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Berlin Mitte 4. Tag - Institut für Raumgestaltung

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Für eine Architektur der Teilhabe Peter Sloterdijk<br />

Notiz zur Kunst Daniel Libeskinds mit Rücksicht auf Maurice Merleau-Ponty und Paul Valéry<br />

Für eine neue Poetik des Raumes<br />

Jüdisches Museum _Daniel Libeskind<br />

Man wird im Rückblick eines <strong>Tag</strong>es erkennen, dass das Jahr 1999 in der Geschichte der modernen Architektur einen Meilenstein,<br />

um nicht zu sagen eine Zäsur darstellte. Mit der Fertigstellung von Daniel Libeskinds Gebäude <strong>für</strong> das jüdische Museum in<br />

<strong>Berlin</strong> und seiner Übergabe an die Öffentlichkeit im Januar eben dieses Jahres, vollzog sich etwas, was man in der Sprache der<br />

Chaostheorie eine Fulguration nennen würde – ein Blitzschlag in dem die Partikel der umgebenden Atmosphäre zu einem neuen<br />

Muster geordnet wurden. Wenn ein Blitz zu einem Gebäude wird – wie das aussehen kann, läßt sich in <strong>Berlin</strong> am Schnittpunkt<br />

der Markgrafenstraße und Lindenstraße mit freiem Auge beobachten.<br />

Das Ereignis vollzog sich, <strong>für</strong> alle hinreichend nahen Zeugen deutlich spürbar auf drei Ebenen zugleich. Auf der ersten und sichtbarsten<br />

Ebene artikuliert sich dieses Gebäude als artistisches Phänomen – als eine Apparition im starken Sinne des Wortes. Es<br />

blitzt in seiner Umgebung auf, wie eine unerwartete, unverdiente, uneinholbare Singularität – ein Gebäude mit dessen Errichtung<br />

und Fertigstellung das Abenteuer der Architektur im 20. Jahrhundert sich gleichsam kontrahiert, um in ihm wie von Neuem zu<br />

beginnen. Es dürfte in der Geschichte der Baukunst wenige Gebilde gegeben haben, die so wie dieses unter einem individuellen<br />

Gesetz stehen, ausgestattet mit kanonischer Kraft <strong>für</strong> etwas was es seiner Natur nach doch nur einmal geben kann. Neben all<br />

seinen übrigen Bedeutungen und Widmungen ist dieses Gebäude prima und ultima facie ein Manifest der architektonischen Moderne,<br />

die sich nach einer hundertjährigen Geschichte zu sich bekennt und sich in höchster Bewusstheit noch einmal ihrer <strong>Mitte</strong>l<br />

vergewissert. Kunststück in jedem Detail, Kunstwerk kraft seiner souveränen Disposition, ist das Bauwerk erfüllt von einem Jubel<br />

der Höchstschwierigkeiten – in diesen Räumen hält der Gott der Architekten selbst den Atem an. Der Besucher freilich sieht sich<br />

in eine Atmosphäre meisterlicher Diskretion versetzt, fern von Belehrung und äußerer Überwältigung.<br />

Ereignis ist dieses Gebäude auch durch den Zeitpunkt und mehr noch durch den Ort seiner Errichtung. Als die Stadt <strong>Berlin</strong> gegen<br />

Ende der achziger Jahre den Auftrag <strong>für</strong> den Neubau eines jüdischen Museums an einer exponierten Stelle der Stadt vergab,<br />

lag auf der Hand, dass an diesem Projekt ein hoher moralischer und geschichtspolitischer Anspruch haftete. Libeskind, der<br />

schon damals aufgrund seines ungebauten Werks zu den Großen der zeitgenössischen Architektur zählte, erkannte in diesem<br />

Unternehmen die Gelegenheit zu einer singulären ethischen und ästhetischen Geste; sein Umzug nach <strong>Berlin</strong>, den er um 1990<br />

gemeinsam mit seiner Familie vollzog, um sich vorbehaltlos in das Projekt versenken zu können, war mehr als ein Zugeständnis<br />

an die Praxis. Es war ein Bekenntnis zu der <strong>Berlin</strong>er Chance und ein Zeichen des Willens, sich in der gegenwärtigen deutschen<br />

Wirklichkeit zu positionieren. Als Wahlberliner nahm Libeskind die Gelegenheit wahr, die Stadt in mehrfacher Hinsicht als Arbeits-

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