Psychologie und Sprache - aware – Magazin für Psychologie
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Bildquelle: Chrys Zumstein/chryszumstein.ch<br />
[...] hängt zusammen mit einer generellen Bewertung<br />
menschlicher Sexualität <strong>und</strong> der Rollen<br />
von Mann <strong>und</strong> Frau» (D<strong>und</strong>e, 1990). Daher<br />
fokussiere ich im Folgenden die Unterschiede<br />
der Beschreibungen von Homosexualität beider<br />
Geschlechter. Auf Erklärungen der Abneigung<br />
gegen Homosexualität sui generis wird in diesem<br />
Rahmen verzichtet.<br />
Beginnen wir mit der «schwulen Homophobie».<br />
In einem ersten Schritt kann man die Wortherkunft<br />
analysieren. Im Gegensatz zur Bezeichnung<br />
«lesbisch», welche von der auf der griechischen<br />
Insel Lesbos lebenden <strong>und</strong> Frauen<br />
besingenden Dichterin Sappho herrührt, ist<br />
«schwul» schon in seiner Ursprungsbedeutung<br />
negativ konnotiert. Es bedeutet ursprünglich<br />
schwül <strong>und</strong> bezeichnet einen<br />
heissen, bedrückenden Zustand,<br />
metaphorisch auch als «auf heissem<br />
Boden stehen» beschrieben.<br />
Wahrscheinlich wurde es au<br />
Gr<strong>und</strong> der einschlägigen Atmosphäre<br />
der Lokale, in denen sich<br />
schwule Männer trafen, auf diese<br />
übertragen (Küpper, 1984,<br />
S. 2604). Zweitens greife ich die<br />
Assoziation mit AIDS auf. Wegen<br />
des grösseren Ansteckungsrisikos<br />
bei rektalem Geschlechtsverkehr<br />
wurde vor allem<br />
während der 80er Jahre der HI-<br />
Virus mit dem Namen «Schwulenseuche»<br />
besetzt. Auch heute<br />
dürfen männliche Homosexuelle<br />
kein Blut spenden, frauenliebende<br />
Frauen hingegen schon.<br />
Die Vermutung liegt nahe, dass<br />
dieser Umstand mit einer stärkeren<br />
negativen Tradierung<br />
männlicher Homosexualität zusammenhängt<br />
(D<strong>und</strong>e, 1990).<br />
Letztlich ist die Rolle des Androzentrismus<br />
der westlichen Kultur<br />
anzusprechen. Männer standen<br />
bereits zu Paulus Zeiten im Zentrum<br />
der abendländischen Gesellschaft<br />
<strong>und</strong> damit auch deren Sexualität.<br />
Währenddessen wurde der Frau <strong>–</strong> trotz ihrer<br />
biblischen Rolle als fleischliche Verführerin <strong>–</strong> im<br />
realen Leben jegliche sexuelle Aggressivität abgesprochen<br />
(Peters, 2001). Auch heute machen sich<br />
noch Überbleibsel der patriarchischen Gesinnung<br />
in der Wissenschaft bemerkbar: «Sexuologische<br />
Forschung wurde in der Regel von Männern an<br />
Männern betrieben. Daher ist die Literatur zur<br />
Lesbizität schmal <strong>und</strong> sexuologisch wenig aussagekräftig»<br />
(Skinner, 2001, S. 214).<br />
Weibliche Homosexualität im Kontrast<br />
Mit Einbezug der christlichen Lehre sind wir<br />
bereits in die Thematik der weiblichen Homosexualität<br />
<strong>und</strong> deren Tradierung eingetaucht.<br />
Nach dem Kult der asexuellen Frauenfre<strong>und</strong>-<br />
PSYCHOLOGIE IM ALLTAG<br />
HS12<strong>aware</strong> 41<br />
schaften Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts fand ein<br />
einschneidender Gesinnungswechsel der westlichen<br />
Gesellschaft statt. Die weibliche Homosexualität<br />
wurde sexualisiert. Der Wandel war<br />
drastisch, denn von nun an stand lesbischer Sex<br />
im Mittelpunkt der Diskussion, wo zuvor noch<br />
nicht einmal eine Triebhaftigkeit angenommen<br />
wurde. Vor allem in den letzten Jahrzehnten<br />
nahm die Darstellung lesbischer Liebe vornehmlich<br />
einen «subtil unterhaltenden, voyeuristischen»<br />
Charakter an. Darüber hinaus existierten<br />
lesbische Frauen nicht in der öffentlichen<br />
Wahrnehmung. «Lesbisch sein wird in Erotikmagazinen<br />
als moderner Trend dargestellt,<br />
sexy, reizvoll, exotisch in seiner Art, in keiner<br />
Weise aber gesellschaftliche Prämissen in Frage<br />
stellend» (Peters, 2001, S. 205). Eine weitere<br />
Parallele ist wichtig zum Verständnis der<br />
«Ent-Erwähnung» der Lesbizität, nämlich die<br />
zur ersten <strong>und</strong> zweiten Frauenbewegung. Nicht<br />
nur, dass die Pathologisierung der weiblichen<br />
Homosexualität den Gegnern der Emanzipation<br />
sehr gelegen kam, auch die feministisch aktiven<br />
heterosexuellen Frauen entwickelten<br />
eine Homophobie, um der Glaubwürdigkeit<br />
ihrer eigenen politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />
Interessen Willen (Peters, 2001). Somit<br />
wurde <strong>und</strong> wird bis heute versucht, die lesbische<br />
Liebe tunlichst aus dem öffentlichen<br />
Diskurs zu verbannen <strong>und</strong> auf ihren sexuellen<br />
Reiz zu reduzieren. Die Homophobie hingegen<br />
blieb <strong>und</strong> findet bis heute Einzug in den alltäglichen<br />
Sprachgebrauch.<br />
Zum Weiterlesen<br />
Hoberg, R. (Hg.). (2001) <strong>Sprache</strong> <strong>–</strong> Erotik<br />
<strong>–</strong> Sexualität. Berlin: Erich Schmidt.<br />
Küpper, H. (1984). Illustrierters Lexikon<br />
der deutschen Umgangssprache. In 8 Bänden.<br />
Stuttgart: Klett.<br />
Pfeiffer, H. (1997). Das grosse Schimpfwörterbuch.<br />
Über 10.000 Schimpf-,<br />
Spott-, <strong>und</strong> Neckwörter zur Bezeichnung<br />
von Personen. Frankfurt a. M.: Eichborn<br />
Verlag.