Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Scheuch Amselgrund 60 01728 ... - DFLD
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<strong>Univ</strong>.-<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Klaus</strong> <strong>Scheuch</strong><br />
<strong>Amselgrund</strong> <strong>60</strong><br />
<strong>01728</strong> Bannewitz<br />
Tel.: (0351) 4 01 43 26<br />
LÄRMMEDIZINISCHES GUTACHTEN<br />
im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens<br />
für das Vorhaben<br />
Ausbau Verkehrsflughafen Kassel-Calden<br />
Auftraggeber: Flughafen GmbH Kassel<br />
Umfang des Gutachtens: 141 Seiten Datum: 18.04.2005<br />
<strong>Univ</strong>.-<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. K. <strong>Scheuch</strong><br />
Arzt für Arbeits<strong>med</strong>izin, Sozial<strong>med</strong>izin,<br />
Umwelt<strong>med</strong>izin
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis………..… …………..…………………………………... ……… ……… …...3<br />
Abbildungsverzeichnis…………..………………………………………………………..………….4<br />
Abkürzungsverzeichnis…………………..……………..……………………………………………5<br />
1. Zusammenfassung……………………………..…………..………………………………..6<br />
2. Gutachtenauftrag……………………………...…………………………………………… .9<br />
3. Psychophysiologische Wirkungen von Schall und Lärm…………….………….……...11<br />
4. Lärmbezogene Schutzziele…………………………….………………………….………22<br />
5. Schutzziel: Vermeidung von Krankheiten und von<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen…………………………………...….…………………..27<br />
5.1. Schäden durch Lärm am Ohr………………………………………………………....…...28<br />
5.2 Herz- Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen……………………….…………….….29<br />
5.3 Weitere diskutierte Erkrankungen und Störungen………………………..……………..38<br />
5.4 Mechanismen zwischen Schalleinwirkung und Krankheit………………………………43<br />
5.5 Zusammenfassung Krankheit und Lärm……………………………………...…………..54<br />
5.6 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte…………………………………..………….56<br />
6. Schutzziel: Vermeidung nächtlicher Schlafstörungen durch Lärm…………………….59<br />
6.1 Wirkungsparameter von Schlafstörungen………………………………………………..59<br />
6.2 Die DLR-Nachtfluglärmstudie………………………………...………………….…......…63<br />
6.3 Grundlagen für Begrenzungswerte……………………………………….….……...……64<br />
6.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte………………………………………...……71<br />
7. Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung……………………………………….74<br />
7.1 Kriterien für Belästigung…………………………………..………………………………..74<br />
7.2 Korrekturfaktoren bei Belästigung………………………………………….……………..77<br />
7.3 Belästigung und Krankheit…………………………………………………………………79<br />
7.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte………………………………..…………… 81<br />
8. Schutzziel: Vermeidung von Kommunikationsstörungen durch Lärm………..……….83<br />
9. Schutzziel: Vermeidung von Leistungsstörungen durch Lärm…………………………88<br />
10. Schutzziel: Vermeidung der Störung der Erholung…………………………………….90<br />
11. Zusammenfassende Darstellung von Einflussfaktoren auf die<br />
Wirkungen von Lärm……………………………………….……………………………….93<br />
12. Vorschläge für Bewertungsgrenzen gegen Fluglärm……………………………………96<br />
12.1 Prinzipien für Bewertungsgrenzen…………………………………………….…………..96<br />
12.2 Bewertungsgrenzen und Eckwerte für Schallimmissionen um<br />
Flughäfen/Flugplätze……………………………………………………….……………..100<br />
13. Besondere Personengruppen……………………………………………….……………105<br />
13.1 Kranke………………………………………………………………..……………………. 106<br />
13.2 Kinder……………………………………………………………………………………….107<br />
13.3 Alte Menschen und lärmsensible Personen……………………..……………………..110<br />
13.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte…………………….………………………112<br />
14. Bewertung der konkreten Lärmbelastung am Flughafen Kassel-Calden im<br />
Zusammenhang mit dem vorgesehenen Ausbau………………………………….…. 114<br />
14.1 Grundlage der Bewertung für den Fluglärm…………………………………………….114<br />
14.2 Bewertung der konkreten Situation am Flughafen Kassel<br />
in den 3 Szenarien……………………………………………………..……….…116<br />
15. Literatur……………………………………………………………………….…....127<br />
2
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tab. 1: Plausibilitätskriterien für die Kausalität einer Assoziation (nach Hill 1965)<br />
Tab. 2: Extraaurale negative Lärmwirkungen<br />
Tab. 3: Verkehrslärmbelastung und ischämische Herzkrankheit (PVR/OR/RR sind<br />
relative Risikomaße)<br />
Tab. 4: Beziehungen zwischen unterschiedlichen Erkrankungen durch das Erfragen<br />
von Diagnosen sowie die Zuordnung der individuellen Lärmbelastung auf der<br />
Grundlage der Straßenverkehrskarten in Berlin sowie der Fluglärmzonen<br />
Tab. 5: Katecholamin- und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm in<br />
Labor- und Felduntersuchungen<br />
Tab. 6: Labor- und Felduntersuchungen zur Wirkung von Lärm auf Stresshormone<br />
Tab. 7: Wissensstand zur Realisierung der Plausibilitätskriterien für Lärm und<br />
ausgewählte Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />
Tab. 8: Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm – zusammengefasst aus einer<br />
Literaturübersicht von MASCHKE et al. 1997 (<strong>Scheuch</strong> 2004)<br />
Tab.9: Belästigung und Erkrankungsrisiko, Ergebnisse aus dem LARES-Survey,<br />
(1) deutsch: Niemann, Maschke, Hecht 2004, (2) englisch: Niemann, Maschke 2004<br />
Tab. 10: Beziehungen zwischen subjektiven Störungen (Belästigungen/Belastung)<br />
und bestimmten Erkrankungen<br />
Tab. 11: Diskutierte Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen<br />
Tab. 12: Wohngebietsimmissionsorte<br />
Tab.13: Mittlungspegel (Leq3 ) an Kindertagesstätten und einer Schule zu den 3<br />
Szenarien<br />
Tab. 14: Mittlungspegel und höchster Maximalpegel am Tag an sozialen<br />
Einrichtungen<br />
Tab. 15: Immissionsorte Krankenhäuser<br />
3
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abb. 1: Verkehrslärm und Herzinfarktinzidenz (NaRoMI-Studie 2004)<br />
Abb.2: Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von der<br />
Lärmbelastung (Lee 51-55 dB(A) im Vergleich zu 66-70 dB(A) in den<br />
Wohngegenden, zusammengefasst nach Babisch et al. (1993)<br />
4
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Abkürzungsverzeichnis<br />
ACTH Adrenocorticotropes Hormon<br />
AR Attributables Risiko (epidemiologisches Maß)<br />
ARAS allgemeines Aktivierungssystem<br />
AZ Ausbauzustand<br />
BD Blutdruck<br />
BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz<br />
BMI Body Mass Index (Körpergewicht)<br />
CRH Corticotropin Releasing Hormon<br />
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
EEG Elektroencephalogramm (Hirnströme)<br />
EOG Elektrooculogramm (Augenbewegung)<br />
EMG Elektromyogramm (Muskelstrom)<br />
EU Europäische Union<br />
FB Flugbewegung<br />
HHN Hypophysen-Nebennierenrinden-System<br />
HI Herzinfarkt<br />
IAK Interdisziplinärer Arbeitskreis für Lärmwirkungsforschung beim<br />
Umweltbundesamt<br />
IHK Ischämische Herzkrankheit<br />
IO Immissionsort<br />
IZ Ist-Zustand<br />
KTW Kritischer Toleranzwert<br />
NNM Nebennierenmark<br />
NNR Nebennierenrinde<br />
OR Odds ratio (epidemiologisches Maß)<br />
PRW Präventiver Richtwert<br />
PVR Prävalenzrate (epidemiologisches Maß)<br />
REM Rapid Eye Movement (schnelle Augenbewegungen)<br />
SEL Sound Exposure Level<br />
SRU Rat von Sachverständigen für Umweltfragen<br />
STH Wachstumshormon<br />
TTS Temporary Threshold Shift (zeitweilige Hörschwellenverschiebung)<br />
VE Vergleichsszenario<br />
WHO Weltgesundheitsorganisation<br />
5
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
1. Zusammenfassung<br />
Die Flughafen GmbH Kassel plant den Ausbau des bestehenden<br />
Verkehrslandeplatzes zu einem Verkehrsflughafen. In einer landesplanerischen<br />
Beurteilung des Regierungspräsidiums Kassel wurde eine Flughafenausbauvariante<br />
C für das Planfeststellungsverfahren ausgewählt.<br />
Durch die Flughafen GmbH Kassel wurde deshalb der Auftrag für ein<br />
lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erteilt.<br />
Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />
Gutachten“ für das Planfeststellungsverfahren.<br />
Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />
• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />
• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />
verkehrsreichsten Monate,<br />
• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />
verkehrsreichsten Monate.<br />
Grundlage für die Bewertung sind Begrenzungswerte, die in einer so genannten<br />
Synopse als Schlussfolgerungen aus Gutachten zum gegenwärtigen Stand der<br />
Lärmwirkungsforschung der Autoren GRIEFAHN, JANSEN, SCHEUCH und<br />
SPRENG (2002) abgeleitet wurden. Die in dieser Synopse vorgeschlagenen Kriterien<br />
für die Berechnung und die entsprechenden Isophonen wurden im<br />
lärmphysikalischen Gutachten berücksichtigt.<br />
Nach einem Überblick zu wesentlichen physiologischen und auch<br />
pathophysiologischen, d. h. krank machenden Wirkungen von Lärm, und der<br />
Darstellung der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Lärmwirkungen<br />
werden bestimmte Schutzziele abgeleitet. Diese Schutzziele sind die Erhaltung der<br />
Gesundheit, die Vermeidung erheblicher Belästigung, die Vermeidung von<br />
wesentlicher Störung der Kommunikation, der Erholung und von Störungen des<br />
6
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schlafes. Außerdem werden bestimmte schutzbedürftige Bereiche in die Betrachtung<br />
einbezogen.<br />
Durch den Ausbau des bestehenden Verkehrslandeplatzes zu einem<br />
Verkehrsflughafen kommt es zu einer Vergrößerung der Lärmkonturen und zu einer<br />
Verlagerung der Lärmbelastungsgebiete, wobei relevante Pegel keine<br />
Wohnbebauung tangieren. Bei einer Reihe von Wohngegenden kommt es durch die<br />
Verlagerung des Flugverkehres zu einer Verringerung der Lärmeinwirkung im<br />
Planungsfall 2015.<br />
Als zentraler Beurteilungswert für Lärmwirkung wird der präventive Richtwert für<br />
erhebliche Belästigung mit Leq3 = 62 dB(A) verwandt. In keinem der unterschiedlichen<br />
Szenarien werden durch diese Isophone bewohnte Gebiete tangiert. Anhand der<br />
berechneten Leq3-Werte an ausgewählten Immissionspunkten lässt sich ableiten,<br />
dass der höchste Wert an bebauten Wohngebieten 56,4 dB(A) am Tag beträgt.<br />
Wählt man die präventiven Maximalpegelkriterien für den Tag von 25 x 90 dB(A)-<br />
Isophone, so gilt die gleiche Aussage. Einzelpegel über 90 dB(A) werden an keinem<br />
der Immissionsorte erreicht.<br />
Für die Beurteilung der Nachtlärmbelastung werden vor allem Maximalpegelhäufigkeiten<br />
herangezogen. In der Nacht werden nur höchstens 2 Landungen und 2 Starts<br />
prognostiziert im Prognose-Null-Fall wie auch im Planungsfall 2015. Damit werden<br />
die relevanten Maximalpegelhäufigkeiten nicht erreicht. Schutzbedürftige Bereiche<br />
betreffen 6 Krankenhäuser, 1 Altenpflegeheim, 1 Schule und 3 Kindergärten. Hierfür<br />
wurden durch die lärmphysikalischen Gutachter an einzelnen Immissionsorten die<br />
äquivalenten Dauerschallpegel sowie die Maximalpegel berechnet. Die Dauerschallpegel<br />
wie auch die Maximalpegelhäufigkeiten für alle schutzbedürftigen Bereiche<br />
erreichen die angesetzten Begrenzungswerte nicht. Zusätzliche Maßnahmen sind<br />
deshalb nicht erforderlich.<br />
In die Immissionsbetrachtung durch Bodenlärm gehen das An- und Warmlaufen der<br />
Triebwerke, die Energieversorgung der Bordaggregate durch Hilfstriebwerke (APU<br />
und GPU), Triebwerksteste, Rollen der Flugzeuge oder Hovern der Hubschrauber,<br />
7
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
der Kraftfahrzeugbetrieb auf dem Flughafen und den Flughafenparkplätzen ein.<br />
Durch die Verlagerung der Start- und Landebahn und damit den entsprechenden<br />
Vorfeldern kommt es durch den Bodenlärm zu keinen wirkungsrelevanten<br />
Belastungen an Wohnbebauungen oder schutzbedürftigen Bereichen.<br />
Im lärmtechnischen Gutachten wurde die Straßenverkehrslärmbelastung in den 3<br />
Szenarien berechnet, relevante Pegel treten unmittelbar um die Straßen herum auf.<br />
Durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens und die Verlagerung der Start- und<br />
Landebahn kommt es an einzelnen Orten zu einer stärkeren Lärmbelastung, die<br />
jedoch in Wohnbereichen nicht über 3 dB(A) geht. An anderen Orten kommt es zur<br />
Verminderung. Konsequenzen unter dem Aspekt des Ausbaus des Flughafens<br />
ergeben sich aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht aus den vorliegenden Daten nicht.<br />
8
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
2. Gutachtenauftrag<br />
Die Flughafen GmbH Kassel plant den Ausbau des bestehenden<br />
Verkehrslandeplatzes zu einem Verkehrsflughafen. In einer landesplanerischen<br />
Beurteilung des Regierungspräsidiums Kassel wurde eine Flughafenausbauvariante<br />
C für das Planfeststellungsverfahren ausgewählt.<br />
Durch die Flughafen GmbH Kassel wurde deshalb der Auftrag für ein lärm<strong>med</strong>izini-<br />
sches Gutachten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erteilt.<br />
Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />
Gutachten“ für das Planfeststellungsverfahren.<br />
Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />
• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />
• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />
verkehrsreichsten Monate,<br />
• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />
verkehrsreichsten Monate.<br />
Das lärm<strong>med</strong>izinische Gutachten soll auf den Ergebnissen des lärmtechnischen<br />
Gutachtens aufbauen. Dabei ist sowohl der Fluglärm als auch der Bodenlärm zu<br />
berücksichtigen. Seitens der Lärmphysiker wurde auch die Lärmbelastung durch den<br />
Straßenverkehr errechnet. Die lärmtechnischen Berechnungen werden auf der<br />
Grundlage des noch geltenden Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm und der dazu<br />
erlassenen Anleitungen zur Berechnung als auch gemäß den Bestimmungen der<br />
vom Länderausschuss für Immissionsschutz verabschiedeten „Leitlinie zur Ermittlung<br />
und zur Beurteilung der Fluglärmimmission in der Umgebung von Landeplätzen<br />
durch die Immissionsschutzbehörden der Länder (Landeplatz-Fluglärm-Leitlinien)“<br />
und der dazu veröffentlichten Anleitung zur Berechnung durchgeführt. Im<br />
lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten sind auf der Grundlage der wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung die zu erwartenden Wirkungen aufgrund<br />
der geplanten Maßnahme zu prognostizieren und evtl. Maßnahmen zu empfehlen.<br />
9
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
3. Psychophysiologische Wirkungen von Schall und Lärm<br />
Um die Bewertung von Schallwirkungen einordnen zu können, sollen im Folgenden<br />
kurz die physiologischen Effekte von Schall dargestellt werden, um die Schutzziele<br />
gegenüber Lärm ableiten und einordnen zu können. Dabei wird besonderer Wert auf<br />
die wissenschaftliche Fundierung der Ergebnisse gelegt, um auch deutlich zu<br />
machen, auf welcher Grundlage die bisherigen Erkenntnisse beruhen.<br />
Schall, der als lästig oder störend erlebt wird oder zu gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen führt, wird als Lärm bezeichnet. Lärm ist in Bezug zum<br />
Menschen, der in diesem Gutachten im Vordergrund steht, etwas Negatives, Schall<br />
ist die objektive Auslösung. Dies bedeutet, dass Lärm selbst nicht gemessen werden<br />
kann, sondern es können nur die physikalischen Bestandteile des Schalls definiert<br />
und die im menschlichen Organismus durch diesen Schall ausgelösten Wirkungen<br />
beschrieben und evtl. quantifiziert werden.<br />
Physiologische, normale Reaktionen auf Schall<br />
Jeder Schall stellt einen Reiz für den Organismus dar, der nicht nur durch das spezi-<br />
fische Sinnesorgan Ohr aufgenommen und an die entsprechend zugeordneten Hirn-<br />
zentren weitergeleitet und dort wahrgenommen wird, sondern – wie auch alle<br />
anderen aufgenommenen Reize – vermag er das Aktivierungsniveau des<br />
Organismus zu verändern. Dabei spielt insbesondere die Neuartigkeit und/oder die<br />
Intensität eine Rolle. Diese Aktivierungsänderungen beeinflussen vegetative<br />
Funktionen, Hormone, das motorische System und andere Anpassungsfunktionen<br />
des Organismus.<br />
Die Steuerung vegetativer Funktionen des Menschen läuft in der Regel ohne Ein-<br />
flussnahme des Bewusstseins ab. Die Wirkung auf die einzelnen Organsysteme so-<br />
wie auf den gesamten Organismus realisieren sich über die Relation der beiden ve-<br />
getativen Nervenanteile Sympathikus und Parasympathikus. Sympathikusreaktionen<br />
werden bei konkreten, akuten Einwirkungen ausreichender Intensität von Schall oder<br />
mit für den Einzelnen bedeutungsvollem Informationsgehalt ausgelöst und führen zu<br />
einer Vielzahl von Veränderungen im Organismus. Die Verengung der Gefäße in der<br />
10
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Peripherie, z. B. in den Fingern, die stärkere Arbeit des Herzens, Blutdruckerhöhun-<br />
gen, Weite der Pupille, Muskeltonus(-spannungs)erhöhung werden in der Lärmwir-<br />
kungsforschung häufig eingesetzt, um das Ausmaß akuter Lärmeffekte zu be-<br />
schreiben.<br />
Für die Koordination der Funktionen aller Organe und Zellen und zur Anpassung an<br />
ein sich veränderndes Umfeld eines Menschen stehen dem Organismus neben dem<br />
Nervensystem das endokrine System, die Hormone, zur Verfügung. Sie sind<br />
chemische Informationsträger und werden von so genannten endokrinen <strong>Dr</strong>üsen<br />
abgegeben. Über dieses System erfolgt hauptsächlich eine etwas länger dauernde<br />
und globale Steuerung der Zell- und Organfunktionen.<br />
Einige Hormone und ihre Regulationssysteme spielen u. a. auch bei Schall und bei<br />
Lärm eine besondere Rolle, so vor allem aus dem Nebennierenmark die so<br />
genannten Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin und aus der<br />
Nebennierenrinde (NNR) das Cortisol.<br />
Sowohl Nebennierenrindenhormone als auch die Katecholamine haben ausgeprägte<br />
Wirkungen auf den gesamten Stoffwechsel, aber auch auf das Immunsystem und auf<br />
die Funktionen vieler Organe. Katecholamine und Cortisol werden auch als<br />
Stresshormone bezeichnet, was in erster Linie eine Charakterisierung ihrer<br />
Anpassungsfunktion ist und nicht ihrer Gefährlichkeit.<br />
Die erhöhte Ausscheidung von Katecholaminen und/oder Cortisol und die damit<br />
verbundenen sekundären Folgeerscheinungen im Stoffwechsel, im Immunsystem<br />
und an der Zelle, aber auch Erhöhungen des Blutdruckes und der Herzfrequenz<br />
werden als mögliche pathophysiologische, d. h. krankmachende Entwicklungen<br />
dargestellt. Alle Hormone und auch das Vegetativum mit seinen vielfältigen<br />
Wirkungen stellen selbstregulierende Systeme dar. Erhöhungen wie auch<br />
Erniedrigungen führen zu Gegenregulationen. Geringe, wenn auch statistisch<br />
signifikante Veränderungen haben andere Wirkungen als starke. Mäßige<br />
Cortisolerhöhungen sollen einen ausgesprochen positiven Effekt auf die<br />
Immunitätslage haben, hohe und länger dauernde einen negativen. Durch Cortisolund<br />
Katecholaminausscheidungen kommt es zur Erhöhung von Schwellen für<br />
11
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Sinneswahrnehmungen einschließlich des Lärms (FEHM-WOLFSDORF 1995) als<br />
ein zusätzlicher Schutz- und Anpassungsmechanismus. Reagieren diese Hormone<br />
oder das Vegetativum auf Anforderungen nicht oder nur gering, dann ist dieses als<br />
eindeutiges Zeichen von Krankheit zu werten.<br />
Auf unsere heutigen Erkenntnisse zu den längerfristigen Wirkungen von Schall<br />
oder/und Lärm wird bei der Darstellung der negativen Wirkungen und der<br />
Begründung der Schutzziele eingegangen. Hier spielen solche Prozesse wie<br />
Gewöhnung und Anpassung eine wesentliche Rolle.<br />
Psychische normale Reaktionen auf Schall<br />
Es ist nicht erst durch die Stressforschung bekannt, dass zwischen der „objektiven<br />
Welt“ und deren subjektiver Widerspiegelung, der „subjektiven Welt“, erhebliche<br />
Unterschiede bestehen, so auch zwischen der Objektivität eines Schallereignisses<br />
und der subjektiven Widerspiegelung als Lärm. Aufgrund erlernter Suchstrategien<br />
nimmt der Betroffene einen bestimmten Teil dieser objektiven Welt in seine<br />
„sensorische Welt“ auf, die aufgrund seiner spezifischen inneren Analysestrategien<br />
als Merkmale bewusst werden und aufgrund seiner subjektiven, erlernten<br />
Synthesestrategien seine eigene subjektive Welt bilden. Die Subjektivität beginnt<br />
demnach nicht erst mit der Bewertung sondern bereits mit der Aufnahme von Reizen<br />
und setzt sich bei der neurophysiologischen Verarbeitung fort.<br />
Eine Vielzahl von Erkenntnissen und davon abgeleiteter Bewertungen und Hand-<br />
lungsweisen bei Lärmwirkungen resultiert vor allem aus der Stressforschung der<br />
letzten Jahre in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere in der<br />
Medizin und der Psychologie. Mechanismen des Umgangs mit anderen Anforderun-<br />
gen, die zu Stress führen können, sind auch auf den Umgang mit Lärm und auf die<br />
Interpretation von Wirkungen des Lärms anzuwenden. Lärm ist demnach nicht isoliert<br />
von anderen Lebensprozessen zu sehen. Dies trifft sowohl auf die psychischen wie<br />
auch die physischen und sozialen Wirkungen von Lärm zu. Ein wesentlicher Nachteil<br />
der interessensgeprägten Diskussion um Lärmwirkung besteht darin, dass Lärm aus<br />
12
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
dem Gesamtzusammenhang von Wirkungen auf den Menschen aus seinem Lebensumfeld<br />
herausgerissen wird.<br />
Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen zur Stressproblematik gibt, sollen<br />
kurz einige Ausführungen dazu erfolgen. Lärm wird häufig mit Stress gleichgesetzt.<br />
Doch stellt Lärm nur unter ganz bestimmten Bedingungen Stress dar.<br />
Es gibt drei grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen des Verständnisses von<br />
Stress:<br />
• Stress wird zum einen sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch teilweise<br />
in der Wissenschaft als ein bestimmtes Merkmal von Anforderungen, von<br />
Belastungen, von Einwirkungen auf den Menschen verstanden, die häufig mit<br />
einer hohen Quantität verbunden sind. Das, was von einem gefordert wird, der<br />
Lärm, der um einen ist, wird als Stress angegeben. Denkt man diese<br />
Auffassung konsequent weiter, dann wäre das Stressausmaß unter Lärm mit<br />
Hilfe der Schallcharakteristika des Lärms, z. B. der Höhe des Lärmpegels,<br />
Frequenz und Zeitgestaltung als ’Lärmstress’ messbar.<br />
• Eine zweite Richtung von Stressauffassungen geht auf den Begründer der<br />
biologischen Stressforschung Hans Selye zurück. Er interpretiert Stress als<br />
die unspezifische Reaktion eines Lebewesens auf irgendwelche<br />
Anforderungen, die in drei Stadien ablaufen kann: einer Alarmphase, einer<br />
Widerstandsphase und einer Erschöpfungsphase [Selye 1950]. Stress bei<br />
Lärm wäre danach die ausgelöste Reaktion im Organismus, die ein<br />
bestimmtes qualitatives und quantitatives Merkmal hat und unter bestimmten<br />
Bedingungen zur Erschöpfung, d. h. zur Krankheit führen kann. Messbar wäre<br />
Stress z.B. durch Cortisol-, Katecholamin- oder Herzfrequenzbestimmung.<br />
Kritik an dieser Auffassung wurde insbesondere an der mangelnden oder<br />
fehlenden Berücksichtigung individueller Faktoren vor allem aus der Sicht der<br />
Psychologie sowie auch an dem Begriff ’irgendwelche Anforderungen’<br />
geäußert.<br />
• Eine dritte Auffassung wird von der Psychologie vertreten. Sie geht davon aus,<br />
dass Stress durch die Bewertung von Anforderungen und von Möglichkeiten<br />
des Individuums, mit diesen Anforderungen fertig zu werden, entsteht. Wenn<br />
13
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
die Bewertung zur Bedrohung, zum Verlust oder auch zur Herausforderung<br />
[Lazarus 1966] führt, ist Stress vorhanden. Dies kommt auch der<br />
Lärmproblematik sehr nahe, denn Lärm ist ja wesentlich eine subjektiv<br />
bewertete Schallgröße, die belästigt und stört. Diese Auffassung<br />
berücksichtigt jedoch die Komplexität der biopsychosozialen Vorgänge, den<br />
Prozesscharakter des Wechselspiels zwischen Mensch und Umwelt zu wenig<br />
und führt deshalb in nicht wenigen Fällen zu Vereinfachungen, Behauptungen<br />
und weniger zu Erklärungen tatsächlicher negativer wie auch positiver<br />
Prozesse in der Belastungsbewältigung.<br />
• Deshalb interpretiert eine vierte Auffassung Stress als eine bestimmte Qualität<br />
der Wechselwirkung eines Lebewesens mit seinen Umweltanforderungen. Die<br />
Wirkung einer Anforderung hängt weder allein von deren Merkmalen noch<br />
allein von den Voraussetzungen des Menschen sondern von deren<br />
Beziehungen in einer konkreten Situation ab. Damit wird eine<br />
Grundauffassung für die Methodik und Interpretation auch in der<br />
Lärmwirkungsforschung formuliert. Diese so genannten interaktionalen oder<br />
transaktionalen Stressauffassungen haben sich in den letzten Jahren in der<br />
Humanwissenschaft weitgehend durchgesetzt, obwohl es auch hier<br />
unterschiedliche Aspekte gibt [Lazarus 1966, <strong>Scheuch</strong> & Schreinicke 1983,<br />
Schönpflug 1987, <strong>Scheuch</strong> 2003].<br />
Wesentliches zur Aufklärung dieser Wechselwirkung und ihrer Konsequenzen hat die<br />
psychologische Stressforschung geleistet. Trotzdem hat die Lärmwirkungsforschung<br />
die stresstheoretischen Vorstellungen lange Zeit nicht wahrgenommen. Auch heute<br />
noch fasst sie den Menschen als ein dem Lärm passiv ausgesetztes Wesen auf,<br />
wenn sie auf Grenzwerte orientiert ist. Doch der Mensch reagiert, bewertet, er<br />
handelt. In die Art und Weise dieses Wechselwirkungsprozesses mit Lärm gehen<br />
bisherige Erfahrungen, Erwartungen, eigene Bedürfnisse und Ziele ein. Der Umgang<br />
mit Lärm ist Teil des Umgangs der generellen Belastungsbewältigung eines<br />
Menschen.<br />
Bei der Bewertung des Lärms spielen die eigenen Möglichkeiten zum Umgang mit<br />
Lärm die wesentliche Rolle. Diese werden beeinflusst durch die Durchschaubarkeit<br />
der Lärmsituation oder einer vorgesehenen Änderung (z. B. Verantwortlichkeit,<br />
Notwendigkeit, Informationsumfang), die Beeinflussbarkeit (z. B. Einbeziehung in den<br />
14
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Entscheidungsprozess, Ansprechpartner), die Vorhersehbarkeit (z. B. Ausmaß von<br />
Veränderungen, deren Konsequenzen und Folgen, Glaubwürdigkeit der<br />
Informationen). Entscheidendes Kriterium für die Folgen von Belastungs- und<br />
Anforderungsbewältigung sind demnach die Kontrollmöglichkeiten und<br />
Entscheidungsspielräume für den Betroffenen, wenn er Kontrolle haben will. Besteht<br />
keine Kontrollmöglichkeit und resultiert daraus das Gefühl des Ausgeliefertseins, so<br />
ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stressentstehung gegeben. Dabei geht es<br />
nicht um das objektive Vorhandensein von Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit,<br />
Vorhersehbarkeit und Kontrolle, sondern um die subjektive Interpretation. Trotzdem<br />
oder gerade deswegen ergeben sich daraus Konsequenzen für die Gestaltung von<br />
Aktivitäten im Zusammenhang mit wesentlichen Änderungen des Flugbetriebes<br />
sowie der Art und Weise der Einbeziehung der betroffenen Bürger und der<br />
Öffentlichkeit. Die Psychologie wird zum Instrument des Lärmschutzes [Guski 2002].<br />
Der bereits angeführte Nachteil der ’reinen’ psychologischen Stresstheorien besteht<br />
darin, dass sie die Komplexität des Wirkungsmechanismus im Rahmen der<br />
Anforderungsbewältigung nicht widerspiegeln können, dass sie das subjektive<br />
Erleben in den Mittelpunkt mit all seinen Nachteilen der Erfassung und Interpretation<br />
stellen. Damit steigt die Abhängigkeit in der Wirkungsforschung von Medien,<br />
allgemeinen politischen Tendenzen und unterschiedlichen Zielvorstellungen. Von<br />
Guski [2002] wird hervorgehoben, dass nur für die psychologischen Wirkungen bei<br />
Schallexpositionen Dosis-Wirkungskurven nachweisbar wären. Zum einen stimmt<br />
das nicht, da auch bei der Lärmschwerhörigkeit solche Beziehungen existieren. Zum<br />
anderen klären diese statistischen Dosis-Wirkungsbeziehungen nur einen geringen<br />
Anteil der tatsächlich vorhandenen gemeinsamen Beziehungen (Varianz), was im<br />
Kapitel zur Belästigung erläutert werden wird. Eine Vielzahl anderer Faktoren spielt<br />
eine Rolle.<br />
Stress ist auch nicht nur ein Bewertungs- und Interpretationsphänomen der<br />
Wechselwirkung eines Menschen in seiner Umwelt mit den aus ihr resultierenden<br />
Anforderungen, Belastungen und Expositionen. Und nicht jede negative<br />
Interpretation in dem Wechselspiel zwischen Anforderungen und individuellen<br />
Voraussetzungen führt zu Stress.<br />
Stress ist nur dann vorhanden, wenn (1) das Gleichgewicht organismischer<br />
Funktionen (die Homöostase) gestört ist, oder/und wenn (2) die funktionelle<br />
15
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Optimalität psychischer und sozialer Prozesse beeinträchtigt ist [<strong>Scheuch</strong> 1997].<br />
Nicht alles, was unangenehm ist, ist Stress. Mit dem Begriff Stress ist sowohl in der<br />
Wissenschaft als auch insbesondere in der Bevölkerung die Vorstellung von Risiko<br />
verbunden. Deshalb geht es nicht um eine richtige oder falsche, sondern nur um eine<br />
verantwortungsbewusste Definition von Stress, die erklären hilft und beeinflussbare<br />
Beziehungen aufzeigt. Negative Emotionen, wie Ärger, Wut, Störungsempfinden,<br />
Belästigung stellen normale Erscheinungsbilder von Leben dar und beinhalten an<br />
sich kein Risiko. Risiko wäre, wenn sie nicht vorhanden wären. Sie müssen eine<br />
bestimmte Konsequenz haben, um zu einem Risiko zu werden. Diese Konsequenz<br />
besteht in ihrer Auswirkung auf die Regularität organismische Prozesse und die<br />
Effektivität der Handlungs- und Bewältigungsmöglichkeiten des Lebewesens im oben<br />
genannten Sinne.<br />
Bereits Selye formulierte die Störung eines organismischen Gleichgewichtes als<br />
Voraussetzung für die Interpretation von Stress. Erscheinungsformen dieses<br />
gestörten Gleichgewichtes sind jedoch nicht nur Veränderungen von<br />
Organfunktionen sondern auch negative Erlebensqualitäten, wie Angst, Ärger,<br />
Bedrohung, die zu Störungen von Tätigkeiten, Handlungen, Verhaltensweisen des<br />
Menschen und damit zur Einschränkung der Bewältigungsfähigkeit von<br />
Anforderungen führen. Diese Störung des Gleichgewichtes und der funktionellen<br />
Optimalität muss von einem Lebewesen beseitigt, kompensiert oder bewältigt<br />
werden. Diese Kompensationsaktivitäten sind ein ganzheitlicher<br />
psychophysiologischer Prozess, der aufgrund seines Charakters negative<br />
Erscheinungsbilder zeigen muss. Gelingt dieser Kompensationsprozess, so ist ein<br />
neues Gleichgewicht, eine neue funktionelle Optimalität erreicht, womit sich auch die<br />
Entwicklung eines Lebewesens erklärt. Gelingt die Kompensation nicht, können<br />
bleibende Störungen, Schädigungen, negative Grundhaltungen, falsche<br />
Bewältigungsstile, Krankheit die Folge sein (Kap. 5). Das bedeutet, dass diese<br />
