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Stadtbuch Wien 1983. Falter Verlag Wien 1983 Mit ... - Christian Reder

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vorgezeichnet. Im Häuserblock hinter dem Hotel ist das Anatomische Institut<br />

untergebracht (9., Währingerstraße 21). Dort wurden Anfang 1939, als nach den<br />

Sudetenländem auch die Rest-Tschechoslowakei besetzt werden sollte, auf Befehl<br />

Hitlers einige erschlagene und verstümmelte Leichen vorbereitet, die gegebenenfalls<br />

der internationalen Presse als Deutsche und damit als Einmarschgrund vorzeigbar sein<br />

sollten. Im Chemischen Institut in der Währingerstraße 38 erschoß in den letzten<br />

Kriegstagen der Professor Jörn Lange die Assistenten Kurt Horeischy und Hans<br />

Vollmar, weil sie die Zerstörung wertvoller Instrumente verhindern wollten. Etwas weiter<br />

stadtauswärts stürzte sich am 16. Marz 1938 Egon Friedell aus dem Fenster seiner<br />

Wohnung (18., Gentzgass 7). Das war einer der 1.358 in diesem Jahr in <strong>Wien</strong><br />

registrierten Selbstmorde (derzeit sind es jährlich immer etwa 400).<br />

Ecke Schottenring und Währingerstraße gab es damals noch das Cafe Victoria. Es<br />

war wie viele andere Cafes ein Stützpunkt illegaler Nationalsozialisten. Zellenleiter, der<br />

<strong>Mit</strong>glieder aufnahm und betreute, war dort der Portier. Vom alten Café Central<br />

(Herrengasse 14) wird üblicherweise nur der bekannte Spruch über Leo Trotzki-<br />

Bronstein zitiert: "Revolution in Rußland? Wer soll denn die machen? Vielleicht der Herr<br />

Bronstein aus'm Café Central?". Dort hat zum Beispiel aber auch ein in den NS-<br />

Putschversuch vom 25. Juli 1934 eingeweihter Polizeibeamter, der Skrupel bekommen<br />

hatte, hohrangige Behördenvertreter über das anlaufende Vorhaben informiert. Kurz<br />

zuvor hatte er dasselbe im Café Weghuber (7., Museumstraße 5) versucht, ohne daß<br />

die in der Turnhalle Siebensterngasse 11 versammelten SS-Leule noch rechtzeitig<br />

aufgehalten wurden. Zwei Tage früher hatte im Cafe Eiles (8., Josefstädter Straße 2) die<br />

letzte Besprechung der Putschistenführer Otto. Wächter (im Krieg Gouverneur von<br />

Galizien), Rudolf Weydenhammer und Fridolin Glass stattgefunden. Im Café Girardi im<br />

4. Bezirk, war im Jänner 1938 die gesamte Führung der SA-Brigade 2 verhaftet worden.<br />

Dollfuß wohnte im Haus des Café Bräunerhof (Stallburggasse 2). Vom ehemaligen Cafe<br />

de l'Europe aus (Stephansplatz 8a) beobachtete der <strong>Wien</strong>er Polizeipräsident Steinhäusl<br />

am 8 . Oktober 1938 den Sturm von Nationalsozialisten auf das Erzbischöfliche Palais,<br />

ohne irgendetwas dagegen zu veranlassen. Das Cafe Wunderer (14., Hadikgasse 62)<br />

war hingegen bereits 1938 ein wichtiger Treffpunkt der Widerstandsgruppe des später<br />

hingerichteten Jakob Kastelic. Im ehemaligen Café Siller (Postgasse 19) wurde Anfang<br />

März 1934 für die im Entstehen begriffene Nachfolgeorganisation der zerschlagenen<br />

SPÖ der Name »Revolutionäre Sozialiste." festgelegt. Das alte Café Meteor im 3. Bezirk<br />

ist etwas später ein wichtiger <strong>Mit</strong>telpunkt der illegalen Arbeiterbewegung geworden.<br />

Der Weg vom Schottenring in die Innenstadt wird vom Hauptgebäude der<br />

Creditanstalt, der größten österreichischen Bank, beherrscht. 1931, kurz vor dem<br />

Tiefpunkt der damaligen Weltwirtschaftskrise (mit annähernd 600.000 Arbeitslosen in<br />

Österreich) stand auch sie vor dem Zusammenbruch. Ihr Hauptaktionär war damals<br />

Louis Nathaniel Rothschild, das letzte Oberhaupt der “österreichischen Rothschild-<br />

Linie“. Die damalige Regierung musste deswegen zurücktreten. Zur Sanierung der Bank<br />

wurde schließlich am 1. Oktober 1932 zum ersten Mal das kriegswirtschaftliche<br />

Ermächtigungsgesetz angewandt, das es der Regierung ermöglichte, auch ohne<br />

Parlament zu handeln und die entsprechenden <strong>Mit</strong>tel zu bewilligen. Auf dasselbe<br />

Geset.z stützte sich dann der autoritäre Ständestaat, um dem Parlamentarismus zu<br />

entgehen und der Opposition ihre politischen Möglichkeiten zu nehmen. In der<br />

Helfersdorferstraße 2-4, zwei Häuser neben der Bank, hatte vor 1938 die illegale<br />

NSDAP ihre 'Parteizentrale für Österreich. Dort führt ein Durchgang in den Komplex des

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