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Die Sektion in Aktion! 1 I 2012 - Aachen

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Text und Fotos:<br />

Horst Wernerus<br />

Cengalopfeiler 3369m<br />

… Unterwegs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em alp<strong>in</strong>en Klassiker mit Pr<strong>in</strong>ten, Gummibärchen, aber ohne Feuer.<br />

Das Bergell, wild romantisch fällt<br />

das Tal von Maloja im Oberengad<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> drei Stufen steil h<strong>in</strong>unter bis nach<br />

Chiavenna <strong>in</strong> Italien. Der historisch bedeutsame<br />

Septimerpass verb<strong>in</strong>det die<br />

Orte Bivio im Norden und Casaccia im<br />

Süden. <strong>Die</strong> Septimerroute von Chur bis<br />

nach Ciavenna war über lange Zeit e<strong>in</strong>er<br />

der wichtigsten alpenquerenden Transitverb<strong>in</strong>dungen.<br />

Viele Wege und Pfade im<br />

Bergell zeugen von dieser Zeit. <strong>Die</strong> Wanderwege<br />

durch sonnige Südhänge entlang<br />

der Dörfer s<strong>in</strong>d sehr verlockend.<br />

Der Blick von Solgio auf die riesige gegenüberliegende<br />

Felskette aus kompaktem<br />

Bergeller Granit ist mehr als bee<strong>in</strong>drukkend.<br />

Aus ihr erheben sich namhafte Felsgestalten<br />

wie Badile oder Cengalo. Steil<br />

über dem Val Bondasca erheben sich<br />

die großen und kompakten Nordwände.<br />

Klettergeschichte wurde hier 1923 ge-<br />

schrieben, als zum ersten Mal die etwa<br />

1200 m lange Nordkante des Piz Badile<br />

durchstiegen wurde. 1937 folgte e<strong>in</strong>e<br />

weitere berühmte Route an der Badile,<br />

die Via Cass<strong>in</strong> durch die Nordostwand.<br />

Zeitgleich mit der Cass<strong>in</strong>route wurde<br />

durch die Seilschaft Gaiser / Lehrmann<br />

der etwa 1000 m hohe Nordwest Pfeiler<br />

am Cengalo durchstiegen. <strong>Die</strong> Cass<strong>in</strong> ist<br />

heute e<strong>in</strong>e bekannte und oft durchstiegene<br />

Route mit sanierten und gebohrten<br />

Standplätzen. Am Cengalopfeiler ist es<br />

bist heute ruhig geblieben. <strong>Die</strong> alp<strong>in</strong>e<br />

Kletterroute am NW Pfeiler, mit ihrem<br />

spaltenreichen und Ste<strong>in</strong>schlag gefährdeten<br />

Zustieg, hat ihren ursprünglichen<br />

Charakter behalten. E<strong>in</strong>e Sanierung hat<br />

nicht stattgefunden. Der größtenteils gute<br />

und feste Granit bietet e<strong>in</strong>e sehr schöne<br />

Kletterei. Selten trifft man Haken an<br />

und auch die Wegf<strong>in</strong>dung ist nicht immer<br />

e<strong>in</strong>fach. E<strong>in</strong> Sortiment Klemmkeile ist die<br />

Grundlage für solide Sicherungspunkte.<br />

<strong>Die</strong>se Aussichten reizten Georg und mich.<br />

Wir kalkulieren 3 Tage für die Tour.<br />

Unser Plan ist es am ersten Tag steil durch<br />

das Val Bondasca zur Sciorahütte aufzusteigen.<br />

Am nächsten Tage wollen wir sehr<br />

früh über den spaltenreichen Gletscher<br />

zum E<strong>in</strong>stieg gehen und e<strong>in</strong>steigen. <strong>Die</strong><br />

Kletterschwierigkeiten werden mit etwa<br />

5+ / 6- angegeben. Den Pfeiler wollen<br />

wir <strong>in</strong> maximal acht bis zehn Stunden<br />

durchklettern, denn für den Abstieg nach<br />

Süden s<strong>in</strong>d zusätzlich fünf bis sechs Stunden<br />

e<strong>in</strong>zuplanen. Um von der Südseite zurück<br />

auf die Nordseite zu gelangen, gibt es<br />

verschiedene Möglichkeiten. Um dem oft<br />

überfüllten Rif. Gianetti zu entkommen,<br />

entscheiden wir uns für den Übergang<br />

über den Bondopass. Oben am Pass steht<br />

24 DAVON: 1/12 DAVON: 1/12<br />

Biwakschachtel am Bondopass Frühstück ... Erste Sonnenstrahlen am Cengalopfeiler<br />

