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Mensch werden In den letzten Wochen hatte ich das große Glück, in Kolumbien sein zu dürfen. Die vor-adventliche Stimmung bei mittlerer Hitze war mir fremd, die für unseren Geschmack kitschige Weihnachtsdekoration war schon gewöhnungsbedürftig. Mit einer Gruppe pastoraler Mitarbeiter/innen aus dem Bistum besuchten wir nicht nur die Armutsviertel Bogotas, hörten von Unruhen und Kämpfen, Gewalt und Bedrohung, wir hatten auch die große Freude, in viele kleine Projekte zur Beseitigung der ärgsten Not und damit in viele leuchtende Augen sehen zu können. Mit dem Erzbischof von Manizales z.B. besuchten drei „Aachener“ ein armseliges Haus mitten in der Stadt. Der Erzbischof kannte sich aus und ging voraus. Immer mehr Männer mittleren bis höheren Alters schauten uns neugierig an – den Erzbischof und die Leute aus dem fernen Deutschland. Als wir viele Hände geschüttelt hatten, wurden wir in einen Raum geführt, der übervoll war mit Männern, die offensichtlich versuchten, einen richtig guten Eindruck zu machen. Der Erzbischof stand in ihrer Mitte und sprach mit ihnen, ermutigte sie und sang und betete mit ihnen. Als einige ihre Geschichte erzählten, wurde mir klar, dass diese Menschen alle eine fragwürdige Karriere nach unten hinter sich hatten, vom Leiter dieser Einrichtung, einem ständigen Diakon, von der Straße aufgelesen worden waren. Sie schauten mir in die Augen voller Dankbarkeit – und das nur, weil ich aus Aachen komme, dem „gelobten Land“ und weil ich sie besuchte. Ein Mann erzählte, dass er als Sternekoch in den besten Häusern dieser Welt gekocht hatte, dann durch widrige Umstände seine „Drogenkarriere“ begann und er auf den dreckigen Straßen von Manizales zu enden drohte. Dann kam er in dieses Hoffnungshaus. Nach seinen eigenen Worten, hat er die noblen Küchen dieser Welt eingetauscht gegen eine ganz einfache Küche, die für ihn inzwischen „die beste der Welt“ ist, wie er erzählte. Ein Neuanfang. Er kocht jetzt für diese 80 ehemals obdachlosen Männer. Strahlend und stolz servierte er uns in Plastikschälchen mit Plastiklöffeln einen Obstsalat in einer Creme. Den besten Obstsalat, den ich je gegessen habe! Ich komme jetzt noch ins Schwärmen, wenn ich daran denke. In dieser Gruppe und bei den Lebensgeschichten dieser Menschen wurde mir schlagartig klar, dass hier Menschwerdung geschieht. Menschen werden von Einzelnen, die die Spur des Evangeliums aufgenommen haben, aus dem Dreck der Straße geholt. Sie können ihre Fähigkeiten einbringen, sie „sind wieder jemand“. Sie erfahren die Hilfe, die sie brauchen, um wieder Würde und Menschlichkeit erleben zu können. Hier passiert Weihnachten. Jeden Tag. Die dankbaren Augen, die uns verabschiedeten, das „muchos gracias!“ und der ehrliche Dank dieser Menschen werden uns noch lange in Erinnerung bleiben. Gott wird Mensch, damit wir Menschen sein können. Weihnachten im Hinterhof dieser Welt. Ich spüre, es ist genau das, was wir in jeder Heiligen Nacht vorlesen. Der selbstgemachte Rosenkranz in den Farben Kolumbiens, der mir geschenkt wurde, hat einen Ehrenplatz bekommen. Frohe Weihnachten und ein dankbares Herz – mein Wunsch für uns alle! 3 Uschi Weisgerber
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