<br />
–„Wirklich benachteiligt sind doch die<br />
Menschen in der 3. Welt.“<br />
dem Konzept des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
an sich mit Skepsis begegneten:<br />
„Für mich ist von Interesse, ob <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> nur ein Zauberwort ist<br />
oder ob wirklich etwas dahintersteckt“,<br />
oder auch eher die traditionelle Rollenverteilung<br />
der Geschlechter befürworteten:<br />
–„Ich bin eigentlich gegen eine solche<br />
Hervorhebung von Unterschieden zwischen<br />
Frauen und Männern. Bei dem<br />
Ganzen sollte nicht vergessen werden,<br />
dass auch die Familie eine Rolle spielt.“<br />
– „Es ist normal, dass Frauen am<br />
Kochtopf und nicht in Arbeit zu finden<br />
sind. …„das liegt doch an der Wirtschaft<br />
hier. Regionalspezifisch sind doch kaum<br />
Entwicklungschancen für Frauen hier.“<br />
–„Frauenvereine existieren doch schon<br />
genug“.<br />
In einigen Meinungen kam zudem zum<br />
Ausdruck, daß die Gleichberechtigung, mit<br />
der der Begriff des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
assoziiert wurde, in der ehemaligen DDR<br />
weiter fortgeschritten gewesen sei als im<br />
westlichen Teil Deutschlands und daher von<br />
anderen Voraussetzungen auszugehen sei:<br />
„Geschlechtspezifische Probleme haben sich<br />
doch erst mit der Wende herauskristallisiert“.<br />
Gruppenarbeit „Assoziationen“<br />
In einer ersten „aktiven“ Übung zur Sensibilisierung<br />
für geschlechtliche Zuschreibungen<br />
erhielten die Teilnehmenden den Arbeitsauftrag,<br />
die Kontur eines weiblichen oder<br />
männlichen Teilnehmers zu zeichnen und<br />
nachfolgend gemeinsam typisch weibliche<br />
bzw. männliche Assoziationen, Rollen,<br />
Charaktere und Fähigkeiten zuzuordnen.<br />
Dazu wurden vier gemischtgeschlechtliche<br />
Kleingruppen gebildet, wobei zwei der markantesten<br />
Ergebnisse hier abgebildet sind.<br />
Die Abbildungen (vgl. S. 60) verdeutlichen<br />
die Assoziationen, die in der Gesellschaft<br />
häufig mit den unterschiedlichen Rollenbildern<br />
der Geschlechter verbunden sind. Der<br />
Mann in seiner Rolle funktioniert, maschinengleich,<br />
in einem Fließschema, verfügt aber<br />
auch über die Symbole und Zuschreibungen<br />
gesellschaftlicher Macht und Erfolgs, während<br />
der Frau vielfältigere, oft gefühlsbetonte<br />
Eigenschaften zugesprochen werden.<br />
Rollenspiel „Deridianer“<br />
Ein weiteres Sensibilisierungselement stellte<br />
das Rollenspiel „Deridianer“ dar, inwelchem<br />
zwei Kulturen/Gesellschaften simuliert wurden,<br />
deren Zusammenleben durch unterschiedliche<br />
Absichten, Ziele und soziale<br />
Regeln bedingt ist. Die Spielerinnen und<br />
Spieler teilten sich hierbei selbständig und<br />
gemischtgeschlechtlich auf die beiden<br />
Kulturen („Internationale Expertinnen und<br />
Experten“ und „Deridianer“) sowie in zu je<br />
zwei Personen bestehende Beobachterteams<br />
auf und studierten ihr kulturspezifisches<br />
Verhalten in zwei getrennten Räumen mit<br />
Hilfe von Spielanleitungen ein. Wichtig war<br />
dabei, dass sie über keine Informationen zur<br />
jeweils anderen Gruppe verfügten. Ziel der<br />
Expertinnengruppe sollte essein, den<br />
Deridianern beizubringen, wie man eine<br />
Brücke bauen kann. Die Besonderheit des<br />
Rollenspiels lag darin, dass auf Grund der<br />
sehr großen Unterschiede im gespielten kulturspezifischen<br />
Verhalten die Kommunikation<br />
zwischen Deridianern und der „Expertengruppe“,<br />
die den Bau der Brücke unterstützen<br />
sollte, sehr erschwert war. Insofern steht<br />
Instrumente<br />
zur<br />
Sensibilisierung<br />
Kapitel 4.5<br />
61
62<br />
dieses Spiel in etwas überspitzter Form auch<br />
für das Kommunikationsverhalten zwischen<br />
den Geschlechtern. Weil Worte und Gestiken<br />
unterschiedlich interpretiert und gedeutet<br />
werden, kommt es zu Misserständnissen.<br />
Ein Großteil des Aufeinandertreffens in diesem<br />
Spiel wurde sehr emotional erlebt,<br />
wenngleich die Brücke am Ende gebaut war!<br />
Nach der Durchführung des Spiels wurden<br />
die erlebten Gefühle, Erfahrungen und<br />
Eindrücke in den Einzelgruppen sowie im<br />
Plenum mit Hilfe einiger Leitfragen ausgewertet.<br />
Die Missverständnisse und<br />
Unsicherheiten, die die Benutzung unterschiedlicher<br />
Gesten und Begriffe mit sich<br />
brachte, wurden zum Gegenstand der<br />
Spielauswertung. Thematisiert wurden insbesondere<br />
die Schwierigkeiten im Umgang mit<br />
der anderen Kultur sowie Reaktionen,<br />
Erkenntnisse und Einsichten der Spielenden.<br />
Theoretischer Teil (2. Tag, Vormittag)<br />
Im Vordergrund der ersten Hälfte des zweiten<br />
Trainingstages standen politische, sozialpolitische,<br />
wirtschaftspolitische Aspekte und<br />
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> sowie Inputs zu frauenpolitischen<br />
und genderspezifischen Fragestellungen.<br />
<strong>Gender</strong>orientierte Projektplanung,<br />
Projektentwicklung und -evaluierung stellte<br />
den Themenschwerpunkt eines handlungsorientierten<br />
Trainingsabschnitts dar, der<br />
ebenfalls intensiv behandelt wurde.<br />
<strong>Gender</strong>orientierte Projektgestaltung in<br />
einem regionalen Kontext<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist ein Instrument zur<br />
Umsetzung von Geschlechterdemokratie,<br />
indem die Frage von Chancengleichheit von<br />
Frauen und Männern systematisch inalle<br />
Politik- und Arbeitsbereiche integriert wird.<br />
Dies bedeutet auch, dass die Möglichkeiten<br />
der Chancengleichheitsförderung durch<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> vom jeweiligen<br />
Kontext bestimmt sind. Während etwa der<br />
rechtliche, wirtschafts-, beschäftigungs- und<br />
sozialpolitische Rahmen in Deutschland auf<br />
Bundesebene gestaltet wird, werden die alltäglichen<br />
Lebensbedingungen von Frauen<br />
und Männern auf regionaler Ebene entscheidend<br />
geprägt und können aber auch unmittelbarer<br />
beeinflusst werden. Maßgeblich sind<br />
hier die Bildungs- und Beschäftigungsmög-<br />
lichkeiten für Frauen und Männer, der Zugang<br />
zu Dienstleistungsangeboten sowie die Infrastrukturen<br />
des täglichen Lebens und des<br />
sozialen Bedarfs.<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in einem regionalen<br />
Entwicklungszusammenhang bedeutet, eine<br />
geschlechtssensible Perspektive inalle bisherigen<br />
und zukünftigen Programme und<br />
Aktivitäten zu integrieren. Zur Umsetzung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> stellen sich prozessorientierte<br />
und ergebnisorientierte<br />
Fragen. Zum einen ist zu überlegen, wie die<br />
Planung, Durchführung und Evaluierung von<br />
Programmen und Maßnahmen nach <strong>Mainstreaming</strong>prinzipien<br />
zu gestalten ist und<br />
andererseits wie Umsetzungs- und Entscheidungsstrukturen<br />
zu organisieren sind.<br />
Bestehende Konzepte müssen überdacht,<br />
neue Ansätze und Fragen aufgenommen<br />
sowie jene Bereiche in den Blickpunkt gestellt<br />
werden, die für Fragen der Chancengleichheit<br />
besonders relevant sind. Wo werden<br />
beispielsweise Verantwortlichkeiten verankert<br />
oder mit welchen Funktionen und<br />
Kompetenzen werden <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
Beauftragte ausgestattet? Welches Ziel wird<br />
mit <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> verfolgt? Welche<br />
Ergebnisse werden angestrebt? Was heißt<br />
Chancengleichheit und wie wird das Leitziel<br />
in konkrete und überprüfbare Teilziele umgesetzt?<br />
Wie und mit welchen Maßnahmen<br />
können die angestrebten Ziele erreicht werden?<br />
Wer sind die Akteure und wer sind die<br />
Zielgruppen? Wichtig ist also, den institutionellen<br />
Rahmen zu betrachten, in dem<br />
Regionalentwicklung stattfindet.<br />
Für die Umsetzung von<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
sind bestimmte Voraussetzungen notwendig: 3<br />
Politischer Wille<br />
Die Verpflichtung zur Umsetzung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> und zum Ziel der Chancengleichheit<br />
