Stadtbuch Wien 1983. Falter Verlag Wien 1983 Mit ... - Christian Reder
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"Bürgerlichen" zugeordnet wurde, fehlt offenbar derzeit ein Bedürfnis, sich auf<br />
vergleichbare Weise immer wieder auf der Straße zu zeigen. Reste der alten Aufteilung<br />
lassen sich jedoch noch beobachten: Auf dem Rathausplatz finden Demonstrationen<br />
statt, die nicht auf den Heldenplatz passen und umgekehrt.<br />
Auf der Westseite<br />
Direkt hinter dem Burgtheater, in der Löwelstraße 18, hat die Sozialistische Partei<br />
Österreichs ihren Sitz. Unmittelbar daneben haben die Niederösterreichische<br />
Landwirtschaftskammer (deren Direktoren Dollfuß und Figl gewesen sind) und die<br />
Niederösterreichische Volkspartei ihre Büros. Von der Bundes-ÖVP ist als Zentrale das<br />
Haus gegenüber der rechten Seitenfront der Staatsoper gewählt worden<br />
(Kärntnerstraße 51) und ein paar Häuser weiter ist die Freiheitliche Partei Osterreichs<br />
untergebracht (Kärntnerstraße 28).<br />
M Burgtheater selbst war während des Krieges der Schauspieler Otto Hartmann tätig.<br />
Er ist 1947 zu lebenslangem Kerker verurteilt worden, weil er als Gestapo-Spitzei die<br />
Widerstandsgruppen um den Chorherren-Priester Roman Scholz, um den<br />
Finanzbeamten Karl Lederer und den Rechtsanwalt Jakob Kastelic verraten hatte, die<br />
daraufhin mit sechs anderen 1944 hingerichtet worden sind. Die Zentrale und kleine<br />
Druckerei der Gruppe Scholz befand sich im Gartentrakt des großen Gründerzeitblocks<br />
direkt neben Eichmanns, erstem <strong>Wien</strong>er Hauptquartier (Prinz Eugen-Straße 14).<br />
Auf der Treppe der Universität ist 1936 der Philosoph Moritz Schlick ("<strong>Wien</strong>er<br />
Schule“), von einem rechtsradikalen Attentäter erschossen worden. Vier Straßen hinter<br />
der Universität liegt das Landesgerichtsgebäude, in dem während der NS-Herrschaft<br />
1.184 Menschen hingerichtet wurden (Gedenkstätte). Für Wehrmachtsangehörige, die<br />
von Kriegsgerichten verurteilt worden sind (vielfach vom Militärgerichtshof in der<br />
heutigen Trostkaserne, 10., Troststraße 105) ist dafür die Schießstätte Kagran benutzt<br />
worden. Sie befand sich auf dem Gelände zwischen Alter Donau und der neuen UNO-<br />
City, das heute eine Sportanlage der Eisenbahner ist (22., Kratochwijlestraße) .<br />
In der Votivkirche auf dem ehemaligen Maximilans-, Freiheits-, Dollfuß-, Göring- und<br />
jetzigen Rooseveltplatz sind Franz Jägerstätter, der 1943 wegen aus<br />
Gewissensgründen beanspruchter Wehrdienstverweigerung hingerichtet worden ist und<br />
der Todesstiege im KZ Mauthausen große Glasfenster gewidmet. Auf dem einen hält<br />
ein Mann in blauem Trachtenanzug eine entzweigerissene Hakenkreuzfahne, das<br />
andere zeigt einen. kreuzbeladenen Christus, der eine Häftlingsgruppe anführt. In den<br />
rechten Eckpfeiler der Vorderfront ist ein 05-Zeichen eingemeißelt. Die Kirche ist, als<br />
ältestes Ringstraßengebäude, aus Dank für das Mißlingen des am 18. Februar 1853 auf<br />
Kaiser Franz Josef verübten Attentates erbaut worden. Der Attentäter, der ungarische<br />
Schneidergehilfe Janos Libeny, wurde auf der Simmeringer Haide hingerichtet. In der<br />
auf die Kirche seitlich zulaufenden HörIgasse kam es am 15. Juli 1919 zu einer blutig<br />
niedergeschlagene Demonstration (20 Tote, 70 Schwerverletzte), die als KP-<br />
Putschversuch interpretiert wurde. Der zuständige Polizeipräsident hieß Joham<br />
Schober.<br />
Im Hotel Regina fand am 10. März 1938, unmittelbar vor dem "Anschluß" eine Sitzung<br />
der illegalen NS-Gauleiter Österreichs statt, an der unter anderen auch die späteren<br />
Kriegsverbrecher Seyß-Inquart, Odilo Globocnik und Friedrich Rainer teilnahmen:<br />
Dabei war noch einmal von einem unabhängigen, aber NS-dominierten Osterreich die<br />
Rede. So eindeutig war der Weg zum "Anschluß" also selbst für diese Kreise nicht