Kompensationsprozesse Anpassungsvorgänge an ein sich änderndes Umfeld eines<br />
Lebewesens sind. Solche unterschiedlichen Formen dieser Kompensationsaktivitäten<br />
sind z. B. Ermüdung und auch Stress. Sie haben gemeinsame Merkmale und<br />
Kennzeichen sowie zu Grunde liegende Mechanismen. So sind von den körperlichen<br />
Funktionen alle Anpassungssysteme in eine solche Kompensation einbezogen, so<br />
das vegetative System, die Hormone, das motorische und auch das immunologische<br />
16
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
System. Deshalb spricht man von unspezifischen Reaktionen, was nicht bedeutet,<br />
dass sie immer gleich und bei allen Anforderungen identisch ausgelöst werden.<br />
Die Stressaktivität, bestehend aus körperlichen, psychischen und Verhaltensvorgän-<br />
gen, hat das Ziel der Anpassung an ein sich änderndes, forderndes und belastendes<br />
Umfeld. Die immer wieder zitierten Stresshormone sind demnach Anpassungshor-<br />
mone und haben für den Organismus einen zunächst positiven Effekt (Kap. 5.4).<br />
Den Prozess zur Wiederherstellung einer Homöostase, damit den<br />
Adaptations(Anpassungs-)vorgang, in dem das autonome Nervensystem und die<br />
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse einbezogen sind, bezeichnet<br />
McEwen [1998] als ’Allostase’. Mit dieser Adaptation können ’Kosten’ verbunden<br />
sein, die pathologische Entwicklungen befördern, was ’allostatic load’, allostatische<br />
Belastung, genannt wird. Zu einer solchen ’allostatic load’ kommt es, wenn die<br />
einbezogenen Systeme überfordert sind durch Nichtzurückkehren auf das<br />
Ausgangsniveau bei Aufhören der Belastung, durch nichtadäquates Reagieren auf<br />
die Anforderung, durch Auslösung von Überreaktionen in anderen<br />
Funktionssystemen des Organismus. Eine wesentliche Rolle soll die Glucocortikoid-<br />
Kaskade, die Interaktionen zwischen erregenden Aminosäuren, Serotonin und<br />
Glucocorticoiden, spielen. Dabei könnten bestimmte Zellen im Hippocampus, einem<br />
Anteil im Gehirn, der eine wesentliche Rolle im Gedächtnisprozess spielt, geschädigt<br />
werden. Es ist unklar, ob das ein reversibler Prozess ist. Die unterschiedlichen<br />
Effekte der Glucokortikoide, einmal positiv, zum anderen negativ, wurde mit der so<br />
genannten U-Hypothese erklärt [Sapolski 1997]: Geringere wie auch höhere<br />
Konzentrationen der Glucocorticoide haben negative Effekte.<br />
’Allostatic load’ wird aufgefasst als das ’wear and tear’ des Körpers und des Gehirns<br />
aufgrund chronischer Über- oder Inaktivität physiologischer Systeme, die<br />
normalerweise in die Adaptation an Umweltanforderungen einbezogen sind (Kap.<br />
5.4).<br />
Stress ist nicht die einzige Anpassungsaktivität. Er hat gegenüber den anderen<br />
Kompensationsaktivitäten besondere Formen der Auslösung als auch der<br />
Erscheinungsbilder. In der Wechselwirkung Individuum-Umwelt entsteht Stress nur,<br />
wenn eine Gefährdung der Befriedigung von individuellen Bedürfnissen und Motiven<br />
oder der Erreichung von Zielen vorliegt und diese Bedürfnisse, Motive oder Ziele<br />
notwendig und wichtig für das Individuum sind, wobei Schwierigkeiten für das<br />
17
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Individuum auftreten, diesen Zustand durch ein zielgerichtetes Handeln zu<br />
verändern).<br />
Stress besteht in einem Missverhältnis zwischen Anforderungen und<br />
Bewältigungsmöglichkeiten, zwischen dem, was man soll und dem, was man will<br />
oder kann, zwischen dem, was man will und was man darf. Und dieses<br />
Missverhältnis führt zu individuellen biologischen, psychischen und/oder sozialen<br />
Veränderungen entsprechender Intensität.<br />
Im letzten Jahrzehnt verlagerte sich der Schwerpunkt der Stressforschung auf die<br />
Untersuchung der individuellen und situativen Bedingungen und Voraussetzungen<br />
der Bewältigung von Anforderungen. Es wurden sowohl personale als auch situative<br />
Risiken wie auch Ressourcen für die Belastungsbewältigung beschrieben. Hierauf<br />
wird in den Kapiteln 7 und 11 eingegangen.<br />
Über die Kombinationswirkungen verschiedener Stressoren ist wenig bekannt. Dies<br />
trifft auch für die energetischen Wirkungen des Schalls und die psychologischen<br />
Wirkungen des Lärms zu. Auch aus diesen Gründen ist ein komplexer<br />
Wirkungsansatz zu wählen.<br />
Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass Lärm aufgrund der<br />
Besonderheiten der Auslösung und der Erscheinungsbilder von Stress zum Stress<br />
werden kann, wenn<br />
• das Gleichgewicht somatischer Prozesse<br />
• und/oder die funktionelle Optimalität psychischer und sozialer Prozesse gestört<br />
werden<br />
aufgrund<br />
• einer Beeinträchtigung des Bedürfnisses nach Ruhe und Erholung sowie der<br />
Erholungsprozesse<br />
• einer Nichterreichung von Zielen,<br />
• einer Behinderung bestimmter Handlungsdurchführungen,<br />
• einer Beeinträchtigung der Kontrolle über die Bewältigung von<br />
Umweltanforderungen,<br />
• einer Störung der Regulation physiologischer Funktionen durch ständige,<br />
wiederkehrende Lärmreize.<br />
Wichtig ist die Verknüpfung zwischen den beiden Aufzählungen, der Quantität der<br />
Wirkung und der Qualität der Auslösung. Damit hört der Stressbegriff auf, ein<br />
Regenschirmbegriff zu sein, der dann kaum ein zielgerichtetes präventives Handeln<br />
18
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
zulässt. Nur über die Komplexität dieser beiden Merkmale ist Stress zu definieren.<br />
Allein mit dem Merkmal einer Belästigung oder Störung ist Stress nicht identisch.<br />
Auch eine erhebliche Belästigung braucht kein Stress zu sein.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen: Nicht jeder Lärm ist mit Stress gleichzusetzen.<br />
’Lärmstress’ ist eine falsche Bezeichnung und suggeriert Gefährdung und Schaden<br />
für Menschen auch in Situationen, in denen ganz normale physiologische und<br />
psychologische Prozesse ablaufen. Dieser Begriff beinhaltet eine spezielle, nur<br />
durch Lärm ausgelöste Wirkung, die, wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt,<br />
isoliert gar nicht existiert. Entscheidend für die Beziehungen zwischen Lärm und<br />
seinen Wirkungen sind, wie auch bei anderen Belastungen, die Bewertung, die<br />
Bewältigung und die individuellen Voraussetzungen, wobei Stress durch Lärm nicht<br />
allein durch psychische Prozesse sondern auch durch den Energiegehalt und die<br />
Reizwirkung des Schalls ausgelöst werden kann.<br />
So haben wir vier verschiedene Wirkungsmechanismen von Schall zu<br />
betrachten:<br />
• die spezifische Wirkung auf das Hörsystem;<br />
• die unspezifische Aktivierungsänderung aufgrund des Energiegehaltes und<br />
des Neuigkeitswertes eines Schallereignisses,<br />
• die psychische Interpretation eines Schalls und deren Folgen auf körperliche<br />
und psychische Vorgänge sowie das Verhalten,<br />
• die Bewältigung von Lärm, d.h. der Umgang mit dem Lärm, die psychische<br />
Verarbeitung, die Verhaltenskonsequenzen, die wesentlich die unmittelbaren<br />
wie auch wahrscheinlich die langfristigen Folgen bestimmen.<br />
Für die <strong>med</strong>izinisch-psychologische Lärmwirkungsbewertung führen diese<br />
geschilderten physiologischen, normalen Mechanismen zu wesentlichen<br />
Schlussfolgerungen:<br />
• Verschiedenste Einwirkungen auf den Menschen bewirken ähnliche<br />
Veränderungen wie Lärm.<br />
• Lärmwirkungen aufgrund der Reizeigenschaften des Schalls sind abhängig<br />
vor allem vom Neuigkeitscharakter des Lärms oder dessen Umgebung.<br />
19
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
• Lärmwirkungen hinsichtlich der Emotionen werden wesentlich von der<br />
Einstellung zum Lärm beeinflusst. So ist Lärmwirkung in bestimmten<br />
Bereichen der Lärmintensität und der Häufigkeit des Auftretens durch<br />
individuelle physische und psychische Faktoren geprägt, weshalb es so<br />
schwierig ist, eine ursächliche Beziehung zwischen Lärm und vor allem<br />
langfristigen Wirkungen wissenschaftlich exakt in den Bereichen des<br />
Verkehrslärms nachzuweisen.<br />
• Reizwirkungen und Emotionen sind Anpassungsvorgänge, die damit alle<br />
unspezifischen Anpassungssysteme des Organismus, wie das Vegetativum,<br />
das hormonelle, immunologische und motorische System verändern können.<br />
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass eine Vielzahl organismischer<br />
Parameter sich auch unter Lärm verändern können, ja müssen.<br />
20
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
4. Lärmbezogene Schutzziele<br />
Im Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) wird gefordert, Menschen, Tiere<br />
und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige<br />
Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit es sich um<br />
genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch vor Gefahren, erheblichen<br />
Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt<br />
werden, zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen<br />
vorzubeugen. Flugplätze sind keine genehmigungspflichtigen Anlagen nach diesem<br />
Gesetz, weshalb die Vorschriften des BImSchG nicht für Flugplätze gelten. Einige<br />
Herangehensweisen an die Beurteilung von Umweltwirkungen werden auch von mir<br />
für den Lärm genutzt. In den nachfolgenden Verordnungen wird dann meist ein<br />
Schallpegelwert als Begrenzung der Einwirkung festgelegt, der teilweise in Tag und<br />
Nacht unterteilt wird und nicht mehr auf die einzelnen Schutzziele ausgerichtet ist.<br />
Das noch gültige deutsche Fluglärmgesetz von 1971 ist vordergründig auf die<br />
Siedlungsbegrenzung ausgerichtet. Es werden zwei Werte mit unterschiedlichen<br />
Konsequenzen für einen 24-Stunden-Bereich festgelegt.<br />
Wirkungen von Schall und insbesondere die negative Ausprägung in Form des<br />
Lärmes können vielgestaltig sein. Inzwischen liegen Erkenntnisse der<br />
Lärmwirkungsforschung in verschiedenen Beeinträchtigungsbereichen vor. Deshalb<br />
wird auch in diesem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten von unterschiedlichen<br />
Schutzzielen und unterschiedlichen Beurteilungsgrenzen ausgegangen.<br />
Als Schutzziele bei Fluglärmeinwirkung werden im Folgenden diskutiert<br />
• Vermeidung von Krankheiten und Schutz der Gesundheit<br />
• Vermeidung von Schlafstörungen mit negativen Auswirkungen<br />
• Vermeidung erheblicher Belästigung<br />
• Vermeidung von Kommunikationsstörungen<br />
• Vermeidung von Leistungsbeeinträchtigungen<br />
• Vermeidung von Störungen der Erholung<br />
• Vermeidung von Störungen im Arbeitsprozess.<br />
21
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Die einzelnen Schutzziele sind nicht gleichwertig nebeneinander. Eine besondere<br />
Rolle und damit eine besondere Heraushebung bietet das Schutzziel Gesundheit.<br />
Alle anderen sind nachrangig. Herausgehoben ist auch das Schutzziel Vermeidung<br />
der Störung des Nachtschlafes, obwohl hier wissenschaftlich – wie noch zu<br />
begründen sein wird – eine direkte Beziehung zur Gesundheit bisher nicht<br />
nachgewiesen ist. Hier kommt besonders der Vorsorgeaspekt zum Tragen.<br />
Wo beginnt die „Schutznotwendigkeit“?<br />
Verwendet man unterschiedliche Schutzziele, steht man vor dem Problem, zu<br />
definieren, wo eine Schutznotwendigkeit oder –bedürftigkeit beginnt.<br />
Es ist ja nicht nur für den Lärm äußerst wichtig, Kriterien oder Beurteilungsgrenzen,<br />
bei denen Maßnahmen erforderlich sind, festzulegen.<br />
Für das wesentliche Schutzziel Gesundheit/Krankheitsverhütung gibt es in der<br />
Wissenschaft weitgehend akzeptierte Kriterien. Die Festlegung von Grenzwerten zur<br />
Reduzierung von Lärmwirkungen hat erst einmal auf den Erkenntnissen der<br />
Kausalität zu beruhen, welche Wirkungen sind tatsächlich auf diesen Lärm<br />
zurückzuführen. Dies trifft auf alle Beurteilungen und Wertung von Beziehungen<br />
zwischen einem möglichen Risiko und einer Erkrankung. Grundlage sind<br />
wissenschaftliche Plausibilitätskriterien für die Kausalität (Ursache) einer Erkrankung<br />
oder einer Wirkung (z.B. Hill 1965) hat (Tab. 1).<br />
Tab. 1: Plausibilitätskriterien für die Kausalität einer Assoziation (nach Hill 1965)<br />
• Stärke der Assoziation (Beziehung)<br />
• Konsistenz (Einheitlichkeit der Ergebnisse) der Studien (beobachtet durch<br />
verschiedene Untersucher, an verschiedenen Orten, zu verschiedener Zeit)<br />
• Spezifität der Wirkung (wenn andere mögliche Ursachen mitgeprüft wurden)<br />
• zeitlicher Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung<br />
• Dosis-Wirkungs-Beziehung<br />
• Erklärung durch einen Mechanismus (Plausibilität eines biologischen<br />
Wirkungszusammenhangs)<br />
• Kohärenz (Übereinstimmung mit bekannten Fakten und Gesetzmäßigkeiten)<br />
• Bestätigung durch das Experiment (z. B. tierexperimentell)<br />
• Analogie zu vergleichbaren Effekten aus anderer Ursache<br />
22
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Werden diese Kriterien nicht erfüllt, so liegen nach wissenschaftlicher<br />
Herangehensweise Vermutungen bis Spekulationen vor. Gerade in der<br />
Lärmwirkungsforschung, in der nicht nur <strong>med</strong>izinische und naturwissenschaftliche<br />
Wissenschaftler zur Gesundheit forschen, wird häufig gegen dieses Prinzip<br />
verstoßen. Es werden Einzelergebnisse nicht richtig gewertet, verabsolutiert und<br />
nicht mit den vorher genanten Kriterien der Plausibilität geprüft.<br />
Doch Handlungsnotwendigkeiten ergeben sich nicht nur auf der Grundlage der<br />
Plausibilität und der wissenschaftlichen Begründung einer Beziehung zwischen Lärm<br />
und Krankheit. Konsequenzen sind zu prüfen, wenn eine Wirkung einen adversen<br />
Charakter einnehmen kann. Die Scientific Expert Group der USA (1994) beschäftigte<br />
sich mit der Wirkung von Belastungen und Anforderungen auf den Menschen und<br />
beschrieb ein Kontinuum, was auch auf die Lärmwirkung anwendbar ist, von<br />
a. keine beobachtbaren Effekte<br />
b. kompensierbare Effekte ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />
c. frühe Effekte unklarer Bedeutung ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />
d. frühe gesundheitliche Beeinträchtigungen.<br />
e. offensichtliche Erkrankungen.<br />
Der Umschlag von Punkt c. zu d. bedeutet mögliche negative, d. h. adverse Effekte.<br />
Hier beginnt die Schutzbedürftigkeit. Auch hierfür sind bestimmte wissenschaftlich<br />
akzeptierte Kriterien erforderlich, die auch Ähnlichkeiten mit den Plausibilitätskriterien<br />
für die Kausalität einer Erkrankung haben.<br />
Advers im Sinne der Notwendigkeit der Festlegung von Grenzwerten sind Effekte<br />
dann, wenn<br />
• durch die Belastung (z. B. Lärm) mit verschiedenen Methoden nachweisbare<br />
Expositionseffekte auftreten und<br />
• in verschiedenen Populationen stabile und kongruente Veränderungen bei<br />
vergleichbaren Belastungen aufgetreten sind und<br />
• wenn eine fehlende Reversibilität von Veränderungen (z. B. Leistungsdefizite,<br />
Befindlichkeitsänderungen, organismische Veränderungen) zu verzeichnen ist<br />
und<br />
• wenn die Ergebnisse in Abhängigkeit von den Expositionsbedingungen<br />
reproduzierbar sind und<br />
23
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
• wenn die Stärke der Expositionseffekte gegenüber anderen, üblicherweise<br />
tolerierten Ursachen der Veränderungen bedeutsam sind und<br />
• wenn die Effekte - z. B. Beschwerden, Befindlichkeits- und Belästigungsangaben<br />
- relevant für die Gesundheit sind, d. h. die Fähigkeit des Menschen, mit<br />
Umweltanforderungen umgehen zu können, beeinträchtigen.<br />
Dabei sollten alle diese Kriterien erfüllt sein, um von einem adversen, Handlung<br />
fordernden Effekt zu sprechen.<br />
Die Nichtberücksichtigung dieser wissenschaftlichen Beurteilungskriterien führt in<br />
vielen Fällen zu unterschiedlichen Interpretationen de Sicherheit und des<br />
Erkenntnisstandes der Lärmwirkungsforschung und ist Quelle für die teilweise<br />
heftigen Auseinandersetzungen vor Anhörungen und Gerichten.<br />
Es ist jedoch gerade für die Lärmwirkungen nicht einfach, wie noch darzustellen sein<br />
wird, diesen Ansprüchen zu genügen. Deshalb sind Vorsorgegesichtspunkte in die<br />
Ableitung von Schutzmaßnahmen einzubeziehen, die aber auch als solche deklariert<br />
werden sollen.<br />
Die Europäische Kommission hat am 02.02.2000 eine Mitteilung zur Anwendbarkeit<br />
des Vorsorgeprinzips veröffentlicht (bestätigt auch durch den Europäischen Rat bei<br />
seiner Tagung in Nizza, 07. bis 09.12.2000). Demnach hat sich das Vorsorgeprinzip<br />
nicht nur auf den Gesundheitsschutz, sondern auch auf die Gesundheit von Mensch,<br />
Tier und Pflanze zu beziehen. Dabei soll vermieden werden, dass das Prinzip<br />
willkürlich als Vorwand für protektionistische Maßnahmen angewandt wird. Bei neuen<br />
Erkenntnissen sollen Maßnahmen entsprechend angewandt werden, und sie sollen<br />
mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse unter Einschluss sozioökonomischer Aspekte<br />
geprüft werden.<br />
Weitere Schutzziele<br />
Schutzziele können nicht nur für die Durchschnittsbevölkerung gelten. In besonders<br />
schutzbedürftigen Bereichen halten sich vor allem Menschen auf, die einer<br />
besonderen Gefährdung aufgrund Einschränkungen der Anpassungs- oder<br />
Bewältigungsfähigkeit unterliegen oder bei denen besondere Anforderungen stehen.<br />
In dem von mir verwendeten Schutzkonzept werden sie gesondert betrachtet und<br />
24
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
bewertet. Die Beurteilungsgrenzen liegen unterhalb derer, die für die<br />
Allgemeinbevölkerung gelten. Dazu gehören insbesondere Krankenhäuser,<br />
Altenpflegeheime, Kindergärten und Schulen. In Einzelfällen können auch andere<br />
Nutzungseinrichtungen hinzugezogen werden.<br />
Im Umweltgutachten 2002 (SRU 2002) wird eine Auffassung von BULLINGER et al.<br />
(1999) aufgenommen, die eine „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ als Schutzziel<br />
formuliert. Bei dieser verwaschenen, nicht ausreichend definierten Formulierung<br />
besteht die Gefahr, dass der Lärm hinter relevanteren Faktoren für die<br />
Lebensqualität und aufgrund der individuellen Differenziertheit von Lebensqualität an<br />
Bedeutung verliert. Deshalb bleibe ich bei einer differenzierteren Betrachtung der<br />
Schutzziele.<br />
Unabhängig von der Einhaltung von Schutzgrenzen sollte grundsätzlich die Strategie<br />
weitgehender Lärmminderung verfolgt werden.<br />
Grundsätzlich ist bei Neubau und wesentlichen Änderungen von Flughäfen vom<br />
Vorsorgeprinzip auszugehen.<br />
25
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
5. Schutzziel: Vermeidung von Krankheiten und von Gesundheits-<br />
beeinträchtigungen<br />
Gesundheit ist das wesentlichste Schutzgut gegenüber Umwelteinflüssen und spielt<br />
deshalb auch in den Diskussionen eine vordergründige Rolle. Dabei geht es nahezu<br />
immer um die Verhütung von Krankheiten.<br />
Krankheit – als das Gegenteil von Gesundheit – ist ein regelwidriger, körperlicher<br />
und/oder geistiger Zustand, der - unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten -<br />
zur Arbeitsunfähigkeit oder/und zur Behandlungsnotwendigkeit führt. Gesundheit<br />
wäre dann als das Nichtvorhandensein von Krankheit zu verstehen. Doch bereits die<br />
Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte 1948 die Gesundheit viel<br />
umfassender als einen „Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und<br />
sozialen Wohlbefindens (well being) und nicht allein als ein Fehlen von Krankheit und<br />
Gebrechen“. In dieser Auffassung von Gesundheit werden von der WHO Ziele und<br />
strategische Komponenten formuliert, jedoch kein messbarer Gesundheitsbegriff<br />
definiert. Durch diese Auffassung wird aber verdeutlicht, dass Gesundheit und<br />
Krankheit nicht nur als Alternativen aufzufassen sind, und dass Gesundheit aus<br />
körperlichen, psychischen und sozialen Prozessen besteht, was sich zunehmend in<br />
der Wissenschaft, aber auch in Gesetzen und Regelungen für Einwirkungen auf den<br />
Menschen durchgesetzt hat. Doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass man den<br />
Menschen nur noch fragen muss, ob er sich vollkommen wohl fühlt, um Gesundheit<br />
zu erfassen.<br />
Auch in diesem Gutachten wird die Gesundheit nicht nur als somatische, körperliche<br />
Organ bezogene Gesundheit verstanden (SCHEUCH und SCHRÖDER 1990).<br />
Gesundheit als Schutzgut wird nicht nur im Sinne der Vermeidung von Krankheit<br />
interpretiert, sondern als Fähigkeit zur Bewältigung von Umweltanforderungen und<br />
damit zur Entwicklung und Erhaltung physischer, psychischer und sozialer<br />
Funktionen. Dies kommt auch in der Berücksichtigung anderer Schutzziele zum<br />
Ausdruck.<br />
Die diskutierten Erkrankungsmöglichkeiten unter Lärm sind vielgestaltig. Dass Lärm<br />
entsprechender Intensität und Dauer zu Schäden am Hörorgan führen kann ist schon<br />
26
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
lange bekannt. Auch die Dosis-Wirkungs-Beziehungen sind uns weitgehend geläufig.<br />
Weitaus umfangreicher werden im Zusammenhang mit Verkehrslärm die<br />
extraauralen Lärmschäden, d.h. außerhalb des Hörorgans diskutiert (Tab. 2). Dass<br />
so viele Schadensmöglichkeiten diskutiert werden, ist nicht verwunderlich, denn Lärm<br />
löst unspezifische Prozesse im Organismus aus (siehe Kapitel 3).<br />
Tab. 2: Extraaurale negative Lärmwirkungen<br />
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
• Psychische und psychiatrische E.<br />
• Atemwegserkrankungen<br />
• Medikamentenverbrauch<br />
• Schwangerschaft/Geburtsgewicht<br />
• Hormonelle Erkrankungen (z.B. Diabetes)<br />
• Magen-Darm-Erkrankungen<br />
• Allergien<br />
• Tinnitus (Hörgeräusche)<br />
• Krebs<br />
• Migraine<br />
• Hauterkrankungen<br />
Die gesicherten Erkenntnisse liegen zu den negativen Wirkungen des Lärms auf das<br />
Hörorgan vor. Deshalb soll dies auch als erstes diskutiert werden.<br />
5.1. Schäden durch Lärm am Ohr<br />
Wissenschaftlich erwiesen sind kausale Beziehungen zwischen Lärm und Krankheit<br />
für Schäden am Ohr. Das trifft für die Lärmschwerhörigkeit in der Arbeit sowie für die<br />
mechanische Zerstörung von Teilen des Hörorgans durch Lärm hoher Intensität zu.<br />
Lärmschwerhörigkeit durch Arbeit als mögliche Berufskrankheit ist eine<br />
Innenohrschwerhörigkeit mit charakteristischen Merkmalen, die bei Lärmpegeln von<br />
Leq3 = 85 dB(A) während der Schicht und bei einer Einwirkung von etwa 10 Jahren<br />
bei etwa 1 % der Arbeitnehmer auftritt. Unter präventiven Gesichtspunkten sollten<br />
nach neueren Erkenntnissen Leq3 = 80 dB(A) in einer Arbeitsschicht unterschritten<br />
27
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
werden. Seitens der EU wurde kürzlich eine neue Lärmschutzrichtlinie für den<br />
Arbeitsbereich herausgegeben (EU Lärm 86/188/EWG 2003). Sie orientiert die<br />
präventiven Maßnahmen am Schutz des Gehörs. Diese EU-Lärmschutzrichtlinie<br />
formuliert einen oberen Auslösewert bei Leq = 85 dB bzw. 137 dB(C) Maximalpegel,<br />
der zur Aufstellung von Lärmminderungsprogrammen, Kennzeichnung, Nutzung von<br />
Gehörschutzmitteln verpflichtet sowie einen unteren Auslösewert von Leq = 80 dB(A),<br />
der die Informationspflicht, Schutzunterweisung, Anspruch auf<br />
Gesundheitsüberwachung und Angebot von Gehörschutz beinhaltet.<br />
Im Umweltbereich treten Belastungen dieser Größenordnung in der Regel jedoch<br />
nicht auf. Bei extremen Belastungen durch niedrige Direktüberflüge von militärischen<br />
Strahlflugzeugen wurden früher in seltenen Fällen bleibende<br />
Hörschwellenanhebungen beschrieben. Seit 1990 die Tiefflugmindesthöhe in der<br />
Bundesrepublik Deutschland von 75 m auf 300 m angehoben wurde, sind solche<br />
Effekte nicht zu erwarten.<br />
Für Anwohner eines zivilen Flughafens besteht keine Gefahr für eine<br />
Lärmschwerhörigkeit, weil durch die anderen Schutzziele solche möglichen Schäden<br />
mit abgedeckt werden. Eine Gefährdung wäre bei jahrelangem Einwirken eines Leq<br />
24h = 80 dB(A) und einem häufigerem Einwirken gegenüber Maximalpegel von Lmax =<br />
115 dB(A) unter Berücksichtigung der Anstiegssteilheit zu diskutieren. Unter<br />
präventiven Gesichtspunkten für eine Lärmschwerhörigkeit sollte ein Leq 24h = 75<br />
dB(A) nicht überschritten werden. Bei Maximalpegeln spielt die Anstiegssteilheit eine<br />
Rolle. Relevante schnelle Anstiege der Schallbelastung sind im zivilen Luftverkehr<br />
nicht zu erwarten, so dass auch Einzelpegel im Flughafenumfeld keine<br />
Lärmschwerhörigkeit hervorrufen.<br />
5.2. Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen<br />
Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen die häufigste Todesursache aufgrund<br />
des Älterwerdens der Bevölkerung, des Zurückdrängens anderer Erkrankungen.<br />
Risikofaktoren und Risikoindikatoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren und<br />
sind intensiver Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Rauchen, Ernährung,<br />
28
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
mangelnde körperliche Aktivität, bestimmte psychische Verhaltens- und<br />
Bewältigungsstile, sind wissenschaftlich bestätigte Risikofaktoren für das Entstehen<br />
von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In diesen zahllosen wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen zu Ursachen und Beeinflussungsmöglichkeiten von Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen spielt der Lärm eine untergeordnete Rolle.<br />
Im Vordergrund all dieser Untersuchungen steht die Hypertonie, der Bluthochdruck,<br />
da hieraus Schlaganfall, ischämische Herzerkrankungen und andere Komplikationen<br />
resultieren können. Zum anderen wird vor allem die ischämische Herzkrankheit<br />
selbst mit dem Herzinfarkt untersucht. Zunehmend werden auch<br />
Stoffwechselerkrankungen in diese Problematik Herz-Kreislauf-Erkrankung und<br />
belastungsbedingtes Risiko einbezogen, insbesondere der Diabetes mellitus, die<br />
Blutzuckerkrankheit, da zwischen Stoffwechsel und Gefäßerkrankungen eine sehr<br />
enge Beziehung besteht. Dies drückt sich unter anderem in dem klinischen Begriff<br />
„Metabolisches Syndrom“ aus, zu dem Hypertonie, Diabetes mellitus,<br />
Fettstoffwechselstörung, Adipositas (Fettsucht) und auch Harnsäureerhöhungen, die<br />
zur Gicht führen können, gehören.<br />
Die Hypertonie ist in der Bevölkerung weit verbreitet, was eine Zuordnung von Lärm<br />
als Ursache erschwert. Die Ursachen einer Hypertonie sind ebenfalls vielgestaltig.<br />
Gesichert ist, dass bei Hypertonie eine genetische Komponente, die Ernährung,<br />
insbesondere der Kochsalzgehalt der Nahrung, die Glukosetoleranz, d. h. eine<br />
mögliche Vorstufe für einen Diabetes mellitus, die Fettsucht eine wesentliche Rolle<br />
spielen. Dem Stress wird auch eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Die<br />
Zuordnung exogener Faktoren zur Herausbildung einer Hypertonie wird dagegen<br />
sehr unterschiedlich diskutiert. Dies trifft auch auf den Lärm zu. So ist die Frage, ob<br />
Lärm in der Arbeitstätigkeit zur Hypertonie führen kann, noch offen. Im<br />
Arbeitsprozess werden deutlich höhere Lärmpegel erreicht als im kommunalen<br />
Bereich, damit auch höhere Pegel über 24 Stunden.<br />
Es werden auch keine einheitlichen Befunde der Hypertonie oder anderer Herz-<br />
Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit Lärmschwerhörigkeit gefunden, bei denen<br />
ja ein kausaler Schadensmechanismus nachgewiesen wurde. So fanden wir bei<br />
Lärmschwerhörigen über dem 40. Lebensjahr gegenüber Gleichaltrigen keine höhere<br />
Hypertonierate (Haufe et al. 2004).<br />
29
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Trotz jahrzehntelanger Untersuchungen ist bisher eine kausale Beziehung zwischen<br />
Lärm und Hypertonie wissenschaftlich nicht eindeutig und allgemein anerkannt<br />
nachgewiesen wurde (KRISTENSEN 1998, STARK et al.1998). Sicher ist jedoch,<br />
dass dieser Einfluss weitaus geringer ist als der von verhaltensbezogenen<br />
Risikofaktoren.<br />
Auch im Umweltbereich sind die Untersuchungsergebnisse zu Lärm und Hypertonie<br />
sehr different. Untersuchungen aus den 70iger und 80iger Jahren zeigten noch<br />
häufiger einen Zusammenhang. Statistische Signifikanz war aber auch da selten.<br />
Diese Einschätzung wird auch durch BABISCH (2000) unterstützt, der in seiner<br />
Analyse zu Verkehrslärmwirkungen feststellt, dass der epidemiologische Beweis für<br />
verkehrslärmbedingte Erhöhungen der Hypertonierate sehr gering ist. Erst bei sehr<br />
hohen Schallbelastungen, wie sie in der Umwelt nicht auftreten und wie sie<br />
heutzutage auch an Arbeitsplätzen der Industrieländer selten sind, scheint der<br />
Organismus unter bestimmten Voraussetzungen mit einer dauerhaften<br />
Blutdruckanhebung zu reagieren. Bei Schallpegeln, die in Bereichen um Flughäfen<br />
oder anderen Verkehrsgebieten zu erwarten sind, ist der Zusammenhang zwischen<br />
chronischer Lärmeinwirkung und Hypertonieentstehung uneinheitlich.<br />
In einer neuen Untersuchung legten MASCHKE et al. (2003) lärmbezogene<br />
Ergebnisse aus einer Gesundheitsstudie in Berlin-Spandau vor, auf die noch<br />
einzugehen sein wird. Da die Beziehungen von Erkrankungen zum Taglärm bisher<br />
wenig aussagefähig waren, wurde aus Lärmdatenbanken in Berlin der Nachtlärm<br />
entnommen. Sie fanden dabei, dass von den Befragten angegebene ärztliche<br />
Diagnosen „Hypertonie“ bei Personen eine erhöhte Periodenprävalenz (Auftreten<br />
zwischen zwei Untersuchungszeitpunkten) aufwiesen, wenn der nächtliche<br />
äquivalente Dauerschallpegel des Straßenverkehrs über 55 dB(A) lag gegenüber<br />
den Bereichen, die unter 50 dB(A) lagen. Dies ist eine der ganz wenigen<br />
Untersuchungen, die sich speziell mit dem Nachtlärm aus epidemiologischer Sicht<br />
beschäftigten. Diese Ergebnisse müssen weiter untersetzt werden. Insgesamt ist<br />
jedoch damit auch die unsichere Datenlage nicht günstiger geworden, da<br />
insbesondere auch die Lärmzuordnung bei diesen Untersuchungen schwierig ist.<br />
Zusammenfassend ist für den Arbeitsbereich festzustellen, dass ein kausaler<br />
Mechanismus zwischen Lärm und Hypertonie nicht nachzuweisen, eine Dosis-<br />
30
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Wirkungs-Beziehung nicht abzuleiten ist. Auch für die Beziehungen zwischen<br />
Verkehrslärm und Hypertonie ist kein wissenschaftlich gesicherter Nachweis zu<br />
führen. Es bleibt jedoch die Frage offen, inwieweit durch weitere Risikofaktoren<br />
gefährdete Personen durch zusätzlichen, chronischen Lärm für die Entstehung einer<br />
Hypertonie prädestiniert sind.<br />
Ähnliche Aussagen gelten für die viel diskutierte Problematik der Verbindung von<br />
Lärm und ischämischer Herzkrankheit einschließlich des Herzinfarktes. So<br />
beschrieben ISING et al. (1990) und ISING et al. (1995) eine statistisch signifikante<br />
Beziehung zwischen Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie für das Auftreten<br />
von Herzinfarkten bei Bewohnern in Lärmgebieten. In der bereits erwähnten<br />