auf hoher politischer und administrativer<br />
Ebene ist eine elementare Voraussetzung.<br />
Es bedarf einer verbindlichen und<br />
konkreten Zielformulierung und einer klaren<br />
Prioritätensetzung. Geschlechterdemokratie<br />
bzw. die Anwendung des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>prinzips<br />
muss als Leitbild fest verankert<br />
sein. Die Verantwortung für den gesamten<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> Prozess einer Organisation<br />
oder Institution muss also an der<br />
Spitze einer Organisation angesiedelt sein.<br />
Ohne dass die Spitzen die Veränderung von
Entscheidungsprozessen in ihrer Organisation<br />
im Sinne des <strong>Gender</strong>-Aspektes befürworten<br />
und unterstützen, wird ein solcher<br />
Prozess nicht funktionieren. Es handelt sich<br />
also um eine klassische Top-down-Strategie.<br />
Ressourcen<br />
Die Willenserklärung und Zielsetzung muss<br />
mit der Bereitstellung von finanziellen und<br />
personellen Ressourcen für die Implementierung<br />
und Umsetzung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> verbunden sein.<br />
Wissen<br />
Voraussetzung für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> ist<br />
das Wissen über Strukturen und Mechanismen<br />
geschlechtsspezifischer Ungleichheit<br />
gepaart mit dem Fachwissen aus dem jeweiligen<br />
Bereich. Die Entwicklung von <strong>Gender</strong>kompetenz<br />
bei Führungskräften, Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern kann durch die<br />
Bereitstellung von <strong>Gender</strong>beratung, <strong>Gender</strong>coaching<br />
und <strong>Gender</strong>trainings unterstützt<br />
werden. Neben der Zuständigkeit einer jeden<br />
Fachfrau und eines jeden Fachmanns für die<br />
Geschlechterpolitik hat sich inder Praxis die<br />
Einrichtung von <strong>Gender</strong>-Beauftragten und<br />
gegebenenfalls Fachressorts für Geschlechterpolitik<br />
als günstig erwiesen. Sie haben die<br />
Aufgaben der Koordinierung und Beratung<br />
und unterstützen die Umsetzung der<br />
Geschlechteraspekte indie Praxis 4 .<br />
Handlungsorientierter Teil (2. Tag,<br />
Nachmittag)<br />
Den Abschluss des <strong>Gender</strong>trainings bildete<br />
ein handlungsorientierter Arbeitsteil, innerhalb<br />
dessen die Umsetzung genderspezifischer<br />
Fragestellungen in die eigene Arbeitsund<br />
Projektpraxis praktisch erprobt werden<br />
konnte. Aufgabenstellung für die insgesamt<br />
fünf eingesetzten Arbeitsteams war es,<br />
jeweils ein Projekt der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Regionales Tourismusnetzwerk<br />
Lausitz“ zu gendern. Die Gruppenarbeiten<br />
sollten dabei durch die folgenden Schwerpunkte<br />
geprägt sein:<br />
Definition von Thema und Zielstellung,<br />
Analyse der Thematik nach dem „Vier-R-<br />
Konzept“,<br />
Aufstellung eines Zeit- und Arbeitsplans,<br />
Erschließung der Akteure,<br />
Finden von Bündnis- und Kooperationspartnern,<br />
Einbettung in die Entwicklungspartnerschaft,<br />
Überprüfung der Zielerreichung.<br />
Beispiel Qualifizierung und Arbeit von Jugendlichen im Tourismussektor in der Lausitz<br />
Kapitel 4.5<br />
63
64<br />
Mit dem „4R-Konzept“ (vgl. hierzu Kapitel 7)<br />
erhielten die Teilnehmenden eine Handreichung<br />
für eine systematische Vorgehensweise<br />
zur Erhebung von Informationen und<br />
zur Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
ihren Projekten, die sie im Training an einem<br />
Beispiel erprobten. Die Methode beinhaltet<br />
gleichzeitig ein starkes aktivierendes Potenzial,<br />
da die Akteure selbst in die Untersuchung<br />
einbezogen werden und sich aktiv mit der<br />
Frage der Chancengleichheit im eigenen<br />
Wirkungsbereich auseinandersetzen. Ein<br />
Beispiel aus den Ergebnissen der Gruppenarbeit<br />
zeigt, dass diese Methode es ermöglicht,<br />
bei der Planung und Entwicklung der<br />
Projekte auf eine geschlechtssensible Gestaltung<br />
und auf gleiche Zugangs- und Teilhabechancen<br />
von Frauen und Männern zuachten<br />
und mögliche geschlechtsspezifische Wirkungen<br />
vorab abzuschätzen, um so sicherzustellen,<br />
dass Frauen und Männer gleich inund<br />
von den Projekten profitieren (vgl. Abb. S. 63).<br />
Dieser handlungsorientierte Arbeitsabschnitt<br />
endete mit konkreten Formulierungen von<br />
Selbstverpflichtungen, Arbeitsaufträgen oder<br />
Projektkonzepten, welche die Zukunft der<br />
Entwicklungspartnerschaft bestimmen sollen.<br />
Resümee<br />
Ziel des <strong>Gender</strong>trainings der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Regionales Tourismusnetzwerk<br />
Lausitz“ war es, die <strong>Gender</strong>kompetenzen<br />
seiner Mitglieder zu entwickeln und zu<br />
erweitern, um so Geschlechterdemokratie<br />
und Chancengleichheit langfristig in die<br />
Gemeinschaftsaufgabe zu implementieren.<br />
Mit den in das <strong>Gender</strong>training integrierten<br />
Sensibilisierungselementen, theoretischen<br />
Inputs und handlungsorientierten Aspekten<br />
wurden die Mitglieder der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Regionales Tourismusnetzwerk<br />
Lausitz“ dazu motiviert, eigene<br />
Geschlechterrollen und Geschlechterrollenbilder<br />
sowie das Verhältnis der Geschlechter<br />
in der projektbezogenen Zusammenarbeit zu<br />
reflektieren. Methodisch kamen hierbei vor<br />
allem Perspektivenwechsel, Rollenspiel,<br />
<strong>Gender</strong>dialog und handlungsorientierte<br />
Arbeitsaufgaben zum Einsatz, wobei das<br />
Arbeiten als gemeinsames <strong>Gender</strong>team einen<br />
grundlegenden Bestandteil der Methodik<br />
darstellte.<br />
In der Arbeit der Entwicklungspartnerschaft<br />
hat das Training sowohl bei den strategischen<br />
Partnern und in der Lenkungsgruppe als auch<br />
in den Teilprojekten dazu beigetragen, dass<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> zu einem maßgeblichen<br />
Handlungsziel in der praktischen<br />
Umsetzung wurde. Als Beispiele seien<br />
genannt:<br />
Teilprojekt WOQUFLEX: flexibles Ausbildungsmodell<br />
für auf dem Arbeitsmarkt<br />
benachteiligte Frauen, mit Elementen des<br />
Homelearning (Einrichten eines PC-Arbeitsplatzes<br />
bei den Teilnehmerinnen zu Hause<br />
einschließlich kostenlosem Internetzugang,<br />
flexibler Kinderbetreuung, betrieblichen<br />
Praktika, Übungsfirma u.ä.)<br />
Teilprojekt EVA –Existenzgründerinnen im<br />
Tourismus: aktive Begleitung von Frauen<br />
auf dem Weg indie Selbständigkeit. Im<br />
Verlauf des Projekts wurden acht Existenzgründerinnen<br />
zur Teilnahme gewonnen<br />
und während ihrer Existenzgründung<br />
betreut. Der <strong>Gender</strong>gedanke war ein<br />
immanenter Bestandteil des Projekts, weit<br />
über die Tatsache hinaus, dass alle Teilnehmerinnen<br />
Frauen waren. Es haben sich<br />
letztendlich fünf Unternehmen mit teils<br />
sehr innovativen Konzepten gegründet<br />
und so den Tourismus in der Region mit<br />
befruchtet und Praxisbeispiele für neue<br />
Unternehmensgründungen in diesem<br />
Bereich gegeben.<br />
In den anderen Teilprojekten war die <strong>Gender</strong>perspektive<br />
auch immer Leitgedanke, was<br />
sich sowohl in einem ausgewogenen<br />
Teilnehmerverhältnis (auch inRichtung<br />
männlicher Teilnehmer!), in innovativen<br />
Konzepten zur Vereinbarkeit von Familie und<br />
Beruf, in der Integration von Teilnehmenden<br />
mit doppelter Benachteiligung (Barrierefreier<br />
Tourismus) sowie in der Erprobung neuer, flexibler<br />
Qualifizierungsangebote (möglichst<br />
mit anerkannten Abschlüssen) und Vermittlungswege<br />
inden Arbeitsmarkt äußerte.<br />
In den Leitungsgremien der Entwicklungspartnerschaft<br />
schließlich, bei den strategischen<br />
Partnern, der Lenkungsgruppe, der<br />
Koordinierung sowie der Arbeitsgruppe der<br />
Teilprojekte war der <strong>Gender</strong>gedanke ebenso<br />
handlungsleitendes Prinzip, sei es bei der<br />
ausgewogenen Besetzung der einzelnen<br />
Aufgaben, sei es bei der Begleitung der<br />
Arbeit der Entwicklungspartnerschaft oder<br />
auch bei der Evaluierung und Auswertung.
