Kälte aus der Steckdose - Forschen-Entdecken
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und die Ärzte<br />
„Die Gen<strong>der</strong>-Medizin steckt<br />
noch in den Kin<strong>der</strong>schuhen. Da<br />
wird sicher auch in Österreich<br />
noch viel erforscht werden.“<br />
Jeanette Strametz-Juranek, Kardiologin<br />
<strong>Forschen</strong> & <strong>Entdecken</strong> Gen<strong>der</strong>-Medizin<br />
07<br />
Frauen sind an<strong>der</strong>s, so viel steht<br />
fest. Aber lange Zeit ist die Medizin<br />
nicht auf ihre klinischen und<br />
sozialmedizinischen Bedürfnisse<br />
eingegangen. Die junge Disziplin<br />
<strong>der</strong> Gen<strong>der</strong>-Medizin soll das<br />
än<strong>der</strong>n. Text: Kl<strong>aus</strong> Kamolz, Fotos: Lukas Beck<br />
Es ist eine Geschichte, die ans Herz geht – im emotionalen<br />
wie klinischen Sinn. Es ist die Geschichte von Yentl,<br />
<strong>der</strong> jungen Jüdin, <strong>der</strong>en Traum es ist, Talmud zu studieren,<br />
was im Osteuropa des beginnenden 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
allein Männern vorbehalten ist. Isaac Bashevis Singer hat<br />
sie 1962 geschrieben; in <strong>der</strong> Verfilmung mit Barbra Streisand<br />
ist sie berühmt geworden. Yentl verwandelt sich in<br />
einen jungen Mann, lässt Haare, nennt sich Anshel und<br />
wird zum Musterschüler des Talmudlehrers. Aber die<br />
junge Frau muss ein verstecktes Leben führen; sie muss<br />
ständig „beweisen“, ein Mann zu sein.<br />
Die amerikanische Kardiologin Bernardine Healy<br />
erinnerte sich an Yentl, als sie 1991 – damals in ihrer Funktion<br />
als Direktorin des National Institute of Health (NIH)<br />
– im New England Journal of Medicine einen Bericht über<br />
die Behandlungsmethoden von Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
schrieb. „Eine Frau muss erst beweisen, so herzkrank<br />
zu sein wie ein Mann, um dieselbe Behandlung zu<br />
erhalten“, schrieb sie. Sie nannte ihre These das „Yentl-<br />
Syndrom“. 1999 erschien dann eine Studie <strong>der</strong> Georgetown-Universität,<br />
die das „Yentl-Syndrom“ klar bestätigte.<br />
Kevin Schulman hatte Männer und Frauen verschiedener<br />
Ethnien und Rassen mit identen Schil<strong>der</strong>ungen von<br />
Symptomen zu Ärzten geschickt. Das Ergebnis: Schwarze<br />
Frauen und Immigrantinnen haben die geringste Chance<br />
auf eine adäquate Therapie, doch auch die Unterschiede<br />
in <strong>der</strong> Behandlung von weißen Frauen und Männern sozial<br />
besser gestellter Gesellschaftsschichten sind enorm.<br />
Frauen wird die komplette Bandbreite <strong>der</strong> Behandlungsmethoden<br />
viel häufiger vorenthalten, sie werden weniger<br />
oft zu weiter führenden Untersuchungen überwiesen und<br />
stattdessen vermehrt mit Medikamenten abgespeist, die an<br />
ihnen nicht einmal <strong>aus</strong>führlich getestet wurden.<br />
Es ist im Grunde ein paradoxer Zustand. Im Zeitalter <strong>der</strong><br />
Hightech-Medizin werden Frauen immer noch in vielen<br />
Belangen an<strong>der</strong>s – soll heißen weniger effizient – behandelt.<br />
Umgekehrt aber gibt es in etlichen Bereichen, die spezifische<br />
Zugänge erfor<strong>der</strong>n würden, eine Gleichbehandlung.<br />
Was damit gemeint ist, formuliert die amerikanische<br />
Ärztin Marianne Legato so: „Die meisten Ärzte neigen<br />
dazu, alle ihre Patienten so zu behandeln, als gäbe es nur<br />
ein Geschlecht: das männliche.“ Wichtige Faktoren bleiben<br />
dabei auf <strong>der</strong> Strecke: Größe, Statur, Hormonh<strong>aus</strong>halt, ▼