Untersuchung von MASCHKE et al. (2003) zu Beziehungen zwischen Verkehrslärm<br />
mit bestimmten Erkrankungen in Berlin-Spandau auf der Grundlage von Schallpegeln<br />
nach Lärmkarte wurde sowohl für die Schallbelastung durch Straßenverkehr am Tag<br />
als auch in der Nacht und in den Fluglärmzonen keine signifikante Beziehung von<br />
Schallpegeln zur Lebenszeit- (Auftreten bisher im gesamten Leben) und<br />
Periodenzeitprävalenz der ärztlichen Behandlung von Herzinfarkten oder von Angina<br />
pectoris gefunden. Es zeigten sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen dem Tagund<br />
Nachtschallpegel. Eine Tendenz kann jedoch auch hier angenommen werden,<br />
dass Pegel über <strong>60</strong> bis 65 Dezibel zu einem höheren Risiko führen könnten, leider<br />
sind die Angaben über 65 dB nicht verwertbar.<br />
In Tabelle 3 sind Ergebnisse zwischen Umweltlärm und Herzinfarkt dargestellt. Die<br />
durch Fluglärm betroffenen Populationen um Caerphilly und Speedwell wurden über<br />
mehrere Jahre untersucht und stellen eine der wenigen Langzeituntersuchungen dar,<br />
die mit gleicher Methodik durchgeführt wurden. Signifikante Beziehungen sind nicht<br />
gefunden worden.<br />
31
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 3: Verkehrslärmbelastung und ischämische Herzkrankheit (PVR/OR/RR sind<br />
relative Risikomaße)<br />
Studie Straßenver-<br />
Caerphilly<br />
Phase I<br />
Babisch et<br />
al.<br />
1988,1998<br />
5 J Foll.-Up<br />
1993<br />
10 J Foll.-Up<br />
1998<br />
Speedwell<br />
Phase I<br />
Babisch et<br />
al. 1988<br />
kehrslärm<br />
Leq dB(A)<br />
4 Schallpegel-<br />
klassen<br />
Leq, 6-22h<br />
51-55 bis 66-70<br />
4 Schallpegelklassen<br />
Leq, 6-22h<br />
51-55 bis 66-70<br />
Effektvariable<br />
Vergleich zwischen<br />
höchster und<br />
niedrigster<br />
Schallpegelklasse<br />
Risikomaße<br />
PVR/OR/RR<br />
[CI95% ]<br />
Signifikanz<br />
Angina pectoris PVR 0.5 [0.2-<br />
1.4]<br />
n. s.<br />
Myocardinfarkt PVR 1.2 [0.6-<br />
Ischämiezeichen<br />
(EKG)<br />
ischämische<br />
Herzkrankheit,<br />
ischämische<br />
Herzkrank-heit,<br />
2.3]<br />
n. s.<br />
PVR 1.2 [0.4-<br />
3.5]<br />
n. s.<br />
RR 0.5 [0.2-<br />
1.7]<br />
n. s.<br />
RR 1.1 [0.6-<br />
1.9]<br />
n. s.<br />
Angina Pectoris PVR 1.1 [0.7-<br />
1.9]<br />
n. s.<br />
Myocardinfarkt PVR 1.1 [0.6-<br />
Ischämiezeichen<br />
(EKG)<br />
1.9]<br />
n. s.<br />
PVR 1.4 [0.7-<br />
2.9]<br />
n. s.<br />
Kontroll-<br />
variablen<br />
n = 2512<br />
Alter, Sozial-<br />
status,<br />
32<br />
Fam.-stand,<br />
Beschäftigungsstatus,<br />
Rauchen,<br />
hereditäre<br />
Vorbelastung,<br />
körperl.<br />
Bewegung,<br />
BMI, Vorerkrankungen<br />
n = 2348<br />
Alter, Sozial-<br />
status, Fam.stand,<br />
Be-<br />
schäftigungsstatus,<br />
Rau-
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
3 J Foll.-Up<br />
1993 a/b<br />
10 J Foll.-Up<br />
1998<br />
Caerphilly/-<br />
Speedwell-<br />
Pool<br />
4 Schallpegel-<br />
klassen<br />
6 J Foll.-Up Leq, 6-22h<br />
Babisch et<br />
al. 1998<br />
Berlin<br />
Babisch et<br />
al.<br />
1994<br />
51-55 bis 66-70<br />
5 Schallpegelklassen<br />
Leqday<br />
≤ <strong>60</strong> - 80<br />
ischämische<br />
Herzkrank-heiten,<br />
ischämische<br />
Herzkrank-heiten,<br />
ischämische<br />
Herzkrankheiten,<br />
Myocardinfarkt (klin.<br />
gesicherte Diagnose)<br />
Myocardinfarkt<br />
(anamn. Angabe)<br />
RR 0.7 [0.3-<br />
1.8]<br />
n. s.<br />
RR 0.9 [0.6-<br />
1.4]<br />
n.s.<br />
RR 1.1 [0.7-<br />
1.7]<br />
n. s.<br />
OR 1.2 [0.8-<br />
1.7]<br />
n. s.<br />
PVR 1.2 [0.7-<br />
2.1]<br />
n. s.<br />
chen, hereditä-<br />
re Vorbe-<br />
33<br />
lastung, körperl.<br />
Bewegung,<br />
BMI, Vorer-<br />
krankungen<br />
s. o.<br />
n = 645 Krankenhausfälle,<br />
3390 Kontrollpersonen<br />
aus<br />
der<br />
Bevölkerung<br />
Substichprobe<br />
(n = 2169), Al-<br />
ter, Sozialstatus,<br />
Rauchen,<br />
Stadtbezirk,<br />
BMI, Schicht
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
In dieser Tabelle 3 wurden auch Ergebnisse der Berliner Studie von 1994 zu<br />
Herzinfarktpatienten im Krankenhaus und deren Umweltlärmbelastung<br />
aufgenommen. Vor wenigen Monaten wurde über das Umweltbundesamt (WaBoLu<br />
02/04) der Forschungsbericht 297 61 003: „Chronischer Lärm als Risikofaktor für den<br />
Myocardinfarkt, Ergebnisse der NaRoMi-Studie“ veröffentlicht. Die<br />
Herangehensweisen waren hier ähnlich. Es wurden Herzinfarktpatienten mit<br />
Kontrollpersonen aus dem Krankenhaus hinsichtlich ihrer Wohnlärmbelastung (aus<br />
den Lärmkarten von Berlin) miteinander verglichen. Die Bewertung der Ergebnisse<br />
leidet darunter, dass es in dieser Veröffentlichung aus den gleichen<br />
Untersuchungsdaten zwei unterschiedliche Berichte gibt. Es ist schon verwunderlich<br />
und bisher meines Wissens auch noch nicht vorgekommen, dass in dem Vorwort zu<br />
dieser sehr umfangreichen und teueren Studie formuliert wird: „Deutlich muss<br />
festgestellt werden, dass die verantwortlichen Wissenschaftler des<br />
Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits<strong>med</strong>izin<br />
Berlin der Vorgehensweise der Charité (Auftragnehmer des Umweltbundesamtes,<br />
der Autor des Gutachtens) bei den Verkehrslärm bezogenen Auswertungen in weiten<br />
Teilen nicht folgen“ (BABISCH 2004, Fachbegleiter im Umweltbundesamt). Seitens<br />
des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />
Arbeits<strong>med</strong>izin wurden Korrekturrechnungen durchgeführt. Dies liegt vor allem an der<br />
Definition der Lärmbelastung und der Kontrollgruppen.<br />
Das wesentliche Problem ist eben die Setzung des „Cut offs“, die Zuordnung zu den<br />
Untersuchungsgruppen, bei der Schallbelastung von Kontroll- und<br />
Belastungsgruppe. Die Risikoberechnungen der beauftragten Charité-Gruppe und<br />
die Nachrechnungen durch das Umweltbundesamt erbrachten teilweise konträre<br />
Ergebnisse, allein aufgrund der unterschiedlichen Kontrollgruppen (Abb. 1).<br />
34
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Od d s Ra tio (9 5 % Kl)<br />
1,75<br />
1,5<br />
1,25<br />
1<br />
0,75<br />
0,5<br />
0,25<br />
, '<br />
'<br />
'<br />
'<br />
,<br />
,<br />
0<br />
<strong>60</strong>-65 dBA >65-70 dBA >70 dBA<br />
Abb. 1: Verkehrslärm und Herzinfarktinzidenz (NaRoMI-Studie 2004)<br />
KI = Konfidenzintervall, UBA = Umweltbundesamt<br />
'<br />
'<br />
,<br />
,<br />
'<br />
,<br />
,<br />
Frauen UBA<br />
Männer UBA<br />
Männer Charité<br />
Frauen Charité<br />
Aus dieser Abbildung wird auch deutlich, dass bei geschätzten Werten (unter <strong>60</strong><br />
dB(A)) vollkommen unerwartete Ergebnisse errechnet wurden. In diesen Bereichen<br />
tritt nach den Berechnungen der Charité das höchste Risiko auf. Diese<br />
umfangreichste Untersuchung zu Herzinfarkt und Lärm – sonst spielt bei<br />
Herzinfarktursachen der Lärm kaum eine Rolle- kann von der Art des Studiendesigns<br />
die Frage der Kausalität nicht beantworten, sie „bekräftigen eine Hypothese“, wie<br />
Babisch (2004) es formulierte.<br />
Die Problematik besteht darin, dass es wissenschaftlich äußerst schwierig ist, den<br />
Faktor Lärm aus den vielfältigen Einflüssen auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen „heraus zu filtern“ Zusätzliche Faktoren wie soziale Schicht,<br />
genetische familiäre Belastung, Ernährungsgewohnheiten, Verhaltensweisen,<br />
Bewegungsmangel, Diabetes mellitus, Rauchen, Übergewicht stellen weitaus<br />
signifikantere Einflussfaktoren für eine ischämische Herzkrankheit als Lärm dar.<br />
Nach einer Übersicht von OMURA et al. (1996) sind mittlerweile rund 177<br />
Risikofaktoren identifiziert worden, denen eine mitverursachende Rolle bei der<br />
Genese von kardiovaskulären Erkrankungen zugeschrieben wird. Lärm kann, wie alle<br />
35
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
anderen Belastungen, in dem unspezifischen Stressgeschehen einer multifaktoriellen<br />
Genese von Herz-Kreislauferkrankungen eine Rolle spielen; mehr ist bisher nicht<br />
bewiesen. So kommen nahezu alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten heute zur<br />
Aussage, dass wissenschaftlich eine Kausalbeziehung zwischen Umweltlärm und<br />
Herz-Kreislauferkrankungen nicht bewiesen ist, die Evidenz der Beziehungen<br />
zwischen Lärm und Herzinfarkt zwischen „begrenzt“ und „hinreichend“ einzustufen ist<br />
[THOMPSON 1993, GRIEFAHN 1991, PASSCHIER-VERMEER 1993 und 1999,<br />
JOB 1996, SCHWARZE 1996, MORELL et al. 1997, KRISTENSEN 1998, SCHEUCH<br />
2000, WEBER 2000, BABISCH 2000 und 2004, VAN KEMPEN et al. 2002]. Aus<br />
Sicht der Lärmwirkungsforschung ist leider festzustellen, dass bei allen, weltweit<br />
durchgeführten klinisch-epidemiologischen Studien zu den Ursachen von Herz-<br />
Kreislauferkrankungen der Umweltlärm nahezu keine Rolle spielt.<br />
Zum Problem der weitgehend fehlenden statistischen Signifikanz dieser empirischen<br />
Ergebnisse zu den Beziehungen zwischen Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />
stellt der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Sondergutachten zu<br />
Umwelt und Gesundheit (1999) fest: „ ...Den dargestellten Studien mangelt es wegen<br />
zu geringer Fallzahlen in den Gruppen mit hoher Lärmexposition an ausreichender<br />
Teststärke; die Ergebnisse sind statistisch nicht signifikant... Zum gegenwärtigen<br />
Zeitpunkt kann daher nicht abschließend dazu Stellung genommen werden, ob<br />
Umweltlärm bei der Entstehung von ischämischen Herzkrankheiten eine<br />
mitverursachende Rolle spielt.“. Inzwischen sind die Fallzahlen erhöht wurden, die<br />
die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Vorsorgeaspekten unterstreichen (siehe<br />
Zusammenfassung dieses Kapitels).<br />
Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen [SRU 1999] ist der Meinung, dass<br />
„die bisherigen Ergebnisse konsistent einen eindeutigen Trend aufweisen“. Wie<br />
bereits angeführt, sind einige Wissenschaftler der Auffassung, dass die Beziehungen<br />
speziell zwischen Lärm und Herzinfarkt als „begrenzt“ und „hinreichend“ einzustufen<br />
wäre. Außerdem sind unsere Kenntnisse zu umweltbedingten Lärmwirkungen bei<br />
bestimmten Risikogruppen, wie Kranke und Ältere aber auch Kinder, unzureichend.<br />
Deshalb ist dies unter präventiven Gesichtspunkten auch bei Bewertungsgrenzen zu<br />
berücksichtigen. Deshalb sollten auch für den Fluglärm Begrenzungswerte unter dem<br />
Gesichtspunkt der Verhütung des Entstehens lärmbedingter Erkrankungen festgelegt<br />
36
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
werden. Dabei braucht es keine unterschiedlichen Werte für verschiedene<br />
Erkrankungen zu geben, da die unspezifischen Mechanismen (siehe Kapitel 4)<br />
weitgehend übergreifend sind.<br />
Die Wissenschaft ist keine Politik. Die Wissenschaft hat zu sagen, was sie weiß und<br />
wie sicher sie es weiß, und sie hat Kriterien für die Sicherheit des Wissens<br />
aufzustellen, u. a. die eingangs genannten Kriterien für eine Adversität sowie die<br />
aufgeführten Plausibilitätskriterien. Wenn dies nicht erfolgt oder nur im<br />
Kleingedruckten zu lesen ist, führt das zur Erzeugung von Risiken.<br />
5.3 Weitere diskutierte Erkrankungen und Störungen<br />
Erkrankungen im auralen (am Ohr) Bereich sind kausal auf Lärm zurückzuführen. Im<br />
extraauralen Bereich, nicht auf das Ohr bezogene Erkrankungen, sind diese<br />
Beziehungen in dieser Eindeutigkeit nicht vorhanden, wie das für die Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen dargestellt wurde. In Tab. 2 wurde eine Reihe von Erkrankungen<br />
aufgeführt, die mit Lärm in Verbindung gebracht werden.<br />
Es gibt monokausal und multikausal bedingte Erkrankungen. Die meisten<br />
chronischen Erkrankungen werden durch verschiedene Ursachen, multikausal,<br />
bedingt. Lärm ist ein Risikofaktor, der zweifellos im Zusammenwirken mit anderen<br />
Einflussgrößen im Rahmen einer Multikausalität für Erkrankungen eine Bedeutung<br />
hat. Andererseits sind gleiche Einwirkungen, z.B. Lärm und negative Emotionen,<br />
dazu angetan, in Abhängigkeit vom betroffenen Individuum unterschiedliche<br />
Erkrankungen auszulösen, wobei über die Mechanismen und Ursachen der<br />
unterschiedlichen Organbetroffenheit wenig bekannt ist. Der eine Mensch reagiert mit<br />
Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, während bei einem anderen Menschen<br />
Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems oder psychische Beschwerden im<br />
Vordergrund stehen.<br />
Neben den Herz-Kreislauferkrankungen werden andere Erkrankungen und<br />
pathologische Organbeeinflussungen sowie bestimmte ungünstige Verhaltensweisen<br />
in der wissenschaftlichen Literatur mit Lärmeinwirkungen in Verbindung gebracht.<br />
37
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Hierzu gehören: Magen-Darm-Erkrankungen, Asthma bronchiale, psychische<br />
Störungen, psychiatrische Behandlungen, Medikamentenverbrauch,<br />
Schwangerschaftsbeeinflussung einschließlich Auswirkung auf die<br />
Geburtsparameter, Tinnitus (Ohrgeräusche), Krebs (STANSFELD 1992,<br />
SCHWARZE 1991, MORELL et al. 1997).<br />
Es können prinzipiell alle psychosomatischen Erkrankungen und Störungen auch mit<br />
Lärm in Verbindung gebracht werden, da Lärm als unspezifischer Reiz auch über<br />
psychische Bewertungsprozesse somatische Wirkungen auslöst und bestimmte<br />
Verhaltensweisen zur Folge haben kann. Außerdem bezieht der Mensch aufgrund<br />
seines Kausalitätsbedürfnisses, bestimmte Störungen auf eine Ursache<br />
zurückzuführen, den Lärm als eine objektive, von außen einwirkende Größe in die<br />
Erklärung von Erkrankungen ein.<br />
Es kann hier nicht auf Einzelheiten bei den Erkrankungen, die oben angeführt<br />
wurden, eingegangen werden. Die Beziehungen von Umwelt- oder Arbeitslärm zu<br />
definierten Krankheiten werden in der wissenschaftlichen Literatur sehr uneinheitlich<br />
angegeben, meist ergeben sich keine wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse.<br />
Interpretationen in und vor allem außerhalb der Wissenschaft sind häufig spekulativ.<br />
So kommen z. B. nahezu alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten zur<br />
Einschätzung, dass Verkehrslärm, speziell Fluglärm (eine besondere Rolle spielen<br />
Tiefflugereignisse) keinen wesentlichen Einfluss auf Schwangerschafts- oder<br />
Geburtsparameter haben.<br />
Die zu psychiatrischen Erkrankungen, Medikamentenverbrauch in lärmbelasteten<br />
Wohnbereichen vorliegende Literatur ist weit verstreut und uneinheitlich. In einer<br />
Zusammenfassung kommen STANSFELD (1992) zu dem Ergebnis, dass es keine<br />
gesicherten Beziehungen, beispielsweise zwischen Lärm und psychiatrischen<br />
Erkrankungen gibt. Aus Schweden ist bekannt (GROTVEDT 1990), dass psychische<br />
Erkrankungen zum Nachbarschaftslärm in einer engeren Beziehung stehen, jedoch<br />
nicht zu anderen Lärmquellen.<br />
Es ist auch nicht bewiesen, dass Lärm über die Belästigung zu einem erhöhten<br />
Medikamentenverbrauch, insbesondere zu einem erhöhten Schlafmittelverbrauch<br />
38
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
führt (siehe auch Kapitel 7). Ebenfalls konnte die Beziehung zwischen<br />
Lärmbelastung und häufigerem Arztbesuch nicht zwingend nachgewiesen werden.<br />
Dagegen sind die subjektiven Beschwerdekonstellationen oder die über Fragebögen<br />
erfassten Angstsituationen sehr viel enger mit dem Lärmerleben bzw. mit der<br />
erlebten langfristigen Lärmbelastung in einen Zusammenhang zu bringen.<br />
Entsprechend des Kausalitätsbedürfnisses des Menschen werden subjektive<br />
Befindensbeeinträchtigungen häufiger äußeren Einwirkungen zugeordnet. Es<br />
widerspiegeln sich auch gewisse Grundeinstellungen und Beantwortungstendenzen<br />
in solchen Fragebögen zur Wertung äußerer Einflüsse und zur Wertung des<br />
Befindens wieder.<br />
Bei den Erkrankungen durch Lärm wird auch manchmal die Entstehung von Krebs<br />
durch Lärm diskutiert. Ein ursächlicher Zusammenhang ist beim gegenwärtigen<br />
Kenntnisstand zur Krankheitsentstehung von Krebs unwahrscheinlich.<br />
Zusammenhänge zwischen Durchblutung (die - wie oben ausgeführt - durch Lärm<br />
akut und zeitlich unmittelbar beeinflusst werden kann) und Stoffwechsel einerseits<br />
und krebsrelevanter Zellentartung andererseits lassen sich nur theoretisch herstellen,<br />
weil Lärm auf die Durchblutung wirkt. Der unspezifische Reiz „Lärm“ ist allerdings<br />
vergleichsweise schwach, so dass ein Zusammenhang höchst unwahrscheinlich ist.<br />
Manchmal wird auf eine verringerte Lebenserwartung unter Lärmeinwirkung<br />
hingewiesen. MORELL et al. (1997) kommen in ihrer Übersichtsarbeit zur<br />
Schlussfolgerung, dass wenn überhaupt Unterschiede der Lebenserwartung um<br />
Flughäfen festgestellt wurden, andere Faktoren dafür anzuschuldigen waren und<br />
nicht der Lärm. Dies trifft ebenfalls auf berufliche Lärmeinwirkungen mit einem<br />
deutlich höheren Pegel und dessen Beziehung zur Lebenserwartung zu.<br />
Einen interessanten Ansatz realisieren MASCHKE et al. (2003) in einer Studie zur<br />
Prävalenz ärztlicher Behandlungen in Abhängigkeit von der Verkehrslärmbelastung<br />
der Probanden in der bereits angeführten Studie in Berlin-Spandau, in dem sie<br />
zwischen Tages- und Nachtlärmbelastung in den Wohngebieten differenzierten. Sie<br />
beschrieben bei Bezug zum nächtlichen äquivalenten Dauerschallpegel über 55<br />
dB(A) ein erhöhtes Risiko für ärztliche Behandlungen wegen Hypertonie (signifikant),<br />
39
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
erhöhter Blutfette (OR 1,5, CI 0,9 – 2,5, nicht signifikant), für Asthma bronchiale (OR<br />
1,5, CI 1,0 – 2,5, signifikant), von Krebserkrankungen für die Periodenprävalenz<br />
(Behandlung im Zeitpunkt zwischen den Untersuchungszeiträumen des Spandauer<br />
Gesundheitssurveys), jedoch nicht für die Lebenszeitprävalenz, OR = 4,2, CI = 0,9 –<br />
20,0 (nicht signifikant). Kein wesentlicher Zusammenhang wurde zwischen<br />
nächtlicher Lärmbelastung über 55 dB(A) und der ärztlichen Behandlung gegenüber<br />
Schilddrüsenerkrankungen, chronischer Bronchitis, Migräne, Diabetes mellitus,<br />
Allergieneigung gefunden (Tab. 4). Für die Risikointerpretation ist die Anzahl der<br />
Fälle und Kontrollen bei den einzelnen Erkrankungsgruppen relevant, was leider in<br />
der mir zur Verfügung stehenden Publikation nicht angegeben ist. Es werden nur<br />
statistische Relativitätsmaße angegeben. Solche größer angelegten<br />
epidemiologischen Studien sind immer mit Schwierigkeiten verbunden, die mit einer<br />
Einschränkung der Verallgemeinerung einhergehen. So wurde der nächtliche<br />
Lärmpegel anhand der Lärmkarten der Stadt bewertet, die ärztlichen Behandlungen<br />
wurden subjektiv angegeben (ein besseres Kriterium jedoch als subjektive Angaben<br />
zu einer Erkrankung wie in den meisten Studien). Erkrankungen, die <strong>med</strong>izinisch<br />
inhaltlich zusammen gehören, zeigen teilweise ein differentes Verhalten, die<br />
Perioden- und Lebenszeitprävalenz (Auftreten der angegebenen Erkrankung<br />
zwischen Untersuchungszeiträumen bzw. im bisherigen Leben) hängen naturgemäß<br />
statistisch eng zusammen, weisen jedoch teilweise unterschiedliche Ergebnisse bei<br />
den Erkrankungen auf, die inhaltlich und <strong>med</strong>izinisch nicht zu erklären sind. Ein<br />
Beweis der Kausalität von den angeführten Erkrankungen und Lärmeinwirkungen ist<br />
mit diesen Untersuchungen auch nicht gegeben. Als Risikopopulation wird eine<br />
Wohngegend mit einem Nacht-Leq von > 55 dB(A) angesehen. Sollten gesicherte<br />
Ergebnisse sich bei diesem Herangehen zeigen, dann unterstreichen sie auch den<br />
von mir gewählten zusätzlichen präventiven Richtwert in der Nacht von Leq3 = 55<br />
dB(A) im Außenbereich (siehe Kapitel Schlafstörungen 6). Für Fluglärm wurden<br />
übrigens keine Zusammenhänge gefunden, wobei auch die Anzahl der Personen<br />
geringer war.<br />
40
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 4: Beziehungen zwischen unterschiedlichen Erkrankungen durch das Erfragen<br />
von Diagnosen sowie die Zuordnung der individuellen Lärmbelastung auf der<br />
Grundlage der Straßenverkehrskarten in Berlin sowie der Fluglärmzonen<br />
PP = Periodenprävalenz LP = Lebenszeitprävalenz 0 = keine Beziehung<br />
+ = signifikante Beziehung (+) = Trend n= 1.718 Personen<br />
Hypertonie<br />
Angina<br />
pectoris<br />
Straßenverkehr<br />
Fluglärmzonen<br />
Tag > 65 < 55 Nacht > 55 < 50 67 - 75 < 62<br />
PP LP PP LP PP LP<br />
0 0 + + 0 0<br />
0 0 0 0 0 0<br />
Herzinfarkt 0 0 0 0 0 0<br />
Diab. mell. 0 0 0 0 0 0<br />
erhöhte<br />
Blutfettwerte<br />
chronische<br />
Bronchitis<br />
0 0 (+) (+) 0 0<br />
0 0 (neg.) 0 0 0<br />
Asthma 0 0 0 + 0 0<br />
Krebs 0 0 (+) 0 (-) 0<br />
psychische<br />
Störung<br />
0 0 0 0 0 0<br />
Bei den Erkrankungen sind auch Kombinationseffekte von Lärm mit den<br />
Luftschadstoffen durch den Flugbetrieb zu diskutieren. Es gibt sehr wenige<br />
Untersuchungen, die einen solchen Effekt untersuchen. Das liegt einmal daran, dass<br />
die wissenschaftlich zu begründende Wirkmechanismen (siehe Kapitel 5.4) kaum zu<br />
eruieren sind, die Luftschadstoffkonzentrationen durch Flugverkehr relativ gering<br />
sind, so dass es auch nicht um die Untersuchung nur flugbedingter Kombinationen<br />
geht.<br />
Neuerdings wird eine Studie von ISING et al. (2003) vorgelegt, in denen von<br />
ärztlichen Diagnosen chronischer Haut- und Atemwegserkrankungen (angegeben<br />
von den Eltern) bei über 400 Kindern berichtet wird. Danach soll die Ausprägung der<br />
Symptome der erkrankten Kinder nicht nur von der Höhe der Belastungen durch<br />
Luftschadstoffe sondern auch von der Höhe der Lärmbelastungen abhängen, wobei<br />
die Höhe der jeweiligen Belastungen von den Autoren nicht gemessen, sondern von<br />
41
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
den Eltern und von den Kindern wie auch die ärztlichen Diagnosen erfragt wurden.<br />
Die Autoren dieser Studie empfehlen, dieser Frage gezielt nachzugehen. Der<br />
pathophysiologische Mechanismus der in Frage kommenden Luftschadstoffe ist ein<br />
anderer als der durch Schall ausgelöste. Kombinationseffekte dieser beiden<br />
Belastungsgruppen über immunologische Wirkmechanismen lassen sich bisher nicht<br />
wissenschaftlich nachweisen.<br />
Damit soll zum nächsten Kapitel übergeleitet werden.<br />
5.4 Mechanismen zwischen Schalleinwirkung und Krankheit<br />
Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für einen ursächlichen Zusammenhang<br />
zwischen einer Belastungswirkung und einer Krankheit ist der Nachweis der krank<br />
machenden Mechanismen und Prozesse. Allein ein statistischer Zusammenhang<br />
kann keine Ursache begründen.<br />
Zweifelsohne ist Lärm wie auch andere Belastungen des Menschen ein<br />
unspezifischer Stressor, der bestimmte Anpassungsmechanismen auslöst. Da diese<br />
ebenfalls unspezifische Merkmale haben, können vielfältige Wirkungen auftreten. Als<br />
krankheitsauslösende Mechanismen werden häufig Stressvorgänge genannt, wobei<br />
ich mich hier nur auf die körperlichen Veränderungen dieses Mechanismus<br />
konzentrieren möchte (siehe auch Kapitel 4).<br />
Die im Rahmen eines Stressgeschehens ausgelösten vegetativen, hormonellen<br />
Stoffwechsel-, immunologischen, motorischen Veränderungen sind Ausdruck der<br />
Aktivitäten des Lebewesens, mit seinen Umweltanforderungen fertig zu werden. Sie<br />
dienen der Mobilisation und der Vorbereitung des zielgerichteten Handelns. Wie<br />
bereits erwähnt, kann man von Stress nur dann sprechen, wenn als ein Merkmal die<br />
körperlichen Prozesse so ausgelenkt werden, dass die Abgestimmtheit zwischen den<br />
einzelnen Organen, das Funktionieren mit dem geringsten Energie- und<br />
Steuerungsaufwand nicht mehr funktioniert, sondern dass durch diese<br />
Veränderungen zur Bewältigung und Anpassung in Aktion gebracht wird. Diese<br />
Prozesse sind erst einmal Ausdruck eines gesunden Lebens. Bei<br />
Überbeanspruchung von Ausmaß und Dauer, Unabgestimmtheit der Prozesse,<br />
mangelnden Gegenregulationsmöglichkeiten des Individuums können sie unter<br />
42
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
bestimmten Voraussetzungen krank machende Bedeutung erlangen. Voraussetzung<br />
für die Bejahung einer Kausalität (Ursächlichkeit) zwischen Lärm und Krankheit ist<br />
eben auch der Nachweis der entsprechenden pathophysiologischen Mechanismen.<br />
Einer der angeschuldigten Mechanismen geht über die so genannten Stresshormone<br />
Cortisol und Katecholamine mit ihren vielfältigen Wirkungen im Organismus (siehe<br />
Kapitel 3). Häufig werden auch Stoffwechselveränderungen, die mit Hormonen und<br />
dem Vegetativum (Parasympathikus und Sympathikus) zusammenhängen können,<br />
als solche pathophysiologischen Mechanismen insbesondere für Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen benannt. Deshalb ist auch hier wieder die Frage, ob Lärm solche<br />
pathophysiologischen Mechanismen kausal auslösen kann, die auch längerfristig<br />
bestehen bleiben und schließlich zu einer definierten Krankheit führen.<br />
Bei der Risikobetrachtung von Lärm steht die Rolle von Cortisol und Katecholaminen<br />
bei der Krankheitsentstehung im Vordergrund. Insbesondere in den neunziger<br />
Jahren haben in der BRD die umfangreichen Untersuchungen von MASCHKE und<br />
die davon abgeleiteten Begrenzungswerte bei Fluglärm die widersprüchlichen<br />
Diskussionen bestimmt. Dabei wird immer wieder vor allem in nicht<strong>med</strong>izinischen<br />
Bereichen behauptet, dass die Krankheitsentstehung über den Stressmechanismus<br />
bei Lärm nachgewiesen sei. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden, da das<br />
eine zentrale Fragestellung bei Lärmwirkungen ist.<br />
Es ist die erste Frage zu beantworten, ob es bei Lärm, vor allen Dingen alltäglichem,<br />
immer wiederkehrendem Lärm zu entsprechenden nachweisbaren<br />
Hormonveränderungen kommt. Dabei ist nicht nur das häufig zitierte Cortisol zu<br />
betrachten, sondern auch andere Hormone, die im Rahmen des Stressgeschehens<br />
eine Rolle spielen können.<br />
Die Ergebnisse zu schallbedingten Wirkungen auf die Nebennierenrinde (Cortisol)<br />
und das Nebennierenmark (Katecholamine) sind äußerst unterschiedlich. In der<br />
Tabelle 5 sind Ergebnisse von Studien bis 2001 aufgeführt, bei denen die<br />
Katecholamine Adrenalin (A) und Noradrenalin (NA) und das<br />
Nebennierenrindenhormon Cortisol (oder dessen Derivate) unter Lärmeinwirkung<br />
bestimmt wurden. Die Studien sind von ihrem Design her sehr verschieden, es<br />
43
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
handelt sich um Labor- und um Felduntersuchungen, es wurden die Auswirkungen<br />
von Arbeits- oder von Verkehrslärm untersucht, Zeitdauer und Pegel der<br />
Lärmbelastung waren unterschiedlich, die Untersuchungen waren teils tags, teils<br />
nachts, Bestimmungen der Hormone erfolgten aus dem Blut oder aus dem Urin.<br />
Diese Tabelle sagt deshalb nur etwas darüber aus, ob unter Lärm überhaupt eine<br />
Wirkung festgestellt wurde.<br />
Tab. 5: Katecholamin- und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm in<br />
Labor- und Felduntersuchungen<br />
Katecholamine<br />
Autoren Jahr Bedingungen dB(A) A NA Cortisol<br />
Osada et. al. 1969 Straße, Industrielärm Lmax = <strong>60</strong> = = ∅<br />
Atherley et. al. 1970 Fluglärm/Schreibmasch 95<br />
ine 7 Stunden an 3 d<br />
∅ ∅ �<br />
Slob et. al. 1973 9-17 Uhr an 2 Tagen,<br />
Urin<br />
Brandenberger<br />
et. al.<br />
Manninen und<br />
Aro<br />
Lundberg und<br />
Frankenhaeuser<br />
1977 8 Pers. 2h versch.<br />
Lärm, Labor<br />
1979 Arbeitslärm,<br />
Tagesverlauf, 292<br />
Pers.<br />
1979 Labor, 50min, mit und<br />
ohne Kontrolle<br />
80 (�) = =<br />
84 - 105 ∅ ∅ =<br />
>85 � � ∅<br />
70 - 105 = = =<br />
Follenius et. al. 1980 10-12 Uhr alle 30 sec. 45 und 99 = = (�)<br />
Ising et. al. 1980 7 h psych. Belastung<br />
und Lärm<br />
Sato et. al. 1980 Kont./Kurzzeitlärm,<br />
Labor<br />
80 zu 50 � = ∅<br />
100 ∅ ∅ =<br />
Rai 1981 Arbeitslärm 80 - 107 ∅ ∅ �<br />
Iwamoto et. al. 1981 Labor 100 / 90 = = =<br />
Andsen et. al. 1982 Industrie, 20 min. 40 / 90 = = =<br />
Ising 1983 4 Tage 8.00 - 14.30 50 / <strong>60</strong> = � ∅<br />
44
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Uhr Verkehrslärm<br />
Bolm-Audorff 1985 Arbeitslärm, epidemiol. 83 - 97 ∅ ∅ =<br />
Babisch 1986 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅ �<br />
Cavatorta et. al. 1987 Industrielärm bis 96 (�) (�) =<br />
Cavorta et. al. 1987 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅ =<br />
Iwamoto et. al. 1988 15 min. Labor <strong>60</strong> - 100 ∅ ∅ =<br />
Fruhstorfer et. al. 1990 9-21 Uhr, Industrie<br />
2. und 3. Tag<br />
Ising et. al. 1990 Überfluglärm, 1min 105 bzw.<br />
Maschke 1992 16 Nächte; 16/ 32/ 64<br />
Curio und<br />
Michalak<br />
Schulte und<br />
Otten<br />
mal<br />
85 (�) � =<br />
125<br />
1992 Fluglärm 105 bzw.<br />
125<br />
1993 Tiefflug und ohne<br />
Tiefflug<br />
Carter et. al. 1994 50LKW/Fluglärm<br />
4 Nächte<br />
Dugue et. al. 1994 Labor, Industrielärm<br />
30 min<br />
Carter et. al. 1995 Herzpatienten, 4<br />
Nächte<br />
Evans et. al. 1995 Kinder ruhiges und<br />
lautes (Fluglärm),<br />
Wohngebiet<br />
= = =<br />
55/ 65/ 75 ∅<br />
> 105<br />
= = =<br />
Lmax = 72 = = ∅<br />
45<br />
85 ∅ ∅ (�)<br />
65 – 72 = = ∅<br />
59 / 68 =<br />
Maschke et. al. 1995 Fluglärm 29 - 45 ∅ ∅<br />
Mela<strong>med</strong> +<br />
Bruhis<br />
1996 Arbeitslärm 55 / 65 ∅ ∅<br />
Sudo et. al. 1996 Arbeitslärm 71–75/93-<br />
100<br />
(�) (�) (�)<br />
Babisch et. al. 1996 Verkehrslärm/Wohnung 45 - 75 = ∅<br />
Luong et. al. 1996 Industrielärm 71–75/93-<br />
100<br />
(�) (�) =
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Ising 1998 Straßenlärm, 2 Nächte 45 / 53 - 69 =<br />
Miki et. al. 1998 2 Nachmittage,<br />
psychisch und Lärm<br />
90 (�) = =<br />
Evans et. al. 1998 Kinder, Fluglärm 53 / 62 =<br />
Kastka et. al. 1999 Fluglärm, Anwohner 35 – 76 ∅ ∅ =<br />
Ising 1999 Fluglärm 56/70 //max.<br />
Braun 1999 Straßenlärm beim<br />
Öffnen der Fenster<br />
90 - 100<br />
45 /<br />
53 - 69<br />
Harder et. al. 1999 Fluglärm, nachts Leq 42, Lmax<br />
Evans et. al. 2000 Verkehrslärm, Kinder 50 bis max<br />
Evans und<br />
Johnson<br />
Basner et. al. 2001/<br />
2004<br />
65<br />
57 <strong>60</strong> / max<br />
74<br />
2000 Bürogeräusche Leq 55<br />
max. 65<br />
64 Vpn., 832<br />
Schlaflabornächte<br />
Lmax 50- 80<br />
Leq 30�57<br />
= = =<br />
∅ ∅ �<br />
46<br />
∅ ∅ (�) (�)<br />
= = (�)<br />
� = =<br />
= = (�)<br />
Haines et. al. 2001 Kinder, Schulen < 57 / > 66 ∅ ∅ =<br />
Siegmann et al. 2001 Impulslärm 137-168 � (�) ∅<br />
�� signifikante Veränderung<br />
(��) nichtsignifikante Veränderung<br />
= Gleichbleiben<br />
∅ nicht untersucht<br />
A = Adrenalin NA = Noradrenalin<br />
In der nachfolgenden Tabelle 6 sind die Ergebnisse zusammengefasst.<br />
Untersuchungen in dem normalen Lebensumfeld von Betroffenen bei<br />
Lärmeinwirkungen zeigten nahezu ausschließlich keine wesentlichen Effekte auf<br />
diese Hormone.