Anmerkungen<br />
1 Vgl. Voigt (2003), S. 13<br />
2 Vgl. ebenda, S. 45ff.<br />
–Erhebungsbogen für betriebliche Daten mit Bezug zur<br />
Gleichstellung,<br />
–Leitfaden zur Entwicklung von Projekten:<br />
Geschlechtssensible Gestaltung,<br />
–Leitfaden zur Entwicklung von Projekten:<br />
Geschlechtsspezifische Wirkungen,<br />
–Leitfaden zur Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
Programmen,<br />
–Leitfaden zur Verankerung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
bei Projektträgern,<br />
–Leitfaden zur Verankerung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in Institutionen.<br />
3 Vgl. Geschwandtner, Ulrike/ Buchinger, Birgit (2002)<br />
4 Vgl. Voigt (2003), S. 14.<br />
<strong>Gender</strong>sensible<br />
Projektkonzepte<br />
und<br />
Personalpolitik<br />
Kapitel 4.5<br />
65
66<br />
5 Halbzeit! –Ausgewählte Ergebnisse zu<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> und Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern in<br />
der 1. Förderrunde der GI <strong>EQUAL</strong><br />
Henriette Meseke, Benno Savioli<br />
Der vorliegende Beitrag stellt ausgewählte<br />
Ergebnisse der <strong>EQUAL</strong>-Programmevaluierung<br />
aus den Jahren 2003 bis 2005 in Hinblick auf<br />
die Umsetzung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
und der Chancengleichheit zwischen den<br />
Geschlechtern vor. Der Beitrag umfasst drei<br />
Hauptaspekte:<br />
Begriffsverständnis<br />
Köpfe, Geld, Geschlecht und Themen –<br />
Aspekte des physischen und finanziellen<br />
Verlaufs<br />
Entwicklungsschritte gendersensibler<br />
Innovationen<br />
Die beiden inhaltlichen Aspekte enthalten<br />
aus Sicht der <strong>EQUAL</strong>-Programmevaluation<br />
wichtige Fragestellungen, anhand derer sich<br />
–unter dem <strong>Gender</strong>-Fokus –Fortschritt oder<br />
Stillstand, aber auch kritische Merkmale<br />
nachvollziehen bzw. darstellen lassen. Für<br />
die 1. Förderrunde der GI <strong>EQUAL</strong> liegen zu<br />
diesen Merkmalen entsprechende Ergebnisse<br />
der Programmevaluation vor. Für deren<br />
Bewertung spielen allerdings die jeweiligen<br />
Rahmenbedingungen sowohl auf Programmebene<br />
als auch auf Ebene der Entwicklungspartnerschaften<br />
und Teilprojekte eine entscheidende<br />
Rolle. Da eine solche differenzierte<br />
Analyse auf Entwicklungspartnerschaft-<br />
Ebene den Rahmen der Programmevaluation<br />
übersteigt, werden im Folgenden keine<br />
Entwicklungspartnerschaften oder Teilprojekte<br />
inForm einer Good-practice- Darstellung<br />
hervorgehoben. Statt dessen sollen verallgemeinerbare<br />
Ergebnisse zur Verfügung<br />
gestellt werden, um die fachliche Auseinandersetzung<br />
zu unterstützen.<br />
1. Begriffsverständnis<br />
Dem Artikel liegt folgende Definition der<br />
Begriffe zugrunde:<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> wird als übergeordnetes<br />
Struktur- und Steuerungsprinzip<br />
verstanden, welches als politische Strategie<br />
im Wesentlichen auf die gleichstellungsorientierte<br />
Veränderung von Strukturen,<br />
Verfahren, Organisationen oder<br />
Prozesse abzielt.<br />
Die Chancengleichheit von Frauen und<br />
Männern zielt auf der Wirkungsebene darauf<br />
ab, durch Interventionen (z.B. in<br />
arbeitsmarktpolitischen Programmen)<br />
einen direkten Einfluss auf die Verbesserung<br />
der von Diskriminierung betroffenen<br />
Personen zu bewirken. Diese analysierte<br />
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt<br />
weist Frauen als das Geschlecht aus, welches<br />
massiv von Benachteiligung betroffen<br />
ist.<br />
Um diese „Lücke“ zuschließen, ist die spezifische<br />
Frauenförderung als elementarer<br />
Bestandteil sowohl der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Strategie<br />
als auch der Zielsetzung<br />
Chancengleichheit fortzuführen und ggf.<br />
zu verstärken. 1<br />
2. Köpfe, Geld, Geschlecht und<br />
Themen –der physische und<br />
finanzielle Verlauf<br />
Gemessen an der Zielmarke, dass in <strong>EQUAL</strong><br />
gemäß PGI zumindest 50% der Teilnehmenden<br />
weiblich sein sollten, kann das Programm<br />
als erfolgreich bezeichnet werden: 54% der<br />
geförderten Personen in der 1. Förderrunde<br />
waren Frauen. Auch in finanzieller Hinsicht<br />
kann eine positive Bilanz gezogen werden:<br />
Die Pro-Kopf-Ausgaben liegen ebenfalls bei
54% für Frauen im Programmdurchschnitt 2 .<br />
Auch im Vergleich mit den <strong>ESF</strong>-Regelprogrammen,<br />
die bereits bei der Bestimmung<br />
der anzustrebenden Frauenquote einen typischen,<br />
geschlechterspezifischen Bias beinhalten<br />
3 ,ist für <strong>EQUAL</strong> sowohl bezüglich der<br />
Programmplanung als auch hinsichtlich der<br />
Ergebnisse eine gute Bilanz zu ziehen.<br />
Wie setzt sich dieses Ergebnis zusammen?<br />
Immerhin fünf der neun thematischen<br />
Schwerpunkte in<strong>EQUAL</strong> tragen zu dem<br />
guten Ergebnis bei (vgl. Tabelle):<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
Abbau geschlechtsspezifischer<br />
Diskrepanzen<br />
Gründungsunterstützung<br />
Sozialwirtschaft<br />
Bekämpfung des Rassismus<br />
Der mit Abstand gewichtigste Schwerpunkt<br />
Beschäftigungsfähigkeit stabilisiert mit<br />
50,1% Frauenanteil das positive Ergebnis.<br />
Frauenanteil in den thematischen<br />
Schwerpunkten von <strong>EQUAL</strong><br />
Vereinbarkeit von<br />
Familie und Beruf<br />
Abbau geschlechtsspezifischer<br />
Diskrepanzen<br />
91,0%<br />
85,5%<br />
Gründungsunterstützung 63,0%<br />
Sozialwirtschaft 57,6%<br />
Bekämpfung des<br />
Rassismus<br />
56,5%<br />
Beschäftigungsfähigkeit 50,1%<br />
Lebenslanges Lernen 46,8%<br />
Wandel IT 45,1%<br />
Asylsuchende 36,0%<br />
Die folgenden thematischen Schwerpunkte<br />
haben einen unterdurchschnittlichen Anteil<br />
an Frauen im Vergleich zum Programmdurchschnitt:<br />
Lebenslanges Lernen<br />
Wandel IT<br />
Asylsuchende<br />
Die erstgenannten fünf thematischen<br />
Schwerpunkte tragen also im wesentlichen<br />
zu dem guten quantitativen Gesamtergebnis<br />
bei. Hervorzuheben ist dabei die Gründungsunterstützung,<br />
weil sich hieran exemplarisch<br />
die positive Wirkung von <strong>EQUAL</strong> im Sinne der<br />
Chancengleichheit zeigen lässt: Das Verhältnis<br />
geförderter Frauen und Männer im<br />
Bereich Existenzgründung allgemein verhält<br />
sich imBundesdurchschnitt genau umgekehrt.<br />
Während der finanziell gewichtige Schwerpunkt<br />
„Beschäftigungsfähigkeit“ mit 50,1%<br />
Frauenanteil dem PGI-Maßstab noch genügt,<br />
zeigen die übrigen Programmschwerpunkte,<br />
