Datenlage zur internationalen Migration
Datenlage zur internationalen Migration
Datenlage zur internationalen Migration
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
14<br />
Working Paper 18 - Die <strong>Datenlage</strong> im Bereich der <strong>internationalen</strong> <strong>Migration</strong><br />
baren und unbeobachtbaren Charakteristika im Herkunfts- und Zielland abhängt. Dazu müssen<br />
die Fähigkeiten und Qualifikationen im Herkunfts- und Zielland jedoch vergleichbar sein.<br />
Eine positive Selbstselektion findet statt, wenn die Migranten hinsichtlich der beobachtbaren<br />
oder unbeobachtbaren Charakteristika ein höheres Niveau besitzen als der Durchschnitt der<br />
Individuen im Herkunftsland. Korrespondierend wird von einer negativen Selbstselektion<br />
ausgegangen, wenn das Niveau der Migranten geringer ist als das durchschnittliche Niveau<br />
der Verbliebenen im Herkunftsland. Als Resultat wird angenommen, dass schlechtere Entlohnung<br />
im Herkunftsland bei gleicher (Aus-)Bildung im Vergleich zwischen Herkunfts- und Zielland<br />
zu einer Abwanderung von höher qualifizierten Individuen aus dem Herkunftsland<br />
führt. Eine positive Selbstselektion hinsichtlich des beobachtbaren Charakteristikums (Aus-)<br />
Bildung findet statt. Was das unbeobachtete Charakteristikum Motivation betrifft, ist die Selektionsrichtung<br />
abhängig von der Einkommensverteilung in einem Land. Ist die Einkommensverteilung<br />
im Herkunftsland ungleich, ist davon auszugehen, dass eine hohe Motivation hier<br />
besser entlohnt wird. Der Anreiz <strong>zur</strong> <strong>Migration</strong> von Individuen mit einer geringen Motivation<br />
wird dementsprechend hoch sein, wenn im potenziellen Zielland die Einkommensverteilung<br />
ausgeglichener ist und negative Arbeitsmarktentwicklungen besser abgefedert werden können.<br />
In diesem Fall liegt eine negative Selbstselektion vor.<br />
Die bis hierher dargelegten Bedingungen und Faktoren, die internationale Wanderungen<br />
initiieren, sind nicht zwingend die gleichen, die <strong>Migration</strong> über Zeit und Raum perpetuieren.<br />
Darüber hinaus basieren die dargestellten Theorien – trotz Unterschieden auf der Mikround<br />
Makroebene – auf wirtschaftlichen Überlegungen, weshalb sie international als zu eingeschränkt<br />
gelten (Lebhart 2002: 19). Daher müssen auch Ansätze beachtet werden, die sich<br />
nicht mit der Entstehung, sondern mit der Konstanz und der Reproduktion von Wanderung<br />
auseinandersetzen. Die Netzwerktheorie 5 berücksichtigt neben wirtschaftlichen auch die<br />
persönlichen Faktoren, die schließlich den Ausschlag für eine Wanderung geben bzw. zu einer<br />
Kontinuität von Wanderbewegungen führen.<br />
Die Netzwerktheorie geht diesbezüglich von zwei Entwicklungen zwischen der Herkunfts-<br />
und Zielregion aus. Erstens verringern sich die <strong>Migration</strong>skosten für künftige Migranten<br />
wesentlich, je mehr Menschen bereits vorher in die Zielregion gewandert sind. Zweitens<br />
bieten Netzwerkbeziehungen eine verlässliche Einkommensquelle für Verwandte und Bekannte<br />
im Herkunftsland, wobei hier v.a. die Möglichkeit der Arbeitsvermittlung bzw. des<br />
Geldverdienens im Allgemeinen im Empfängerland gemeint sind. Als Folge steigt die <strong>Migration</strong><br />
innerhalb des Netzwerkes. D.h. die Größe von <strong>Migration</strong>sströmen zwischen zwei Ländern<br />
hängt nicht ausschließlich von Lohnunterschieden oder der Arbeitskräftenachfrage ab, da<br />
diese Faktoren durch die fallenden Kosten und Risiken eines wachsenden <strong>Migration</strong>snetzwerkes<br />
abgeschwächt werden. Internationale <strong>Migration</strong> wird demnach institutionalisiert und<br />
unabhängig von den Faktoren, die sie einst initiierte (Massey et al. 1993: 447 f.). Persönliche<br />
Kontakte und Beziehungen, die Migranten, ehemalige Migranten oder auch Nichtmigranten<br />
in der Sende- und Empfängerregion miteinander verbinden, sind hingegen schwer messbar.<br />
Dennoch sind diese Kontakte für Kettenmigrationsprozesse, <strong>Migration</strong>skreisläufe oder transnationale<br />
Räume verantwortlich, da sie die Wahrscheinlichkeit internationaler <strong>Migration</strong><br />
erhöhen (Haug/Sauer 2006: 21ff.).<br />
5 Der Begriff Netzwerktheorie beschreibt nicht eine Theorie. Im Zusammenhang mit <strong>Migration</strong> wird der Begriff jedoch<br />
von Autoren aus den unterschiedlichen Disziplinen verwendet, wobei immer ein Set von interpersonellen Beziehungen<br />
zwischen Migranten, ehemaligen Migranten und Nichtmigranten im Heimatland berücksichtigt wird.<br />
Vertreter sind etwa Massey/España (1987), Gurak/Caces (1992) oder Pries (1997).