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 6: Labor- und Felduntersuchungen zur Wirkung von Lärm auf Stresshormone<br />
( Angaben in Prozent)<br />
Parameter<br />
Anzahl<br />
Studien<br />
n<br />
signifik.<br />
Anstieg<br />
%<br />
nicht<br />
signif.<br />
Anstieg<br />
%<br />
gleichbleiben<br />
%<br />
47<br />
Abfall<br />
Adrenalin 29 20 20 50 10<br />
Noradrenalin 29 27 14 59 -<br />
Cortisol 34 18 12 62 8<br />
Wenn MASCHKE et al. [1998] zur Feststellung kommen, dass es 3 Typen von<br />
Cortisolreaktionen auf Lärm gibt: Anstieg, Abfall, Gleichbleiben, dann widerspiegelt<br />
das weitgehend den gegenwärtigen Kenntnisstand.<br />
Die Katecholamine steigen nach einem auslösenden Ereignis schnell an,<br />
verschwinden jedoch auch schnell aus Blut und Urin. Ihr Schädigungsmechanismus<br />
ist deshalb auch vordergründig bei Vorschädigungen zu erwarten, die eine solche<br />
unmittelbare Wirkung nicht mehr kompensieren lassen. Solche Wirkungen sind unter<br />
normalem Verkehrslärm kaum zu erwarten. Cortisol dagegen bleibt länger im Blut,<br />
wird deutlich später abgebaut, so dass es bei wiederkehrenden Ereignissen möglich<br />
wäre, dass eine Kumulation, „Aufschaukelung“, möglich wäre. Doch wie bereits<br />
angeführt, reguliert der Organismus dagegen. Am Tag gelingt der Nachweis von<br />
normalen, immer wiederkehrenden Auswirkungen von Verkehrslärm auf die Hormone<br />
äußerst schwierig, da vielfältige andere Einflüsse eine deutlich stärkere Wirkung als<br />
Lärm haben. Deshalb sind Untersuchungen während der Nacht unter<br />
Lärmeinwirkung aussagefähiger und auch einfacher. In der kürzlich vorgestellten<br />
DLR-Studie „Leiser Flugverkehr“ (SAMEL et al. 2004), der bisher umfangreichsten<br />
Feldstudie mit Untersuchungen von Hormonen bei nächtlichem Flugverkehr, wurden<br />
auch keinerlei wesentliche Effekte auf Cortisol und Katecholamine unter häuslichen<br />
Bedingungen in Abhängigkeit von Lärm festgestellt. In der Laborsituation wurde eine<br />
Tendenz zu höherem Cortisol gefunden, wobei bei den lauteren Pegeln wiederum<br />
ein Abfall gemessen wurde. Dies entspricht auch den Ergebnissen, die in der Tab. 2<br />
%
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
unter normalen Lebensbedingungen und bei akzeptablen<br />
Untersuchungsbedingungen gefunden wurden.<br />
Zusammenfassend ist die Frage, ob es bei alltäglichen, immer wiederkehrenden<br />
Einwirkungen von Verkehrsgeräuschen zu relevanten Hormonveränderungen in<br />
Populationen kommt, mit dem gegenwärtigen Wissensstand nicht zu bejahen, sogar<br />
mehr zu verneinen. Weitere Untersuchungen zu hormonellen Langzeitwirkungen von<br />
Lärm unter kontrollierten Bedingungen vor allem unter üblichen Lebensverhältnissen<br />
sind zweifellos erforderlich.<br />
Bei diesem Erkenntnisstand erübrigt sich nahezu die zweite wichtige Frage, welche<br />
pathophysiologische (krankmachende) Bedeutung evtl. auftretende Veränderungen<br />
hormoneller Parameter unter chronischer, alltäglicher Schalleinwirkung haben.<br />
Eine Hypothese in der Wirkungsforschung ist, dass die durch chronische<br />
Lärmeinwirkung hervorgerufenen Cortisolerhöhungen pathophysiologische,<br />
krankmachende Bedeutung haben. Lärm ist ein Stressor, deshalb ist die<br />
Beantwortung dieser Frage nur unter Einbeziehung auch anderer<br />
Stressuntersuchungen möglich.<br />
Zweifelsohne ist eine Hypercortisolämie, eine andauernde Erhöhung des<br />
Cortisolspiegels im Blut, ein pathologischer Zustand. Eine akut produzierte<br />
Hypercortisolämie, z. B. durch Pharmaka, bewirkt sofortige Wirkungen auf die<br />
Regulation der Lipolyse (Anstieg von Glycerol und freien Fettsäuren im Blut).<br />
Über Wochen und Monate vorgenommene Tierversuche mit verschiedenen<br />
Belastungen ohne massive, durch Pharmaka induzierte Cortisolerhöhungen zeigten<br />
dagegen bisher uneinheitliche Ergebnisse. Es überwiegt das Gleichbleiben oder<br />
sogar die Abnahme des Cortisols in Belastungsphasen. Noch uneinheitlicher sind die<br />
Untersuchungen bei Menschen mit chronischem Stress. OCKENFELS [1995] fand<br />
bei Arbeitslosigkeit als Modell für chronischen Stress keine Unterschiede in der<br />
Gesamtkonzentration von Cortisol und dessen Reaktivität auf alltägliche Stressoren,<br />
jedoch ein anderes Tagesprofil. Bestimmte stressrelevante Erkrankungen wie das<br />
chronische Erschöpfungssyndrom, das Burnout, bestimmte chronische<br />
48
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schmerzzustände sind mit einer Verminderung des Cortisols und einer geringeren<br />
Reaktivität auf Belastungen verbunden [HEIM et al. 2000].<br />
Häufig wird bei der Erklärung krankmachender Prozesse die Cortisolwirkung auf die<br />
Immunfunktion und damit auf die Abwehr von Krankheiten in den Mittelpunkt gestellt.<br />
WILCKENS [1995] kommt zur Feststellung, dass die Rolle der Glucocorticoide, z. B.<br />
des Cortisols „zumindest was endogenes (selbst produziertes) Cortisol in<br />
physiologischen Konzentrationen betrifft ... nicht als immunsuppressiv<br />
(Unterdrückung der Immunantwort) sondern als notwendige Voraussetzung für eine<br />
koordinierte Immunantwort einzustufen“ ist (Erklärungen in Klammern durch den<br />
Gutachter). Es ist also wichtig, zwischen einer Wirkung des Cortisols als<br />
physiologischer Gegenregulation u. a. gegen überschießende immunologische<br />
Antworten und einer krankhaften sowie durch Pharmaka ausgelösten<br />
Immunsuppression zu unterscheiden.<br />
Die Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse (HHN) mit Beeinflussung<br />
der Cortisolausscheidung wird auch durch krankheitsbedingte<br />
Entzündungsparameter aktiviert. Mindestens 10 verschiedene Zytokine<br />
(Entzündungsparameter) lösen eine endokrine (hormonelle) Reaktion aus und<br />
erlauben dadurch den Tieren das Überleben. Das Immunsystem selbst wirkt auf die<br />
Cortisol produzierenden Teile des Organismus wie auch auf Gehirnregionen<br />
(SCHAUENSTEIN et al. 2001).<br />
Zum anderen sind Katecholamin- oder Cortisolreaktionen sehr selten 'generalisiert';<br />
die verschiedenen Organe können sehr unterschiedlich auf den gleichen Stimulus<br />
reagieren, verschiedene Stimuli haben verschiedene Aktivationsmuster. Es sind also<br />
sehr vielgestaltige und miteinander verbundene Prozesse, die insbesondere im<br />
psychologischen Bereich ablaufen. Dies verbietet auf der einen Seite eine isolierte<br />
Interpretation eines einmalig gemessenen Hormonwertes, zum anderen stellt diese<br />
„vermaschte Regulation“ hohe Anforderungen an ein wissenschaftliches<br />
Untersuchungsdessin.<br />
Den Glucocorticoiden wird zum anderen eine Bedeutung im Alterungsprozess<br />
zugewiesen, wie das bereits dargestellt wurde (McEwen 1998). Erhöhte<br />
49
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Glucocorticoide bei älteren Ratten würden sich toxisch auf bestimmte Nervenzellen<br />
im Hippocampus (Hirnbestandteil) auswirken, die wiederum diese erhöhte<br />
Glucocortikoidausscheidung unterhalten. Beim Menschen ist das bisher nicht<br />
nachzuweisen. Auch die tatsächlich vorhandenen Unterschiede der<br />
Cortisolreaktionen mit dem Altern, insbesondere bei über 70-jährigen, sind noch<br />
unklar hinsichtlich ihrer pathogenen Bedeutung (DODT et al. 1995).<br />
Eine deutlich zu hohe oder zu niedrige Ausscheidung von Cortisol (Hyper- bzw.<br />
Hypocortisolismus) stellen ernste Krankheitsbilder dar (Cushing-Syndrom, Morbus<br />
Addison). Solche hohen Cortisolspiegel treten jedoch als belastungsbedingte<br />
Veränderungen nicht auf. Deshalb ist aus den Wirkungen solch hoher Cortisolspiegel<br />
nicht auf gleiche Effekte wie bei Niveauverschiebungen im Normbereich zu<br />
schließen.<br />
Die Interpretation, dass Lärm zu Cortisolerhöhungen und diese zu Krankheit führen,<br />
ist eine Betrachtungsweise, die zur Einseitigkeit in der Erkenntnisgewinnung geführt<br />
hat. Dies wird als 'linearkausaler Monopolismus', als 'Forschungsreduktionismus'<br />
oder 'paradigmatische Krise im Stressbereich' bezeichnet (HENNIGSEN 1993,<br />
SOLOMON 1993).<br />
Die psychoneuroimmunologischen Forschungen verdeutlichen ganz besonders, dass<br />
nicht eine einzelne Veränderung aus einem in seiner ganzen Komplexität erst wenig<br />
erfassten homöostatischen Netzwerk herausgerissen und interpretiert werden kann.<br />
Gegenwärtig ist in der Medizin ein Durchbruch zu verzeichnen, der eine gänzlich<br />
andere Herangehensweise der Interpretation belastungsbedingter Veränderungen<br />
zum Inhalt hat. Von der Sichtweise nebeneinander und unabhängig funktionierender<br />
Systeme gehen der gegenwärtige Forschungsschwerpunkt und die weitere<br />
Entwicklung zu einer integrativen Sichtweise miteinander funktionierender Systeme.<br />
Dann sind erst ursächliche Erklärungen und die Ableitung entsprechender<br />
Mechanismen möglich.<br />
Aus dem bisher Dargelegten und aus weiteren Untersuchungen ist zu schließen,<br />
dass der Parameter „Cortisolkonzentration“ beim gegenwärtigen Stand der<br />
wissenschaftlichen Forschung und praktischen Erkenntnisse nicht zum<br />
entscheidenden Kriterium für den Beweis einer Gesundheitsgefährdung durch Lärm<br />
50
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
herangezogen werden kann. Dieser Auffassung schlossen sich inzwischen auch<br />
MASCHKE und HECHT (2003, S. 53) für die nächtliche Lärmbelastung an: „Nach<br />
dem heutigen Stand des Wissens ist der Nachweis einer nächtlichen chronischen<br />
Stresssituation allein mit Hilfe von Stresshormonen als problematisch anzusehen.<br />
Die Aussagekraft des Indikators „veränderte Stresshormone“ für chronischen<br />
Lärmstress muss ohne Vereinheitlichung der Datenerhebung als eingeschränkt<br />
eingestuft werden.“<br />
Die simple Interpretation einzelner Parametern führt zu erheblich falschen Aussagen<br />
[HJEMDAHL zitiert bei THEORELL 1994]. Es trifft nicht nur für die Bewertung der<br />
Folgen von Lärm zu, dass Risikobewertung die dynamischen und Prozess<br />
orientierten Interaktionen zu berücksichtigen hat, sonst besteht unser Leben nur<br />
noch aus diskutierten, nicht mehr überschaubaren aber tatsächlich kaum<br />
vorhandenen Gefährdungen. Das trifft auch auf die mit hormonellen Veränderungen<br />
einhergehenden Stoffwechselprozesse zu, die im Folgenden kurz betrachtet werden<br />
sollen.<br />
Es werden auch andere Mechanismen für eine Krankheitsentstehung diskutiert, die<br />
auf die Wirkungen von den genannten oder/und anderen Hormonen sowie dem<br />
vegetativen Nervensystem zurückzuführen sind. Die akuten, unmittelbaren Einwirkungen<br />
unter Belastungen, z.B. Lärm, gehen meist in die gleiche Richtung wie ein<br />
atherogenes, gefäßwandveränderndes Risiko. Es kann zu Veränderungen des<br />
Blutdruckes, der Variabilität von Blutdruck und Herzschlagfrequenz, zur Erhöhung<br />
von Cholesterol und anderen Fettstoffwechselparametern, des Fibrinogens (ein<br />
Gerinnungsparameter) und der Glukose (Zucker) im Blut, der Viskosität des Blutes,<br />
der Zusammenballungsfähigkeit der Thrombozyten (Blutplättchen), auch zu<br />
Elektrolytveränderungen u. a. kommen. All diese Veränderungen werden auch durch<br />
andere, aktivitätserhöhende Einflussfaktoren ausgelöst. Solche<br />
Stoffwechselveränderungen werden als Risikofaktoren für Herz-<br />
Kreislauferkrankungen bezeichnet, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen<br />
bleiben.<br />
Kurzfristige Veränderungen unter akuten Belastungen dieser Parameter sind<br />
eindeutig nachgewiesen. Sie sind Bestandteil des Schutz- und<br />
51
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Anpassungsmechanismus eines Lebewesens. Ihre Bedeutung für langfristige<br />
Veränderungen unter anhaltendem, ständig wiederkehrendem Lärm mittlerer Pegel<br />
ist jedoch weitgehend unklar. So ist es nicht verwunderlich, dass eindeutige,<br />
statistisch signifikante, wiederholbare Wirkungen von Lärm auf diese Parameter bei<br />
Langzeitexponierten kaum signifikant nachzuweisen sind. Die Speedwell- und<br />
Caerphilly-Studien sind standardisierte Lärmwirkungsstudien in vergleichbaren<br />
Gegenden (Abb. 2). Sie wurden bereits bei der Darstellung epidemiologischer<br />
Ergebnisse aufgeführt (siehe Tab. 3). Es zeigten sich hinsichtlich aller Parameter bis<br />
auf die Plasma-Viskosität keine signifikant einheitlichen Veränderungen, obwohl die<br />
Methodik weitgehend identisch war. Die Odds Ratios, Maß für das Risiko, für<br />
Glukose, Leukozytenzahl, Fibrinogen, HDL-Cholesterol, Gesamt-Cholesterol,<br />
systolischer Blutdruck weisen in beiden Studien sogar entgegengesetzte Tendenzen<br />
auf.<br />
Abb. 2: Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von der<br />
Lärmbelastung (Leq 51-55 dB(A) im Vergleich zu 66-70 dB(A) in den<br />
Wohngegenden, zusammengefasst nach Babisch et al. (1993). (Die Odds<br />
Ratios ist der Strich in dem Kästchen. Liegt dieser Strich über der fetten<br />
Linie 1, dann ist der jeweilige Parameter in der lärmbelasteten Gruppe<br />
höher, unter 1 niedriger als in der Kontrollgruppe. Statistisch relevante und<br />
damit mit einer bestimmten Sicherheit auch bewertbare Ergebnisse finden<br />
sich nur dann, wenn die Confidenzintervalle (Umfang der Kästchen) den<br />
Wert 1 nicht einschließen.)<br />
52
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
5.5 Zusammenfassung Krankheit und Lärm<br />
Beim Umweltlärm besteht wie in anderen Bereichen mit geringen Belastungsdosen<br />
zunehmend das Problem, dass die Ansprüche an das Verständnis komplexer<br />
physiologischer und pathophysiologischer Prozesse ebenso steigen wie die Rolle<br />
des Individuums und des Individuellen. Für den Einzelnen lassen sich Wirkungen<br />
nicht prognostisch vorhersagen. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung für die<br />
Lärmwirkungsforschung,<br />
• keine isolierte Lärmwirkungsbewertung vorzunehmen, ohne diese in die<br />
gesamte Belastungsforschung und deren Ergebnisse einzuordnen,<br />
• keine isolierte Parameterdiskussion als Risiko zu führen, sondern sie<br />
einzuordnen in das gesamte Wirkungsgefüge einer Anpassung oder<br />
Fehlanpassung.<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Lärm zweifelsohne einen Stressor darstellt<br />
mit der Möglichkeit der Auslösung pathophysiologischer, d. h. krank machender,<br />
Prozesse. Diese Hypothese ist nach wie vor aufrecht zu erhalten. Die ablaufenden<br />
Regulations- und Gegenregulationsprozesse sind jedoch weitaus umfangreicher und<br />
gegenwärtig auch (noch) nicht eindeutig zu erfassen. Deshalb darf man auch nicht<br />
suggerieren, dass hinsichtlich der Lärmwirkung zur Entstehung von Erkrankungen<br />
alles bewiesen sei. Das führt bei den Betroffenen zu Unsicherheit, Ausgeliefertsein,<br />
Angst. Dies können vergleichsweise stärkere Stressoren sein als der Lärm in<br />
Verkehrspegelbereichen.<br />
Der gegenwärtige Wissensstand ist zum Zusammenhang zwischen chronischer<br />
Lärmbelastung und<br />
• Schwerhörigkeit nachgewiesen,<br />
• einzelnen Herz-Kreislauf-Erkrankungen als „begrenzt bis hinreichend<br />
(sufficient)“ nachgewiesen,<br />
• Hormon- und Stoffwechselveränderungen als “begrenzt” (limited)<br />
nachgewiesen,<br />
• den anderen, oben genannten weiteren Erkrankungen „fehlend bis begrenzt“<br />
nachgewiesen.<br />
53
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Dies ist auch die Meinung des Interdisziplinären Rates für Lärmwirkungsforschung<br />
beim Umweltbundesamt, der seine Tätigkeit mit einer abschließenden<br />
Stellungnahme zu den bisherigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung<br />
abschloss (2004).<br />
Die eingangs genannten Plausibilitätskriterien zwischen einer Einwirkung/Belastung<br />
auf den Menschen und Erkrankungen/Beeinträchtigungen ist für die Herz-Kreislauf-<br />
Erkrankungen entsprechend der Tabelle 7 zu beantworten.<br />
Tab. 7: Wissensstand zur Realisierung der Plausibilitätskriterien für Lärm und<br />
ausgewählte Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />
Kriterium Wertung<br />
Assoziation gering<br />
Konsistenz fraglich<br />
Spezifität nein<br />
Zeitfolge ja<br />
Biologischer Gradient (ja)<br />
Plausibilität ja<br />
Kohärenz ja<br />
Experiment ja<br />
Analogie ja<br />
(Intervention) nein<br />
Seitens der EU wurde kürzlich eine neue Lärmschutzrichtlinie für den Arbeitsbereich<br />
herausgegeben, in dem die Einflussfaktoren auf kausale Beziehungen zwischen<br />
Lärm und einer Krankheit besser zu kontrollieren sind als im Umweltbereich, (EU<br />
Lärm 86/188/EWG 2003). Sie orientiert die präventiven Maßnahmen am Schutz des<br />
Gehörs. Hinsichtlich anderer Erkrankungen heißt es: „Der derzeitige<br />
wissenschaftliche Erkenntnisstand über etwaige Folgen von Lärm für die Gesundheit<br />
und die Sicherheit reicht nicht aus, um exakte, jegliche Gefährdung … erfassende<br />
Expositionsgrenzen festzulegen, ibs. hinsichtlich der extraauralen Lärmwirkungen“.<br />
Diese Herangehensweise ist aus meiner Sicht für den Umweltbereich nicht zu<br />
übertragen. Zweifelsohne kann Lärm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen,<br />
auch wenn die Mechanismen noch unklar sind. Deshalb müssen lärmmindernde<br />
Strategien prinzipielle gesellschaftliche Strategien sein. Doch kann das nicht mit<br />
54
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Unsachlichkeit, Risikoerzeugung und Fehlinformationen verbunden werden, weil<br />
dadurch nicht nur das Risiko steigt, sondern auch die Glaubhaftigkeit der<br />
Wissenschaft sinkt. Unter Vorsorgegesichtspunkten ist Handeln erforderlich.<br />
Guski stellte in der psychologischen Stellungnahme für den Ausbau des Flughafens<br />
Berlin-Schönefeld (2003) fest, dass..."für Krankheitsaspekte in der Regel weder die<br />
Ursache - Wirkungsfrage noch die gesundheitliche Relevanz geklärt sei". Daraus<br />
jedoch den Schluss zu ziehen, dass <strong>med</strong>izinische Kriterien überhaupt entfallen<br />
könnten, ist nicht nachzuvollziehen. Auch unter dem Aspekt der Sicherheit und der<br />
Risikobewertung von Betroffenen sollten solche Kriterien aufgestellt werden.<br />
Es ist Babisch (2000) vollkommen zuzustimmen: „Die Risikovermittlung und –<br />
diskussion insgesamt bedarf - unabhängig vom Lärm – einer sehr viel rationaleren<br />
Herangehensweise, als das hier zu Lande häufig der Fall ist ... Gesteuerte oder<br />
unkritisch hinterfragte Einzel- oder Gruppeninteressen und diffuse Umweltängste<br />
bestimmen mitunter die Meinungsbildung. Die Öffentlichkeit kann mit Risiken nur<br />
sehr schwer umgehen. Hier zu einer Verbesserung beizutragen, muss eine<br />
zukünftige Aufgabe der Umwelthygiene sein. Dazu gehört auch die Vermittlung, dass<br />
das Eingehen und Akzeptieren von Risiken zum Lebensalltag gehört. Dem Bürger<br />
fehlen objektive Maßstäbe anhand derer, die auf der Grundlage von adäquaten<br />
Risikovergleichen seine Einstellungen, sein Handeln und seine Erwartungen an die<br />
Politik ausrichten und formulieren kann“.<br />
5.6 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />
Für die Vermeidung von Krankheiten sind Begrenzungswerte notwendig, auch wenn<br />
eindeutig gesicherte Erkenntnisse sowohl für den Arbeitslärm (mit Ausnahme der<br />
Lärmschwerhörigkeit) und den Verkehrslärm noch nicht ausreichend vorhanden sind.<br />
Auch ohne Einbezug der möglicherweise besonders kritischen Nachtbelastung kann<br />
die Annahme, dass Lärm bei permanenter Einwirkung eines äquivalenten<br />
Dauerschallpegels (6-22 Uhr) von mehr als 70 dB(A) zur Genese von Herz-<br />
55
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Kreislauferkrankungen beiträgt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zurückgewiesen<br />
werden.<br />
Der Niederländische Gesundheitsrat [HCN 1999] betrachtet den Nachweis einer<br />
Risikoerhöhung für Herz-Kreislauferkrankungen durch Verkehrslärm an<br />
Lm = 70 dB(A) als hinreichend. Als Schwellenwert für lärmbedingtes Infarktrisiko<br />
empfiehlt der SRU [1999] Lm = 65 dB(A).<br />
Eine Gefährdung ist bei einem Leq 16 h = 70 dB(A) nicht auszuschließen, unter<br />
präventiven Gesichtspunkten sollte ein Leq 16 h = 65 dB(A) eingehalten werden. Diese<br />
Werte werden auch in der so genannten Synopse (GRIEFAHN et al 2002)<br />
vorgeschlagen.<br />
Nahezu ausschließlich wird in der epidemiologischen Literatur zur Beziehung<br />
zwischen Schall und Krankheit der äquivalente Dauerschallpegel verwendet. Doch<br />
auch der Maximalpegel kann zu vegetativen Veränderungen mit Störungspotenz<br />
führen. Von hohen Pegeln über 115 dB(A) ist diese Wirkung weitgehend gesichert.<br />
Durch akute Schallbelastungen kommt es nach JANSEN (1996) bei Pegeln über 99<br />
dB(A) zu vegetativen Übersteuerungen, wodurch die Schwelle zu<br />
Gesundheitsgefährdungen überschritten wird. Er bezeichnet eine Isophone über 99<br />
dB(A) als Lärmgefährdungsgebiet. MASCHKE et al. (2001) kritisierten vehement die<br />
Ableitungen von Jansen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Argumentationen<br />
erfolgte in der Veröffentlichung von SCHEUCH und JANSEN (2002). Bei diesen<br />
Diskussionen spielt der Gesundheitsschutz eine geringere Rolle, es geht stärker um<br />
die Auseinandersetzung mit einem Gutachter. Von Belang ist diese Diskussion nicht,<br />
da auch beim geplanten Ausbau des Flughafens Kassel-Calden dieses so genannte<br />
Lärmgefährdungsgebiet weder im Ist-Zustand noch in den prognostizierten Szenarien<br />
besiedelte Gebiete trifft.<br />
Die Bestimmung von Kriterien für schädigende Maximalpegeln von<br />
Fluglärmereignissen am Tag zwischen 6 und 22 Uhr ist äußerst schwierig, da<br />
vielfältige Schallereignisse auf den Menschen einwirken und die Prozesse auf<br />
Einzelereignisse auch schwierig zu erforschen sind. Unter präventiven<br />
Gesichtspunkten sollte unter Berücksichtigung der wenigen experimentellen Literatur<br />
56
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
eine Pegelhäufigkeit von Lmax16 h = 25 x 90 dB(A) nicht überschritten werden. Eine<br />
isolierte Anwendung der Maximalpegelhäufigkeiten ohne den Tagwert für den<br />
äquivalenten Dauerschallpegel verbietet sich.<br />
Für sensible Gruppen, z.B. Kranke sollten niedrigere Begrenzungswerte gelten<br />
(siehe Kapitel 13).<br />
Die Begrenzungswerte für die Nacht (siehe entsprechendes Kapitel 6) decken auch<br />
die Vorbeugung des Entstehens von Erkrankungen ab. Deshalb sind nur Tagwerte<br />
unter der speziellen Betrachtung Prävention von Erkrankungen zu berücksichtigen.<br />
57
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
6. Schutzziel: Vermeidung nächtlicher Schlafstörungen durch Lärm<br />
6.1 Wirkungsparameter von Schlafstörungen<br />
Neben der möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung wird bei den Lärmwirkungen<br />
besonders der erheblich störende Effekt in der Nacht diskutiert. Im deutschen<br />
Fluglärmgesetz von 1971 wurde ein 24-Stunden-Wert zur Beurteilung herangezogen.<br />
Durch die lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten der letzten 30 Jahre wurde auch in der<br />
Rechtssprechung eine Zweiteilung zwischen Tag 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr und Nacht<br />
22:00 Uhr bis 6:00 Uhr vorgenommen. Damit soll der besonderen Schutzbedürftigkeit<br />
des Nachtschlafes Rechnung getragen werden. Dies wird auch in diesem<br />
lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten berücksichtigt.<br />
Verkehrslärm bedingte Störungen des Nachtschlafs stellen neben der Belästigung<br />
die häufigste Beeinträchtigung dar. Durch die Zunahme des Flugverkehrs und die<br />
Ausdehnung auf die Nacht ist auch objektiv in den letzten zwei Jahrzehnten eine<br />
erhebliche Zunahme der Nachtflugbewegungen vor sich gegangen. Deshalb hat sich<br />
die Lärmwirkungsforschung auch zunehmend dieser Problematik zugewandt.<br />
Nach vielen Schlafuntersuchungen im Labor wurden in den letzten 10 Jahren auch<br />
einige Untersuchungen in üblichen Schlafbedingungen unter Lärmeinwirkung<br />
durchgeführt. Die Problematik dieser Untersuchungen besteht jedoch in der<br />
mangelnden Vergleichbarkeit, insbesondere was die Häufigkeit der untersuchten<br />
Nächte als auch die Parameter zum Nachweis einer Schlafstörung durch Lärm<br />
betrifft. So wird eine Vielzahl von Kenngrößen verwendet.<br />
Diese unterschiedlichen Effektparameter von Schalleinwirkung kann man einteilen in<br />
• Reaktionen im Schlaf<br />
- Änderung der Schlafstadien, der -tiefe<br />
- Nichterinnerbares Aufwachen<br />
- Körperbewegungen<br />
- Vegetative und hormonelle Veränderungen<br />
h Schlafablaufstörungen<br />
- Einschlaf- und Durchschlafstörungen<br />
58
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
- Verminderung des Gesamtschlafes<br />
- Erinnerbares Aufwachen<br />
• Subjektive Wirkungen<br />
- Bewertung der Schlafqualität<br />
- Belästigung<br />
- Bewertung der "after effects" eines gestörten Schlafes im Befinden, der<br />
Leistung und im Verhalten.<br />
Dabei gibt es zwischen diesen unterschiedlichen Parametern eine wechselseitige<br />
Beeinflussung. GRIEFAHN (1991) unterscheidet zwischen primären (in einer Nacht),<br />
sekundären (nach einer Nacht) und tertiären (langfristigen) Wirkung. Entscheidend<br />
für den gegenwärtigen Wissensstand zur Bedeutung von lärmbedingten<br />
Schlafbeeinflussungen ist, dass zur pathophysiologischen, d. h. krank machenden<br />
Bedeutung dieser einzelnen Parameter kaum eine Aussage möglich ist, so dass<br />
unser Stand zu den primären Wirkungen durch Schall relativ gut ist, die sekundären<br />
Wirkungen von vielen weiteren Faktoren abhängt und die tertiären Wirkungen<br />
weitgehend unklar sind.<br />
So bunt die Parameterpalette in der Schlafwirkungsforschung ist, so unterschiedlich<br />
sind auch die Ergebnisse. MASCHKE et al. (1997) referierten im Auftrag des<br />
Bundesumweltamtes 35 Studien zu nächtlichen Lärmwirkungen. Die<br />
Hauptergebnisse dieser Studien sind von mir zusammengefasst worden und in<br />
Kurzfassung in der Tab. 8 dargestellt (<strong>Scheuch</strong> 2004).<br />
Gleiche Bezeichnungen für einen Wirkungsparameter haben häufig sehr<br />
unterschiedliche Merkmale zur Grundlage. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass<br />
auch die Anzahl tatsächlich signifikanter Veränderungen in diesen Publikationen<br />
gering ist. Hinzu kommt, dass teilweise wenige Nächte untersucht worden sind, eine<br />
Reihe dieser Arbeiten Laboruntersuchungen umfassen, Pegel und Häufigkeiten<br />
erheblich schwanken. Der Zeitpunkt der Lärmeinwirkung in der Nacht, der - und<br />
darüber besteht Einigkeit - einen unterschiedlichen Einfluss auf die Wirkung hat,<br />
wurde nur in wenigen Beiträgen berücksichtigt. Individuelle Eigenschaften spielen<br />
eine untergeordnete Rolle, teilweise wurden nur Lärmsensible ausgewählt.<br />
59
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 8: Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm – zusammengefasst aus einer<br />
Literaturübersicht von MASCHKE et al. 1997 (<strong>Scheuch</strong> 2004)<br />
Indikator der<br />
Schlafveränderung<br />
Anzahl<br />
Studien<br />
gleichgerichtete<br />
Veränderung [%]<br />
<strong>60</strong><br />
Anteil signifikante<br />
Veränderung [%]<br />
subjektive Schlafqualität 25 84 * 64<br />
Dauer der Wachphase 14 93 * 64<br />
Leistungstests 10 80 * 50<br />
Dauer des REM – Schlafes 18 78 * 50<br />
Körperbewegungen 16 50 * 50 (Erhöhung)<br />
20 (Verringerung)<br />
Dauer des Tiefschlafes 21 52 * 33<br />
Schlafstadienlatenz 22 50 * 32<br />
Aufwachreaktion 13 77 * 23<br />
Dauer des Leichtschlafes 14 69 * 21<br />
Gesamtschlafzeit 13 69 15<br />
* unterschiedliche Parameter angewandt<br />
Wie aus der Tab. 8 hervorgeht, werden in vielen Fällen signifikante Veränderungen<br />
von Arousal-Reaktionen angegeben. Solche Reaktionen können im normalen Schlaf<br />
mehr als 20-mal / Stunde, bis zu 500-700 mal/Nacht auftreten, je nachdem wie man<br />
sie definiert. Wachphasen sind auch im ungestörten Schlaf relativ häufig. So fanden<br />
BASNER et al. (2001) eine durchschnittliche Anzahl pro Person von 24,4 ± 9,3<br />
solcher Wachphasen im Labor, die aber meist nicht am Morgen erinnerbar sind.<br />
Erinnerbare Phasen müssen mindestens 3 bis 4 Minuten dauern. Bei diesen<br />
Häufigkeiten ist die Frage zu stellen, wann eine gesundheitliche Gefährdung<br />
beginnt. EEG-Arousals, von vielen Autoren als "Schlafstörung" bezeichnet, haben<br />
keine Bedeutung z.B. für die Tagesschläfrigkeit. Unklar ist dagegen die Bedeutung<br />
vegetativer Arousals, doch auch solche sind physiologischerweise mit den<br />
Schlafstadien verbunden.<br />
Unterschiedliche Auffassungen zu den Folgen schlafbedingter Lärmeffekte liegen<br />
jedoch nicht nur an der Unklarheit pathophysiologischer Prozesse und der Bedeu-
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
tung der erfassbaren lärmbedingten Veränderungen. Eine wesentliche Rolle spielt<br />
auch, dass sowohl in der Lärmwirkungsforschung als auch in der Lärmdiskussion<br />
verschiedene Betrachtungsweisen durcheinander geworfen werden. Es werden<br />
„Schwelleneffekte bei Sofortreaktionen“ mit „günstigen Bedingungen für den Schlaf“,<br />
„Störungseffekten durch Lärm in der Nachtzeit“ mit „tatsächlichen Gesundheitsbeein-<br />
trächtigungen“ vermengt.<br />
Trotz der aufgeführten Probleme leiten MASCHKE et al. aus der genannten<br />
Literaturübersicht von 35 Studien, wobei nur 5 sich speziell mit Fluglärm und 2 mit<br />
Straßen- und Fluglärm beschäftigen, Effektschwellen ab, die für den äquivalenten<br />
Dauerschallpegel bei 35 bis 45 dB(A) und für den Lmax bei 45 bis 55 dB(A) liegen<br />
sollen.<br />
Für Verallgemeinerungen dieser Untersuchungsergebnisse ist die Datenlage aus<br />
meiner Sicht zu differenziert. Effektschwellen beinhalten auch die physiologische,<br />
normale Reaktion eines Lebewesens auf Belastungen. Sie sagen erst mal nur aus,<br />
dass ein Mensch reagiert. Die Reaktionen bleiben aus, wenn der Mensch krank ist.<br />
Die entscheidende Frage ist jedoch, welche der in der Tabelle genannten Parameter<br />
Gesundheitsrelevanz besitzen.<br />
6.2 Die DLR-Nachtfluglärmstudie<br />
Das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für<br />
Luft- und Raumfahrt e.V. hat das Projekt „Leiser Flugverkehr“ abgeschlossen. Im<br />
Mai 2004 wurde die Zusammenfassung des Forschungsberichtes 2004-07/D zu<br />
dieser Untersuchung zur Verfügung gestellt. (u.a. SAMEL et al. 2004, BASNER et al.<br />
2004).<br />
Die in ihrer Art größte und mit erheblichem, bisher einmaligem methodischen<br />
Aufwand durchgeführte Untersuchung setzt sich aus einer Laborstudie und einer<br />
Feldstudie zusammen, an denen insgesamt 192 Männer und Frauen im Alter von 18<br />
bis 65 Jahren teilnahmen. Die Probanden waren gesund, im Vergleich zu<br />
Allgemeinbevölkerung jedoch häufiger lärmempfindlich.<br />
61
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
In der Laborstudie wurden 61 Frauen und 67 Männer in je 13 aufeinander folgenden<br />
Nächten in der Zeit von 23 bis 7 Uhr untersucht. Auf eine Gewöhnungsnacht folgten<br />
eine Referenznacht sowie 9 Nächte, in denen 4 bis 128 Geräusche startender bzw.<br />
landender Flugzeuge mit Maximalpegeln zwischen 45 und 80 dB(A) eingespielt<br />
wurden. Die 12. und 13. Nacht diente der Erholung. Einschließlich des<br />
Grundrauschens von 30 dB(A) variierte der äquivalente Dauerschallpegel (Leq3)<br />
zwischen 31.0 und 54.5 dB(A) am Ohr des Schläfers.<br />
An der Feldstudie beteiligten sich 33 Frauen und 31 Männer, deren Schlaf in je 9<br />
aufeinander folgenden Nächten in deren gewohnter Umgebung zu Hause, zu den für<br />
sie üblichen Schlafzeiten und mit der für sie gewohnten Fensterstellung registriert<br />
worden war. Von diesen hatten 20 auch an der Laborstudie teilgenommen. Die am<br />
Ohr der Schläfer gemessenen Maximalpegel variierten zwischen 20 und 73 dB(A). Im<br />
Mittel wurden bei jedem Probanden 36.2, nicht von anderen Geräuschen überlagerte<br />
Fluggeräusche sowie 30.4 (nicht überlagerte) Geräusche von Pkw, Lkw und<br />
Motorrädern registriert.<br />
In allen Nächten (Labor und Feld) wurden fortlaufend das Polysomnogramm (EEG,<br />
EOG, EMG), das Elektrokardiogramm (EKG), die Atmungsfrequenz und die<br />
Fingerpulsamplitude registriert. Über die gesamte Bettzeit wurden die mit dem Urin<br />
ausgeschiedenen Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bestimmt.<br />
Abends und morgens wurden mehrere Leistungstests durchgeführt und Fragebögen,<br />
etwa zur Belästigung und zur Befindlichkeit, beantwortet.<br />
Es handelt sich um die umfangreichste Studie zur Untersuchung der Fluglärmwirkung<br />
auf den Schlaf. Es wurden mit einer einheitlichen Methodik im Labor und im Feld<br />
mehr Personennächte untersucht, als bisher der wissenschaftlichen Literatur<br />
insgesamt zu entnehmen ist. Es liegt eine methodisch sehr sorgfältig geplante und<br />
durchgeführte Studie vor.<br />
Die Auswahl der Probanden richtete sich nach experimentellen Gesichtspunkten. Um<br />
vergleichbare und bewertbare Ergebnisse mit einem noch vertretbaren Aufwand zu<br />
erreichen, wurden gesunde Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren untersucht. Die<br />
Einbeziehung von Jugendlichen und Kindern in eine solche umfangreiche<br />
mehrtägige Untersuchung vor allem im Labor verbietet sich. Mit dem Alter variiert der<br />
Gesundheitszustand und damit auch die Reaktionsfähigkeit auf Belastungen.<br />
Deshalb ist es vernünftig, ein Alterskriterium zu setzen, was mit 65 Jahren gemacht<br />
62
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
worden ist. Es ist BASNER zuzustimmen, dass bei über 65-Jährigen nicht zu<br />
erwarten ist, dass es zu abrupten anderen Belastungswirkungen kommen wird.<br />
Die DLR-Studie hat gegenüber allen bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />
zu diesem Thema den Vorteil,<br />
• sehr viele Nächte untersucht zu haben,<br />
• dass bei einer Untersuchungsperson mindestens 9 Nächte in einem gewöhnten<br />
Milieu untersucht wurden,<br />
• dass alle diese oben genannten Wirkungsparameter einer lärmbedingten<br />
Schlafstörung in einem Untersuchungsansatz verwirklicht worden sind,<br />
• dass es zu den einzelnen Wirkungsparametern eine einheitliche Terminologie,<br />
einheitliche Methodik und klare Festlegung zur Erfassung und Bewertung gibt,<br />
• dass die Lärmapplikation in bisher einmaliger Art und Weise bei<br />
wissenschaftlichen Untersuchungen mit genauen Schallbestimmungen und<br />
Kontrollen der Lärmeinwirkung sowohl im Labor als auch unter<br />
Feldbedingungen erfolgten,<br />
• dass in den Felduntersuchungen Außen- und zwei Innenraumpegel gemessen<br />
worden sind,<br />
• dass eine umfangreiche Charakterisierung der untersuchten Populationen mit<br />
<strong>med</strong>izinischen und psychologischen Methoden erfolgte.<br />
6.3 Grundlagen für Begrenzungswerte<br />
Im Allgemeinen wird von der besonderen Bedeutung von Aufweckreaktionen für die<br />
Festlegung von Begrenzungswerten ausgegangen. Dies ist zu unterstützen, da eine<br />
mögliche Gesundheits- und Leistungsbeeinträchtigung, und damit auch<br />
Befindensstörungen, durch schallbedingte Lärmeinflüsse vor allem über diese<br />
Aufweckschwelle geschieht.<br />
Hinsichtlich der Aufweckreaktion wird in dieser DLR-Labor- und Feldstudie als<br />
Aufweckreaktionen der Wachzustand (nicht nur der erinnerbare, sondern der aus<br />
elektrophysiologischen und vegetativen Veränderungen ablesbare) und das<br />
Schlafstadium S 1 zusammengefasst. Es wird scheinbar von der Hypothese<br />
63
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
ausgegangen, dass das Schlafstadium S 1 und die elektrophysiologisch<br />
nachweisbaren Vorgänge nicht der Erholung dienen können, was durchaus<br />
berechtigt ist. Jedoch sind diese Vorgänge normale physiologische Prozesse. Die<br />
Schlussfolgerung, wenn sie nicht der Erholung dienen können, müssen sie<br />
gefährdend sein, ist nicht nachzuvollziehen.<br />
Diese DLR-Studie – wie nahezu alle anderen Lärmstudien in der Nacht – untersucht<br />
nicht die pathophysiologischen Effekte der Störung der lärmbedingten Störung des<br />
Nachtschlafes. Es wird davon ausgegangen, dass, wenn keine wesentlichen Effekte<br />
durch Lärm nachts auftreten, dann können auch keine langfristigen negativen<br />
Wirkungen erwartet werden. Es werden demnach nur die primären und teilweise<br />
auch sekundären Wirkungen möglicher Lärmeffekte erfasst. Unter diesem<br />
Gesichtspunkt ist relevant, dass in den Laboruntersuchungen bei einer<br />
Gesamtschlafzeit von 7 Stunden und 24,5 Minuten in den Lärmnächten der Schlaf<br />
um 1,8 Minuten kürzer war, der Tiefschlaf war um 4,1 Minuten nicht signifikant<br />
reduziert, wobei in den weniger lauten Lärmnächten ein Anstieg der Tiefschlafanteile<br />
festgestellt wurde. Diese Zunahme trat bei Maximalpegeln bis zu 55 dB(A) und<br />
geringeren Häufigkeiten auf. Zweifelsohne spielen die erinnerbaren<br />
Aufweckreaktionen die entscheidende Rolle bei gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen. Zum erinnerbaren Aufwachen wurden in dieser Studie keine<br />
wesentlichen Beziehungen zu dem Lärmeinwirkungen im Feld gefunden. Es ist<br />
anzunehmen, dass auch die vegetativen Arousals langfristig eine ungünstige<br />
Wirkung haben (siehe unten).<br />
Wie bereits im vorhergehenden Kapitel dargestellt, vertreten einige deutsche Autoren<br />
(MASCHKE et al. 1997, SPRENG 2003, ISING 1998) die Auffassung, dass durch<br />
nächtlichen Verkehrslärm Cortisol (und teilweise Katecholamine) ansteigen würden<br />
und über die Wirkungen des Cortisols die Gefährdung der Gesundheit resultiert. Die<br />
Aufweckreaktion im Labor oder Schlafzimmer lässt sich im Experiment unmittelbar<br />
dem einwirkenden Schall zuordnen. Dagegen ist die Cortisolkonzentration eine<br />
Summation über die Nacht, wobei Cortisol einen der ausgeprägtesten Biorhythmus<br />
aller Hormone aufweist, in den natürlich auch andere Mechanismen eingehen. So ist<br />
es nicht verwunderlich, dass sehr unterschiedliche Ergebnisse vorliegen (siehe auch<br />
Tab.2) und in den letzten Jahren ein erheblicher Wissenschaftsstreit zur Rolle des<br />
64
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Cortisols bei der Festlegung von Begrenzungswerten für Verkehrslärm stattgefunden<br />
hat.<br />
Es wurde bereits erwähnt, dass in dieser DLR-Studie zu Nachtfluglärmwirkungen<br />
unter Feldbedingungen, d. h. im gewohnten Schlafzimmer, keinerlei wesentliche<br />
Veränderungen von Cortisol oder Katecholaminen gefunden wurden. Im Labor zeigte<br />
sich eine Erhöhung des Cortisols in Lärmnächten, die jedoch bei höheren<br />
Lärmeinwirkungen wieder zurückging.<br />
Insbesondere von ISING et al. (2003) wird vertreten, dass die Cortilsolkonzentration<br />
der ersten Nachthälfte zum Nachweis schallbedingter Wirkungen besonders geeignet<br />
sei, da dies die Erholungsfunktion des Schlafes beeinträchtigen und langfristig eine<br />
Gesundheitsgefahr darstellen könne. Dabei wird auf BORN und FEHM (2003)<br />
verwiesen, die insbesondere den Nachweis der Wirkungen von Tagbelastungen auf<br />
diesen Cortisolspiegel im ersten Teil der Nacht verdeutlichten, jedoch explizit in ihrer<br />
Veröffentlichung darauf hinwiesen, dass daraus nach der bisherigen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnis nicht auf die Anwendbarkeit für die nächtliche<br />
Lärmeinwirkung zu schließen ist (BORN und FEHM 2003, S.34). So fanden ISING et<br />
al. in einer Studie sowohl unter den sehr schwierigen experimentellen, kaum<br />
nachkontrollierbaren Bedingungen, dass die Eltern das Kind weckten und selbst Urin<br />
abnahmen, eine Erhöhung in der ersten Nachthälfte, bei einer anderen<br />
Untersuchung keinerlei Effekt.<br />
Begrenzungswerte für den Verkehrslärm in der Nacht beruhen ausschließlich auf<br />
experimentellen Kurzzeituntersuchungen über höchstens mehrere Wochen im Labor<br />
oder im Wohnbereich. Aufgrund der unmittelbaren Reaktionen auf den Schall in einer<br />
Nacht und den Verlauf dieser Reaktionen über den Untersuchungszeitraum werden<br />
Schlussfolgerungen abgeleitet. Es gibt bisher kaum Möglichkeiten, Langzeiteffekte<br />
eines gestörten Schlafes in die Beurteilung der schallbedingten Nachtlärmstörungen<br />
einzubeziehen. GRIEFAHN (1991) bezeichnet solche Störungen Tertiärreaktionen in<br />
Form von klinisch-manifesten Gesundheitsschäden und Entwicklungsstörungen. Es<br />
ist festzustellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu keine gesicherten<br />
Aussagen möglich sind. Es wäre ein Beitrag der verkehrslärmbedingten Störungen<br />
des Nachtschlafes zur Genese multifaktorieller chronischer Erkrankungen und<br />
Beeinträchtigungen durchaus denkbar, aber dies ist bisher nicht bewiesen.<br />
65
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Neben den Kriterien für den Nachweis von negativen Schallwirkungen in der Nacht<br />
spielt auch in der Diskussion die Art der akustischen Kriterien für Begrenzungswerte<br />
für die Nacht, Maximalpegel oder energieäquivalente Dauerschallpegel, eine<br />
wesentliche Rolle. Zunehmend geht man von der Maximalpegelhäufigkeit als<br />
Kriterium aus. Dies ist grundsätzlich zu unterstützen, da in der<br />
Lärmwirkungsforschung überwiegend die Auffassung besteht, dass die Maximalpegel<br />
insbesondere für das Aufwachen, aber auch für andere Effekte in der Nacht eine<br />
größere Bedeutung haben. Dies wurde auch durch die multidisziplinäre Studie im<br />
Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrum (BASNER et al. 2001 und 2004)<br />
unterstrichen, in der bei insgesamt 128 Probanden in je 13 aufeinander folgenden<br />
Nächten im Labor mit Maximalpegeln zwischen 50 und 80 dB(A) sowie äquivalenten<br />
Dauerschallpegeln zwischen 31,2 und 52,6 dB(A) keine wesentliche Abhängigkeit<br />
von den Dauerschallpegeln der nächtlichen Reaktionen, sondern nur von der<br />
Maximalpegelhäufigkeit beschrieben wurde. Dies wurde auch in den<br />
Felduntersuchungen aus der gleichen Einrichtung nachgewiesen.<br />
Die Ergebnisse des Projektes „Leiser Flugverkehr“ (SAMEL et al. 2004) bestätigten<br />
den erheblichen Unterschied der Wirkungen von Lärm in den üblichen<br />
Wohnbereichen gegenüber Laboruntersuchungen, den bereits PEARSON (1998)<br />
und andere beschrieben. Bisher wurden in der Lärmwirkungsforschung hauptsächlich<br />
Laborergebnisse für die Ableitung von Begrenzungswerten verwendet. So zeigten<br />
sich in der DLR-Studie im Labor Aufwachwahrscheinlichkeiten bei Maximalpegeln<br />
von 45 dB(A) und 80 dB(A) von 13,3 % bzw. 71,5 %, im Feld (im Schlafzimmer) bei<br />
Maximalpegeln von 27,1 dB(A) und 73,2 dB(A) dagegen<br />
Aufwachwahrscheinlichkeiten von 7,7 % bzw. 18,4 %. In der normalen<br />
Wohnumgebung verläuft die Beziehung von Aufwachwahrscheinlichkeit und auch<br />
anderen Wirkungen des Lärms zu den Schallpegeln erheblich flacher. Dies<br />
unterstreicht die erheblichen Gewöhnungsprozesse, die in gewohnten Umgebungen<br />
ablaufen, weshalb auch der Nachweis von langfristigen Wirkungen schwierig ist. In<br />
den vorläufigen Informationen des DLR-Projektes „Leiser Flugverkehr“ wird von<br />
einem Hintergrundpegel mit 27,1 dB(A) ausgegangen, was dem in der Feldstudie<br />
gefundenen Median entspricht. Bei Maximalpegeln von 27,1 dB(A) wurde trotzdem<br />
66
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
eine Aufwachwahrscheinlichkeit von 7,7 % gefunden, die bei 40 dB(A) bei ungefähr 9<br />
% liegt, bei <strong>60</strong> dB liegt dies etwa zwischen 13 % und 14 %.<br />
Griefahn (1990) analysierte 10 Laborstudien unter Berücksichtigung der Gewöhnung<br />
(bezogen auf die 6. Untersuchungsnacht, hier sind Gewöhnungsprozesse an eine<br />
ungewohnte Untersuchungssituation sicher abgeschlossen) und der Länge der<br />
Schallereignisse und kam für die physiologische Aufwachreaktion zu einem Pegel<br />
von 67,9 dB(A), unter dem keine Reaktionen auftraten. Sie korrigierte dies auf das<br />
empfindlichste Schlafstadium und den Altersanteil (71 Jahre), was zu einem Pegel<br />
von <strong>60</strong>,7 dB(A) führte. Für O-Reaktionen (Änderungen um weniger als eine<br />
Schlafstudie) errechnete sie für 90 % der Bevölkerung <strong>60</strong>,8 dB(A), korrigierte nach<br />
der gleichen Prozedur wie für die Aufwachreaktionen dann auf 54,5 dB(A). Diese<br />
präventiven Korrekturen sind unter dem Aspekt dauernder Einwirkungen relevant.<br />
Für unregelmäßige Ereignisse mit Kompensationsphasen ist unter<br />
Gewöhnungsaspekten nach unserer Auffassung vor allem die physiologische<br />
Aufwachreaktion bedeutungsvoll. Danach wären Einzelpegel unter 67,9 dB(A) am<br />
Ohr des Schläfers für die Störung der Gewöhnung als weniger relevant anzunehmen,<br />
wobei dieser Wert aus Laboruntersuchungen stammt. Für die normale Wohnumwelt<br />
ist dabei ein beträchtlicher Sicherheitsfaktor zu vermuten. Auf die Kombination der<br />
Pegelhöhe mit der Häufigkeit wird unten eingegangen.<br />
In diesem Zusammenhang soll auch auf die Feldstudie zu Schlafstörungen auf der<br />
Grundlage von Bewegungsmessungen des Körpers (Aktimetrie) um die Flughäfen<br />
Heathrow, Gatwick, Manchester und Stanstedt in England von HORNE et al. (1994)<br />
hingewiesen werden. Insgesamt 5.742 Nächte wurden bei 400 Personen (211<br />
Frauen, 189 Männer) im Alter von 20 bis 70 Jahren im Feld untersucht. Bei 178<br />
Nächten wurde synchron das EEG erfasst. Dabei konnte nachgewiesen werden,<br />
dass in 88 % der EEG-Ereignisse auch ein aktimetrisches Ereignis vorhanden war,<br />
so dass geschlossen wurde, dass die Aufweckreaktion (nicht das erinnerbare<br />
Aufwachen) von etwa 15 Sekunden Dauer auch aktimetrisch nachweisbar ist. Das<br />
Überraschende bei diesen Ergebnissen war, dass die Fluglärmereignisse nur in einer<br />
sehr geringen Zahl den Schlaf, d. h. die Bewegungen im Schlaf im gewöhnten<br />
Schlafzimmer beeinflussten. Einen viel größeren Effekt hatten die häuslichen<br />
Bedingungen und die individuellen Besonderheiten, wie Kinder im Haushalt,<br />
67
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Krankheiten, auf Toilette gehen, Bettnachbar, Schnarchen u.a. Die<br />
Wahrscheinlichkeit der durch Fluglärm ausgelösten Bewegungsaktivität war im<br />
Durchschnitt bei Außenpegeln (Innenpegel werden mit 20 dB geringer angegeben)<br />
von 69 bis 75 dB(A) (Maximalpegel) nicht erhöht. Pegel von 76 bis über 88 dB(A)<br />
zeigten dann einen linearen Anstieg, wobei in den Bereichen von 82 bis 87 dB(A)<br />
etwa 2 % lärm induzierter Bewegungsaktivitäten vorhanden waren. Die Autoren<br />
stellen fest, dass ihre Ergebnisse u. a. die Griefahn-Ergebnisse von 1978 stützen, die<br />
davon ausgehen, dass unter <strong>60</strong> dB(A) im Raum die Wahrscheinlichkeit des lärm<br />
bedingten Aufwachens gegen null geht. Die Bewegungshäufigkeit in der Nacht stand<br />
mit der subjektiven Bewertung der Schlafqualität am folgenden Tag in Beziehung.<br />
Gegen die Ergebnisse dieser Studie wird vor allem eingewendet, dass um die<br />
Londoner Flughäfen ein umfassendes Lärmschutzprogramm mit<br />
Schallschutzfenstern bei etwa zwei <strong>Dr</strong>ittel der untersuchten Gebäude vorgenommen<br />
wurde. Damit wären die Pegel hinsichtlich ihrer Wirkungen zu hoch eingeschätzt. Zu<br />
berücksichtigen ist aber, dass eben auch ein <strong>Dr</strong>ittel ohne wesentlichen Schallschutz<br />
in die Untersuchung einbezogen wurde und eine nicht definierte Zahl von<br />
Untersuchten auch bei angekipptem oder geöffnetem Fenster schlief.<br />
In der DLR-Laborstudie, wurden keine systematischen Zusammenhänge oder<br />
Wechselwirkungen zwischen Anzahl bzw. Lautstärke der Fluggeräusche mit den<br />
Aktimeterdaten gefunden (BASNER 2004).<br />
Als Erkenntnis aus der bisherigen Lärmwirkungsforschung für die Nacht ist zu<br />
schließen, dass entscheidendes Kriterium zur Veränderung von negativen Wirkungen<br />
die Maximalpegelhäufigkeit darstellt. Im diesem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten wird<br />
von einem Schallpegel von <strong>60</strong> dB(A) in einer Häufigkeit von 6-mal pro Nacht im<br />
Durchschnitt der sechs verkehrsreichsten Monate als kritischem Wert ausgegangen.<br />
Bei Außenwerten von mehr als 6 x 75 dB(A) sind Gesundheitsbeeinträchtigen durch<br />
lärm bedingtes Aufwachen nicht auszuschließen. SPRENG (2003) hat auf der<br />
Grundlage der Maschke-Untersuchungen ein Cortisolmodell für zulässige<br />
Pegelhäufigkeiten in einer Nacht aufgestellt. Trotz der vorher genannten<br />
Einschränkungen und einiger willkürlicher Hypothesen, die experimentell nicht zu<br />
untersetzen sind, ist das Resultat Kombination von Häufigkeit und Pegeln in einer<br />
guten Übereinstimmung zu Modellen, die auf der Grundlage des Aufwachens erstellt<br />
worden sind. Nach diesem Cortisolmodell von SPRENG (2002 und 2003) sind nicht 6<br />
68
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
x <strong>60</strong> sondern 8 x <strong>60</strong> dB(A) im Innenraum tolerabel. Auch in der laborexperimentellen<br />
Untersuchung von BASNER et al. (2001) ist die Aufweckwahrscheinlichkeit von der<br />
Kombination Häufigkeit und Maximalpegel abhängig. Zur Vermeidung einer<br />
zusätzlichen durch Lärm bedingten Weckreaktion wären im Labor noch 13 Überflüge<br />
mit Lmax = 50 dB(A) oder auch 4 Ereignissen mit Lmax bis zu 80 dB(A) zulässig. In<br />
Felduntersuchungen liegen die Aufweckschwellenwerte, wie die Untersuchung der<br />
DLR 2004 zeigt, deutlich höher (siehe oben). Werte in der Richtlinie der WHO<br />
(BERGLUND et al. 1999) wie auch des Interdisziplinären Arbeitskreises für<br />
Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundsamt (1982) mit Maximalpegeln von 40 dB(A)<br />
stellen kein Grenzwerte der Belastbarkeit dar, sie weisen eine Zielvorstellung aus,<br />
die einen sicheren Bereich umschreibt, in dem auch andere Schalleffekte in der<br />
Nacht kaum noch lärmbedingt auftreten.<br />
Aus der DLR-Studie ist zu entnehmen, dass es auch unter fortbestehender<br />
Lärmeinwirkung (im Labor bis Maximalpegel von 55 dB(A) am Ohr des Schläfers) zu<br />
Kompensationsreaktionen mit verlängerten Tiefschlafphasen, schnellerem<br />
Wiedereinschlafen nach physiologischen Aufwachreaktionen und teilweise<br />
verlängerter Schlafdauer kommt. Auch aus Schlafentzugsuntersuchungen lassen<br />
sich die Kompensationsmechanismen studieren, die ähnlich sind wie bei<br />
lärmgestörten Schlaf. Bei einem mehrstündigen Schlafentzug in einer Nacht kommt<br />
es in der folgenden Nacht zu einer Verlängerung der Tiefschlafphasen und zu einer<br />
Verkürzung der Flachschlafphasen. Auch die REM–Phasen verkürzen sich. In der<br />
zweiten Nacht nach dem Schlafentzug weist der Schlafverlauf bereits beachtliche<br />
Normalisierungstendenzen auf. In der dritten Nacht ähnelt der Schlafverlauf schon<br />
wieder weitgehend einem normalen Verlauf.<br />
Im Rahmen der zitierten Studie um die Flughäfen in England (HORNE et al. 1994)<br />
war es auch möglich, Untersuchungen unter zwei „Extrembedingungen“<br />
durchzuführen. Der Flughafen Manchester mit den meisten Nachtflugbewegungen in<br />
Großbritannien schloss für 10 Tage wegen Reparaturarbeiten. 16 Personen, die<br />
sehr nahe am Flughafen wohnten, wurden vor, während und nach der Schließung<br />
untersucht. Es konnte kein wesentlicher Effekt dieser deutlichen Veränderung der<br />
Flugbewegungen auf die dort Lebenden mit den eingesetzten Methoden festgestellt<br />
69
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
werden. Die Gewöhnungsprozesse sind bei Gesunden, denn nur diese wurden in die<br />
Untersuchungen einbezogen, scheinbar ausgeprägter als angenommen.<br />
6.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />
Aus den bisherigen Untersuchungen lassen sich Schlussfolgerungen für die<br />
Verwendung von Begrenzungswerten zur Vermeidung oder Verminderung von<br />
Lärmstörungen in der Nacht aufstellen. Aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich<br />
eindeutig die Schlussfolgerung ableiten, dass vordergründig für die Wirkungen von<br />
Lärm während des Schlafes die Maximalpegel und vor allem die<br />
Maximalpegelhäufigkeiten sind. Am häufigsten wurde bisher ein von JANSEN<br />
verwendeter Grenzwert von 6 x <strong>60</strong> dB(A) innen verwandt. Unter dem Aspekt der<br />
Gesundheitsgefährdung ist dieser Wert nach den neueren Ergebnissen nicht<br />
abzulehnen Als Innenraumpegel ist er als kritischer Toleranzwert auch in der so<br />
genannten Synopse aufgenommen worden (siehe unten). Er zwingt bei<br />
Überschreitungen zum Handeln, da dann die Möglichkeit gesundheitlicher<br />
Beeinträchtigungen nicht auszuschließen ist und weitere negative Wirkungen nicht<br />
möglich sind.<br />
In der DLR – Studie (BASNER et al. 2004) wurde ermittelt, dass unterhalb von 33<br />
dB(A) nur noch natürliches, spontanes Aufwachen zu beobachten ist. Allerdings<br />
treten physiologische Aufwachwahrscheinlichkeiten unterhalb von <strong>60</strong> dB(A) sehr<br />
gering auf. In den Feldversuchen unter realen Bedingungen zeigte sich erst bei 25<br />
Überflügen mit 53 dB(A) ein lärmbedingtes Aufwachen, bei <strong>60</strong> dB(A) lag die<br />
Aufwachwahrscheinlichkeit bei 6 %. Mithin ist erst bei 16 Überflügen mit <strong>60</strong> dB(A) in<br />
der Nacht mit einem lärmbedingten Aufwachen in den gewohnten Schlafzimmern zu<br />
rechnen.<br />
Unter Vorsorgeaspekten sollte jedoch der in der Synopse (GRIEFAHN et al. 2002)<br />
genannte Präventivwert von 13 x 53 dB(A) pro Nacht nicht überschritten werden. Auf<br />
der Grundlage von Untersuchungen von GRIEFAHN (1990) unter Berücksichtigung<br />
des Streuungsbereiches und auch SPRENG (2001) kann ein Maximalpegel von 53<br />
70
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
dB(A) angenommen werden, bei dem es nicht zu zusätzlichen Lärm bedingten<br />
Reaktionen kommt, die einen negativen Effekt sowohl kurzfristig auf den nächsten<br />
Tag oder langfristig ausüben können. Andere Autoren nennen 55 dB(A) als einen<br />
Wert, bei dem mit Aufwachreaktionen zu rechnen wäre (HOFMANN 1993,<br />
MASCHKE im lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten für den Flughafen Hamburg).<br />
Wie bereits erwähnt, sind Maximalpegelhäufigkeiten die entscheidenden Kriterien für<br />
die Wirkungen des Schalls in der Nacht. Der energieäquivalente Dauerschallpegel<br />
spielt eine geringere Rolle. Er ist jedoch bedeutungsvoll für das Wiedereinschlafen<br />
nach Aufwachen und kann auch eine Rolle spielen bei der Beurteilung des<br />
Lärmniveaus innerhalb der Isophonen von 6 x <strong>60</strong> bzw. 13 x 53 dB(A). Deshalb<br />
schlagen die Autoren der Synopse vor, innerhalb der Konturen der<br />
Maximalpegelhäufigkeiten auch noch den Leq bei Bedarf heranzuziehen. Auch<br />
Lärmschutzmaßnahmen können diesen Pegel einbeziehen. Es soll jedoch nochmals<br />
betont werden, dass die Maximalpegel die entscheidenden Kriterien sind. In der<br />
Literatur angegebene Begrenzungswerte mit Hilfe des Leq variieren erheblich und<br />
liegen auch überwiegend für den Straßenverkehr vor. Die Angaben bewegen sich<br />
meist zwischen 32 und 45 dB(A). Ein Leq von 40 dB(A) innen ist unter dem<br />
Gesichtspunkt eines kritischen Toleranzwertes handlungszwingend, ein Leq von 35<br />
dB(A) ist unter präventiven Gesichtspunkten grundsätzlich zu sichern in den<br />
Bereichen mit den entsprechenden Schallpegelhäufigkeiten.<br />
Bei den Kriterien für die Nacht ist vom Schallpegel am Ohr des Schläfers<br />
auszugehen. Dadurch wird natürlich eine erhebliche Streubreite der Beziehung<br />
zwischen Außenpegel und diesem ohrbezogenem Pegel möglich. Dabei wird ein<br />
Dämmmaß eines angekippten Fensters von 15 dB angesetzt. Es ist zu<br />
unterstreichen, dass ein angenommenes Dämmmaß immer nur eine Durchschnittsund<br />
Hilfsgröße darstellen kann, da die Dämmung von vielen Faktoren abhängt, so<br />
von der Schallcharakteristik, der Schalleinwirkung auf das Haus/Fenster, die<br />
Fenstergröße, die Spaltbreite, die Raumcharakteristik, die Art des Fensters und<br />
vieles andere. Für einen Musterraum berechnet <strong>Dr</strong>. Lehmann (siehe Stellungnahme<br />
im Verfahren Flughafen Berlin-Schönefeld) bei einer Spaltbreite von Maximal 8 cm<br />
eine geringfügig unter 15 dB liegende Dämmung bei einem relativ großen Fenster in<br />
Relation zum Raum. Solche Berechnungen beruhen immer auf einer Reihe von<br />
71
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Annahmen. In der Veröffentlichung der DLR-Studie „Leiser Flugverkehr“ (2004)<br />
wurden in jeweils 9 Nächten bei 64 Personen zu Hause eine mittlere Pegeldifferenz<br />
von 28 dB(A) bei geschlossenen Fenstern, von 18 dB(A) bei gekippten und von 13,5<br />
dB(A) bei geöffneten Fenstern zwischen Außenpegeln und Innenpegeln gemessen<br />
(am Ohr des Schläfers). Etwa 570 Messungen wurden durchgeführt. Die<br />
gemessenen Maximalpegel außen bewegten sich in den Bereichen 35 bis 87 dB(A),<br />
im Mittel 64 dB(A), die entsprechenden Maximalpegel innen lagen bei allen<br />
Messungen zwischen 20 und 73 dB(A), im Mittel 44 dB(A). Der gemessene Leq<br />
außen betrug im Durchschnitt 53,9 dB(A), innen am Ohr 36,2 dB(A). Von 34<br />
Messungen, die als Medianwert aus neun Nächten angegeben wurden, waren zwei<br />
mit einer Pegeldifferenz von innen zu außen < 15 dB(A), dreizehn dagegen mit einer<br />
Pegeldifferenz von > 20 dB(A). Durch die sehr umfangreichen Untersuchungen<br />
konnte auch nachgewiesen werden, dass diese Differenzen in den einzelnen<br />
Jahreszeiten unterschiedlich sind und nicht nur von der Anzahl der Flugbewegungen<br />
abhängen.<br />
Auch die Autoren der Synopse (2002) gehen von einer Dämmwirkung des gekippten<br />
Fensters von 15 dB(A) aus. In der Mediation zum Flughafen Frankfurt wurde<br />
ebenfalls eine Dämmung eines angekippten Fensters von 15 dB(A) angenommen.<br />
Es sollte bei diesen Differenzwerten für die Festlegung von Grenz- und<br />
Beurteilungswerten trotz der gemessenen Differenzen in der DLR-Studie geblieben<br />
werden. Damit ist ein weiterer präventiver Faktor für die Nacht vorhanden.<br />
72
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
7. Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung<br />
7.1 Kriterien für Belästigung<br />
Die Belästigung durch Lärm ist die häufigste negative Schallwirkung. Da sie vom<br />
Untersuchungszeitaufwand einfach zu ermitteln ist – jedoch nicht unter dem Aspekt<br />
der Bewertung und Interpretation – wurde sie auch im Zusammenhang mit Fluglärm<br />
am häufigsten untersucht. Dabei bestehen auch heute noch – wie bei der<br />
Gesundheit – Unklarheiten und unterschiedliche Auffassungen in der Definition von<br />
Belästigung oder Beeinträchtigung durch Lärm. Hier hat man zusätzlich jedoch eine<br />
quantitative Grenze definiert. Von der einfachen Belästigung, die nach<br />
Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 noch nicht als schädlich anzusehen ist, sind die<br />
„erheblichen Belästigungen“ zu trennen. Während die Gefährdung im Wesentlichen<br />
einen <strong>med</strong>izinischen, d. h. pathophysiologischen, krankmachenden Charakter haben<br />
kann, ist die erhebliche Belästigung oder erhebliche Beeinträchtigung dadurch<br />
gekennzeichnet, dass Geräusch bedingte, unerwünscht starke Beeinflussungen<br />
menschlicher Verhaltensweisen auftreten. Die Betroffenen sind an den für sie<br />
wichtigen Aktivitäten gehindert und die Wirkungen können nicht durch mittelbare oder<br />
unmittelbare Zusatzanstrengungen, individuell akzeptiert, kompensiert werden.<br />
Eigentlich ist Belästigung Bestandteil der oben dargestellten Auffassung von<br />
Gesundheit. Doch für die Schutzzieldiskussion wird sie und muss sie abgetrennt<br />
werden. Die erhebliche Belästigung tritt nicht nur vor der körperlichen Erkrankung ein<br />
(ORTSCHEID und WENDE 2000), sondern sie ist ein eigenständiges<br />
Schutzkriterium. Sonst würde suggeriert, dass die erhebliche Belästigung Vorstufe<br />
der körperlichen Erkrankung ist und zu dieser führen muss, was wissenschaftlich<br />
nicht haltbar ist (siehe Kapitel 5.4).<br />
Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist zwischen Belästigung und<br />
erheblicher Belästigung zu unterscheiden, wobei letztere als Kriterium für<br />
Schutzmaßnahmen angesehen wird, wobei zu berücksichtigen ist, wie vorn bereits<br />
erwähnt, dass das BImSchG nicht für Flughäfen gilt. Es soll hier keine Diskussion zu<br />
den unterschiedlichen Begriffen der Belästigung, den differenten Methoden zur<br />
Erfassung, den Schwierigkeiten zur Aufarbeitung von Pegel-Belästigungs-<br />
Beziehungen aus unterschiedlichen Studien erfolgen (siehe auch GUSKI 2002).<br />
73
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Es ist anerkannt, dass eine Null-Belästigung wie auch ein Null-Anteil an erheblichen<br />
Belästigungen in der Gesellschaft nicht zu realisieren ist. Das liegt daran, dass es bei<br />
allen erfragten Belastungsfaktoren eine bestimmte Grundgesamtheit mit negativen<br />
Angaben gibt, dass bei Fragebogenerhebungen eine Tendenz zur Mitte existiert,<br />
dass Betroffenheit in Abhängigkeit von einer Vielfalt situativer und persönlicher<br />
Einflussfaktoren eine unterschiedliche Wertigkeit hervorruft, wodurch insgesamt eine<br />
erhebliche Breite von Antworttendenzen zu verzeichnen ist. WIRTH (2004) stellte im<br />
Umfeld des Züricher Flughafens in den leisen Gegenden einen überdurchschnittlich<br />
hohen Anteil erheblich Belästigter und in den lauteren Fluglärmgegenden einen<br />
erheblichen Anteil nicht Belästigter fest. Dies wird auch damit begründet, dass es<br />
einen bestimmten Anteil erheblich Belästigter durch alle Belastungen einschließlich<br />
Lärm gibt, die Erfassungsmethoden nicht unabhängig von den Gesamtsituationen<br />
nur auf Pegel-Belästigungs-Beziehungen zurückzuführen sind, menschliches Leben<br />
einen bestimmten Schallpegelbereich braucht und erzeugt. Zum anderen hat<br />
natürlich eine Abwägung mit anderen Risiken und Konsequenzen zu erfolgen.<br />
Bei allen Diskussionen um die Ableitung von Schallpegel-Belästigungs-Beziehungen<br />
ist nicht zu vergessen, dass wissenschaftlich durch den Schallpegel nur ein geringer<br />
Teil der so genannten Varianz der Belästigung aufgeklärt wird. In der Lärmstudie<br />
2000 um den Züricher Flughafen sind das 15 % (WIRTH 2004), d. h. 85 % der<br />
angegebenen Belästigung durch Fluglärm wird nicht durch die Höhe des<br />
Schallpegels bestimmt. Im Allgemeinen wird die Varianzaufklärung der Beziehungen<br />
Belästigung – Schallpegel zwischen 9 und höchstens 39 % angegeben (u.a. GUSKI<br />
1999). Das bedeutet auch, dass verschiedene wissenschaftliche Bemühungen zur<br />
Ableitung von Grenzwerten aus unterschiedlichen Studien mit einem erheblichen<br />
Fehler behaftet sein müssen. Trotzdem existieren zwischen Schallpegel und<br />
Belästigung Dosis-Wirkungs-Beziehungen, die in anderen Bereichen nicht so deutlich<br />
ausgeprägt sind. Doch sind sie auf keinen Fall, wie das häufig suggeriert wird, linear.<br />
Die Festlegungen zu einer erheblichen Belästigung sind erst einmal ein<br />
administrativer Akt. Da häufig Fragebögen mit unterschiedlicher Skalierung der<br />
Beantwortungsmöglichkeiten (zwischen 2 und 10 Abstufungsmöglichkeiten bei<br />
unterschiedlichen Formulierungen der Frage), ist es nicht einfach, unterschiedliche<br />
Studien zu vergleichen. Nach ROHRMANN (1984) ist erheblich belästigt, wer auf<br />
74
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
einen Fragebogen in einer Skalierung über 78 % seine Zuordnung trifft. Das wäre auf<br />
einer Zehnerskala 8, 9 oder 10. In einer Reihe von Untersuchungen werden<br />
erhebliche Belästigungen auch bereits ab der Mitte einer Skala verwandt, was von<br />
der Definition her unzulässig ist. Das führt natürlich auch zu anderen Pegel-<br />
Belästigungs-Beziehungen. Von WIRTH (2004) wurden bei den gleichen Personen<br />
Skalenwerte von 1 – 7 und Skalenwerte von 0 – 10 verwandt. Es zeigte sich, dass<br />
das hinter der Beantwortung liegende mentale Konzept unterschiedlich erfasst wird.<br />
Eine zweite Festlegung besteht darin, welcher Anteil erheblich Belästigter zu<br />
akzeptieren ist. Dieser Anteil wird zwischen 10 und 35 % diskutiert, teilweise in<br />
Abhängigkeit von der Skalierung der Fragebögen bis zu 50 %. In den letzten Jahren<br />
hat sich ein Anteil von 25 % erheblich Belästigter, teilweise 28 % herauskristallisiert.<br />
Aufgrund der vorher genannten Probleme sind die Angaben sehr unterschiedlich bei<br />
den Beziehungen zwischen Pegeln und dieser Prozentzahl erheblich Belästigter.<br />
GUSKI analysiert Untersuchungen von Hede (1982), der EG-Studie (Diamond et al.<br />
1986), Gjestland (1990) und Oliva (1993, 1998) und kommt zu einem Grenzwert<br />
gegen erhebliche Belästigung von 61 dB(A). Dabei ergeben sich als Grenzbereiche<br />
für 25 % erheblich Belästigte bei Hede 68 dB(A), Diamond 59 dB(A), Gjestland 64<br />
dB(A), Oliva 61 dB(A) (nach arithmetischer Mittelung 63 dB(A) und nicht 61 dB(A)).<br />
Es ist zu vermuten, dass GUSKI in seiner Mittelung den Wert von Hede (68 dB(A))<br />
nicht einbezogen hat. Bei OLIVA (1998) ist unter <strong>60</strong> dB(A)-Einwirkung ein Anteil von<br />
15 % erhebliche Belästigung zu finden.<br />
Als wesentlichen Wert für präventive Maßnahmen ist nach der Synopse (GRIEFAHN<br />
at al. 2002) ein Leq von 62 dB�A) anzusetzen. Die erhebliche Belästigung kann für den<br />
Einzelnen jedoch deutlich unter diesem Pegel auftreten. MASCHKE gibt an, dass bei<br />
Lm = 59 dB(A) die erhebliche Belästigung beginnt. Öfters wird ein Leq von 55 dB(A)<br />
als Schwellenwert für erhebliche Belästigung angesehen (siehe auch SRU-<br />
Gutachten 1999). Dies heißt nicht, dass nicht unterhalb dieses Pegels Belästigungen<br />
auftreten können. In den Untersuchungen von WIRTH (2004) zeigte sich bei<br />
Verwendung des Leq über 24 Stunden schon ab 40 dB ein Anstieg des<br />
Belästigungsgrades und der erheblichen Belästigung, der jedoch zwischen 55 und 65<br />
dB(A) sich nicht mehr fortsetzte, nahezu gleich blieb. Demnach wurde in diesem<br />
75
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Bereich auch keine Dosis-Wirkungs-Beziehung gefunden. Zwischen 55 und 65 dB(A)<br />
wurde auf einer 10-stufigen Antwortskala zur Belästigung ein Durchschnittswert von<br />
5 angegeben, also genau in der Mitte. Ab 70 dB(A) stieg die Belästigung wieder<br />
deutlich an.<br />
7.2 Korrekturfaktoren bei Belästigung<br />
Von GUSKI (2003) wird in die Lärmwirkungsdiskussion eingebracht, dass sich der<br />
Anteil der Belästigten durch Fluglärm im letzten Jahrzehnt erhöht hätte, weshalb ein<br />
Abzug von den Dosis-Wirkungs-Beziehungen von zusätzlich 1,5 dB(A) zu erfolgen<br />
hätte. Die bevölkerungsbezogenen Erhebungen zum Fluglärm, soweit sie<br />
methodisch vergleichbar sind, zeigen, dass der Anteil der erheblich Belästigten<br />
zurückgegangen und demnach der der mittelmäßig Belästigten angestiegen ist,<br />
wenn nicht andere Faktoren eine Rolle spielen. Nach Ortscheid stieg der Trend der<br />
Belästigung für die vom Fluglärm "stark Belästigten" von 1984 - bis 1989 auf 20 %<br />
an, seit 1990 kann dann bis 1998 ein Abfall auf 5 % festgestellt werden. Die "nicht so<br />
stark Belästigten" stiegen ebenfalls von 1984 (26 %) bis 1991 auf 40 % an und<br />
zeigten von da ab eine gleich bleibende, eher leicht abfallende Tendenz (1994 36<br />
%).<br />
DE JONG beschrieb von 1977 bis 1987 eine Zunahme von 11 auf 15 % der "stark<br />
Belästigten", während die "nicht so stark Belästigten" von 29 % auf 40 % stiegen.<br />
KASTKA (1995) ermittelte von 1987 – 1993 etwa 20 % Zunahme der Belästigungen,<br />