hier vor allem der auf zukunftsträchtige<br />
Berufe ausgerichtete Schwerpunkt „Wandel<br />
IT“, schlechtere Ergebnisse.<br />
Der Bereich „Asyl“ zeigt den geringsten<br />
Frauenanteil (36%). Ob dieser Anteil dem<br />
frauenspezifischen Anteil innerhalb der<br />
Asylsuchenden entspricht, ist allerdings kaum<br />
gesichert zuüberprüfen, da geschlechterdifferenzierte<br />
Daten weder bundesweit einheitlich,<br />
noch vollständig bzw. konsistent sind.<br />
Zumindest aber scheint das Problem der Erreichbarkeit<br />
bzw. der Zugänge zuAngeboten<br />
von Asyl-Entwicklungspartnerschaften für<br />
weibliche Asylsuchende noch schwieriger zu<br />
sein als für männliche.<br />
Diese Ergebnisse bieten lediglich einen<br />
ersten Eindruck hinsichtlich der Berücksichtigung<br />
der Chancengleichheit zwischen den<br />
Geschlechtern, auf Basis ihrer jeweiligen<br />
quantitativen Beteiligung; ein durchaus<br />
wichtiger Aspekt für die Programmbewertung<br />
unter diesem Fokus. Anhaltspunkte für<br />
die Bewertung der vielfältigen engagierten<br />
Initiativen und Aktivitäten –aber auch der<br />
gleichstellungsorientierten Resistenzen –<br />
innerhalb der Entwicklungspartnerschaften<br />
bieten folgende Aspekte mit Bezug zur Zielstellung<br />
arbeitsmarktpolitischer Innovationen<br />
in <strong>EQUAL</strong>.<br />
Kapitel 5<br />
67
68<br />
3. Entwicklungsschritte für gendersensible<br />
Innovationen<br />
Die GI <strong>EQUAL</strong> soll mit Hilfe von Netzwerken<br />
arbeitsmarktpolitische Innovationen zur<br />
Bekämpfung von Ungleichheit und Diskriminierung<br />
hervorbringen. Nun stellt sich die<br />
Frage: Was ist eine arbeitsmarkpolitische<br />
Innovation bzw. welche Maßnahme, welches<br />
Produkt ist unter welchen Umständen innovativ?<br />
4 Parallel und systematisch integriert<br />
(nicht nachgeordnet!) muss die Frage behandelt<br />
werden, wie in geplanten Innovationen<br />
maßgebliche Kriterien der Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern aufgenommen werden<br />
können. Es geht hierbei sowohl um die<br />
Prozesse der Planung und Durchführung<br />
(<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Ansatz), als auch um<br />
die gendersensible Gestaltung möglicher<br />
Innovationen (Wirkungsebene von Chancengleichheit).<br />
Die Voraussetzung für die Entwicklung gendersensibler<br />
Innovationen ist eine geschlechterdifferenzierte<br />
Analyse der Problemlage.<br />
Nur auf dieser Basis lassen sich inder Folge<br />
Arbeitsschritte operationalisieren, die die<br />
unterschiedlichen Ausgangslagen von<br />
Männern und Frauen reflektieren und zu adäquaten<br />
Lösungen führen sollen.<br />
Geschlechtsspezifische Diskriminierungsmerkmale<br />
sind aber nicht in jeder Zielgruppe 5 in<br />
gleicher Weise zu identifizieren. Sie können<br />
sich sowohl als ungleiche Ausgangslage darstellen,<br />
als auch als unterschiedliche Wahlmöglichkeiten<br />
trotz gleicher oder ähnlicher<br />
Ausgangslage. Die Gruppe der kinderlosen<br />
Akademikerinnen und Akademiker weist<br />
wahrscheinlich geringere geschlechtsspezifische<br />
Unterschiede auf, als beispielsweise die<br />
Gruppe der älteren, langzeiterwerbslosen<br />
Menschen.<br />
In jedem Fall geht es nicht nur darum, in<br />
Erfahrung zu bringen, wie viele Frauen und<br />
Männer in einer bestimmten Zielgruppe<br />
grundsätzlich vertreten sind und mit welchen<br />
spezifischen Problemen sie konfrontiert<br />
sind, sondern auch darum, mit welchen<br />
potenziellen bzw. absehbaren Diskriminierungen<br />
sie zu rechnen haben (z.B. Väter in<br />
Elternzeit).<br />
Quelle: Frauenbildungsnetz Mecklenburg-Vorpommern e.V.<br />
Einige Entwicklungspartnerschaften der<br />
1. <strong>EQUAL</strong>-Förderrunde beschrieben die Notwendigkeit,<br />
fehlendes geschlechterdifferenziertes<br />
Datenmaterial durch umfangreiche<br />
eigene qualitative Analysen zu kompensieren,<br />
um darauf aufbauend die Entwicklungspartnerschaft-Aktivitäten<br />
zu entwickeln.<br />
Häufig scheitern sie jedoch anflankierenden<br />
Institutionen, die sich nicht im gleichen<br />
Maße der Geschlechtergerechtigkeit verpflichtet<br />
fühlen. So kann es sein, dass Entwicklungspartnerschaften<br />
oder Teilprojekte<br />
konzeptionell ideenreich und experimentierfreudig<br />
neuartige und bessere Problemlösungen<br />
entwickeln, die im Anwendungskontext<br />
jedoch nicht angenommen werden.<br />
AndereEntwicklungspartnerschaftennegieren<br />
von vornherein die geschlechtsspezifische<br />
Relevanz eines Problems, und dies selbst in<br />
fachpolitischen Bereichen, in denen andere<br />
Netzwerke auf dem Wege sind, kreative und<br />
eben gendersensible Lösungsmodelle zu entwickeln.<br />
Zu behaupten, der Strukturwandel<br />
in einer Region habe nichts mit der
Geschlechterdimension zu tun, zeugt von<br />
einer ausgeprägten Resistenz, sich mit den<br />
konkreten Problemstellungen auseinander zu<br />
setzen. Denn wer, wenn nicht Menschen<br />
unterschiedlichen Geschlechts, agieren in<br />
diesen Regionen –sei es als politische<br />
Akteure oder als Männer und Frauen, die<br />
wirtschaftlich aktiv und erwerbstätig sind<br />
bzw. dies werden wollen?<br />
Die Merkmale zur Beschreibung bzw. zur<br />
Identifikation von arbeitsmarkpolitischen Innovationen,<br />
wie höhere Problemlösungsfähigkeit,<br />
ein höherer Zielerreichungsgrad<br />
und Nutzen müssen also nicht um Kriterien<br />
der Geschlechterdimension (nachträglich) ergänzt<br />
werden, sondern sie müssen von vornherein<br />
konzeptionell integriert sein. Mit<br />
anderen Worten: Ein behaupteter höherer<br />
Nutzen, der systematisch und kontinuierlich<br />
die Geschlechterdimension ausklammert ist<br />
fraglich! Ein arbeitsmarkt- oder berufsbildungspolitischer<br />
Lösungsansatz, der bereits<br />
in der Analyse die Geschlechterdimension<br />
außer Acht lässt, kann höchstens zufällig ein<br />
höheres Lösungspotenzial für beide Geschlechter<br />
bereithalten.<br />
<strong>Gender</strong>sensible Innovationen zu entwickeln<br />
ist allerdings eine große Herausforderung:<br />
Einzelne Entwicklungspartnerschaften und<br />
mehr noch einzelne Teilprojekte können auf<br />
die vielfältigen Anforderungen der horizontalen<br />
und vertikalen geschlechtsspezifischen<br />
Segregation des Arbeitsmarktes nur im Detail<br />
reagieren und laufen immer Gefahr an den<br />
gesellschaftlichen Gegebenheiten zu resignieren<br />
bzw. diese zu reproduzieren. Dennoch<br />
zeigen die vielfältigen Aktivitäten einiger<br />
Entwicklungspartnerschaften, dass individuelle<br />
und strukturelle Verbesserungen möglich<br />
