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Berlin Mitte 4. Tag - Institut für Raumgestaltung

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Die Mutter aller Wohnmaschinen<br />

von Antje Hildebrandt<br />

Wenn morgens die Sonne über dem Prenzlauer Berg aufgeht, sitzt sie in der ersten Reihe. Es ist ein atemberaubendes<br />

Schauspiel, das sich ihr an manchen <strong>Tag</strong>en hier oben bietet, in der 13. Etage des Corbusier-Hauses in <strong>Berlin</strong>-<br />

Charlottenburg.<br />

Ein orange-roter Ball hüpft in Zeitlupe über den Alexanderplatz, bevor er mittags wieder aus ihrem Blickfeld verschwindet.<br />

Sie muss dann ins gegenüberliegende Wohnzimmer eine Etage tiefer hinuntersteigen, um zu erleben,<br />

wie der Feuerball nachmittags über den Grunewald steigt und abends hinter dem Rathausturm Spandau verschwindet.<br />

Heute ist wieder so ein <strong>Tag</strong>, keine Wolke am Himmel. Man sieht nur die weißen Kratzer, die die Flugzeuge ins Blau<br />

gezogen haben. „Kommen Sie“, sagt Ingeburg Krause feierlich, „ich lege Ihnen <strong>Berlin</strong> zu Füßen.“ Mutter Krause, wie<br />

die 81-Jährige im Haus genannt wird, steigt ächzend die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf. Ganze Gruppen von<br />

Architekturstudenten hat sie schon in ihr Allerheiligstes gelassen. Andere Nachbarn schlagen den Besuchern gleich<br />

die Tür zu. Mutter Krause macht sie auf. Sogar jetzt, da sich der 50. Geburtstag des Corbusierhauses nähert und<br />

immer häufiger auch unangemeldet Menschen an ihrer Tür klingeln – 8. Wohnstraße, Appartement Nr. 849 –, und<br />

fragen, ob sie hereinkommen dürften.<br />

In der Tür steht eine rüstige Frau, der man ihre 81 Jahre nicht ansieht. Sie sei eben ein unbürgerlicher Mensch, sagt<br />

sie lachend, während sie den Besuch durch ihre vier Wände führt. Es ist keine luxussanierte Wohnung, wie man<br />

sie bei Nachbarn finden kann, die erst in den vergangenen Jahren nachgerückt sind. Mit Corbusier-Liegen in den<br />

Wohnzimmern und roten Dreiecken an den Wänden.<br />

Alles sieht noch genauso aus wie vor einem halben Jahrhundert, als sie und ihr Mann hier einzogen. Die Essecke<br />

mit den Teakholzmöbeln. Die wuchtigen Schränke, die sie irgendwann geerbt hatten. Das winzige Bad, von dem sie<br />

sagt, 50 Jahre Sanitärgeschichte seien spurlos an ihm vorübergegangen.<br />

Es ist nicht so komfortabel wie die Design-Bäder, die die jungen Leute in ihre Appartements eingebaut haben – im<br />

Stil der klassischen Moderne, passend zum übrigen Interieur. Ingeburg Krause hat die untere Hälfte der Wand<br />

ockergelb und die obere hellblau gestrichen. Wellen kräuseln sich auf nacktem Beton. „Das ist der Strand an der<br />

ligurischen Küste“, sagt die Italienliebhaberin.

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