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Univ.-Prof. Dr. med. Klaus Scheuch Amselgrund 60 01728 ... - DFLD

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<strong>Univ</strong>.-<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. <strong>Klaus</strong> <strong>Scheuch</strong><br />

<strong>Amselgrund</strong> <strong>60</strong><br />

<strong>01728</strong> Bannewitz<br />

Tel.: (0351) 4 01 43 26<br />

LÄRMMEDIZINISCHES GUTACHTEN<br />

im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens<br />

für das Vorhaben<br />

Ausbau Verkehrsflughafen Kassel-Calden<br />

Auftraggeber: Flughafen GmbH Kassel<br />

Umfang des Gutachtens: 141 Seiten Datum: 18.04.2005<br />

<strong>Univ</strong>.-<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>med</strong>. K. <strong>Scheuch</strong><br />

Arzt für Arbeits<strong>med</strong>izin, Sozial<strong>med</strong>izin,<br />

Umwelt<strong>med</strong>izin


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Tabellenverzeichnis………..… …………..…………………………………... ……… ……… …...3<br />

Abbildungsverzeichnis…………..………………………………………………………..………….4<br />

Abkürzungsverzeichnis…………………..……………..……………………………………………5<br />

1. Zusammenfassung……………………………..…………..………………………………..6<br />

2. Gutachtenauftrag……………………………...…………………………………………… .9<br />

3. Psychophysiologische Wirkungen von Schall und Lärm…………….………….……...11<br />

4. Lärmbezogene Schutzziele…………………………….………………………….………22<br />

5. Schutzziel: Vermeidung von Krankheiten und von<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen…………………………………...….…………………..27<br />

5.1. Schäden durch Lärm am Ohr………………………………………………………....…...28<br />

5.2 Herz- Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen……………………….…………….….29<br />

5.3 Weitere diskutierte Erkrankungen und Störungen………………………..……………..38<br />

5.4 Mechanismen zwischen Schalleinwirkung und Krankheit………………………………43<br />

5.5 Zusammenfassung Krankheit und Lärm……………………………………...…………..54<br />

5.6 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte…………………………………..………….56<br />

6. Schutzziel: Vermeidung nächtlicher Schlafstörungen durch Lärm…………………….59<br />

6.1 Wirkungsparameter von Schlafstörungen………………………………………………..59<br />

6.2 Die DLR-Nachtfluglärmstudie………………………………...………………….…......…63<br />

6.3 Grundlagen für Begrenzungswerte……………………………………….….……...……64<br />

6.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte………………………………………...……71<br />

7. Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung……………………………………….74<br />

7.1 Kriterien für Belästigung…………………………………..………………………………..74<br />

7.2 Korrekturfaktoren bei Belästigung………………………………………….……………..77<br />

7.3 Belästigung und Krankheit…………………………………………………………………79<br />

7.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte………………………………..…………… 81<br />

8. Schutzziel: Vermeidung von Kommunikationsstörungen durch Lärm………..……….83<br />

9. Schutzziel: Vermeidung von Leistungsstörungen durch Lärm…………………………88<br />

10. Schutzziel: Vermeidung der Störung der Erholung…………………………………….90<br />

11. Zusammenfassende Darstellung von Einflussfaktoren auf die<br />

Wirkungen von Lärm……………………………………….……………………………….93<br />

12. Vorschläge für Bewertungsgrenzen gegen Fluglärm……………………………………96<br />

12.1 Prinzipien für Bewertungsgrenzen…………………………………………….…………..96<br />

12.2 Bewertungsgrenzen und Eckwerte für Schallimmissionen um<br />

Flughäfen/Flugplätze……………………………………………………….……………..100<br />

13. Besondere Personengruppen……………………………………………….……………105<br />

13.1 Kranke………………………………………………………………..……………………. 106<br />

13.2 Kinder……………………………………………………………………………………….107<br />

13.3 Alte Menschen und lärmsensible Personen……………………..……………………..110<br />

13.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte…………………….………………………112<br />

14. Bewertung der konkreten Lärmbelastung am Flughafen Kassel-Calden im<br />

Zusammenhang mit dem vorgesehenen Ausbau………………………………….…. 114<br />

14.1 Grundlage der Bewertung für den Fluglärm…………………………………………….114<br />

14.2 Bewertung der konkreten Situation am Flughafen Kassel<br />

in den 3 Szenarien……………………………………………………..……….…116<br />

15. Literatur……………………………………………………………………….…....127<br />

2


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1: Plausibilitätskriterien für die Kausalität einer Assoziation (nach Hill 1965)<br />

Tab. 2: Extraaurale negative Lärmwirkungen<br />

Tab. 3: Verkehrslärmbelastung und ischämische Herzkrankheit (PVR/OR/RR sind<br />

relative Risikomaße)<br />

Tab. 4: Beziehungen zwischen unterschiedlichen Erkrankungen durch das Erfragen<br />

von Diagnosen sowie die Zuordnung der individuellen Lärmbelastung auf der<br />

Grundlage der Straßenverkehrskarten in Berlin sowie der Fluglärmzonen<br />

Tab. 5: Katecholamin- und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm in<br />