sind.<br />
Der Vorteil, den <strong>EQUAL</strong> als Laboratorium in<br />
diesem Dilemma bietet, liegt in der präzisen<br />
Beobachtung dessen, was bestimmte Interventionen<br />
zum Ziel der Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern tatsächlich bewirken.<br />
Allerdings bedarf eshierfür auch des<br />
Muts, Misserfolge und ambivalente Wirkungen<br />
genauso zu benennen wie mögliche<br />
Erfolge. In diesem Sinne gilt für die Halbzeit<br />
von <strong>EQUAL</strong>: „Nach dem Spiel ist vor dem<br />
Spiel!“<br />
Anmerkungen<br />
1 Die spezifische Frauenförderung ist keinesfalls überflüs-<br />
sig oder weniger sinnhaft –auch wenn wir uns unter dem<br />
Fokus von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> über das Verhältnis der<br />
Geschlechter konzeptionell verstärkt Gedanken machen<br />
müssen.<br />
2 Der physische und finanzielle Verlauf bezeichnet die<br />
jahresbezogene bzw. die kumulierte Darstellung der<br />
Umsetzung und Ergebnisse des Programms. Unsere<br />
Auswertungen stützen sich auf MEPHISTO, dem EDV-<br />
gestützten Stammdaten- und Finanzverwaltungstool der<br />
1. <strong>EQUAL</strong>-Förderrunde. Für beide genannten Indikatoren<br />
weisen die MEPHISTO-Daten allerdings nur einen<br />
begrenzten Füllgrad aus, so dass die Angaben nur<br />
Näherungswert besitzen.<br />
3 Das „Einheitliche Programmplanungsdokument zur<br />
Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Humanressour-<br />
cen (EPPD)“ Ziel-3 Deutschland zielt hinsichtlich der zu<br />
erreichenden Frauenquote darauf ab, Frauen gemessen<br />
an ihrem spezifischen Anteil an den Arbeitslosen zu för-<br />
dern. KennerInnen der Materie wissen allerdings, dass<br />
dieser Referenzwert aufgrund der förderrechtlichen<br />
Bedingungen aber auch aufgrund statistischer Zähl-<br />
weisen erhebliche Lücken aufweist und nur beschränkt<br />
geeignet ist. Im einheitlichen Planungsdokument für<br />
Österreich wurde dies berücksichtigt und ebenso wie in<br />
der GI <strong>EQUAL</strong> Deutschland ein 50%iger Frauenanteil ver-<br />
einbart.<br />
4 Ausführlichere Informationen zum Thema Innovationen<br />
unter: www.ev aluation-equal.de<br />
5 Im Rahmen von (Programm-)Evaluationen tritt häufig<br />
das Problem zu Tage, dass „Frauen“ als eigenständige<br />
Zielgruppe definiert werden. Dies ist insofern korrekt, da<br />
Frauen unter verschiedenen Gesichtspunkten von Diskri-<br />
minierungen betroffen sind. Das eigentliche Problem<br />
besteht nun darin, dass häufig innerhalb der „sonstigen“<br />
Zielgruppen keine Geschlechterdifferenzierung vorge-<br />
nommen wird und auch keinerlei Aussagen oder Informa-<br />
tionen zu möglichen Unterschieden von Frauen und<br />
Männern beispielsweise bei Langzeiterwerbslosen, bei<br />
Migrantinnen und Migranten oder bei älteren Arbeit-<br />
nehmerinnen und Arbeitnehmern vorgenommen werden.<br />
Die Strategie des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf dieses<br />
Problem angewandt, bedeutet auf der Programmebene<br />
sowohl die geschlechterdifferenzierte Darstellung aller<br />
Zielgruppen vorzunehmen, als auch die spezifische<br />
Darstellung der Ergebnisse bezüglich des Anteils von<br />
Frauen und Männern.<br />
<strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
in den <strong>EQUAL</strong>-<br />
Entwicklungspartnerschaften<br />
Kapitel 5<br />
69
70<br />
6 Leitfäden für die Integration von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> in der Projektplanung<br />
Durch die Bewertung der geschlechterspezifischen<br />
Auswirkungen mit Hilfe von Leitfäden<br />
lassen sich unbeabsichtigte, negative Folgeerscheinungen<br />
verhindern und die Qualität<br />
und Wirksamkeit der Projektarbeit verbessern.<br />
Inzwischen existieren eine Reihe von<br />
Empfehlungen, die praktische Anregungen<br />
zur Umsetzung des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
geben. Die hier aufgeführten Leitfäden stellen<br />
nur eine kleine, wertfreie Auswahl der<br />
bekanntesten Leitfäden dar.<br />
Die ersten drei aufgeführten Konzepte finden<br />
Sie ausführlich beschrieben auf der<br />
Homepage des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
(BMFSFJ) unter dem Link „Verfahren“:<br />
http://www.gender-mainstreaming.net<br />
1. Gleichstellungsprüfung der<br />
Europäischen Kommission<br />
Analytische Gleichstellungsprüfung der<br />
Europäischen Kommission für Legislativvorschläge,<br />
Strategiepapiere und Gemeinschaftsaktionen,<br />
die sich indrei grundlegenden<br />
Schritten vollzieht:<br />
Im ersten Arbeitsschritt erfolgt die Prüfung<br />
und Feststellung der geschlechtsspezifischen<br />
Relevanz. Dazu werden nach Geschlecht aufgeschlüsselte<br />
Daten benötigt. Wenn eine der<br />
beiden folgenden Fragen bejaht werden<br />
kann, sollte eine Bewertung des möglichen<br />
geschlechtsspezifischen Einflusses bezüglich<br />
des Legislativvorschlags durchgeführtwerden:<br />
Betrifft der Vorschlag eine oder mehrere<br />
Zielgruppen? Hat er Einfluss auf das tägliche<br />
Leben eines Teils/von Teilen der<br />
Bevölkerung?<br />
Gibt es in diesem Bereich Unterschiede<br />
zwischen Männern und Frauen (im Hinblick<br />
auf Rechte, Ressourcen, Beteiligung,<br />
Werte und Normen)?<br />
Im zweiten Arbeitsschritt werden die<br />
geschlechtsspezifischen Auswirkung der<br />
Maßnahme anhand von verschiedenen<br />
Kriterien wie beispielsweise<br />
Beteiligung (z.B. in Entscheidungspositionen,<br />
Gehaltsgruppen, Verbänden etc.)<br />
Ressourcen (wie Zeit, Raum, Geld, Information,<br />
Bildung etc.)<br />
Normen und Werte, die die Geschlechterrolle<br />
beeinflussen<br />
Rechte wie Zugang zu Rechten<br />
bewertet.<br />
Der dritte Arbeitsschritt beinhaltet die<br />
Umsetzung der Bewertungsergebnisse und<br />
eine gleichstellungspolitische Ausrichtung<br />
der Maßnahmen mit der Fragestellung „Wie<br />
kann die geplante Maßnahme dazu beitragen,<br />
Ungleichheiten zu beseitigen und die<br />
Gleichstellung von Frauen und Männern zu<br />
fördern?“.<br />
2. 6-Schritte-Prüfung von Krell/<br />
Mückenberger/Tondorf<br />
Von drei deutschen Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern entwickeltes Konzept<br />
zur erfolgreichen Umsetzung des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>.<br />
Die Strukturierung des <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Prozesses<br />
erfolgt unter Berücksichtigung<br />
von Wissen, Analyse, Erfahrungen,<br />
Wahlmöglichkeiten, Umsetzungen und<br />
Erfolgskontrolle und schafft dadurch Transparenz<br />
bzgl. der Grenzen und Möglichkeiten<br />
des Vorhabens.