obwohl der Mittelungspegel in der gleichen Zeit um 2,1 dB(A) abfiel. Kastka<br />
begründet diesen Zusammenhang damit, dass die trotz fallender Pegel allgemein<br />
angestiegene Belästigungswirkung in der stark gestiegenen Zahl von "aktiven"<br />
Anwohnern zu sehen ist. Diese zeigen Belästigungsreaktionen, die auf eine um 20 %<br />
erhöhte Empfindlichkeit hinweisen. Die Passiven stellen jedoch die große Mehrheit<br />
der Befragten dar (80%). Oliva kommt in seiner umfangreichen Untersuchung (1998)<br />
zu dem Schluss, dass sich in dem Zeitraum von 1971 bis 1991 die<br />
Belästigungsreaktion an den Flughäfen Genf und Zürich nicht wesentlich geändert<br />
habe und dass die Beziehung zwischen Lm und Belästigungsreaktion unterhalb von<br />
63 dB(A) in der Schweiz annähernd konstant geblieben ist. Für 1971 und 1991<br />
76
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
ergeben sich bei 57 dB(A) ca. 14 % "stark Belästigte für <strong>60</strong> dB(A) 20 %. Erst bei 63<br />
dB(A) ist ein signifikant höherer Prozentsatz von stark Gestörten zu verzeichnen, bei<br />
höheren Belastungen geht der Prozentsatz der stark Gestörten 1991 sogar wieder<br />
zurück.<br />
WIRTH (2004) beschrieb für den Flughafen Zürich, dass bei gleichem Schallpegel<br />
ein höherer Prozentsatz der stark belästigten Personen vorhanden zu sein scheint.<br />
Die Untersuchungen liefen um das Jahr 2000 in einer Phase einer erheblichen<br />
politischen Diskussion um Änderungen der Flugrouten um den Flughafen Zürich. Es<br />
werden psychosoziale Prozesse, wie Sensibilisierung, Bedeutungszuweisungen,<br />
veränderte Erwartungen und zunehmendes Technik- und Politikmisstrauen diskutiert.<br />
Zum anderen haben durch die Ausweitung des Flugverkehrs (nicht des Fluglärms),<br />
die Bemühungen vieler Flughäfen zum Ausbau, die Zunahme des Nachtfluges auch<br />
erhebliche Diskussionen in den Medien stattgefunden, die für diese Fragestellung<br />
stärker sensibilisiert haben. Daraus lässt sich jedoch aus meiner Sicht keine<br />
notwendige Korrektur einer Dosis-Wirkungs-Beziehung (Schallpegel zu Belästigung)<br />
ableiten, wie das von GUSKI diskutiert wird.<br />
Das Herangehen von Guski, von einem ermittelten Schallpegel für 25 bis 28 % der<br />
erheblich Belästigten, der zwischen 62 und 65 dB(A) liegt nochmals 1,5 dB(A)<br />
abzuziehen, ist demnach wissenschaftlich nicht zu untersetzen. Wie ausgeführt, ist<br />
nicht nachzuweisen, dass der Anteil erheblich Belästigter prinzipiell und bei gleichem<br />
Lärm angestiegen ist. Dies trifft insbesondere für den Fluglärm zu. Zum anderen<br />
zeigen die bisherigen Ergebnisse, die sich tatsächlich mit der Veränderung der<br />
Belästigung beschäftigt haben, dass das entscheidende Kriterium die anscheinend<br />
willkürliche Diskussion in den Medien gewesen war. Dies wirft die prinzipielle Frage<br />
auf, ob durch wachsende Diskussionen um Umweltwirkungen die objektiven<br />
Begrenzungswerte reduziert werden müssen. Dies lässt Manipulationen erheblichen<br />
Spielraum und unterstreicht nochmals die Forderung, mit Risikodiskussionen<br />
verantwortungsvoll umzugehen.<br />
Ein weiteres Argument des letzten Jahres von GUSKI (2003) ist das der so<br />
genannten Überschussreaktion. Bei Veränderungen des Fluglärms kommt es nach<br />
Auffassung von GUSKI – möglicherweise länger dauernd – zu Überschussreaktionen<br />
77
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
an Belästigungen in der Bevölkerung. Um dieser Überschussreaktion entgegen zu<br />
wirken, müssten ebenfalls die Dosis-Wirkungs-Beziehungen nach unten korrigiert<br />
werden. Bisherige Ergebnisse zu solchen Überschussreaktionen sind sehr<br />
widersprüchlich. GUSKI (2003) kommt selbst zur Einschätzung, dass dies eine<br />
Hypothese ist. In der Literatur gibt es nur vereinzelte Angaben (nur 2 Studien), die<br />
auch noch unterschiedliche Ergebnisse geliefert haben. Es wurden keine<br />
Kontrollgruppen einbezogen. Die zur Grundlage verwendeten Belästigungswerte<br />
befanden sich teilweise im Streubereich, Aussagen zur Dauer eines<br />
Überschusseffektes sind nicht möglich. GUSKI (2003, S. 23) selbst stellt fest: „In<br />
Ermangelung weiterer Daten zu diesem Problem erscheint es unangebracht, diese<br />
Ergebnisse bei der Prognose der in einem wesentlich geänderten Flughafen zu<br />
erwartenden Belästigung ohne Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen“. Ein<br />
wissenschaftliches Gutachten hat nicht von Möglichkeiten und Spekulationen<br />
auszugehen, sondern hat sich unter Berücksichtigung des Vorsorgeaspektes auf<br />
wissenschaftlich anerkannter Basis zu bewegen.<br />
7.3 Belästigung und Krankheit<br />
Im Kapitel 4 wurde ausgeführt, dass die Vermeidung oder Minderung erheblicher<br />
Belästigung ein eigenes Schutzziel darstellt. Häufig wird argumentiert, dass durch<br />
das Belästigungserleben Krankheiten entstehen könnten. Die wissenschaftliche<br />
Basis für eine solche Feststellung ist sehr gering. Im Internet wurden erste<br />
Ergebnisse des PAN EUROPÄISCHEN LARES SURVEY zum Fluglärm vorgestellt<br />
(NIEMANN et al. 2004). Es wurde die Belästigung in Beziehung gesetzt zur erfragten<br />
Krankheitsdiagnose („Ist die Krankheit von einem Arzt diagnostiziert worden?“). Bei<br />
7949 Untersuchten gaben 39 % der Befragten an, durch Straßenverkehrslärm<br />
belästigt zu sein, gefolgt von 36 % durch Nachbarschaftslärm. Den geringsten<br />
Belästigungsgrad von 13 % (schwach, moderat, stark, extrem) wurde für Fluglärm<br />
gefunden, unter 2 % „stark“ und „extrem“. Für eine moderate Belästigung durch<br />
Fluglärm wurde ein erhöhtes Risiko für Bronchitis, Trend zur Depression und Migräne<br />
beschrieben. Bei starker Belästigung durch Fluglärm konnte das für Migräne und<br />
Trend zur Depression nicht mehr bestätigt werden (Tab. 9).<br />
78
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 9: Belästigung und Erkrankungsrisiko, Ergebnisse aus dem LARES-Survey,<br />
(1) deutsch: Niemann, Maschke, Hecht 2004, (2) englisch: Niemann, Maschke 2004<br />
Die Zahlen in Klammern geben die Anzahl der Personen in den Gruppen mit<br />
angegebener Erkrankung an.<br />
+ = signifikant<br />
Asthma<br />
moderate Belästigung starke Belästigung<br />
(1)<br />
Fluglärm<br />
(Anzahl)<br />
1,3<br />
(31)<br />
Bronchitis 1,6 +<br />
(56)<br />
Depression 1,4<br />
(62)<br />
Hypertonie 1,1<br />
(171)<br />
Herz-Kreislauf 1,1<br />
(179)<br />
(2)<br />
allgem. Verkehr<br />
Industrielärm<br />
(1)<br />
Fluglärm<br />
(Anzahl)<br />
1,48 4,2 +<br />
(7)<br />
1,06 2,7 +<br />
(11)<br />
1,06 1,8<br />
(10)<br />
1,04 3,0 +<br />
(32)<br />
1,05 3,1 +<br />
(34)<br />
79<br />
(2)<br />
allgem. Verkehr<br />
Industrielärm<br />
1,61 -<br />
1,97 +<br />
1,85 +<br />
1,45 +<br />
Die tatsächlichen Diagnosezahlen sind teilweise sehr gering und kaum aussagefähig.<br />
Es wurde eine Reihe wichtiger Variabler nicht untersucht, so dass aus diesen<br />
vorläufigen Ergebnissen noch keine Schlussfolgerung zu ziehen ist. In der Tabelle 10<br />
werden die Beziehungen zwischen subjektiven Belastungs- oder<br />
Belästigungsparametern aus den bereits zitierten Studien „Spandau“ und „LARES“<br />
dargestellt. Dies zeigt die sehr unterschiedlichen Ergebnisse zu bestimmten<br />
Erkrankungen.<br />
0,89
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 10: Beziehungen zwischen subjektiven Störungen (Belästigungen/Belastung)<br />
und bestimmten Erkrankungen<br />
0 = keine Beziehung,<br />
+ = signifikante Beziehungen, PP = Periodenprävalenz, LP = Lebenszeitprävalenz<br />
Hypertonie<br />
Angina pectoris<br />
„Spandau“ – Verkehr insgesamt „LARES“ - Verkehrslärm<br />
PP LP Erwachsene<br />
18 – 59 Jahre<br />
Tag Nacht Tag Nacht Belastung<br />
mäßige/starke<br />
zu keiner<br />
Ältere<br />
> 59 Jahre<br />
Belastung<br />
mäßige/starke<br />
zu keiner<br />
0 0 0 0 0 1,6 0 0<br />
0 0 0 0 0 1,5 0 0<br />
Herzinfarkt 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
Diab. mel. 0 0 0 0 1,7 0 0 0<br />
erhöhte<br />
Blutfettwerte<br />
chronische<br />
Bronchitis<br />
0 0 0 0 0 0 0 0<br />
0 0 0 0 0 1,9 0 0<br />
Asthma 0 0 0 0 1,6 0 0 0<br />
Krebs 0 0 0 0 0 0 0 0<br />
psychische<br />
Störung<br />
+ 0 + 0 0 0 0 0<br />
7.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />
Es wird auch diskutiert, dass nicht der energieäquivalente Dauerschallpegel sondern<br />
die Häufigkeit der Einzelpegel bei der Bewertung der Belästigung Verwendung finden<br />
sollte. Von KASTKA wurde der NAT 70 eingeführt, die Anzahl der Überschreitung<br />
von 70 dB(A) am Tag oder in der Nacht. Für den Tag gilt ein Wert, bei dem eine<br />
erhebliche Belästigung beginnt, von <strong>60</strong> x 70 dB(A). Die bisherigen<br />
wissenschaftlichen Erkenntnisse mit diesen Kriterien sind gering, zum anderen ist bei<br />
dieser Anzahl auch der Leq ein adäquates Maß. WIRTH (2004) fand zwischen<br />
Belästigung und dem Leq, dem NAT 70 aber auch dem LDN und LDEN nahezu eine<br />
gleiche korrelative Beziehung.<br />
Der Einzelpegel ist auch erheblich von situativen Einflüssen abhängig, die<br />
Belästigung sollte jedoch als eine übergreifende Beeinträchtigung erfasst werden. All<br />
80
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
dies spricht für die Verwendung des Leq als dem traditionellen Maß in der bisherigen<br />
wissenschaftlichen Literatur.<br />
In der so genannten Synopse (GRIEFAHN et al. 2002) wurde als kritischer<br />
Toleranzwert zur Vermeidung erheblicher Belästigung ein Leq von 65 dB(A)<br />
empfohlen. Dieser Wert zwingt zu Maßnahmen. Seitens der Autoren dieser Synopse<br />
wird ein präventiver Richtwert von 62 dB(A), der grundsätzlich einzuhalten ist,<br />
angesetzt. Als ein Schwellenwert wird in der Synopse ein Leq von 55 dB(A)<br />
angegeben, den man durchaus als langfristige Zielvorstellung verstehen kann. Dies<br />
heißt jedoch nicht, dass in diesem Bereich ein Schädigungscharakter entsprechend<br />
BImSchG vorhanden wäre. Mit dieser Zielvorstellung wird dem grundsätzlichen<br />
Lärmminderungsgebot Rechnung getragen.<br />
Dies entspricht weitgehend auch dem Vorschlag des Sachverständigenrates für<br />
Umweltfragen (1999), der einen Leq von 65 dB(A) gegenwärtig als angemessen<br />
ansieht, jedoch mittelfristig einen Wert von Leq von 62 dB(A) anstrebt und langfristig<br />
empfiehlt zu prüfen, ob unter Abwägung auch anderer Gründe ein Leq von 55 dB(A)<br />
erreichbar ist. Im Mediationsverfahren Flughafen Frankfurt/Main wird ein Alarmwert<br />
von 65 dB(A) im stufenweisen Schutzkonzept zur Vermeidung gesundheitlicher<br />
Schäden angegeben, der nicht überschritten werden soll. Ein Schwellenwert von 62<br />
dB(A) sollte zur Vermeidung erheblicher Belästigungen nicht überschritten werden<br />
und ein Wert von <strong>60</strong> dB(A) sollte aus Vorsorgegründen als Obergrenze angestrebt<br />
werden.<br />
81
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
8. Schutzziel: Vermeidung von Kommunikationsstörungen durch Lärm<br />
Schall bestimmter Intensität, Frequenz und Zeitmerkmalen beeinträchtigt die<br />
Kommunikation und das Kommunikationsverhalten von Menschen. Es können<br />
kurzfristige wie auch langfristige negative Wirkungen auftreten. Insbesondere aus<br />
labor- aber auch arbeitsbezogenen Untersuchungen liegen vielfältige Ergebnisse zu<br />
den Abhängigkeiten der Kommunikationsstörungen durch Lärm vor. Diese<br />
Kommunikationsbeeinflussungen werden sowohl für den Innen- als auch für den<br />
Außenraum in die Betrachtung einbezogen.<br />
Kommunikationsbeeinträchtigungen betreffen das Hören und Verstehen, das<br />
Sprechen und auch den Spracherwerb. Störungen der Kommunikation können zu<br />
Informationsverlusten, Fehlinformationen, Verlängerung der Kommunikationsdauer,<br />
Zunahme der Hör- und Sprechanstrengung führen. Die Güte einer Kommunikation ist<br />
abhängig von den Eigenschaften der Kommunizierenden und den Bedingungen,<br />
unter denen Kommunikation abläuft. Zu den Eigenschaften der Kommunizierenden<br />
gehören neben dem Hörvermögen u.a. der Sprachpegel, die Sprachfrequenz, die<br />
Sprachverständlichkeit (Mutter- oder Fremdsprache). Beeinflussende Bedingungen<br />
sind z. B. die Raumbeschaffenheit, der Sprecher-Hörer-Abstand, Pegel sowie<br />
Frequenz und Zeitcharakteristik eines Störgeräusches.<br />
Die Sprechpegel richten sich nach Situation und Bedingungen.<br />
Nach ISO 9921 (Assessment of Speech Communication) liegen die Sprachpegel für<br />
Kommunikation in 1 m Entfernung für eine normale Sprache bei <strong>60</strong> dB(A), für<br />
angehobene 66 dB(A), für laute bei 72 dB(A). Auch bei SPRENG (1994) finden sich<br />
ähnliche Werte: ruhig, Privatbereich 48 dB(A), ruhig, normal Privatbereich 54 dB(A),<br />
normal <strong>60</strong> dB(A), angehoben 66 dB(A), laut 72 dB(A), sehr laut 78 dB(A), Schreien<br />
84 dB(A), maximales Schreien 90 dB(A).<br />
Demnach liegt der Sprachpegel bei ruhiger Sprechlautstärke zwischen 50 und 55<br />
dB(A), bei normaler zwischen 55 und 63 dB(A), bei angehobener zwischen 62 und<br />
68 dB(A). Wenn die Sprache angehoben wird und Schreien mit Pegelwerten<br />
oberhalb von 70 – 80 dB(A) erforderlich ist, findet man bei einer Analyse auch im<br />
Frequenzspektrum eine Verschiebung sowie ein Abflachen der Sprachmelodie und<br />
der Sprachdynamik. Dadurch kommt es zu verzerrter Sprache mit Einschränkungen<br />
82
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
für die Sprachverständlichkeit. Diese reduziert sich bei Anstieg des Sprechpegels um<br />
10 dB(A) um etwa 15 – 40 %. In den angegebenen Bereichen der Sprechlautstärke<br />
50 - 68 dB(A) liegen die höchsten Terzbandpegel zwischen 250 und 630 Hz. Erst<br />
wenn die Sprechlautstärke lauter wird oder in Schreien übergeht, (70 - 78 dB(A) bzw.<br />
80 bis 95 dB(A)), verschiebt sich der Frequenzbereich mit dem höchsten<br />
Terzbandpegel auf 630 bis 1250 Hz. Zur Kompensation des Abstandes zwischen<br />
Signal (Sprechen) und Störgeräusch müsste das Signal (Sprechen) noch um etwa 5<br />
dB(A) lauter sein, damit diese extrem laute Sprache mit gleicher<br />
Sprachverständlichkeit aufgenommen und wie die normal gesprochene Sprache<br />
verstanden wird. Ebenso ist in solchen Situationen ein Absinken der<br />
Sprechgeschwindigkeit um etwa 20 % zu bemerken, wodurch zwar bei geringen und<br />
mittleren Sprechlautstärken bessere Erkennung möglich ist, jedoch bei lauter<br />
Sprache durch Veränderung der zeitlichen Wortstruktur und in Folge der<br />
Artikulationen die Unterscheidungsmöglichkeit im allgemeinen negativ beeinflusst<br />
wird. Solche Störungen sind besonders bedeutsam für Hörgestörte oder<br />
Hörgeräteträger.<br />
Für eine enge Kommunikation wird von einem 1-Meter- und für eine familiäre<br />
Kommunikation von einem 4-Meter-Abstand ausgegangen. Der Lärmpegel als<br />
Störschallpegel oder der Sprechpegel sind nur zwei von vielen Einflussfaktoren für<br />
die Sprachverständlichkeit. Sie sind Hilfsgrößen, um den Außenpegel bei<br />
Verkehrslärmbelastung entsprechend bewerten zu können.<br />
Entscheidend für die Sprachverständlichkeit ist unter anderem der Signalgeräusch-<br />
abstand. Nach ISO 9921 beträgt dieser für eine sehr gute/exzellente<br />
Sprachverständlichkeit ≥ 7,5 dB(A), für eine gute ≥ 3,0 dB(A). LAZARUS (2002) gibt<br />
nach neueren Erkenntnissen Abstände von 12 bis 14 dB(A) bzw. ≥ 7,5 dB(A) für eine<br />
sehr gute/gute Sprachverständlichkeit, SPRENG (1994) für Normalhörende 6 bis 18<br />
dB(A) an.<br />
Neben der Beeinträchtigung des Sprachverständnisses wird auch das<br />
Störungserleben einer Kommunikation als Kriterium angewandt. GRIEFAHN et al<br />
(2001) schließen aus Feldstudien an Flughäfen, die in verschiedenen Ländern von<br />
1980 bis 1998 durchgeführt werden, auf einen Tagesmittelungspegel von Leq = <strong>60</strong>,2<br />
dB(A), bei dem etwa 30 % der Betroffenen in der Kommunikation stark gestört sind.<br />
83
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Die Ableitung von empfohlenen Begrenzungswerten gegen Störungen der<br />
Kommunikation resultiert aus experimentellen wie auch Felduntersuchungen.<br />
Experimentelle Untersuchungen haben den Nachteil, dass sie nicht die üblicherweise<br />
vorhandene Lebenssituation simulieren können, in der auch die für die<br />
Kommunikation notwendigen Anpassungsvorgänge ablaufen oder abgelaufen sind.<br />
Der Vorteil ist, dass die Bedingungen standardisiert verändert werden können.<br />
Felduntersuchungen, meist Befragungen, in den wenigsten Fällen Verhaltens- und<br />
Handlungsanalysen, erfassen neben Kommunikationsbeeinträchtigungen häufig<br />
auch andere Störungen und Belästigungen.<br />
Die Momentanpegel spielten in der wissenschaftlichen Literatur bei<br />
Kommunikationsstörungen eine deutlich geringere Rolle. Verwertbare Ergebnisse<br />
aus dem häuslichen Umfeld liegen nicht vor. In der DIN 33410 wird eine<br />
Sprachverständlichkeit für den Arbeitsbereich angenommen, wenn in Innenräumen<br />
ein Lmax von ≤ <strong>60</strong> bzw. 54 dB(A) für Abstände von 1 bis 4 Metern gegeben ist. Für<br />
den Fluglärm muss berücksichtigt werden, dass bei einer Überflugdauer von um die<br />
30 bis 40 Sekunden die Maximalpegel nur wenige Sekunden dauern. Das hat für die<br />
Kommunikation bestimmte Vorteile, es können jedoch auch erheblich höhere Pegel<br />
bei sehr lauten Flugzeugen auftreten. Deshalb ist auch die Frage der Rolle der<br />
Maximalpegel zu diskutieren. In experimentellen Untersuchungen wurde ihre<br />
Bedeutung für Kommunikationsstörungen untersucht. Epidemiologische<br />
Untersuchungen zu Maximalpegeln und ihren bleibenden Störeffekten liegen<br />
dagegen weitgehend nicht vor. Störeffekte für Radio/TV beschrieben RYLANDER et<br />
al. (1980) bei Lmax = 75 dB(A) und für das Telefonieren bei Lmax = 78,5 dB(A). Bei<br />
Sprachpegeln über 20 dB ist bei gewohnter Sprache eine 50%-ige<br />
Sprachverständigkeit gegeben, wenn die gesprochenen Sätze 8 dB unter dem<br />
Störgeräuschpegel betragen. Bei schwierigen Texten, Fremdsprachen, ungewohnten<br />
Sprachpartnern verringert sich die Verständlichkeit deutlich auf 50 bis 70 %. Die<br />
Effekte von Maximalpegeln sind jedoch erheblich von situativen Effekten abhängig,<br />
so dass im Allgemeinen bei der Umsetzung dieses Schutzzieles auf die<br />
energieäquivalenten Dauerschallpegel zurückgegriffen werden sollte.<br />
84
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Trotz der geringen Dauer der Maximalpegel wird die Störwirkung durch Fluglärm<br />
gegenüber Straßenlärm als höher eingeschätzt. Das liegt vor allem an dem<br />
intermittierenden Charakter und psychischen Bewertungen.<br />
Für das Schutzziel Kommunikation wird zwischen Innen- und Außenpegel<br />
unterschieden. Für Außenwohnbereiche können die für den Innenraum geltenden<br />
kritischen Werte nicht herangezogen werden, weil hier Freifeldbedingungen<br />
herrschen, die im Inneren nicht gegeben sind. Auch kann an die Sprachqualität im<br />
Außenbereich nicht der strenge Maßstab angelegt werden, der für den Innenbereich<br />
notwendig ist.<br />
Von SPRENG (1994) werden verschiedene tolerable Innengeräuschpegel für gutes<br />
bis sehr gutes Sprachverstehen aufgestellt. Es wird dabei zwischen enger<br />
Kommunikation (1 m Abstand) mit einem Kommunikationspegel von 57 dB(A), eine<br />
familiäre Kommunikation in 4 m Abstand mit normal-/angehobener Stimme und<br />
einem Kommunikationspegel von 63 dB(A) sowie eine schulische Kommunikation im<br />
10-Meter-Abstand mit angehobener Stimme bei einem Kommunikationspegel von 69<br />
dB(A) unterschieden. SPRENG gibt für diese Kommunikationsformen je nach der Art<br />
von Personengruppen Signalstörverhältnisbereiche zwischen 6 und 31 dB an.<br />
Deshalb wird auch empfohlen, für unterschiedliche Personengruppen (siehe unten)<br />
auch unterschiedliche mittlere tolerable Innengeräuschpegel anzusetzen.<br />
Schlussfolgerung für Begrenzungswerte<br />
Als Außenwert für befriedigende bis ausreichende Kommunikation bietet sich<br />
aufgrund der vorhandenen Untersuchungsergebnisse für den Tag als kritischer<br />
Toleranzwert ein Lm von 62 dB(A) an. Für den Innenraum lassen sich<br />
Mittelungspegel von 45 dB(A) als kritische Toleranzwerte angeben. Der Außenwert<br />
entspricht dem präventiven Wert für die Einschränkung der erheblichen Belästigung.<br />
Störpegel für den Außenbereich zu einer noch tolerierbaren Nutzung liegen bei etwa<br />
68 dB(A) (LAZARUS 1990, SPRENG 1994). Bei vier Meter Sprechabstand liegt dies<br />
etwa bei 56 dB(A). Daraus kann man ableiten, dass als kritischer Wert für eine<br />
befriedigende und ausreichende Kommunikation ein Störpegel von 62 dB(A)<br />
anzunehmen ist.<br />
85
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Es sollte jedoch, um den Forderungen des SRU nach deutlicher Unterschreitung<br />
dieser kritischer Toleranzwerte zu genügen, ein präventiver Tages-Richtwert (außen)<br />
für befriedigende Kommunikation von 59 dB(A) am Tage und ein präventiver<br />
Richtwert von 40 dB(A) innen (für gute Kommunikation) eingehalten werden. Auch<br />
der Arbeitskreis für Lärmwirkungsforschung beim Umweltbundesamt empfahl bereits<br />
1985 einen Innengeräuschpegel von 40 dB(A) für gutes bis sehr gutes<br />
Sprachverständnis bei familiärer Kommunikation. Die Bedingungen für eine sehr gute<br />
bis gute Kommunikation im Innenraum lassen sich individuell natürlich besser<br />
beeinflussen als im Außenfeld. Nach den oben genannten Dämmmaßen sind sie<br />
sowohl bei Spaltlüftung, aber insbesondere auch bei geschlossenem Fenster<br />
möglich. Für den Zeitraum mit hohen Anforderungen an die Kommunikationsgüte ist<br />
dies durchaus zumutbar. Der präventiv angegebene Wert von 59 dB(A) im<br />
Außenbereich für eine akzeptable Kommunikation liegt zwischen dem für den<br />
familiären Bereich oben angegebenen Störpegelwert von 56 dB(A) und dem<br />
kritischen Wert von 62 dB(A). Unter dem Aspekt der Anpassbarkeit der<br />
Kommunikationsentfernungen ist dies vertretbar.<br />
Besonders betroffen durch schlechte Kommunikationsbedingungen sind<br />
Hörgeräteträger. Gerade bei ihnen ist der Signal-Störgeräusch-Abstand besonders<br />
relevant, da durch das Hörgerät sowohl Sprach- als auch Störschall verstärkt<br />
werden, wodurch die Sprachverständlichkeit erheblich absinkt. Ebenfalls<br />
Altersschwerhörige und Schwerhörige werden durch einen geringen Signal-<br />
Störgeräusch-Abstand stärker beeinträchtigt. Auch Säuglinge und Kleinstkinder<br />
sollen besonders störanfällig sein. Kleinkinder und Schulkinder werden bei den<br />
schutzbedürftigen Bereichen nochmals behandelt. Die präventiv orientierten<br />
Richtwerte beinhalten auch teilweise die besondere Betroffenheit, sie können<br />
natürlich nicht alle Einzelfälle berücksichtigen, da sie auf Bevölkerungsgruppen<br />
ausgerichtet sind.<br />
86
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
9. Schutzziel: Vermeidung von Leistungsstörungen durch Lärm<br />
Mit den Kommunikationsstörungen eng verbunden – jedoch nicht ausschließlich<br />
durch sie bedingt – sind Leistungsbeeinträchtigungen sowohl in der Arbeit als auch in<br />
der Freizeit. Eine besondere Betroffenheit kann in Schulen und Kindergärten<br />
auftreten, so dass diese Gruppe demnach auch einer besonderen Betrachtung<br />
unterzogen wird. Aber auch für den Arbeitsbereich können Lärmwirkungen negative<br />
Auswirkungen auch durch Umweltlärm haben.<br />
Mechanismen zur Leistungsbeeinflussung durch Lärm können vielgestaltig sein. Neben<br />
Lästigkeitsempfindungen und Beeinflussungen der Motivation tragen auch Aktivitätssteigerungen<br />
sowie Kommunikationsstörungen zur Leistungsbeeinträchtigung<br />
durch Lärm bei.<br />
Die zur Problematik Lärm und Leistung vorliegenden Untersuchungsergebnisse<br />
betreffen eine Reihe von lärmbeeinflussbaren Funktionsbereichen: Vigilanz und<br />
selektive Aufmerksamkeit, Lesen, Gedächtnis, komplexe Informationsverarbeitung,<br />
sensomotorische Steuerung u.a. (GUSKI 1997, EVANS 1998, HYGGE et al. 1998,<br />
MEIS 1998, SCHICK et al. 1999).<br />
Da jede anspruchsvolle Tätigkeit mit Konzentration auf die wesentlichen<br />
Informationsinhalte verbunden ist, bedeutet eine Störung der Konzentration sowie<br />
der Vigilanz und der selektiven Aufmerksamkeit eine Verschlechterung der<br />
Leistungen. Die mit der Arbeitsaufgabe verknüpften Wissensbestände müssen in der<br />
Regel aus dem Gedächtnis abgerufen werden, um zu einem angemessenen und<br />
fehlerfreien Resultat zu gelangen. Dies gilt für eine Vielzahl von Tätigkeiten, nicht nur<br />
im Büro oder im Unterricht.<br />
Die Mechanismen der Leistungsbeeinflussung durch Schall sind unterschiedlich.<br />
Durch Schall werden auch Bewältigungsmechanismen ausgelöst, die dazu führen,<br />
dass das Leistungsergebnis selbst nicht ungünstiger zu sein braucht, möglicherweise<br />
der Aufwand jedoch zur Erreichung dieses Ergebnisses steigt. Zum anderen kann<br />
Schall auch durch seinen Verdeckungseffekt und damit die Ausblendung von<br />
intermittierenden Störgeräuschen zu einer Leistungsverbesserung führen.<br />
87
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Neben den unmittelbaren Auswirkungen von Lärm auf das Leistungsergebnis werden<br />
auch Nachwirkungen z, B, eines gestörten Schlafes diskutiert. Die DLR-Studie zu<br />
den Nachtfluglärmwirkungen (BASNER et al. 2004) beschrieb sowohl bei den Labor-<br />
als auch bei den Felduntersuchungen keine wesentlichen Wirkungen des<br />
unterschiedlichen Nachtfluglärms auf die untersuchten Leistungsbereiche am<br />
Folgetag.<br />
Zur Frage der Leistungsminderung durch Lärm wird auch in den Abschnitten zur<br />
Kommunikation, zur Belästigung, zur Arbeit sowie zu den schutzbedürftigen<br />
Bereichen, insbesondere den Schulen und Kindergärten, eingegangen. Zusätzliche<br />
Begrenzungswerte für das spezielle Erreichen einer Leistung ergeben sich nicht, sie<br />
werden durch die anderen Begrenzungswerte abgedeckt. Das betrifft vor allem<br />
Begrenzungswerte, die zur Vermeidung erheblicher Belästigung wie auch zur<br />
Verminderung von Kommunikationsstörungen aufgestellt worden sind, außerdem<br />
werden besondere Begrenzungswerte für Schulen und Kindergärten empfohlen.<br />
88
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
10. Schutzziel: Vermeidung der Störung der Erholung<br />
Wohnen dient auch der Erholung. Für bestimmte Bereiche mit speziellen<br />
Erholungsaktivitäten sind gesonderte Betrachtungen notwendig. Deshalb gehen<br />
Erholungsaspekte sowohl in die anderen Schutzziele ein, sie werden jedoch auch<br />
gesondert betrachtet.<br />
Dass Schall, insbesondere unerwünschter Lärm, die Erholung beeinträchtigen kann,<br />
ist selbstverständlich. Zum anderen werden gerade in der Erholung lärmintensive<br />
Bereiche und Aktivitäten gesucht, so dass es nicht um den Schallpegel an sich geht,<br />
sondern die Erholungsaktivitäten im Zusammenhang mit einer Situation und den<br />
Wünschen des Individuums zu sehen sind.<br />
Insgesamt sind Untersuchungen unter dem Aspekt der Festlegung von Grenz- oder<br />
Schwellenwerte bei Fluglärm gegen Erholungsbeeinträchtigungen sehr selten.<br />
Die Störungen von Ruhe und Erholung korrelieren mit dem Lärmpegel geringer, als<br />
das für die Belästigung und Kommunikationsstörung zutrifft. Das liegt u. a. daran,<br />
dass die Erholungszeiten sich auf bestimmte Tagesabschnitte konzentrieren und der<br />
Mittelungspegel die Schallbelastung am gesamten Tag widerspiegelt. Werden nur die<br />
Mittelungspegel in den Abendstunden verwandt, so ergeben sich engere<br />
Beziehungen zur Erholungsstörung, insbesondere in den Wohngebieten (GUSKI<br />
1991). Auch KASTKA (1999) berichtet, dass die Störungen in der Erholung in den<br />
Abendstunden am häufigsten sind. Deshalb hat die Europäische Union als<br />
Beurteilungspegel den so genannten LDEN empfohlen, der die Abendstunden mit 5<br />
dB(A) Aufschlag besonders hervorhebt. Es soll an dieser Stelle nicht auf die<br />
Problematik des LDN und LDEN eingegangen werden.<br />
Auch unter dem Gesichtspunkt der Erholung ist eine getrennte Betrachtung der Tagund<br />
Nachtbelastung zu bevorzugen. Ein über 24 Stunden errechneter<br />
Mittelungspegel, der auch eine unterschiedliche tageszeitliche Wertung hat, wie der<br />
LDN lässt eine realitätsgerechte Beurteilung der Lärmwirkung nicht zu. Außerdem<br />
widerspiegelt er dann nicht die tatsächliche Belastung über diesen Zeitraum.<br />
89
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Bisherige Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung beruhen überwiegend auf anderen<br />
Belastungsgrößen.<br />
Schutzziele, wie Vermeidung von Krankheiten, Belästigung, Schlafstörungen,<br />
beinhalten stets eine prognostische Aussage zu längerfristigen Wirkungen,<br />
Forschungsergebnisse widerspiegeln die im Allgemeinen vorhandenen Beziehungen<br />
zu Lärmpegeln. Bei der Interpretation zur Ableitung von Begrenzungswerten wird<br />
davon ausgegangen, dass die Betroffenen ständig in solchen Bereichen leben. Bei<br />
der Nutzung von Erholungsgebieten sowie von Erholungsaktivitäten ist die Situation<br />
jedoch anders. Sie werden zeitweilig aufgesucht bzw. durchgeführt. Deshalb ist ein<br />
Schluss auf die Störung dieser Erholungsbetrachtung z. B. zur Gesundheit nicht<br />
möglich. Wissenschaftliche Erkenntnisse liegen nicht vor. Ebenso gibt es nahezu<br />
keine Erkenntnisse zur Beeinträchtigung von bestimmten unterschiedlichen<br />
Erholungsaktivitäten durch Fluglärm.<br />
Die empfundene Störung der Erholung in Erholungsgebieten und bei<br />
Erholungsaktivitäten hängt erheblich von der Art der Aktivitäten ab, zeigt auch<br />
Unterschiede bei gleichen Pegeln in unterschiedlichen Bereichen (ANDERSON et al.<br />
1993). Dosis-Wirkungs-Beziehungen lassen sich schwierig nachweisen (FIDELL et<br />
al. 1996). GJESTLAND et al. (1990) finden bei Befragungen u. a. zur Störung der<br />
Erholung bei Tagespegeln zwischen 50 und 55 dB(A) etwa 10 % Gestörter. Bei etwa<br />
<strong>60</strong> dB sind es 20 %, bei 65 dB etwa 30 %.<br />
Die Untersuchung von Gjestland (1990) untersucht nicht die Erholungsfunktion selbst<br />
– dazu gibt es für Fluglärm keine Untersuchungen -, sondern die subjektiven<br />
Angaben zu einer Störung der Erholung. Auffallend in dieser Untersuchung ist, dass<br />
die Erholung weitaus geringer störbar ist als die Kommunikation innen und außen bei<br />
gleichen Pegeln. Insbesondere bei Pegeln über 57 dB(A) verstärkt sich die Differenz<br />
der gestörten Personen zwischen Erholung und Kommunikation. Ca. 8 % der<br />
Befragten sind unabhängig vom Pegel immer gestört. Bei Leq 50 dB(A) bis etwa 58<br />
dB(A) sind etwa 10 % der Befragten in ihrer Erholung gestört, unter 40 dB(A), was<br />
am Tag einer leisen Umgebung entspricht, bereits 8 %.<br />
90
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Trotz dieser sehr ungünstigen wissenschaftlichen Datenlage sollte auch das<br />
Schutzziel Erholung in die Betrachtung einbezogen werden. Hierfür kommen nur<br />
energieäquivalente Dauerschallpegel und keine Maximalpegel in Frage.<br />
Maximalpegel in ihrer Störung sind erheblich von den situativen Gegebenheiten und<br />
der ausgeübten Aktivität abhängig. Deswegen lassen sich keine pauschalen<br />
Orientierungen ableiten. Erholungsaktivitäten im Innenraum werden durch die<br />
Begrenzungswerte für die Reduzierung erheblicher Belästigung und der Realisierung<br />
einer guten Kommunikation berücksichtigt. Deshalb sollten nur für den Außenraum<br />
zusätzliche Begrenzungswerte vor allem in erholungsbezogenen Gebieten zur<br />
Bewertung herangezogen werden.<br />
Erholungsaktivitäten sind deutlich eingeschränkt, wenn die energieäquivalenten<br />
Dauerschallpegel Leq am Tag über 16 Stunden 64 dB(A) überschreiten. Dann sind<br />
etwa 25 bis 30 % in den Erholungsaktivitäten gestört. Erstrebenswert unter<br />
präventiven Gesichtspunkten wäre für die spezielle Problematik der Erholung ein Leq<br />
von 57 dB(A). Dies wäre insbesondere für spezielle Erholungsgebiete zu empfehlen.<br />
Hier können etwa 10 bis 15 % von Personen angenommen werden, die eine<br />
Erholungsstörung angeben bei Befragungen. Bei solchen Pegeln ist auch die<br />
Verhältnismäßigkeit gegenüber anderen Schalleinflüssen während einer<br />
Erholungstätigkeit gewahrt. Dabei ist die Erholung gegenüber dem Schutz vor<br />
erheblicher Belästigung nachgeordnet.<br />
91
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
11. Zusammenfassende Darstellung von Einflussfaktoren auf die<br />
Wirkungen von Lärm<br />
Bei den bisherigen Argumentationen wurde häufig auf die Uneinheitlichkeit<br />
wissenschaftlicher Ergebnisse zu Lärmwirkungen, auf die Komplexität und<br />
Multikausalität der diskutierten Effekte von Lärm, auf noch vorhandenen<br />
Forschungsbedarf hingewiesen. Deshalb sollen zusammenfassend mögliche<br />
Einflussfaktoren auf die gesundheitliche und psychische Wirkung von Lärm<br />
dargestellt werden.<br />
Die Empfindlichkeit oder Widerstandsfähigkeit gegenüber Lärmeinwirkungen ist von<br />
Individuum zu Individuum und auch bei dem einzelnen Individuum in Abhängigkeit<br />
von seinem aktuellen Zustand sowie von Umgebungsbedingungen erheblich<br />
unterschiedlich. Die Bewältigung von Lärm hängt von vielen Faktoren ab. Das<br />
erschwert allgemein gültige Regelungen für Grenzwerte von Lärm und forciert die<br />
Diskussion um Lärm. Deshalb ist es Aufgabe der Gesellschaft und ihrer<br />
Gesetzgebung zu definieren, welche Beeinträchtigungen und Störungen zu tolerieren<br />
sind. Ein Nullrisiko gibt es bei Lärm nicht.<br />
In der wissenschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl akustischer und nicht<br />
akustischer Einflussfaktoren auf die Wirkung von Lärm diskutiert, teilweise auch mit<br />
widersprüchlichen Ergebnissen. Wesentliche Einflussfaktoren wurden in Tab. 11<br />