e<strong>in</strong>e Biwakschachtel, das Ziel für diesen<br />

zweiten Tag. Von hieraus wollen wir dann<br />

am dritten Tag über den Bondasca Gletscher<br />

retour zur Hütte.<br />

Es ist drei Uhr <strong>in</strong> der Nacht, als wir das bereitgestellte<br />

Frühstück <strong>in</strong> der Sciorahütte<br />

auf uns wirken lassen. Es fällt schwer, um<br />

diese Uhrzeit etwas zu essen, aber es nützt<br />

nix. Es muss e<strong>in</strong>e Grundlage für e<strong>in</strong>en<br />

sehr langen Tag gelegt werden. Wir futtern<br />

was das Zeug hält und kurz danach<br />

ziehen wir im Licht der Stirnlampen Richtung<br />

E<strong>in</strong>stieg. Das Studium der Gletscherspalten<br />

am Vortag hat sich gelohnt. Zielstrebig<br />

und nicht mehr zickzack als nötig,<br />

kommen wir dem E<strong>in</strong>stieg näher. Der Weg<br />

durch die Spaltenzone läuft perfekt. Kurz<br />

nach sechs Uhr tauschen wir Steigeisen<br />

und schwere Schuhe gegen Kletterf<strong>in</strong>ken.<br />

Cengalopfeiler – wir kommen!<br />

Es ist noch saukalt. <strong>Die</strong> ersten eher brüchigen<br />

Seillängen und auch das folgende<br />

Schneefeld lassen wir schnell h<strong>in</strong>ter uns.<br />

Nun haben wir den eigentlichen Pfeiler<br />

erreicht. Bester Bergeller Granit lässt uns<br />

entzücken. Kalt ist es immer noch, aber<br />

der Körper hat se<strong>in</strong>e Betriebstemperatur<br />

erreicht. <strong>Die</strong> Wegf<strong>in</strong>dung gel<strong>in</strong>gt uns gut<br />

und so klettern wir Seillänge um Seillänge<br />

auf dem schattigen Pfeiler, bis wir gegen<br />

15.30 Uhr für die letzten Meter erneut die<br />

Steigeisen benötigen. <strong>Die</strong> Sonne im Gipfelbereich<br />

tut gut.<br />

Der Weg bis zum Nachtlager ist noch<br />

weit und so beg<strong>in</strong>nen wir sofort mit dem<br />

Abstieg nach Süden. Anfänglich über Felsen,<br />

dann über e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Gletscherfeld<br />

h<strong>in</strong>unter <strong>in</strong> die Geröllhalden verlieren wir<br />

viel Höhe. Vom tiefsten Punkt müssen<br />

wir etwa 700 Höhenmeter wieder h<strong>in</strong>auf<br />

zum Bondopass und der Biwakschachtel.<br />

Der Tag zieht sich <strong>in</strong> die Länge und<br />

langsam zehrt es an den Kraftreserven.<br />

Wenigstens Wasser f<strong>in</strong>den wir auf dem<br />

Weg. <strong>Die</strong> letzten Pr<strong>in</strong>tenstückchen dürfen<br />

nicht mehr angetastet werden, es ist<br />

die Essensration für die Biwakschachtel.<br />

Wir sehen die Schachtel schon von weitem<br />

im knalligen Orange auf dem Pass. Wir<br />

quälen uns weiter. Mittlerweile s<strong>in</strong>d die<br />

Steigeisen wieder unter den Füßen und<br />

kurz vor dem Ziel kommen noch e<strong>in</strong> paar<br />

Klettermeter durch die Felsen. <strong>Die</strong> Kraft<br />

schw<strong>in</strong>det immer mehr und der Rucksack<br />

ist unerträglich schwer geworden.<br />

Recht müde erreiche ich gegen 20 Uhr<br />

die Biwakschachtel und bereits mit dem<br />

ersten Blick sehe ich völlig unerwartet e<strong>in</strong>e<br />

großen Gaskocher und Tütensuppen.<br />

Ich frohlocke, stürme aus der Schachtel<br />

Richtung Georg und verkünde ihm fröhlich<br />

den unerwarteten Luxus, welcher uns<br />

erwartet. E<strong>in</strong> Lächeln zieht durch se<strong>in</strong> Gesicht.<br />

Wir nehmen die Schachtel <strong>in</strong> Beschlag.<br />

Sehr eng, aber alles vorhanden,<br />

sogar e<strong>in</strong> Kocher. Wir freuen uns, unsere<br />

Essen- und Tr<strong>in</strong>kration mit Suppe und<br />

Wasser aufbessern zu können.<br />

Ich f<strong>in</strong>de drei feuchte Streichhölzer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

klammen Packung… Georg, haste<br />

mal Feuer? Düstere Falten im Gesicht bedeuten<br />

nichts Gutes. Auch ich f<strong>in</strong>de ke<strong>in</strong><br />

Feuer im Rucksack. <strong>Die</strong> drei Streichhölzer<br />

gehen natürlich nicht. Ich gebe nicht auf.<br />

<strong>Die</strong> Batterien aus der Stirnlampe müssen<br />

herhalten. Mit Autoschlüssel und<br />

Taschenmesser werden die Pole kurzgeschlossen.<br />

Ja, es funkt wirklich, aber der<br />

Kocher will nicht starten. 30 M<strong>in</strong>uten probiere<br />

ich, dann gebe ich frustriert auf.<br />

Wir kehren zum alten Plan zurück. Vier<br />

kle<strong>in</strong>e Pr<strong>in</strong>tenstückchen für das Abendessen<br />

und acht Gummibärchen zum<br />

Frühstück müssen reichen. Sehr hungrig<br />

aber gut gelaunt verbr<strong>in</strong>gen wir die Nacht<br />

<strong>in</strong> der Schachtel. Der schöne Sonnenaufgang<br />

entschädigt uns für dieses kle<strong>in</strong>e<br />

Missgeschick. Es ist sehr kalt und etwas<br />

ungemütlich. Wir frotzeln erneut über<br />

unsere Dummheit ke<strong>in</strong> Feuer im Rucksack<br />

zu haben. Von der Biwakschachtel<br />

seilen wir auf den Bondasca Gletscher<br />

ab. <strong>Die</strong> ersten wärmenden Sonnenstrahlen<br />

erreichen den Körper und gut gelaunt<br />

geht es h<strong>in</strong>unter zur Sciorahütte. Kurz vor<br />

elf Uhr erreichen wir die Hütte und unsere<br />

vorsichtige Frage nach zwei großen Portionen<br />

Spagetti wird mit e<strong>in</strong>em Lächeln<br />

bejaht. Hungrige Bergsteiger am Vormittag<br />

sche<strong>in</strong>t es hier öfters zu geben … r<br />

25

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