Die 6-Schritte-Prüfung Voraussetzungen<br />
1. Definition der gleichstellungspolitischen<br />
Ziele<br />
Welcher Soll-Zustand wird durch das zu<br />
entscheidende Vorhaben angestrebt?<br />
2. Analyse der Probleme und der<br />
Betroffenen<br />
Welches sind die konkreten Hemmnisse<br />
auf dem Weg zumehr Chancengleichheit?<br />
Welche Gruppen sind betroffen?<br />
3. Entwickeln von Optionen<br />
Welche Alternativen bestehen hinsichtlich<br />
der Realisierung?<br />
4. Analyse der Optionen<br />
im Hinblick auf ihre voraussichtlichen Auswirkungen<br />
auf die Gleichstellung und Entwicklung<br />
eines Lösungsvorschlags<br />
Welche Option lässt den höchsten Zielerreichungsgrad<br />
erwarten?<br />
5. Umsetzung der getroffenen<br />
Entscheidung<br />
6. Erfolgskontrolle und Evaluation<br />
Wurden die Ziele erreicht?<br />
Ursachen für Nicht- oder Teilerreichung?<br />
Welche Maßnahmen sind notwendig?<br />
3. 3R-Methode (Schweden)<br />
Die 3R-Methode ist ein in Schweden entwickeltes<br />
und inzwischen EU-weit angewendetes<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-Instrument.<br />
Daten/Statistiken werden systematisch nach<br />
dem Geschlecht aufgeschlüsselt und anhand<br />
der drei Prüfkriterien Repräsentation, Ressourcen<br />
und Realität („Wer erhält Was unter<br />
Welchen Bedingungen“) auf angemessene<br />
Berücksichtigung der Chancengleichheit<br />
überprüft.<br />
Während es bei der Repräsentation (R1) um<br />
die Beantwortung der Frage geht, wie groß<br />
der Anteil von Frauen und Männern z.B. in<br />
Entscheidungsprozessen ist, beziehen sich<br />
die Daten der Ressourcen (R2) auf die<br />
geschlechterspezifische Verteilung von Geld,<br />
Kenntnis über Ist-Zustand<br />
Zugrundelegung einschlägiger Rechtsnormen,<br />
Programme etc.<br />
Koordinierung mit allen betroffenen<br />
Bereichen<br />
Wissen über Gleichstellungsproblematik<br />
Zuarbeitung und Unterstützung z.B. durch<br />
Gutachten, Materialien, Schulungen<br />
Kenntnisse und Wissen wie oben<br />
Erarbeitung von Analyse- und<br />
Bewertungskriterien<br />
Daten über Zielerreichung<br />
Berichtssystem<br />
Verpflichtende Ursachenanalyse<br />
Zeit und Raum, Information, politische und<br />
wirtschaftliche Macht, Bildung und Ausbildung,<br />
Beruf und berufliche Laufbahn, neue<br />
Technologien, Gesundheitsversorgung,<br />
Wohnverhältnisse, Transportmöglichkeiten,<br />
Freizeitverhalten etc.<br />
Ausgehend von den Ergebnissen der ersten<br />
beiden Rs wird ineinem letzten Arbeitsschritt<br />
(R3) untersucht, welches die Gründe<br />
für vorgefundene Geschlechterdisparitäten<br />
sind, um hieraus Konsequenzen für genderspezifische<br />
Maßnahmen abzuleiten und<br />
Aktionspläne und Checklisten zur Beseitigung<br />
bestehender Ungleichheiten zu entwickeln.<br />
Ergänzt wird die 3R-Methode oft durch ein<br />
viertes Prüfkriterium „Recht“. Hier steht die<br />
Frage nach gleichen Rechten und die Inanspruchnahme<br />
dieser Rechte durch Frauen<br />
Kapitel 6<br />
71
72<br />
Frauen und Männer verfügen über unterschiedliche Ressourcen hinsichtlich:<br />
Geld<br />
Zeit<br />
Information<br />
Raum<br />
Politischer &wirtschaftlicher Macht<br />
Bildung &Ausbildung<br />
und Männer im Vordergrund. Mit Hilfe der<br />
3R-Methode wurde beispielsweise ermittelt,<br />
dass in der schwedischen Stadt Köping vergleichbare<br />
Anträge auf Sozialhilfe häufiger<br />
Männern als Frauen bewilligt werden.<br />
4. GeM-ToolBox der Koordinationsstelle<br />
für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
im <strong>ESF</strong><br />
Die Koordinationsstelle für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
im <strong>ESF</strong> stellt auf ihrer Homepage<br />
verschiedene Leitfäden für die Implementierung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> auf der<br />
institutionellen Ebene und der Programmund<br />
Projektebene als Download zur Verfügung:<br />
http://www.gem.or.at/de<br />
Um mögliche geschlechtsspezifische Wirkungen<br />
eines Projektes beurteilen zu können, ist<br />
es unumgänglich, die Arbeitsmarktsituation<br />
Arbeitsschritte Die 4GeM-Schritte<br />
Beruf &Karriere<br />
Neuer Technologien<br />
Gesundheitsversorgung<br />
Wohnverhältnisse<br />
Transportmöglichkeiten<br />
Freizeitverhalten<br />
des Interventionsbereichs genau zu kennen.<br />
Daher wird zuerst analysiert, welche<br />
geschlechtsspezifischen Ungleichheiten in<br />
der Region bestehen und was die Ursachen<br />
und möglichen Einflussfaktoren hierfür sind.<br />
Wie sind beispielsweise die Arbeitsbedingungen<br />
und Aufstiegschancen von Frauen und<br />
Männern? Bei Festlegung der Zielgruppen<br />
des Projektes ist zu klären, wie sich innerhalb<br />
dieser das Geschlechterverhältnis gestaltet<br />
und ob es unterschiedliche Bedürfnisse und<br />
Probleme bei den Frauen und Männern der<br />
Zielgruppe gibt. Sind z.B. Frauen aus anderen<br />
Gründen (langzeit)arbeitslos als Männer? Ist<br />
es für Mädchen aus anderen Gründen als für<br />
Jungen schwierig, einen Ausbildungsplatz zu<br />
bekommen? Des Weiteren wird geprüft, ob<br />
es geschlechtsspezifische Teilnahmebarrieren<br />
(unterschiedliche Qualifikationen mit unterschiedlicher<br />
Verwertbarkeit, Mobilitätshemmnisse,<br />
gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />
etc.) gibt. Werden z.B. Frauen und<br />
Analyse Im ersten Schritt geht es darum, geschlechterspezifische Fragestellungen<br />
und Ungleichheiten wahrzunehmen und zu analysieren.<br />
Ziele Im zweiten Schritt werden davon ausgehend möglichst konkrete<br />
und überprüfbare Chancengleichheitsziele formuliert und festgelegt.<br />
Umsetzung Im dritten Schritt werden die Projekte soausgewählt und gestaltet,<br />
dass sie zu den Chancengleichheitszielen beitragen.<br />
Evaluierung Im vierten Schritte werden Ergebnisse und Fortschritte hinsichtlich<br />
der gesetzten Chancengleichheitsziele betrachtet.<br />
Die Indikatoren und qualitativen Kriterien dazu wurden vorab<br />
festgelegt.