zusammengefasst. Sie sind sowohl unter dem Gesichtspunkt der physiologischen,<br />
psychologischen als auch der pathologischen Lärmwirkungen zu sehen. Sie sollen<br />
nicht im Einzelnen diskutiert werden, auf eine Reihe dieser Faktoren wurde bereits in<br />
einzelnen Kapiteln hingewiesen.<br />
92
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tab. 11: Diskutierte Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen<br />
Schallgebundene Faktoren<br />
h Frequenzzusammensetzung<br />
h Lautstärke, Schalldruck<br />
h Impulshaltigkeit (Anstiegsschwelle)<br />
h zeitliche Faktoren der Einwirkung<br />
- Expositionsdauer/Lärmpause<br />
- zeitliche Abfolge (rhythmisch oder stochastisch)<br />
h Pegelschwankungen zwischen Grund- und Maximalpegel (Modulationstiefe)<br />
Nichtakustische Faktoren<br />
h Vorerfahrung mit dem betreffenden Geräusch<br />
h Wissen um die Vermeidbarkeit des Lärms<br />
h individuelle Geräuschempfindlichkeit<br />
h positive/negative Einstellung zur Schallquelle (emotionale Wertigkeit)<br />
h Informationsgehalt des Schalls<br />
h Sichtkontakt zur Lärmquelle<br />
h Aktuelle Situation der Person<br />
- Gesundheitszustand<br />
- Interferenz mit beabsichtigten Tätigkeiten<br />
- Einstellung und Motivation zur gegenwärtigen Tätigkeit<br />
- physische und psychische Verfassung<br />
- aktuelle Informationsverarbeitungsanforderung<br />
h Habituelle Situation der Person<br />
- Alter<br />
- sozioökonomischer Status<br />
- Bildung<br />
- Hauseigentümer im lärmbetroffenen Gebiet<br />
- Geschlecht<br />
- Persönlichkeitseigenschaft/Bewältigungsverhalten<br />
h Gewöhnung<br />
93
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Eine wesentliche Rolle hinsichtlich des Ausmaßes der Diskussion um Lärmwirkungen<br />
sowie der subjektiven Parameter von Lärm spielen auch die Glaubwürdigkeit und<br />
damit die reale Information des Flughafens, das Vertrauen in Behörden, die<br />
Einbeziehung der Bevölkerung in bestimmte Informations- und<br />
Entscheidungsprozesse, die Stellung des Flughafens in der Region. Demnach spielt<br />
auch das Management im Umgang mit Risiken durch den Flughafenbetrieb eine<br />
wesentliche Rolle.<br />
94
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
12. Vorschläge für Bewertungsgrenzen gegen Fluglärm<br />
12.1 Prinzipien für Bewertungsgrenzen<br />
Bei der Diskussion zu bisherigen Ergebnissen hinsichtlich der aufgeführten<br />
Schutzziele wurde bereits auf Begrenzungswerte eingegangen. Im Folgenden soll<br />
zusammenhängend das angewandte Schutzkonzept dargestellt werden.<br />
Der Deutsche Bundestag forderte in seinem Beschluss vom 02.09.1998 die<br />
Festlegung von Zumutbarkeitsgrenzen, Schutzzonen, Eingriffsschwellen. MASCHKE<br />
(1997) spricht von „Effektschwellen“. In der Rechtsprechung werden teilweise durch<br />
die Lärmwirkungsforschung vorgeschlagene Begrenzungswerte als<br />
„Handlungsschwellen“ oder „Eingriffsschwellen“ bezeichnet.<br />
Der Umweltrat empfiehlt in seinem Sondergutachten von 1999 kurzfristig, mittelfristig<br />
und langfristig anzuwendende Immissionsbegrenzungswerte. Die kurzfristigen sind<br />
einzuhalten, bei den mittelfristigen soll unter Vorsorgeaspekten dieses Ziel<br />
angestrebt werden und langfristig soll unter Berücksichtigung des technisch<br />
Machbaren und wirtschaftlich Tragbaren eine Lärmminderung entsprechend dieser<br />
Immissionswerte geprüft werden. In seinem Gutachten von 2002 verließ der<br />
Umweltrat jedoch diese Linie und übernahm die Vorschläge von ORTSCHEID und<br />
WENDE (2000). Diese gehen von „Belastungsbereichen“ aus, „ die aus der Sicht der<br />
Lärmwirkungsforschung im Sinne von Schwellenbereichen besonders beachtet<br />
werden müssen“ (S.31). Dann werden jedoch keine Bereiche sondern einzelne<br />
dB(A)-Pegel als Begrenzungswerte angegeben. Diese scheinbar als Schwellenwerte<br />
gedachten Pegel werden für die erhebliche Belästigung, für<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nicht mehr auszuschließen sind, und für<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu<br />
erwarten sind, formuliert (S.31, Zusammenfassende Bewertung...: Qualitätsziele).<br />
Verwirrend ist, dass in der Zusammenfassung dieser Schrift bei den nicht<br />
auszuschließenden Gesundheitsbeeinträchtigungen noch der Zusatz „aus<br />
präventiv<strong>med</strong>izinischer Sicht“ erscheint. Ist ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor<br />
berücksichtigt? Auf alle Fälle ist die Verwendung des Begriffes „Schwelle“ nicht<br />
definiert.<br />
95
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Die nachfolgenden Kriterien für die Bewertung von Fluglärm beruhen auf dem bereits<br />
eingangs genannten Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen<br />
von Flughäfen/Flugplätzen, was 2002 durch GRIEFAHN, JANSEN, SCHEUCH und<br />
SPRENG erarbeitet wurde (Z. f. Lärmbekämpfung 49, 5, 171-175, 2002).<br />
Mit einer abgestuften Wertung von Beurteilungsgrenzen soll mehr Klarheit in die<br />
unterschiedliche Terminologie von diskutierten Begrenzungswerten von Flughäfen<br />
gebracht werden und zum anderen mehr Klarheit bei der Risikobeurteilung von<br />
Fluglärm auf wissenschaftlicher Basis erreicht werden.<br />
Grundsätzlich wird in diesem Konzept von dem Minimierungsauftrag umweltbedingter<br />
Lärmeinflüsse ausgegangen. Dies bedeutet, dass die vorgeschlagenen<br />
Bewertungsgrenzen Vorschlagscharakter besitzen und wissenschaftlich ständig<br />
hinterfragt werden müssen.<br />
Der Begriff Grenzwert wird vermieden, da er Gesetzes- und Verordnungsvorschriften<br />
vorbehalten bleiben sollte.<br />
Es wird von einer Hierarchie der Begrenzungswerte ausgegangen:<br />
Kritischer Toleranzwert:<br />
Gesundheitsgefährdungen und/oder -beeinträchtigungen sind nicht mehr<br />
auszuschließen. Die wissenschaftliche Begründung der Lärmwirkung ist vorhanden,<br />
oder es besteht ein ausreichender, wissenschaftlich begründeter Verdacht.<br />
Diese Toleranzwerte sind zu unterschreiten. Ihre Überschreitungen zwingen zu<br />
Maßnahmen der Lärmminderung.<br />
Präventiver Richtwert:<br />
Es handelt sich um einen Vorsorgewert, bei dessen Einhaltung<br />
Gesundheitsgefährdungen weitgehend ausgeschlossen sind. Beeinträchtigungen<br />
und Störungen können insbesondere bei sensiblen Gruppen auftreten. Die<br />
wissenschaftliche Begründung ist plausibel.<br />
Sie sollten grundsätzlich nicht überschritten werden. Bei Überschreitung besteht<br />
Handlungsbedarf.<br />
96
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Unter dem Minimierungsgebot sollten Schwellenwerte langfristig angestrebt werden.<br />
Schallimmissionen im Bereich des Schwellenwertes führen zu deutlichen<br />
physiologischen und psychologischen Veränderungen, die im jeweiligen<br />
Normbereich ablaufende Anpassungs- und Bewältigungsprozesse auslösen.<br />
Die Veränderungen sind nachgewiesen, eine wissenschaftliche Prognose über<br />
Langzeiteffekte ist beim heutigen Wissensstand noch nicht möglich.<br />
Ein unmittelbarer aktueller Handlungsbedarf für Flughäfen/Flugplätze ergibt sich aus<br />
diesen Werten nicht.<br />
In den Bereich zwischen Schwellenwerten und Präventiven Richtwerten können<br />
Begrenzungswerte für schutzbedürftige Bereiche eingeordnet werden.<br />
Im Bereich des Schwellenwertes ordnet sich Lärm in das normale Risiko<br />
menschlichen Lebens ein.<br />
Unser Grundverständnis von Schwellenwerten geht von der Normalität von<br />
Wirkungen in diesem Bereich aus. Zur Bewältigung von Anforderungen und zur<br />
eigenen Entwicklung stehen dem Lebewesen physiologische und psychologische<br />
Anpassungskapazitäten und Anpassungsmechanismen zur Verfügung. Diese<br />
werden durch das vegetative Nervensystem, das endokrine, motorische und<br />
immunologische System realisiert, wobei auch kognitive sowie emotionale Prozesse<br />
eingeschlossen sind. Bei Anforderungen und Belastungen, die ein bestimmtes<br />
individuelles Maß übersteigen, kommt es zur Aktivierung solcher Prozesse, die erst<br />
einmal dazu führen, dass das Gleichgewicht körperlicher Funktionen gestört wird, um<br />
zielgerichtet und unspezifisch, d.h. unabhängig von der Art der Belastung, eine<br />
Reaktionsbereitschaft des Organismus zu schaffen. Auch die psychischen<br />
Funktionen führen zu einer Konzentration auf die entsprechenden auslösenden<br />
Anforderungen bzw. Belastungen. Das ist ein normaler psychophysiologischer Prozess,<br />
der durch die anschließende Kompensation dieser Veränderungen wieder zur<br />
Normalität, d. h. zum Gleichgewicht, zurückkehrt (siehe Kapitel 4).<br />
Ohne die Störungen dieses Gleichgewichtes gäbe es keine Entwicklung. Die Entwicklung<br />
eines Lebewesens wird durch die Auslenkung des körperlichen, psychischen<br />
und sozialen Gleichgewichtes und die daraufhin erfolgende Kompensation<br />
97
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
realisiert, um wiederum ein Gleichgewicht als Voraussetzung für eine funktionelle<br />
Optimalität zu erreichen.<br />
Das führt natürlich zu messbaren Veränderungen auch unter Lärm.<br />
Schwellen gibt es nicht nur für <strong>med</strong>izinisch relevante Schutzziele auf der Grundlage<br />
von somatischen Anpassungsvorgängen. Auch hinsichtlich der subjektiven Widerspiegelung<br />
von Schall, der Belästigung wie auch der Relevanz von Kommunikationsstörungen<br />
sind solche Schwellen festzulegen. In der von uns verwendeten Auffassung<br />
von Gesundheit kann man sich belästigt fühlen ohne dass die Fähigkeit beeinträchtigt<br />
ist, seine Umweltanforderungen zu bewältigen und sich selbst zu entwickeln.<br />
Belästigung kann als Auslöser zum Aneignen von Bewältigungsformen werden.<br />
Auch unterhalb der definierten Schwellen können physiologische und psychologische<br />
Reaktionen auftreten, z.B. aufgrund der individuellen Bedeutsamkeit des<br />
Schallereignisses, durch Richtungshören u.a.<br />
In der Synopse wird davon ausgegangen, dass prinzipiell seitens der Lärmwirkungsforschung<br />
der Auftrag zur Lärmminderung bei unserem gegenwärtigen<br />
Erkenntnisstand resultiert. Deshalb sind die Schwellenwerte als langfristige<br />
Zielorientierung genannt, nicht wegen eines Risikos, sondern für eine quantitative<br />
und vernunftbasierte Zielstellung. Zum anderen wissen wir, dass es nahezu keinen<br />
Schallpegel gibt, bei dem es nicht zu individuellen Reaktionen kommen kann. Auch<br />
zur Minimierung des Einzelrisikos für besonders schutzbedürftige Personen stellen<br />
diese Schwellenwerte nur eine Zielvorstellung dar. Deshalb wurde in der Synopse<br />
aufgeführt, dass Schwellenwerte unter dem Minimierungsgebot langfristig angestrebt<br />
werden sollen.<br />
Auch aus juristischer Sicht wird dieses Schutzkonzept unterstützt und als<br />
handhabbar eingeschätzt (DOLDE 2003, GIEMULLA und SCHORCHT 2004).<br />
Den auch international gebräuchlichen Beurteilungskriterien liegen jeweils<br />
Durchschnittwerte zu Grunde, entweder Mittelungspegel oder<br />
Maximalpegelhäufigkeiten in einem bestimmten Zeitraum, in der BRD in den sechs<br />
verkehrsreichsten Monaten. Diese können an einzelnen Tagen oder auch<br />
98
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
konzentriert über Wochen teilweise deutlich überschritten werden. Es besteht die<br />
Befürchtung, dass dadurch gesundheitliche oder andere lang dauernde Beeinträchti-<br />
gungen auftreten können. Dies führte auch zur Forderung, dass in unterschiedlichen<br />
Flugrichtungen die 100 : 100 % Berechnung erfolgen soll. Damit wird eine gewollte<br />
Überschätzung des tatsächlich vorhandenen Risikos vorgenommen. Dem ist aus<br />
Lärmwirkungssicht nicht zu widersprechen, obwohl es keinerlei wissenschaftliche<br />
Daten zur Untermauerung dieser These gibt und es durchaus durch die<br />
Übervorteilung von bestimmten Gebieten hinsichtlich Lärmschutz und<br />
Lärmmaßnahmen zu Komplikationen und zusätzlichen Belastungsfaktoren in<br />
anderen Bereichen kommen kann. Deshalb bevorzuge ich die Realverteilung plus die<br />
entsprechenden Standardabweichungen bei bestehenden Flughäfen oder einem Sicherheitszuschlag<br />
bei noch nicht bestehenden Flugplätzen. Durch die Bewertung der<br />
sechs verkehrsreichsten Monate wird ja bereits ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor<br />
eingebaut.<br />
Vom Flugverkehr kann nicht nur das Flugzeug in der Luft sondern auch auf dem<br />
Boden durch Rolllärm, Triebwerksprobeläufe, der Verkehr auf dem Flughafen<br />
belastend sein. Diese Geräusche werden von Betroffenen dem Flughafen<br />
zugeordnet und von mir als flughafenbedingter Lärm bewertet. Nahezu alle<br />
Wirkungsuntersuchungen – ob Belästigung oder gesundheitsrelevante Effekte, ob<br />
Kommunikations- oder Erholungsstörung – beziehen sich zur Ableitung von Dosis-<br />
Wirkungs-Beziehungen auf den gesamten Lärm, der von einem Flughafen ausgeht.<br />
Alles andere wäre eine willkürliche Trennung.<br />
12.2 Bewertungsgrenzen<br />
Flughäfen/Flugplätze<br />
und Eckwerte für Schallimmissionen um<br />
Im Folgenden werden nochmals die verwendeten Kriterien für ein Schutzkonzept bei<br />
der Berücksichtigung unterschiedlicher Schutzziele aus der so genannten Synopse<br />
dargestellt.<br />
99
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schutzziel: Vermeidung von Hörschäden<br />
Maximalpegel äquivalenter<br />
Dauerschallpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Lmax = 115 dB(A) Leq,24h = 80 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Lmax = 95 dB(A)* Leq,24h = 75 dB(A)<br />
Schwellenwert: Lmax = 90 dB(A)* Leq,24h = 70 dB(A)<br />
* unter Berücksichtigung der Anstiegssteilheit<br />
Anmerkung: Hörschäden sind durch zivilen Flugverkehr bedingten Umweltlärm nicht<br />
zu erwarten. Sie sind möglicherweise zu beachten, wenn die notwendigen<br />
Erholungszeiten für das Gehör nicht eingehalten werden können.<br />
Schutzziel: Vermeidung von Gesundheitsschäden/Krankheiten (außer Hörorgan)<br />
Tagwerte: 6 – 22 Uhr (außen)<br />
äquivalenter<br />
Dauerschallpegel<br />
Maximalpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq,16 h = 70 dB(A) Lmax,16 h = 19 x 99 dB(A)*<br />
Präventiver Richtwert: Leq,16 h = 65 dB(A) Lmax,16 h = 25 x 90 dB(A)<br />
Schwellenwert: – –<br />
*Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />
Anmerkung: Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Schädigungsgrenze bei<br />
Umweltlärm am Tag liegen noch nicht ausreichend vor. Eine gemeinsame<br />
Betrachtung mit dem Nachtbegrenzungswert ist beim gegenwärtigen Wissensstand<br />
nicht möglich. Es sollte eine Tag-Nacht-Trennung vorgenommen werden.<br />
Schwellenwerte werden nicht angegeben, da die wissenschaftliche Grundlage<br />
derzeit zu gering ist und Spekulationen Unsicherheiten bei den Betroffenen erzeugen<br />
können.<br />
Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung (außen*)<br />
äquivalenter Dauerschallpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq,16 h = 65 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Leq,16 h = 62 dB(A)<br />
Schwellenwert: Leq,16 h = 55 dB(A)<br />
100
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Anmerkung: Maximalwerte werden nicht vorgeschlagen, da ihre Belästigungswirkung<br />
erheblich von der Situation und von individuellen Faktoren abhängt und<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf den äquivalenten Dauerschallpegel<br />
vorliegen.<br />
Schutzziel: Vermeidung relevanter Kommunikationsstörungen<br />
äquivalenter Dauerschallpegel<br />
Innen Außen*<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq, 16 h = 45 dB(A) Leq, 16 h = 62 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Leq, 16 h = 40 dB(A) Leq, 16 h = 59 dB(A)<br />
Schwellenwert: Leq, 16 h = 35 dB(A) Leq, 16 h = 56 dB(A)<br />
Anmerkung: Der Unterschied zwischen den Werten Innen und Außen resultiert aus<br />
der Möglichkeit zur aktiven Beeinflussbarkeit der Situation im Innenraum und der<br />
Zumutbarkeit einer befriedigenden bis ausreichenden Kommunikationsgüte in<br />
Außenbereichen im Gegensatz zu einer gut bis sehr guten in Innenbereichen.<br />
Maximalwerte werden nicht angegeben, da auch hier situative und individuelle<br />
Einflussfaktoren entscheidend sind. Andere Zeitbezüge für den äquivalenten<br />
Dauerschallpegel sind in besonders gelagerten Einzelsituationen mit erheblich<br />
schwankenden Geräuschimmissionen erforderlich.<br />
Schutzziel: Vermeidung von Störungen der Erholung/Rekreation (außen*)<br />
äquivalenter Dauerschallpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq, 16 h = 64 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Leq, 16 h = 57 dB(A)<br />
Schwellenwert: Leq, 16 h = 50 dB(A)<br />
Anmerkung: Erholung/Rekreation ist auf die Nutzung der Außenanlagen<br />
einschließlich von Gärten gerichtet. Bei letzteren sowie bei Campingplätzen ist zu<br />
berücksichtigen, dass sie nicht ganzjährig bzw. über einen längeren Zeitraum genutzt<br />
werden.<br />
101
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schutzziel: Vermeidung relevanter Störungen des Schlafes (innen)<br />
Vorbemerkung<br />
Grundsätzlich halten die Sachverständigen die Vermeidung von Lärmbelastungen<br />
während der Nacht von 22 bis 6 Uhr für die optimale Lösung. Sollte dies unter dem<br />
Aspekt des international vernetzten Flugverkehrs und anderer Gründe nicht<br />
gewährleistet werden können, schlagen wir eine Konzentration des Flugverkehrs auf<br />
den weniger empfindlichen ersten Teil der Nacht oder die alleinige Nutzung in dieser<br />
Zeit vor.<br />
Konzentration des Flugverkehrs auf den ersten Teil der Nacht<br />
22 – 1 Uhr: zwei <strong>Dr</strong>ittel bis drei Viertel aller Bewegungen<br />
1 – 6 Uhr: ein Viertel bis ein <strong>Dr</strong>ittel aller Bewegungen<br />
Maßgeblich für die Ausweisung von Schutzgebieten sind die folgenden<br />
Maximalpegelkriterien (innen):<br />
Maximalpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Lmax, 22-6 h = 6 x <strong>60</strong> dB(A)*<br />
Präventiver Richtwert: Lmax, 22-1 h = 8 x 56 dB(A)<br />
Lmax, 1-6 h = 5 x 53 dB(A)<br />
Schwellenwert: Lmax, 22-6 h = 23 x 40 dB(A)<br />
*Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />
Innerhalb der Maximalpegelkonturen sind für die Dimensionierung von Maßnahmen<br />
zum Schutz vor Schallbelastung zusätzlich die nachfolgend aufgeführten<br />
äquivalenten Dauerschallpegel (innen) heranzuziehen.<br />
äquivalenter Dauerschallpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq, 22-6 h = 40 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Leq, 22-1 h = 35 dB(A)<br />
Leq, 1-6 h = 32 dB(A)<br />
Schwellenwert: Leq, 22-6 h = 30 dB(A)<br />
Als mögliche Alternative für den Fall, dass eine Zweiteilung der Nacht nicht realisiert<br />
werden kann, kommt als Alternative in Frage die<br />
102
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Ungewichtete Verteilung des Flugverkehrs über die gesamte Nacht<br />
Hinsichtlich der Anwendung der aufgeführten Maximalpegel und äquivalenten<br />
Dauerschallpegel gilt das zuvor Gesagte.<br />
Maximalpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Lmax, 22-6 h = 6 x <strong>60</strong> dB(A)*<br />
Präventiver Richtwert: Lmax, 22-6 h = 13 x 53 dB(A)<br />
Schwellenwert: Lmax, 22-6 h = 23 x 40 dB(A)<br />
Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />
äquivalenter Dauerschallpegel<br />
Kritischer Toleranzwert: Leq, 22-6 h = 40 dB(A)<br />
Präventiver Richtwert: Leq, 22-6 h = 35 dB(A)<br />
Schwellenwert: Leq, 22-6 h = 30 dB(A)<br />
103
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
13. Besondere Personengruppen<br />
In der Bevölkerung gibt es besonders empfindliche Gruppen von Menschen, Kranke,<br />
Kinder und Ältere, woraus sich eine Reihe besonders schutzbedürftiger Bereiche<br />
ergibt. Hierzu zählen Kindergärten, Schulen, Altenheime, besonders<br />
Altenpflegeheime und Krankenhäuser. Einige Untersuchungen über Lärmwirkung in<br />
diesen Gruppen liegen vor, so dass es gerechtfertigt ist, auch Begrenzungswerte für<br />
Fluglärmbelastungen anzugeben.<br />
In den Empfehlungen für die Begrenzungswerte in diesen Bereichen sind in der so<br />
genannten Synopse (GRIEFAHN et al. 2002) differenzierte Schutzziele angegeben.<br />
Es wird besonders vermerkt, dass diese Immissionskennwerte immer unter<br />
präventiven Gesichtspunkten zu erstellen sind, d.h. sie liegen deutlich unterhalb der<br />
Gefährdungswerte.<br />
Die für Fluglärm geltenden Begrenzungswerte und Immissionskennwerte<br />
unterscheiden sich von anderen Kennwerten, die in den Vorschriften zur Begrenzung<br />
des Verkehrslärms oder andere Lärmquellen vorgegeben sind. Die<br />
lärmphysikalischen oder lärm<strong>med</strong>izinischen Besonderheiten und auch die<br />
Schutzmaßnahmen bei Fluglärm sind gegenüber anderen Verkehrslärm- und<br />
Industrielärmquellen unterschiedlich.<br />
Da es sich jedoch bei diesen sensiblen Bereichen um Einzelobjekte handelt, sollten<br />
keine flächenmäßig definierten Schutzzonen errechnet werden, weder für Mittelungsnoch<br />
für Maximalpegel, sondern es sollten Einzelpunktberechnungen durchgeführt<br />
werden, wenn die einzelnen Objekte außerhalb der Umhüllenden der Isokonturen für<br />
die Normalbevölkerung liegen. Wenn die dabei ermittelten Belastungen die für<br />
Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser angegebenen<br />
Immissionskennwerte überschreiten, so sind Maßnahmen erforderlich. Liegen die<br />
schutzbedürftigen Objekte noch innerhalb einer Schutzzone für die durchschnittliche<br />
Bevölkerung so ist zu prüfen, ob die für die durchschnittliche Belastungen<br />
vorgesehenen oder schon durchgeführten Lärmminderungsmaßnahmen den<br />
Schutzzielen für sensible Bereiche entsprechen, die oben aufgestellt wurden.<br />
104
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
13.1 Kranke<br />
In den letzten zwei Jahrzehnten gab es kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die<br />
sich mit der Wirkung von Fluglärm auf Kranke oder auf Bereiche mit überwiegend<br />
Kranken beziehen. Im Vordergrund standen epidemiologische Untersuchungen zur<br />
Belästigung oder zur Rolle von kausalen Faktoren in der Entstehung von<br />
Krankheiten. Die Ableitung von Begrenzungswerten erfolgt daher häufig aus<br />
Analogieschlüssen.<br />
Untersuchungen zur besonderen Belästigung von Kranken gibt es kaum, auf die<br />
stärkeren Einschränkungen von Schwerhörigen und Hörgeräteträgern wurde im<br />
Kommunikationskapitel hingewiesen.<br />
Im Vordergrund der folgenden Betrachtungen stehen bei den Kranken die<br />
Verhinderung von Verschlechterungen einer Erkrankung sowie die Beeinträchtigung<br />
der Heilungs- und Regenerationsprozesse durch Fluglärm. Bei Erkrankten liegen<br />
regelwidrige pathophysiologische Zustände und Behandlungsbedürftigkeiten vor. Die<br />
Anpassungsfähigkeit an Umweltbelastungen und veränderte Umweltbedingungen ist<br />
eingeschränkt. Kranke in Krankenhäusern sind häufig an einen Platz gebunden und<br />
haben damit keine Ausweichmöglichkeiten. Bei leichteren Erkrankungen ist diese<br />
Empfindlichkeit deutlich niedriger. Da in Krankenhäusern Leicht- bis Schwerstkranke<br />
aufgenommen sind, sollte man die Schwerstkranken zum Bezugspunkt nehmen.<br />
Nach den Untersuchungen von GRIEFAHN (1882) weisen Schwerstkranke<br />
gegenüber Gesunden eine um 30 dB(A), Schwerkranke um etwa 21-24 dB(A)<br />
erhöhte Empfindlichkeit auf. Geht man von einem Maximalpegelkriterium für<br />
Gesunde am Tage von 25 x 90 dB(A) aus, so könnte ein zulässiger Außenpegel für<br />
die Empfindlichsten von <strong>60</strong> dB(A) angenommen werden. Bei gekipptem Fenster<br />
erhält man einen Tagesmaximalpegel von 45 dB(A) innen. Als Häufigkeitskriterium<br />
sollte 25 x 45 dB(A) eingehalten werden. Für nächtlichen Fluglärm sollten die für die<br />
„Normalbevölkerung“ geltenden präventiven Richtwerte von 13 x 53 dB(A) auf 13 x<br />
40 dB(A) innen herabgesetzt und durch geeignete Maßnahmen eingehalten werden.<br />
In Krankenhäusern sind Mittelungspegel natürlich auch zu reduzieren. Es werden<br />
Leq innen von 36 dB(A) am Tage und 30 dB(A) in der Nacht vorgeschlagen.<br />
Entscheidend für Krankenhäuser ist der Innenpegel.<br />
105
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Krankenhäuser sollten stets als Einzelimmissionsort geprüft werden. Da in<br />
Krankenhäusern alle drei Kategorien der Schwere von Erkrankungen öfters<br />
gleichzeitig zu finden sind, sollte erst einmal bei Krankenhäusern der Immissionswert<br />
für Schwerstkranke als Kriterium für Lärmminderungsmaßnahmen herangezogen<br />
werden, außer es ist offenkundig eine andere Belegung. Schwerstkranke sind heute<br />
häufig auf Intensivstationen mit Klimaanlagen, so dass ein geöffnetes oder gekipptes<br />
Fenster nicht in Frage kommt. BERGLUND und LINDVALL (1995) schlagen für<br />
jeglichen Schutz Richtwerte von Leq = 30 dB(A) und Lmax = 45 dB(A) vor, dem wird<br />
auch mit diesen Beurteilungswerten Rechnung getragen. Ansonsten muss nochmals<br />
betont werden, dass die Datenlage aus wissenschaftlichen Untersuchungen äußerst<br />
rar ist. Im Vordergrund steht der Vorsorgeaspekt. Die im Innenraum selbst oder<br />
durch die Behandlung erzeugten Pegel sind teilweise deutlich höher. In Einzelfällen<br />
kann für Kranke in Wohngegenden eine gesonderte Empfehlung erfolgen.<br />
13.2 Kinder<br />
In einer Reihe von Untersuchungen werden Beeinflussungen der Entwicklung von<br />
Kindern hinsichtlich des Leistungsverhaltens, zum Beispiel in der Schule,<br />
beschrieben. Dabei werden Berichte vorgelegt, in denen Verschlechterungen der<br />
kognitiven Leistungen, des Langzeitgedächtnisses, des Lernens, der<br />
Sprachwahrnehmung und des Spracherwerbs gefunden wurden (BULLINGER und<br />
BAHNER 1997, HYGGE et al. 1998). In diesem Zusammenhang sind die<br />
Untersuchungen in der Umgebung des neuen, 1992 eröffneten Flughafens München<br />
und des alten, stillgelegten Flughafens München-Riem zu erwähnen. Es wurde<br />
gezeigt, dass in der Umgebung des neuen Flughafens die Leistungen von<br />
Schulkindern sich allmählich verschlechterten (die Untersuchungen fanden vor, 6<br />
Monate nach und 18 Monate nach der Eröffnung statt), wobei unterschiedliche<br />
Leistungsbereiche betroffen waren und die Ergebnisse auch nicht konsistent waren.<br />
Darüber hinaus deuteten sich auch Motivationsänderungen und Störungen der<br />
kognitiven Bewältigungsstrategien an. Obwohl aus diesen<br />
Untersuchungsergebnissen noch keine Schlussfolgerungen für Allgemeingültigkeit<br />
gezogen werden können, halten die Untersuchungsergebnisse dazu an, gerade in<br />
diesen Bereichen dafür zu sorgen, dass sich eine durch Lärm ungestörte Entwicklung<br />
der Kinder vollziehen kann.<br />
106
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
BULLINGER und BAHNER (1997) stellten andererseits zum Einfluss<br />
wahrgenommener Umweltbedingungen von Kindern auf die subjektive Gesundheit<br />
fest, dass die Effekte der Lärmwirkung bei Kindern geringer ausgefallen sind als<br />
ursprünglich angenommen wurde. Die Kinder gaben weniger Störungen durch<br />
negative Umwelteinwirkungen einschließlich Fluglärm als Erwachsene an. Die<br />
Lebensqualität der Kinder war in den Dimensionen allgemeine Gesundheit, Vitalität<br />
und Lebenszufriedenheit mehr zwischen Stadt und Land verschieden als in<br />
unterschiedlich lärmexponierten Gebieten.<br />
Eine detaillierte Analyse der Erinnerungsleistungen fluglärmexponierter Kinder hat<br />
MEIS (1998) im Rahmen einer <strong>med</strong>izinisch-psychologischen Längsschnittstudie in<br />
München vorgelegt. Er kommt zu der Auffassung, dass sowohl im Längsschnitt als<br />
auch im Querschnitt die Expositionen mit chronischem Fluglärm keine<br />
Nachwirkungen auf die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses haben, weder in der<br />
erhöhten Arbeitsgeschwindigkeit noch in einer geringen Gesamtspeicherkapazität,<br />
geringe Auswirkungen fanden sich in anderen Bereichen.<br />
Nach Untersuchungen von SMITH und JONES (1992) ergab sich, dass einfache und<br />
monotone Routineaufgaben selbst bei Maximalpegeln von 95 dB(A) nicht behindert<br />
werden. Bei komplexen Aufgaben mit Sprachverarbeitungsprozessen im<br />
Arbeitsgedächtnis sind aber Beeinträchtigungen bereits bei Maximalpegeln von 70 –<br />
80 dB(A) zu verzeichnen, wobei diese Untersuchungen nicht nur im Kinderbereich<br />
durchgeführt wurden. Das Kurzzeitgedächtnis ist bei sprachhaltigen<br />
Hintergrundgeräuschen besonders stark störbar. Das zeigt sich schon bei 45 dB(A)<br />
(SCHICK 1999). Überhaupt spielt der Informationsgehalt eine bedeutsame Rolle. Ein<br />
kontinuierlicher Dauerschall ruft weniger Störungen hervor als ein intermittierender<br />
Schall. Ein Dauerschall kann unter Umständen aufgrund seines Maskierungseffekts<br />
sogar die Leistung verbessern. Bei Fluglärm handelt es sich jedoch immer um<br />
intermittierenden Lärm, so dass er hinsichtlich der Leistungsbeeinflussung negativer<br />
einzuschätzen ist als z. B. Straßenlärm.<br />
Die selbst erzeugten Schallpegel in Schulen und Kindergärten sind erheblich.<br />
HOUCHÉ (1996) gibt in Kindergärten gemessene Mittelungspegel von 69 bis 74<br />
dB(A) an. Diese Werte entsprechen auch unseren Messerfahrungen sowie denen<br />
107
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
von SCHICK et al. (1999). Seitens der Unfallkasse wurden teilweise noch höhere<br />
Werte in Kindergärten gemessen. In Pausen in Schulen oder während der Spiele in<br />
Kindergärten werden Einzelereignisse bis weit über 90 dB(A) gefunden. Für<br />
Kindergärtnerinnen wird sogar das berufsbedingte Risiko einer Lärmschwerhörigkeit<br />
diskutiert. Während des Schulunterrichts lagen die Schallpegel zwischen 50 und 65<br />
dB(A) (KNOTHE et al. 1988).<br />
Es ist bekannt, dass Kindergarten-, Schulkinder und auch Jugendliche im Vergleich<br />
zu anderen Bevölkerungsgruppen erheblich lärmerzeugend sind, lärmintensive<br />
Beschäftigungen suchen und auch Lärm weniger negativ bewerten. Auch die<br />
physiologischen Reaktionen auf Lärm sind in diesen Altersbereichen nicht stärker<br />
ausgeprägt als bei Erwachsenen.<br />
Ungeachtet dieser hohen selbst erzeugten Schallpegel sind Bedingungen für eine<br />
ungestörte Entwicklung der Kinder zu realisieren. Dabei ist in den<br />
Ganztageskindergärten auch zu berücksichtigen, dass eine Mittagsruhe realisiert<br />
werden kann. Außerdem sind die Angaben der Lärmpegel Mittelungspegel über eine<br />
bestimmte Zeit, während der es auch deutlich leiser sein kann, was für die Arbeit mit<br />
den Kindern zu berücksichtigen ist.<br />
Ein kritischer Schwellenwert lässt sich für die Beeinflussung von<br />
Leistungsminderungen im mentalen Bereich nicht ableiten. Insofern besteht noch<br />
Forschungsbedarf. Erste Anhaltspunkte liefern u. a. die oben erwähnten Feldstudien<br />
zu den Auswirkungen von Fluglärm auf das mentale Leistungsniveau von<br />
Schulkindern. Diese Studien lassen bei Mittelungspegeln zwischen 62 und 68 dB(A)<br />
außen Leistungsminderungen in mehreren Funktionsbereichen nicht ausschließen.<br />
Teilweise ergeben sich signifikante Ergebnisse. Bei Schulen und Kindergärten sollte<br />
das Vorsorgeprinzip besonders gelten, auch wenn unsere wissenschaftlichen<br />
Erkenntnisse hier noch sehr lückenhaft sind. Deshalb werden hier nur präventive<br />
Richtwerte angewandt, wobei die Besonderheiten des intermittierenden<br />
Flugverkehrs gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften zu berücksichtigen sind.<br />
Es wird deshalb vorgeschlagen, einen äquivalenten Dauerschallpegel Leq = 40 dB(A)<br />
für den Innenraum in Schulen als Beurteilungskriterium anzusetzen. Maximalpegel<br />
spielen, wie bereits in dem Kommunikationskapitel angeführt, eine geringere Rolle,<br />
108
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
da sie erheblich von situativen Bedingungen abhängen. Sollten jedoch in besonderen<br />
Fällen (Fremdsprachenunterricht u. a.) Maximalpegelkriterien festzulegen sein, wäre<br />
ein Lmax = 55 dB(A) zu empfehlen, bei dem in der Regel eine 99 %-ige<br />
Satzverständlichkeit zu erwarten ist. Auch während des normalen Unterrichtes treten<br />
mehrfach Maximalpegel erheblich über diesen Bereich durch die Lehraktivitäten auf.<br />
Bei den Kindergärten sollten unter präventiven Gesichtspunkten Mittelungspegel von<br />
36 dB(A) eingehalten werden. Dieser Pegel gilt für Ganztagskindergärten, wo die<br />
Kinder mittags ruhen sollen. Wegen der situativen und individuellen Einflussfaktoren<br />
wird auch hier davon abgesehen, Maximalpegel zu benennen. Ebenso erübrigen sich<br />
die Angaben von Nachtwerten. In den übrigen Kindergärten sind die Werte für<br />
Schulen anzuwenden.<br />
13.3 Alte Menschen und lärmsensible Personen<br />
Spezielle Untersuchungen zur Fluglärmwirkung bei Älteren über <strong>60</strong> Jahre liegen<br />
kaum vor. Aufgrund von anderen Belastungsuntersuchungen ist auf eine<br />
Veränderung der physiologischen Reaktivität insbesondere im Kreislaufbereich, aber<br />
auch im hormonellen Bereich zu schließen. Im Allgemeinen reagiert der Ältere nicht<br />
so stark auf Belastungen mit Veränderungen des Blutdrucks oder der Herzfrequenz,<br />
wenn keine pathologische Störung vorliegt. Dies ist jedoch bei den Älteren häufiger<br />
der Fall. Zum anderen kommt es zur Einschränkung der Leistungsfähigkeit der<br />
Sinnesorgane, u. a. auch des Hörorgans und der Hörfähigkeit vor allem für hohe<br />
Töne. Meist werden im Innen- wie im Außenraum Fluggeräusche weniger<br />
wahrgenommen. Zum anderen stören jedoch mehrere gleichzeitige Schallquellen<br />
den Älteren und insbesondere den Hörgeschädigten viel stärker in der<br />
Kommunikation als den Jüngeren und Hörgesunden.<br />
Bei den bisherigen wissenschaftlichen Lärmwirkungsuntersuchungen u. a. zur<br />