Männer durch die Gestaltung und die Inhalte<br />
des Projekts gleichermaßen angesprochen<br />
und erreicht? Welche zeitliche Beanspruchung<br />
haben Frauen und Männer der Zielgruppe?<br />
Welche Flexibilität können sie aufbringen<br />
(aufgrund von Betreuungspflichten)?<br />
In einem weiteren Schritt ist zu definieren,<br />
was <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in dem betreffenden<br />
<strong>EQUAL</strong>-Themenbereich heißt (was ist das<br />
Leitziel?) und es wird überprüft, welche<br />
chancengleichheitsorientierten Ziele in die<br />
Projektziele integriert werden.<br />
Hinsichtlich der Umsetzung der Maßnahmen<br />
sind Fragen zu berücksichtigen wie z.B. „Wie<br />
werden bei der Organisation der Maßnahme,<br />
der Gewinnung von Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmern, der Projektabwicklung und<br />
Unterrichtsgestaltung sowie in der Nachbetreuung<br />
gleiche Zugangs- und Teilhabechancen<br />
für Frauen und Männer gesichert?<br />
Wie wird verhindert, dass durch ein Projekt<br />
geschlechtsspezifische Ungleichgewichte<br />
reproduziert werden? Welchen Beitrag leistet<br />
das Vorhaben zum Abbau von Ungleichgewichten?“.<br />
Schließlich wird geprüft, ob alle Daten und<br />
Ergebnisse geschlechtsspezifisch erhoben<br />
und dokumentiert werden und ob alle<br />
Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die<br />
Evaluierung eingebunden sind. Wie erfolgt<br />
die Überprüfung der Ziele zur Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern? Wie<br />
werden die Evaluationsergebnisse zur<br />
Verbesserung der <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>-<br />
Maßnahmen genutzt?<br />
Diese vier Schritte sind kein abgeschlossener<br />
Prozess, sondern der Evaluierung folgt die<br />
neuerliche Analyse zur kontinuierlichen<br />
Weiterentwicklung.<br />
5. <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
betrieblichen Beratungsprojekten<br />
Dieser Leitfaden richtet sich anBeraterinnen<br />
und Berater sowie Entscheiderinnen und<br />
Entscheider zur <strong>Gender</strong>-Sensibilisierung bei<br />
der Entwicklung, Umsetzung und Bewertung<br />
von betrieblichen Beratungsprojekten.<br />
Er umfaßt:<br />
Leitfragen zur Genese von Projekten<br />
Erläuterungen zur sinnvollen Erweiterung<br />
von betrieblichen Modernisierungsvor–<br />
haben durch den <strong>Gender</strong>-Ansatz<br />
konkrete Beispiele aus dem betrieblichen<br />
Alltag<br />
Anregungen für neue Projektansätze und<br />
Beratungsstrategien<br />
und auch:<br />
eine Checkliste zur Bewertung des <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>-Ansatzes in Projekten der<br />
arbeitsorientierten Modernisierung<br />
eine Checkliste zur Bewertung der<br />
<strong>Gender</strong>kompetenz der Beraterin/des<br />
Beraters bzw. der Beratungseinrichtung<br />
einen Beurteilungsbogen für eine<br />
abschließende Bewertung des Anliegens<br />
durch die Entscheidungsträger<br />
Der Leitfaden steht als Download auf der<br />
Homepage der Gesellschaft für Innovative<br />
Beschäftigungsförderung in Nordrhein-<br />
Westfalen (G.I.B. NRW) zur Verfügung:<br />
http://www.gib.nrw.de/download/index.htm<br />
6. Leitfaden zur Berücksichtigung<br />
und Überprüfung der<br />
Geschlechterperspektive in<br />
Bildungsmaßnahmen der EU-<br />
Strukturfondsprogramme<br />
Der Leitfaden des Zentrums Frau in Beruf<br />
und Technik (ZFBT) in Form eines Fragebogens<br />
ist ein Angebot für Entscheidende,<br />
Beratende und Projektträger. Ersoll helfen,<br />
die Berücksichtigung von Chancengleichheit<br />
im Bereich arbeits- und strukturpolitischer<br />
Bildungsmaßnahmen zu beurteilen und/oder<br />
mit diesem Instrument sicherzustellen. Im<br />
Mittelpunkt stehen Bildungsmaßnahmen, die<br />
Frauen und Männern gleichermaßen offen<br />
stehen.<br />
Der Leitfaden steht als Download auf der<br />
Homepage des ZFBT zur Verfügung:<br />
http://www.zfbt.de/veroeffentlichungen/<br />
index.htm<br />
Leitfäden<br />
zur Umsetzung<br />
von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong><br />
Kapitel 6<br />
73
74<br />
7 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren<br />
Benninghoven, Cornelia<br />
Journalistin, Köln<br />
http://www.ideen-texte-moderationen.de<br />
Beauftragt von FRAU &BERUF, Münster<br />
E-Mail: frauen@muenster.de<br />
http://www.frauen-beruf-muenster.de<br />
Jung, Dörthe<br />
Inhaberin der Dörthe Jung Unternehmensberatung,<br />
Frankfurt/Main. Arbeitsschwerpunkte:<br />
Expertin für Konzept und Umsetzung<br />
von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in Verwaltung,<br />
Non-Profit-Organisationen und <strong>EQUAL</strong>-<br />
Projekten; Beratung bei betrieblichen<br />
Veränderungsprozessen; Evaluation von EU-<br />
Programmen und Projekten; Vorträge und<br />
Moderation<br />
E-Mail: info@doerthejung-consult.com<br />
http://www.doerthejung-consult.com<br />
Junker, Serena<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Technischen<br />
Universität Chemnitz, Professur<br />
Erwachsenenbildung und betriebliche<br />
Weiterbildung, Inhaberin der Fa. Geoplan<br />
International Labour Market Consulting +<br />
Research<br />
E-Mail: serena.junker@phil.tu-chemnitz.de<br />
Kanka, Wolfgang<br />
PR-Referent der Entwicklungspartnerschaft<br />
„Activating Women’s Potential for<br />
Entrepreneurship“ und freier Journalist.<br />
E-Mail: wolfgang.kanka@an-training.de<br />
http://www.awope.org<br />
Koberski, Wolfgang<br />
Leiter der Abteilung Europäische und Internationale<br />
Beschäftigungs- und Sozialpolitik des<br />
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales<br />
E-Mail: equal@bmas.bund.de<br />
http://www.bmas.bund.de<br />
Meseke, Henriette<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der<br />
Compass GmbH –Gesellschaft für Informationsmanagement<br />
und Projektentwicklung in<br />
Bremen. Arbeitsschwerpunkte: Beratung und<br />
Evaluierung zum Thema Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern sowie <strong>Gender</strong> Main-<br />
streaming im Rahmen der Strukturpolitik der<br />
Europäischen Union.<br />
E-Mail: compass-bremen@t-online.de<br />
http://www.compass-bremen.de<br />
Nielsen, Astrid<br />
Beraterin und <strong>Gender</strong>-Trainerin, Beratungsstelle<br />
FRAU &BERUF, Itzehoe<br />
E-Mail: frau-und-beruf-bea@t-online.de<br />
Savioli, Benno<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der FEED-<br />
BACK GmbH in Bremen.<br />
Schneider, Doris<br />
Beraterin und <strong>Gender</strong>-Expertin, Beratungsstelle<br />
FRAU &BERUF, Itzehoe<br />
E-Mail: frau-und-beruf-bea@t-online.de<br />
Voigt, Jana<br />
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der<br />
Technischen Universität Chemnitz, Professur<br />
Erwachsenenbildung und betriebliche<br />
Weiterbildung<br />
E-Mail: jana.voigt@phil.tu-chemnitz.de<br />
http://www.tu-chemnitz.de/phil/ebbw/<br />
mambo/<br />
Weg, Marianne<br />
Arbeitsmarkt- und <strong>Gender</strong>expertin<br />
Frau Weg war in den Jahren 1991–1999 als<br />
Abteilungsleiterin für Arbeitsmarktpolitik<br />
im damaligen Hessischen Ministerium für<br />
Frauen, Arbeit und Sozialordnung (heutiges<br />
Hessisches Sozialministerium) tätig. Heute<br />
leitet sie die Arbeitsschutzabteilung.<br />
E-Mail: marianne.weg@t-online.de<br />
Wielpütz, Renate<br />
Geschäftsführerin des FrauenComputer-<br />
ZenturmBerlin und Mitglied des Berliner<br />
„<strong>Gender</strong>-Beirats“ für die Strukturfonds in<br />
Berlin. Mitarbeit an einer Machbarkeitsstudie<br />
zur „Implementierung von <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>“<br />
im Berliner <strong>ESF</strong>.<br />
E-Mail: wielpuetz@fczb.de<br />
http://www.fczb.de
8 Literaturverzeichnis und Internetadressen<br />
Zitierte Literatur<br />
Assig, Dorothe/ Beck, Andrea (1996): Frauen<br />
revolutionieren die Arbeitswelt. Das Handbuch<br />
zur Chancengleichheit, München.<br />
Budlender, Debbie u.a. (1998): How todoa<br />
<strong>Gender</strong>-Sensitive Budget Analysis.<br />
Contemporary Research and Practice.<br />
Commonwealth Secretariat. Übersetzung<br />
und Zusammenfassung: Regina Frey, Berlin.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend (2001 a): Die Rolle des<br />
Vaters in der Familie, Berlin.<br />
Bundesministerium für Familie, Senioren,<br />
Frauen und Jugend (2001 b): Bericht zur<br />
Berufs- und Einkommenssituation von Frauen<br />
und Männern. Kurzfassung, Berlin.<br />
Dünkel, Frieder u.a. (2005): Internationale<br />
Studie zum Frauenvollzug, Reader, Greifswald.<br />
Europäische Kommission (2000): Der neue<br />
Programmplanungszeitraum 2000–2006,<br />
Technisches Papier 3, Einbeziehung der<br />
Chancengleichheit von Frauen und Männern<br />
in die Strukturfondsmaßnahmen, Luxemburg.<br />
Europarat (1998): <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>.<br />
Konzeptioneller Rahmen, Methodologie und<br />
Beschreibung bewährter Praktiken.<br />
Schlussbericht über die Tätigkeit der Group<br />
of Specialists on <strong>Mainstreaming</strong> (EG-S-MS).<br />
Deutsche Übersetzung: Bundesministerium<br />
für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz,<br />
Wien.<br />
Fries, Ursula/ Hornung, Ursula (1997): Ob<br />
Männlein oder Weiblein –das spielt keine<br />
Rolle. Frauenförderung, Gleichstellungsideologie<br />
und Politik im Mittelstand, in: WSI<br />
Mitteilungen, Heft 1/1997.<br />
Ganz, Walter (2001) (Hg.): Das Management<br />
von Erfolg und Wachstum, Stuttgart.<br />
Gschwandtner, Ulrike/ Buchinger, Birgit<br />
(2002), Wie kommt <strong>Gender</strong> in den Mainstream?<br />
Trainingsunterlagen, Salzburg.<br />
Hansen, Katrin Prof. Dr. (2005): „Wachstumspfade<br />
frauengeführter Unternehmen –kleiner<br />
bescheidener, langsamer? Mentoring als<br />
unterstützender Faktor“; Referat imRahmen<br />
des WWoE-Workshops „Forschungsergebnisse<br />
und Politikberatung“ am 18.02.2005 in Bonn.<br />
Hering, Ekbert/ Pförtsch, Waldemar/<br />
Wordelmann, Peter (2001): Internationalisierung<br />
des Mittelstandes. Strategien zur internationalen<br />
Qualifizierung in kleinen und<br />
mittleren Unternehmen, Bundesinstitut für<br />
Berufsbildung (Hg.), Berichte zur beruflichen<br />
Bildung Bd. 244, Bielefeld.<br />
Jung, Dörthe (2003 a): <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
als nachhaltige Veränderungsstrategie,<br />
in Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Geschlechterdemokratie<br />
wagen, Königstein.<br />
Jung, Dörthe (2003 b): Potenziale besser<br />
erkennen und gezielter fördern, in: IHK<br />
Wirtschaftsforum 6/03, Frankfurt/Main.<br />
Jung, Dörthe (2002): <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>:<br />
Durch den Fachkräftemangel auch für Mittelständer<br />
eine sinnvolle Strategie, in: job-ELAN,<br />
Magazin der HRB, Sonderausgabe zur Auftaktveranstaltung<br />
der Entwicklungspartnerschaft<br />
ELAN, Hannover.<br />
Jung, Dörthe/ Küpper, Gunhild (2001):<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> und betriebliche<br />
Veränderungsprozesse, Wissenschaftliche<br />
Reihe Bd. 134, Bielefeld.<br />
Jungbauer-Gans, Monika (2002), Soziale<br />
Ungleichheit, Netzwerkbeziehungen und<br />
Gesundheit, München.<br />
KfW-Bankengruppe (2005a), Unternehmensgründungen<br />
durch Frauen in Deutschland, in:<br />
WirtschaftsObserver online Nr. 3/Sept. 2005.<br />
KfW-Bankengruppe (2005b), Zahl der Vollerwerbsgründungen<br />
stabil –Kleinstgründungen<br />
weiter auf dem Vormarsch, in: Gründungsmonitor<br />
2005.<br />
Kapitel 8<br />
75
76<br />
Linde, Karin (2001), <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> –<br />
Chancengleichheit für Frauen und Männer<br />
auf den Arbeitsmärkten in Europa, in: Beitrag<br />
für Theorie und Praxis der sozialen Arbeit,<br />
AWO Bundesverband (Hg.), Nr. 7/2001, Bonn.<br />
Meseke, Henriette/ Armstroff, Thorsten<br />
(2001): <strong>Gender</strong>-<strong>Mainstreaming</strong> in der<br />
Strukturfondsförderung des Landes<br />
Brandenburg. Ein koordiniertes und integriertes<br />
Konzept zur Förderung der Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern mit Hilfe<br />
der Strukturfonds. Ministerium für Arbeit,<br />
Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes<br />
Brandenburg (Hg.), Potsdam.<br />
Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit<br />
und Frauen des Landes Brandenburg (2001),<br />
Machbarkeitsstudie „<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in der Strukturfondsförderung des Landes<br />
Brandenburg“, Brandenburg.<br />
Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft<br />
und Forsten des Landes Brandenburg (1999):<br />
Bericht zur Lage der Land- und Ernährungswirtschaft<br />
des Landes Brandenburg, Potsdam.<br />
Nispel, Andrea (2000), Evaluation von geförderten<br />
Existenzgründungen, Studie für die<br />
Arbeitsagentur Frankfurt/M.<br />
http://www.andrea-nispel.de<br />
Operationelles Programm Mecklenburg-<br />
Vorpommern: Förderperiode 2000–2006 CCI<br />
Nr.: 1999 DE 16 1PO004. Ergänzung zur<br />
Programmplanung vom 08.06.2001, red.<br />
Überarbeitung vom 23.10.2001.<br />
Piorkowsky, Michael-Burkhard (2005), Neue<br />
Kulturen unternehmerischer Selbstständigkeit,<br />
in: Perspektiven für Land &Leute: regionale<br />
Kooperationen für Existenzgründungen.<br />
Dokumentation der Tagung vom 01. Februar<br />
2005 in Berlin, Bundesministerium für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.).<br />
Download unter: http://www.bmfsfj.de/<br />
Publikationen/perspektiven/2-Reden/<br />
Schweikert, Birgit (2002): Alles <strong>Gender</strong> –<br />
oder? Die Implementierung von <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> auf Bundesebene, in: <strong>Gender</strong><br />
Mainstrea-ming –eine Innovation in der<br />
Gleichstellungspolitik, Bothfeld, Silke u.a.<br />
(Hg.), Frankfurt/Main.<br />
Stiegler, Barbara (2000): Wie <strong>Gender</strong> in den<br />
Mainstream kommt: Konzepte, Argumente<br />
und Praxisbeispiele zur EU-Strategie des<br />
<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong>, in: Expertisen zur<br />
Frauenforschung, Friedrich Ebert Stiftung<br />
(Hg.), Abt. Arbeit und Sozialpolitik, Bonn.<br />
Stiftung Warentest (2003), Existenzgründung,<br />
in: Finanztest extra, Oktober 2003, S. 85.<br />
Teilprojekt „Anpassungsausbildung Gebäudereiniger“<br />
der Entwicklungspartnerschaft<br />
BABE (2005), Fortentwicklung der beruflichen<br />
Bildung in der Justizvollzugsanstalt<br />
Neumünster –„Qualifizierung zum Gebäudereiniger“,<br />
Unveröffentlichter Bericht,<br />
Neumünster.<br />
Voigt, Jana (2003), Neue Wege? <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong>. Dokumentation des <strong>Gender</strong>trainings<br />
der Gemeinschaftsinitiative <strong>EQUAL</strong><br />
Entwicklungspartnerschaft „Regionales<br />
Tourismusnetzwerk Lausitz am 12./13.04.2002<br />
in Görlitz, Institut für Weiterbildung und<br />
Organisationsentwicklung e.V.(Hg.), Chemnitz.<br />
Download unter: http://www.equal-lausitz.de/<br />
Veröffentlichungen/<br />
Weg, Marianne (2002): <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong><br />
in den Bundesländern: Zwischenbilanz<br />
und Perspektiven, Wiesbaden.
Zitierte Internetadressen<br />
http://www.equal-esf.at<br />
<strong>EQUAL</strong>-Portal des österreichischen Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Arbeit<br />
http://www.evaluation-equal.de<br />
Website der <strong>EQUAL</strong>-Programmevaluation<br />
http://www.gem.or.at/de/<br />
GeM Koordinationsstelle <strong>Gender</strong><br />
<strong>Mainstreaming</strong> im <strong>ESF</strong> (Österreich)<br />
http://www.gender-budgets.de<br />
Initiative für eine geschlechtergerechte<br />
Haushaltsführung in Berlin<br />
http://www.gender-mainstreaming.net<br />
<strong>Gender</strong>-Portal des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
http://www.gib.nrw.de/download/index.htm<br />
Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung<br />
NRW mbH (G.I.B. NRW): Leitfaden<br />
für <strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in betrieblichen<br />
Beratungsprojekten<br />
http://www.g-i-s-a.de<br />
<strong>Gender</strong>-Institut Sachsen-Anhalt<br />
http://www.pakte.at<br />
Website der Territorialen Beschäftigungspakte<br />
(TEP) in Österreich<br />
http://www.spiconsult.de<br />
Informationen zum Projekt „Von der Strategie<br />
zur Praxis –<strong>Gender</strong> <strong>Mainstreaming</strong> in<br />
Förderprojekten der Europäischen Strukturfonds“<br />
http://www.zfbt.de<br />
Zentrum Frau in Beruf und Technik (ZFBT)<br />
http://www.zfbt.de/veroeffentlichungen/<br />
index.htm<br />
Leitfaden zur Berücksichtigung und Überprüfung<br />
der Geschlechterperspektive in<br />
Bildungsmaßnahmen<br />
Literatur<br />
und<br />
Internetadressen<br />
Kapitel 9<br />
77
Gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales<br />
und den Europäischen Sozialfonds