Festlegung von Beurteilungsgrenzen werden auch Ältere mit einbezogen (die<br />
„Durchschnittsbevölkerung“ einer Wohngegend, wobei der Anteil Jüngerer meist<br />
unterrepräsentiert ist, da das Interesse an solchen Wirkungsuntersuchungen meist<br />
sehr gering ist), so dass die Ergebnisse für Wohngegenden auch auf deren Angaben<br />
mit beruhen, so dass für Wohngegenden unter Berücksichtigung der übrigen<br />
109
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Umweltregelungen keine besondere Betrachtung erforderlich ist und in einem<br />
solchen Gutachten sein kann.<br />
Einer differenzierteren Beurteilung bedürfen dagegen Altenheime. Hierbei ist<br />
grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Bereichen, in denen Ältere konzentriert<br />
wohnen, z. B. in Seniorenwohnzentren, und den Pflegeheimen. In den<br />
Seniorenwohnzentren ist damit zu rechnen, dass überwiegend gesunde, ältere<br />
Menschen leben, die wenig Unterschiede in den Lärmwirkungen gegenüber dem<br />
Erwachsenenalter zeigen. Für diese Art von Altenheimen sind die in der Synopse<br />
angegebenen Mittelungspegel für Regeneration und Erholung von 57 dB(A) außen,<br />
wobei der Innenpegel bei angekipptem Fenster von 42 dB(A)entscheidend ist, um<br />
unter präventiven Gesichtspunkten der Variabilität des Gesundheitszustandes<br />
Rechnung zu tragen. Dies ist eine Empfehlung, wissenschaftlich lässt sie sich nicht<br />
untersetzen.<br />
Anders sind die Pflegeheime zu beurteilen, in denen kranke oder teilweise sich in<br />
der Rekonvaleszenz befindende Patienten aufhalten. Hier wären in Anlehnung an<br />
Krankenhäuser am Tage die Mittelungspegel von 36 dB(A) (innen) und in der Nacht<br />
von 32 dB(A) (innen) als angemessene Präventionswerte zu betrachten. In dem<br />
Kapitel zu Krankenhäusern wurde auf eine Untersuchung von GRIEFAHN (1982)<br />
hinsichtlich der Reaktion im Herz-Kreislauf-Bereich bei unterschiedlichen<br />
Krankheitsgruppen verwiesen. Pflegeheime sollten in dem Bereich der<br />
Schwerkranken eingeordnet werden. die Empfindlichkeit ist etwa um 24 dB(A) höher,<br />
so dass bei Berücksichtigung eines gekippten Fensters Maximalpegel von 51 dB(A)<br />
zu empfehlen sind. Als Häufigkeit sollte, wie bei dem Präventivkriterium 25 x 90 für<br />
Gesunde ein Pegelhäufigkeitskriterium von 25 x 51 am Tag und entsprechend dieser<br />
Ableitung ebenfalls unter präventiven Gesichtspunkten ein Pegel von 13 x 45 in der<br />
Nacht verwendet werden.<br />
Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die wissenschaftliche Basis dieser<br />
Ableitungen nicht sehr sicher ist. Dies liegt nicht nur an den fehlenden<br />
Untersuchungsergebnissen, sondern auch an der Vielfältigkeit der Störungen bei<br />
Patienten in Pflegeheimen. Sollten lebensunterstützende und überwachende Geräte<br />
eingesetzt werden, so ist –wie in den Krankenhäusern – ein teilweise höherer<br />
110
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
äquivalenter Dauerschallpegel im Raum zu erwarten, als er hier zur Reduzierung von<br />
Fluglärmeinwirkungen vorgeschlagen wird.<br />
Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass 10 bis 15 % der Bevölkerung als<br />
lärmempfindlich zu bezeichnen sind. Untersuchungen von JANSEN et al. (1996) zur<br />
physiologischen<br />
lärmempfindlich.<br />
Lärmempfindlichkeit waren 6,25 % der Untersuchten<br />
Es gibt keine genaue Definition für Lärmempfindlichkeit. Man kann eine<br />
physiologische Lärmempfindlichkeit aufgrund der besonderen Reagibilität<br />
physiologischer Parameter bewerten. Zusätzlich ist jedoch auch eine psychische<br />
Lärmempfindlichkeit anzunehmen. Bei allen Untersuchungsergebnissen zu<br />
Lärmwirkungen, zur Ableitung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen generell, werden<br />
auch Lärmempfindliche mit einbezogen. In einigen Untersuchungen ist der Anteil der<br />
Lärmempfindlichen sogar überrepräsentiert, häufig bei den physiologischen<br />
Untersuchungen. Es wird auch angenommen, dass Lärmempfindliche sich eher an<br />
Befragungsuntersuchungen beteiligen. Deshalb werden Lärmempfindliche auch in<br />
den aus diesen Untersuchungen abgeleiteten Beurteilungsgrenzen berücksichtigt. Zu<br />
Lärmempfindlichen gehören auch kranke und alte Menschen, für die besondere<br />
Beurteilungsgrenzen gelten, wie vorher dargestellt. Eine zusätzliche<br />
Berücksichtigung von Lärmempfindlichen ist aus Sicht des Gutachters nicht möglich.<br />
13.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />
Aus dem Gesagten ergeben sich konkrete Bewertungskriterien für das Schutzziel:<br />
Besonders schutzbedürftige Bereiche<br />
Hier gelten nach unserer Auffassung nur die Präventiven Richtwerte und keine<br />
kritischen Toleranzwerte. Die Besonderheiten des intermittierenden Flugverkehrs<br />
sind gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften zu berücksichtigen.<br />
Kindergärten: Leq = 36 dB(A) (innen)<br />
Der Innenpegel gilt für die mittägliche Ruhezeit, Außenpegel werden nicht<br />
angegeben, sie werden durch die anderen Schutzziele abgedeckt.<br />
111
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schulen: Leq = 40 dB(A) (innen)<br />
Außenpegel werden nicht angegeben, sie werden durch die anderen Schutzziele<br />
abgedeckt.<br />
Krankenhäuser: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 25 x 45 dB(A)<br />
Nachts: Leq = 30 dB(A) Lmax = 13 x 40 dB(A)<br />
Für Krankenhäuser gelten Innenraumpegel.<br />
Altenheime: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 25 x 51 dB(A)<br />
Nachts: Leq = 32 dB(A) Lmax = 13 x 45 dB(A)<br />
Für Altenheime gelten Innenraumpegel.<br />
112
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
14. Bewertung der konkreten Lärmbelastung am Flughafen Kassel-Calden<br />
im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Ausbau<br />
14.1 Grundlage der Bewertung für den Fluglärm<br />
Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />
Gutacht für das Planfeststellungsverfahren“.<br />
Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />
• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />
• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die<br />
6 verkehrsreichsten Monate,<br />
• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />
verkehrsreichsten Monate.<br />
In Absprache mit dem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachter und der Genehmigungsbehörde<br />
sowie den Flughafenbetreibern wurden Lärmkonturen für den mit q = 3 errechneten<br />
Mittelungspegeln von 70, 65, 62, <strong>60</strong> 55, 50 und 45 dB(A) für die drei Szenarien<br />
berechnet und in Karten farbig dargestellt. Es handelt sich um Mittelungspegel im<br />
Zeitraum von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Durch die Berechnung der Fluglärmkonturen in<br />
fünf dB(A)-Klassen nach LAI-Fluglärmleitlinie wird die für die lärm<strong>med</strong>izinische<br />
Beurteilung wesentliche Lärmkontur von 62 dB(A) nicht ausgewiesen. Sie wurde<br />
durch die lärmtechnischen Gutachter als Linie dargestellt. Außerdem wurden für den<br />
Tag und die Nacht Maximalpegelhäufigkeiten berechnet. Die Anzahl der<br />
Maximalpegel werden Pegelklassen mit einer Breite von 2,5 dB(A) zugeordnet. Bei<br />
der lärm<strong>med</strong>izinischen Beurteilung wird auf den entsprechenden höchsten<br />
Pegelklassenbereich zurückgegriffen.<br />
Die Anleitung zur Berechnung von Fluglärm in der Fassung von 1999 (AzB 99) wurde<br />
verwandt. Da die Flugzeuggruppeneinteilung nach aktuellen Erkenntnissen erfolgt,<br />
ist dem zuzustimmen. Die q=3-Berechnung des Mittlungspegels hat sich in den<br />
letzten Jahren durchgesetzt im Gegensatz zur q=4-Berechnung nach dem Gesetz<br />
zum Schutz gegen Fluglärm. Dies ist auch für die Novellierung dieses Gesetzes in<br />
der Diskussion. Deshalb ist dies ebenfalls zu unterstützen.<br />
113
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Es wurde eine 100-ige Berechnung aller Betriebsrichtungen vorgenommen. Die<br />
ungünstigste Situation wird dargestellt und bewertet. Aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht<br />
wurde bereits argumentiert, dass eine solche Berechnung auch Nachteile<br />
insbesondere für Randgebiete stärker betroffener Bereiche hat. Da jedoch die<br />
lärmbedingte Belastung in den bewerteten Bereichen gegenüber der Realität zu hoch<br />
ausfällt, ist aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht kein Einspruch notwendig.<br />
Weiterhin wurde zusätzlich an ausgewählten Immissionsorten die Fluglärmbelastung<br />
bestimmt. Hier wurden die Maximalpegel bei den Einzelflugereignissen sowie die<br />
Mittlungspegel über den Tag berechnet. Die Lage und Anzahl der Immissionsorte ist<br />
durch die Verlagerung der Start- und Landebahn zwischen Ist-Situation/Prognose-<br />
Nullfall 2015 und Planungsfall 2015 teilweise unterschiedlich. Die Lage dieser Orte<br />
um den Flughafen ist aus den Anlagen 3-3 und 3-5 des lärmphysikalischen Gutach-<br />
tens zu ersehen. Neben dem energieäquivalenten Dauerschallpegel für den Tag und<br />
die Nacht wurden die Häufigkeiten von Maximalpegeln in Pegelklassen mit einer<br />
Breite von 2,5 dB(A) angegeben (Anlagen des lärmphysikalischen Gutachtens). In<br />
diese Immissionsortbetrachtung wurden auch schutzbedürftige Bereiche einbezogen.<br />
Die Untersuchungen zum Flugverkehr werden für die sechs verkehrsreichsten<br />
Monate des Jahres durchgeführt entsprechend der üblichen Vorschriften und<br />
Gepflogenheiten. Da damit ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor verwendet wird, ist dies<br />
zu unterstützen.<br />
Das Untersuchungsgebiet ist für den Flugverkehr sehr große gewählt. Grundlage war<br />
die Lärmkontur mit einem Mittlungspegel von Leq = 45 dB(A) tags. Die Ausdehnung<br />
ist 43,5 km x 41,5 km. Damit wird die Lärmbelastung um den Flughafen umfassend<br />
bewertet.<br />
14.2 Bewertung der konkreten Situation am Flughafen Kassel in den 3<br />
Szenarien<br />
Die Flugbewegungszahlen nehmen in der Ausbauprognose 2015 für die sechs verkehrsreichsten<br />
Monate um etwa 35 % von 24.<strong>60</strong>3 auf 33.165 Starts jährlich zu (S.<br />
114
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
12/13 des lärmphysikalischen Gutachtens). Dabei erhöhen sich die Propellerflug-<br />
zeugbewegungen gegenüber dem Ist-Zustand um 5 %. Eine deutliche Zunahme<br />
erlangt die Flugzeuggruppe S5.1, die gegenüber dem Ist-Zustand 2003 auf das 8- bis<br />
9-fache ansteigt. Die Flugzeuggruppe S5.2 nach AzB 99 fliegt nur im Planungsfall<br />
2015.<br />
Lärmkonturen am Tag bei Fluglärm sowie Immissionen in Wohngebieten<br />
Durch den Ausbau kommt es um den Flughafen Kassel-Calden 2015 zu einer<br />
deutlichen Erweiterung der Lärmkonturen, aber insbesondere durch die Verlegung<br />
der Start- und Landebahn zu einer anderen Lage der Lärmkonturen. Die Pegelklasse<br />
<strong>60</strong> – 65 dB(A) wie auch die Pegelklasse 55 – <strong>60</strong> dB(A) liegen in allen Szenarien<br />
weitgehend auf dem Gelände und um den Flughafen. Wohnungsbebauungen oder<br />
andere Nutzungseinrichtungen liegen nicht in diesen Bereichen. Die Lärmkontur <strong>60</strong> –<br />
65 dB(A) erhöht sich vom Ist-Zustand von etwa 2,3 km auf 4,23 km im Planungsfall<br />
2015. Auch die Lärmkontur 55 – <strong>60</strong> dB(A) verlängert sich um etwa das 21/2-fache.<br />
Konsequenzen für Wohnbebauung ergeben sich jedoch daraus nicht. Im Prognose-<br />
Null-Fall werden naturgemäß die gleichen Bereiche betroffen wie im Istfall. Es kommt<br />
zu einer geringfügigen Verlängerung der genannten Lärmkonturen.<br />
Die Iso-Linie 62 dB(A), die für die lärm<strong>med</strong>izinische Beurteilung besonders relevant<br />
ist, ist in der Anlage 3–3a dargestellt. Sie liegt – wie zu erwarten – etwa in der Mitte<br />
der Lärmkontur <strong>60</strong> – 65 dB(A) und tangiert weder im Ist-Zustand noch im<br />
Planungsfall 2015 (Anlage 3-5a) bewohntes Gebiet.<br />
Kein Begrenzungswert der aufgeführten Schutzziele wird durch die Veränderung der<br />
Start- und Landebahn wie auch durch die Erhöhung der Flugbewegung tangiert.<br />
Konsequenzen für zusätzlichen Lärmschutz sind nach diesen Kriterien nicht<br />
erforderlich.<br />
An 35 Immissionsorten, die relevante Wohngebiete um den Flughafen Kassel-Calden<br />
sowohl im Ist-Zustand/Prognose-Null-Fall wie im Planungsfall widerspiegeln, wurden<br />
sowohl die äquivalenten Dauerschallpegel am Tag wie auch die Häufigkeit von<br />
Maximalpegeln in Pegelklassen wie auch der höchste Maximalpegel berechnet. Die<br />
Tabelle 12 widerspiegelt die unterschiedliche Betroffenheit durch die Verlagerung der<br />
115
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Stadt- und Landebahn. Relevante Pegel, die Lärmminderungsmaßnahmen erfordern,<br />
werden an diesen Immissionsorten nicht erreicht. Der höchste Leq3 mit 56,4 dB(A)<br />
wird am IO 6.9, Stadtteil Burguffeln in Grebenstein, erreicht, gefolgt von dem Ortsteil<br />
Calden (IO 6.15) mit 55,6 dB(A). Alle anderen Dauerschallpegel über den Tag liegen<br />
im Planungsfall 2015 unter 50 dB(A) (siehe Tab. 12). Durch die Verlagerung der Start<br />
und Landebahn kommt es zu einer Veränderung der Schallbelastungen an einzelnen<br />
Immissionsorten.<br />
Die höchsten Maximalpegel im Planungsfall 2015 liegen ebenfalls an den genannten<br />
Immissionsorten mit 82,2/83,6 dB(A) (Tab. 12). Auch hieraus lassen sich keine<br />
notwendigen Maßnahmen zum Lärmschutz ableiten. Die Bewertungskriterien unter<br />
präventiven Gesichtspunkten liegen für den Tag zur Vermeidung erheblicher<br />
Belästigung bei 62 dB(A), sie werden nicht erreicht. Die Maximalpegel unter<br />
präventiven Gesichtspunkten zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen<br />
liegen bei 25 x 90 dB(A). Sie werden ebenfalls an keinem der Immissionsorte<br />
erreicht.<br />
An 13 Immissionsorten kommt es zur Erhöhung der Lärmbelastung, der höchste<br />
Anstieg beträgt 12,9 dB(A) am IO W 6.9, an 13 Immissionsorten kommt es im<br />
Planungsfall auch zur Verringerung.<br />
116
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Tabelle 12: Wohngebietsimmissionsorte<br />
1 = Mittelungspegel Leq3 tags in dB(A)<br />
2 = höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />
IO Ist-Situation Prognosefall Planungsfall<br />
2003<br />
2015<br />
2015<br />
1 2 1 2 1 2<br />
W 6.2 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Calden<br />
48,0 75,7 49,0 69,9 49,3 72,5<br />
W 6.5 Stadt Borgentreich<br />
Stadtteil Körbecke<br />
43,2 69,1 43,9 69,1 42,8 68,3<br />
W 6.6 Stadt Immenhausen<br />
Stadtteil Holzhausen<br />
- - - - 47,8 74,1<br />
W 6.7 Gemeinde Fuldatal<br />
Ortsteil Rothwesten<br />
44,1 66,1 44,9 66,9 - -<br />
W 6.8 Gemeinde Espenau<br />
Ortsteil Hohenkirchen<br />
45,7 69,0 46,5 69,0 - -<br />
W 6.9 Stadt Grebenstein<br />
Stadtteil Burguffeln<br />
43,5 67,5 44,3 64,8 56,4 82,2<br />
W 6.10 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Westuffeln<br />
- - - - 45,3 70,1<br />
W 6.11 Stadt Grebenstein<br />
Stadtteil Schachten<br />
46,9 70,2 47,6 70,2 46,9 67,2<br />
W 6.13 Stadt Hofgelsmar<br />
Stadtteil Kelze<br />
- - - - 47,3 76,8<br />
W 6.15 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Calden<br />
- - - - 55,6 83,6<br />
W 6.16 Stadt Immenhausen<br />
Stadtteil Immenhausen<br />
- - - - 48,4 74,2<br />
W 6.18 Gemeinde Breuna<br />
Ortsteil Niederlistingen<br />
43,8 70,6 44,5 70,6 - -<br />
W 6.19 Gemeinde Fuldatal<br />
Ortsteil Wilhelmshausen<br />
48,2 72,1 48,9 72,1 - -<br />
W 6.20 Stadt Hann Münden<br />
Stadtteil Bonaforth<br />
45,9 69,0 46,6 69,0 40,9 64,6<br />
W 6.21 Gemeinde Breuna<br />
Ortsteil Oberlistingen<br />
37,2 62,2 38,0 62,2 - -<br />
W 6.22 Stadt Zierenberg<br />
Stadtteil Burghasungen<br />
33,0 73,4 34,8 66,8 - -<br />
W 6.23 Stadt Zierenberg<br />
Ortsteil Zierenberg<br />
40,4 77,9 40,9 73,2 - -<br />
W 6.24 Stadt Grebenstein<br />
Stadtteil Grebenstein<br />
37,7 73,4 38,5 67,4 42,2 62,4<br />
W 6.25 Stadt Grebenstein<br />
Stadtteil Udenhausen<br />
35,8 76,7 37,1 70,3 42,5 67,0<br />
W 6.26 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Ehrsten<br />
49,5 83,9 50,3 76,4 - -<br />
W 6.27 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Meimbressen<br />
47,9 76,4 48,9 71,8 - -<br />
W 6.28 Stadt Warburg<br />
Stadtteil Herlinghausen<br />
43,2 69,2 43,9 69,2 - -<br />
W 6.30 Stadt Grebenstein<br />
Friedrichsthal<br />
- - - - 47,4 69,9<br />
W 6.31 Stadt Hofgeismar<br />
Stadtteil Carlsdorf<br />
- - - - 44,7 70,3<br />
117
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
W 6.32 Gemeinde Ahnatal<br />
Welmar/Kammerberg<br />
W 6.33 Stadt Grebenstein<br />
Frankenhausen<br />
W 6.35 Gemeinde Calden<br />
Ortsteil Meimbressen<br />
41,6 63,7 42,0 63,7 - -<br />
- - - - 50,3 76,3<br />
- - - - 44,8 69,4<br />
Die Begrenzungswerte zur Vermeidung gesundheitliche Beeinträchtigung und zur<br />
Vermeidung erheblicher Belästigungen werden an diesen Immissionsorten nicht<br />
erreicht.<br />
Diese Aussage für die Wohngebiete trifft auch für das Schutzziel „Kommunikation<br />
außen“ zu. Der Begrenzungswert wird unter präventiven Aspekten und zur<br />
Gewährung einer guten bis ausreichenden Kommunikation mit einem Leq von 59<br />
dB(A) tags angegeben. Dieser Wert wird an keinem der Wohnorte erreicht.<br />
Im Lärmgutachten werden 28 Immissionsorte als Erholungsgebiete ausgewiesen.<br />
Eine besondere Charakterisierung erfolgt nicht. Durch die Verlagerung der Start- und<br />
Landebahn im Planungsfall 2015 tritt an 14 dieser Immissionspunkte kein Fluglärm<br />
mehr auf. An 7 Immissionsorten wurde ein Dauerschallpegel zwischen 38,6 und 43,4<br />
2015 im Planungsfall neu berechnet. Der höchste Dauerschallpegel im Planungsfall<br />
in diesen Erholungsgebieten liegt bei 50,6 dB(A) am Immissionsort E15. Als kritischer<br />
Wert für eine Erholungsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der zeitweiligen<br />
Nutzung dieser Bereiche wird in der Synopse ein Leq3 von 64 dB(A) angesehen, als<br />
Präventiver Richtwert von 57 dB(A). An keinem dieser Orte wird der zuletzt genannte<br />
Präventive Richtwert erreicht. Demnach sind auch unter Erholungsgesichtspunkten<br />
keine Maßnahmen zur Lärmminderung im Planungsfall 2015 aus lärm<strong>med</strong>izinischer<br />
Sicht erforderlich.<br />
118
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Schutzbedürftige Bereiche<br />
Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Schulen und Kindergärten gehören zu den<br />
schutzbedürftigen Bereichen.<br />
Im Tabellenanhang des lärmtechnischen Gutachtens sind 1 Schule und 3<br />
Kindertagesstätten aufgeführt. Für diese schutzbedürftigen Bereiche gelten nur<br />
begrenzende Dauerschallpegel am Tag und keine Maximalpegel. Für die Schulen<br />
wird ein Leq von 40 dB(A) im Innenraum und für Kindergärten insbesondere der<br />
mittäglichen Ruhezeit von 36 dB(A) als Begrenzungswert herangezogen.<br />
An der einen Schule liegt gegenwärtig in der Ist-Situation 2003 ein Leq von 34,6<br />
dB(A), im Prognose-Null-Fall von 35,6 dB(A) vor (IO KS 23, Grundschule in<br />
Zierenberg). Im Planungsfall 2015 wird durch die Verlagerung der Start- und<br />
Landebahn dieser Immissionsort nicht mehr durch Fluglärm betroffen (Tab. 13). Dies<br />
trifft auch auf die drei Kindertagesstätten zu (Immissionsort 4.1, 4.2, 4.5). Während in<br />
der Ist-Situation die Leq zwischen 34,1 und 46,8 liegen, im Prognose-Null-Fall eine<br />
geringfügige Erhöhung zu erwarten wäre, werden diese Immissionsorte im<br />
Planungsfall 2015 nicht mehr betroffen. Demnach ergeben sich daraus keine<br />
Konsequenzen.<br />
Tab.13: Mittlungspegel (Leq3 ) an Kindertagesstätten und einer Schule in den 3<br />
Szenarien.<br />
Angaben in dB(A)<br />
IO<br />
Bezeichnung des Immissionsortes<br />
K 54.1 Kindertagesstätte Schäferbreite 13<br />
34379 Calden-Meimbressen<br />
K 4.2 Kindertagesstätte Schlesierstraße 4<br />
34233 Fuldatal-Wilhelshausen<br />
K 4.5 Kindertagesstätte Dörnbergstraße 33<br />
34289 Zierenberg<br />
KS 2.3 Grundschule Fritz Hufschmidt<br />
Neisser Straße, 34289 Zierenberg<br />
Ist-Situation<br />
2003<br />
44,1<br />
46,8<br />
34,1<br />
34,6<br />
Prognose-<br />
Null-Fall<br />
2015<br />
45,2<br />
47,5<br />
35,2<br />
35,6<br />
119<br />
Planungsfall<br />
2015<br />
-<br />
-<br />
-<br />
-
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Im lärmtechnischen Gutachten wurden Immissionsberechnungen für 7 soziale<br />
Einrichtungen vorgenommen. Das Alten- und Pflegeheim (IO 3.5) wird bei den<br />
Krankenhäusern betrachtet. Eine genauere Untersetzung der Aktivitäten in diesen<br />
sozialen Einrichtungen liegt dem Gutachter nicht vor. Es wird davon ausgegangen,<br />
dass dies im Wesentlichen mit Schulen vergleichbar wäre. Der Immissionsort mit<br />
dem höchsten Leq3 mit 52,2 dB(A) in der Ist-Situation (IO 3.6) wird im Planfall 2015<br />
nicht mehr durch Fluglärm tangiert. Der höchste Außenpegel im Planfall 2015 liegt<br />
mit Leq3 51,2 dB(A) am IO 3.3, Konsequenzen ergeben sich daraus nicht (Tab. 14).<br />
Da keine genaue Charakteristik dieser Immissionspunkte vorliegt, werden in der<br />
Tabelle 14 auch die Maximalpegel mit aufgeführt. Auch hieraus ergeben sich keine<br />
Konsequenzen.<br />
Tab. 14: Mittlungspegel und höchster Maximalpegel am Tag an sozialen<br />
Einrichtungen.<br />
1 = Mittlungspegel Tag Leq3 in dB(A)<br />
2 = höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />
Bezeichnung des Immissionsortes<br />
Caldener Werkstätten<br />
Breslauer Straße 15, 34379 Calden<br />
Werk-Hilfe e.V.<br />
Schachter Straße 18, 34379 Calden<br />
Baunataler Werkstätten Wohnheim<br />
Am Kirchhof 3, 34393 Grebenstein-<br />
Burguffeln<br />
Lindenmühle<br />
34393 Grebenstein<br />
Kinder- und Jugendhilfe Schutzhof<br />
Pottenbreite, 34379 Calden-Ehrsten<br />
Altentagesstätte<br />
Obere Strohstraße, 34393 Grebenstein<br />
Ist-Situation<br />
2003<br />
Prognose-<br />
Null-Fall<br />
2015<br />
Planungsfall<br />
2015<br />
1 2 1 2 1 2<br />
In Tabelle 15 sind die Schallbelastungen an Krankenhäusern und an einem Alten-<br />
und Pflegeheim aufgeführt. Im Planungsfall 2015 werden 4 der 7 Einrichtungen nicht<br />
mehr durch Fluglärm betroffen. Im Planungsfall 2015 liegt an den restlichen 3<br />
50,5<br />
46,7<br />
39,7<br />
-<br />
52,2<br />
35,1<br />
80,8<br />
72,3<br />
66,6<br />
-<br />
90,7<br />
69,0<br />
51,7<br />
47,8<br />
40,5<br />
-<br />
53,6<br />
36,1<br />
73,8<br />
67,7<br />
61,3<br />
-<br />
88,2<br />
62,5<br />
48,0<br />
47,4<br />
51,2<br />
45,9<br />
-<br />
-<br />
70,4<br />
70,7<br />
75,3<br />
69,7<br />
-<br />
-<br />
120
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Einrichtungen der Leq zwischen 37,2 und 47,3 dB(A) außen. Daraus ergeben sich<br />
keine Konsequenzen zur Lärmminderung, auch bei Berücksichtigung eines<br />
angekippten Fensters am Tag (empfohlener Begrenzungswert Leq3 36 dB(A)).<br />
An den Immissionsorten K 1.1 und K 1.4 wird am Tag 22 mal ein Maximalpegel von<br />
<strong>60</strong> dB(A) außen erreicht oder überschritten. Empfohlener Begrenzungswert für den<br />
Innenwert ist 25 x 45 dB(A) durch die externen Fluglärmereignisse. Auch bei<br />
angekippten Fenstern wäre dieser Wert nicht erreicht. Der höchste Maximalpegel im<br />
Planungsfall tritt am IOK 1.4 , Phillipsstiftung e.V. mit 72,7 dB(A) auf. Hier ist zu<br />
prüfen, welche Kranken hier behandelt werden. Die Schutzkriterien gelten für<br />
Schwerstkranke. Hier sind häufig Klimaanlagen, so dass die Fenster nicht geöffnet<br />
werden und man von einer Dämmung von 24 dB(A) ausgehen kann. Gesundheitlich<br />
relevante Wirkungen bei dann erreichten Einzelpegeln sind nicht zu erwarten.<br />
Tab. 15: Immissionsorte Krankenhäuser<br />
IO<br />
K 1.1<br />
1 = Mittlungspegel Tag Leq3 in dB(A)<br />
2 = Häufigkeit von Flugbewegungen > <strong>60</strong> dB(A) am Tag (n)<br />
3 = Höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />
Bezeichnung des Immissionsortes<br />
Vereinskrankenhaus<br />
Burckhardtstr. 69,<br />
34346 Hann Münden<br />
K 1.2 Nephrologisches Zentrum Nieder-<br />
Sachsen, Vogelsang 105,<br />
34346 Hann Münden<br />
K 1.3 Diakoniestiftung Fürstenwald<br />
Fachklinik, Weimarer Straße,<br />
34379 Calden<br />
K 1.4 Phillippstiftung e.V.<br />
Robert-Koch-Straße 3,<br />
34376 Immenhausen<br />
K1.5 St. Elisabeth Krankenhaus<br />
Wartburger Straße 6,<br />
34471 Volkmarsen<br />
K 1.6 Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen<br />
e.V., Brunnenstraße 23,<br />
34369 Hofgeismar<br />
A 3.5 Alten- und Pflegeheim Viadukt<br />
Kasseler Straße 46,<br />
34289 Zierenberg<br />
Ist-Situation<br />
2003<br />
Prognose-<br />
Null-Fall<br />
2015<br />
121<br />
Planungsfall<br />
2015<br />
1 2 3 1 2 3 1 2 3<br />
42,3<br />
43,7<br />
44,9<br />
-<br />
41,8<br />
9,5<br />
36,0<br />
4<br />
10<br />
28<br />
-<br />
5<br />
0<br />
3<br />
63,7<br />
66,5<br />
68,4<br />
-<br />
66,5<br />
46,2<br />
75,6<br />
43,0<br />
44,4<br />
45,7<br />
-<br />
42,5<br />
11,7<br />
37,4<br />
6<br />
20<br />
31<br />
-<br />
10<br />
-<br />
3<br />
63,7<br />
66,5<br />
68,4<br />
-<br />
66,5<br />
38,7<br />
69,5<br />
41,9<br />
-<br />
-<br />
47,3<br />
-<br />
37,2<br />
-<br />
22<br />
-<br />
-<br />
22<br />
-<br />
3<br />
-<br />
65,8<br />
-<br />
-<br />
72,7<br />
-<br />
<strong>60</strong>,8<br />
-
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die geplante Verlagerung der Start-<br />
und Landebahn des Verkehrsflughafens Kassel-Calden im Prognosejahr 2015 eine<br />
Vergrößerung der Lärmkonturen prognostiziert wird, relevante Begrenzungswerte<br />
werden jedoch im bebauten Gebiet nicht erreicht werden. Dies trifft sowohl für<br />
Mittelungs- als auch Maximalpegel am Tag zu. Zusätzliche Maßnahmen sind deshalb<br />
aus Sicht der Lärmwirkungsforschung und entsprechend der angewandten Kriterien<br />
nicht erforderlich. Dies trifft ebenfalls auf schutzbedürftige Bereiche wie<br />
Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Kindergärten und Schulen zu.<br />
Fluglärmbelastung durch Nachtflug<br />
Am Flughafen Kassel-Calden ist für die Nachtzeit von 2 Flügen (2 Landungen und 2<br />
Starts) auszugehen. Im Planungsfall 2015 werden in den sechs verkehrsreichsten<br />
Monaten 633 Flüge der Flugzeuggruppe P2.1, 51 Flüge der Flugzeuggruppe S5.2<br />
und 1 Flug S6.1 prognostiziert. Die Häufigkeit dieser Pegel, die für den Tag<br />
angegeben wurden, liegt bei ein bzw. zwei Mal. Unter worst-case-Situation könnte es<br />
passieren, dass diese beiden Flüge auch nachts stattfinden. Als Beurteilungskriterien<br />
wird für eine kritische, Maßnahmen erfordernde Situation ein Innenpegel von 6 x <strong>60</strong><br />
dB(A), unter präventiven Gesichtspunkten ein Wert von 13 x 68 dB(A) angenommen.<br />
Diese Summenpegelhäufigkeiten werden bei weitem nicht erreicht. Die Spitzenpegel<br />
in bewohnten Gebieten liegen an allen Immissionsorten unter 85 Dezibel auch am<br />
Tag. Der höchste Lmax ist am IO 6.15 mit 83,6 dB(A), gefolgt von IO 6.9 mit 82,2<br />
dB(A) prognostiziert worden.<br />
Seitens des lärmtechnischen Gutachters wurden keine Dauerschallpegel für die<br />
Nacht, die als zusätzliches Kriterium zur Untersetzung der Pegelhäufigkeitskonturen<br />
herangezogen werden können, aufgrund dieser seltenen Flugereignisse berechnet.<br />
Eine Gesundheitsgefährdung oder wesentliche Beeinträchtigung sowie eine<br />
wesentliche Störung des Nachtschlafes unter Populationsgesichtspunkten ist<br />
aufgrund dieser geringen Bewegungszahlen nicht zu erwarten.<br />
122
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Bodenlärm<br />
Für die Bewertung des Bodenlärms existieren keine entsprechenden Grenz- oder<br />
Richtwerte. Der Gutachter geht davon aus, dass die Kriterien, die für die<br />
Fluglärmbewertung verwendet werden, auch für den flugbetriebsbedingten<br />
Bodenlärm verwendet werden können. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zu<br />
gesundheitlichen oder psychischen Wirkung von Lärm um einen Flughafen/Flugplatz<br />
beurteilen immer die Gesamtheit des von dem Flughafen ausgehenden und<br />
verursachten Lärms. Eine Trennung ist von Wirkungsseite nahezu nicht möglich.<br />
Das lärmtechnische Gutachten für den Ausbau der Start- und Landebahn<br />
berücksichtigt auch den Bodenlärm. Die Grundlagen der Berechnung sind in diesem<br />
Gutachten aufgeführt. In den Bodenlärm gehen ein: Stand- und Rollgeräusche der<br />
Flugzeuge auf dem Vorfeld und dem „Taxiway“, Schwebebewegungen der<br />
Hubschrauber („Hoovern“), Wartung von Flugzeugen, Betrieb von APU, Fahrten der<br />
Servicefahrzeuge auf dem Vorfeld, Kfz-Emissionen von Parkflächen,<br />
Standgeräusche von Triebwerken werden einbezogen. Außerdem wird der Lärm von<br />
Gewerbebetrieben betrachtet, die zur unmittelbaren strukturellen Anbindung an den<br />
Flughafen gehören.<br />
Die Mittelungspegel von Flug- und Bodenlärm für die drei Szenarien für den Tag sind<br />
in den Anlagen 4-2 bis 4-9 des lärmtechnischen Gutachtens dargestellt. Durch die<br />
Verlagerung der Start- und Landebahn kommt es im Planungsfall 2015 auch bei dem<br />
Bodenlärm zu einer Veränderung der Konturen. Als relevante Pegel entsprechend<br />
der Fluglärmbeurteilung werden Leq3 62 dB(A) für den Tag angenommen. Die in der<br />
Anlage 4-4 dargestellten Pegelklassen im Planungsfall 2015 von über <strong>60</strong> bis 65<br />
dB(A), wie auch über 55 – <strong>60</strong> dB(A) tangieren keine bewohnten Gebiete. Sie sind<br />
weitgehend um den Flughafen konzentriert.<br />
Eine besondere Bedeutung haben die Triebwerkstestläufe, die im lärmtechnischen<br />
Gutachten speziell in den Anlagen 4.15 bis 4.17 dargestellt sind. Pegel in der<br />
Pegelklasse über <strong>60</strong> – 65 dB(A) treten im Planungsfall 2015 nicht auf, Pegel über 55<br />
– <strong>60</strong> dB(A) sind eng um den Flughafen konzentriert und tangieren kein bewohntes<br />
Gebiet. Gegenüber dem Ist-Zustand kommt es zu einer Verlagerung entsprechend<br />
123
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
der neuen Start- und Landebahn, aber zu keiner Erweiterung des lärmbetroffenen<br />
Gebietes. Für den Planungsfall 2015 wurde dabei angenommen, dass die Testläufe<br />
der Hubschrauber weiterhin im alten Terminal erfolgen, während die Testläufe der<br />
Propellertypen am neuen Terminal durchgeführt werden. Die Triebwerksprobeläufe<br />
im Planungsfall 2015 erhöhen sich um 20 %, wobei die höchsten Mittlungspegel<br />
auch dann in der Pegelklasse zwischen 55 – <strong>60</strong> dB(A) liegen.<br />
Durch den Bodenlärm einschließlich der Triebwerksprobeläufe werden kein<br />
Wohngebiet oder andere schutzbedürftige Bereiche durch relevante Pegel sowohl im<br />
Ist-Zustand als auch im Planungsfall 2015 tangiert. Deshalb sind aus dem Bodenlärm<br />
keine zusätzlichen Maßnahmen zur Lärmminderung abzuleiten.<br />
Straßenverkehr<br />
Im lärmtechnischen Gutachten werden auch die aus dem öffentlichen<br />
Straßenverkehr resultierenden Lärmimmissionen entsprechend<br />
Verkehrslärmschutzverordnung sowie nach der Richtlinie für Lärmschutz an Straßen<br />
ermittelt. Das Untersuchungsgebiet ist in der Anlage 2-1 des lärmtechnischen<br />
Gutachtens dargestellt. Die Berechnungsgrundlagen sind ebenfalls im<br />
lärmtechnischen Gutachten erläutert. Ergebnisse sind in den Anlagen 5-3 bis 5-14<br />
aufgeführt. Dabei wird zwischen Tag (6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) und Nacht (22:00 Uhr<br />
bis 6:00 Uhr) unterschieden.<br />
Aus den Anlagen 5-3, 5-5 und 5-7 für den Straßenverkehr am Tag ist zu entnehmen,<br />
dass relevante Pegel sich eng um die entsprechenden Straßen anordnen. Auch im<br />
Planungsfall 2015 kommt es unter Berücksichtigung des zusätzlichen<br />
Verkehrsaufkommens durch den ausgebauten Verkehrsflughafen Kassel-Calden<br />
sowie des geplanten Gewerbegebietes nur zu geringfügigen Erhöhungen um die<br />
entsprechenden Straßen. Die Änderungen liegen unter 3 dB(A). Erhöhungen über 3<br />
dB(A) bis 5 dB(A) betreffen nur geringe Anteile des nördlichen Teils von Calden,<br />
ansonsten werden keine Wohnbebauungen nach Anlage 5-11 für den Tag betroffen.<br />
Dabei liegen die Pegel in diesem Bereich im Planungsfall 2015 zwischen 50 bis 55<br />
dB(A) tags, Maßnahmen sind nicht erforderlich.<br />
124
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
Die Anlagen 5-4, 5-6 und 5-8 geben die Geräuschimmissionen zu den 3 Szenarien<br />
für die Nacht wieder, die Anlage 5-12 zeigt die Differenzwerte zwischen Planungsfall<br />
und Ist-Situation. Im Prognose-Null-Fall 2015 ergeben sich durch die geplante<br />
Ortsumgehung Calden sowie aufgrund der Verkehrsverlagerungen Orte mit deutlich<br />
verminderter Verkehrslärmimmission und für andere Orte eine Zunahme aufgrund<br />
des Verkehrsaufkommens.<br />
Insgesamt ist festzustellen, dass zwischen Ist-Zustand und der Prognose-<br />
Nullvariante in der Lärmbelastung keine wesentlichen Unterschiede bestehen.<br />
Dagegen führt die Ausbauvariante 2015 zu anderen Lärmkonturen durch die<br />
Verlegung der Start- und Landebahn und damit zu Zunahmen und neuen<br />
Betroffenheiten durch die Schallbelastung und zu Abnahmen in anderen Bereichen.<br />
Entsprechend der verwendeten Bewertungskriterien gibt es keine kritisch betroffenen<br />
Wohngebiete, die Lärmbelastung von Kindergärten, 1 Schule und den einbezogenen<br />
Erholungsgebieten liegt teilweise deutlich unter kritischen Werten auch unter<br />
präventiven Gesichtspunkten. Die Mehrzahl der Krankenhäuser wird im<br />
Ausbauzustand 2015 nicht mehr von Fluglärm tangiert, an einem Krankenhaus ist<br />
unter Vorsorgegesichtspunkten die Belegung, die Art der Lüftung und die<br />
vorhandene Lärmdämmung zu prüfen.<br />
125
Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />
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