Labor- und Felduntersuchungen<br />

Tab. 6: Labor- und Felduntersuchungen zur Wirkung von Lärm auf Stresshormone<br />

Tab. 7: Wissensstand zur Realisierung der Plausibilitätskriterien für Lärm und<br />

ausgewählte Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />

Tab. 8: Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm – zusammengefasst aus einer<br />

Literaturübersicht von MASCHKE et al. 1997 (<strong>Scheuch</strong> 2004)<br />

Tab.9: Belästigung und Erkrankungsrisiko, Ergebnisse aus dem LARES-Survey,<br />

(1) deutsch: Niemann, Maschke, Hecht 2004, (2) englisch: Niemann, Maschke 2004<br />

Tab. 10: Beziehungen zwischen subjektiven Störungen (Belästigungen/Belastung)<br />

und bestimmten Erkrankungen<br />

Tab. 11: Diskutierte Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen<br />

Tab. 12: Wohngebietsimmissionsorte<br />

Tab.13: Mittlungspegel (Leq3 ) an Kindertagesstätten und einer Schule zu den 3<br />

Szenarien<br />

Tab. 14: Mittlungspegel und höchster Maximalpegel am Tag an sozialen<br />

Einrichtungen<br />

Tab. 15: Immissionsorte Krankenhäuser<br />

3


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Verkehrslärm und Herzinfarktinzidenz (NaRoMI-Studie 2004)<br />

Abb.2: Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von der<br />

Lärmbelastung (Lee 51-55 dB(A) im Vergleich zu 66-70 dB(A) in den<br />

Wohngegenden, zusammengefasst nach Babisch et al. (1993)<br />

4


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Abkürzungsverzeichnis<br />

ACTH Adrenocorticotropes Hormon<br />

AR Attributables Risiko (epidemiologisches Maß)<br />

ARAS allgemeines Aktivierungssystem<br />

AZ Ausbauzustand<br />

BD Blutdruck<br />

BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz<br />

BMI Body Mass Index (Körpergewicht)<br />

CRH Corticotropin Releasing Hormon<br />

DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

EEG Elektroencephalogramm (Hirnströme)<br />

EOG Elektrooculogramm (Augenbewegung)<br />

EMG Elektromyogramm (Muskelstrom)<br />

EU Europäische Union<br />

FB Flugbewegung<br />

HHN Hypophysen-Nebennierenrinden-System<br />

HI Herzinfarkt<br />

IAK Interdisziplinärer Arbeitskreis für Lärmwirkungsforschung beim<br />

Umweltbundesamt<br />

IHK Ischämische Herzkrankheit<br />

IO Immissionsort<br />

IZ Ist-Zustand<br />

KTW Kritischer Toleranzwert<br />

NNM Nebennierenmark<br />

NNR Nebennierenrinde<br />

OR Odds ratio (epidemiologisches Maß)<br />

PRW Präventiver Richtwert<br />

PVR Prävalenzrate (epidemiologisches Maß)<br />

REM Rapid Eye Movement (schnelle Augenbewegungen)<br />

SEL Sound Exposure Level<br />

SRU Rat von Sachverständigen für Umweltfragen<br />

STH Wachstumshormon<br />

TTS Temporary Threshold Shift (zeitweilige Hörschwellenverschiebung)<br />

VE Vergleichsszenario<br />

WHO Weltgesundheitsorganisation<br />

5


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

1. Zusammenfassung<br />

Die Flughafen GmbH Kassel plant den Ausbau des bestehenden<br />

Verkehrslandeplatzes zu einem Verkehrsflughafen. In einer landesplanerischen<br />

Beurteilung des Regierungspräsidiums Kassel wurde eine Flughafenausbauvariante<br />

C für das Planfeststellungsverfahren ausgewählt.<br />

Durch die Flughafen GmbH Kassel wurde deshalb der Auftrag für ein<br />

lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erteilt.<br />

Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />

Gutachten“ für das Planfeststellungsverfahren.<br />

Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />

• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />

• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />

verkehrsreichsten Monate,<br />

• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />

verkehrsreichsten Monate.<br />

Grundlage für die Bewertung sind Begrenzungswerte, die in einer so genannten<br />

Synopse als Schlussfolgerungen aus Gutachten zum gegenwärtigen Stand der<br />

Lärmwirkungsforschung der Autoren GRIEFAHN, JANSEN, SCHEUCH und<br />

SPRENG (2002) abgeleitet wurden. Die in dieser Synopse vorgeschlagenen Kriterien<br />

für die Berechnung und die entsprechenden Isophonen wurden im<br />

lärmphysikalischen Gutachten berücksichtigt.<br />

Nach einem Überblick zu wesentlichen physiologischen und auch<br />

pathophysiologischen, d. h. krank machenden Wirkungen von Lärm, und der<br />

Darstellung der gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Lärmwirkungen<br />

werden bestimmte Schutzziele abgeleitet. Diese Schutzziele sind die Erhaltung der<br />

Gesundheit, die Vermeidung erheblicher Belästigung, die Vermeidung von<br />

wesentlicher Störung der Kommunikation, der Erholung und von Störungen des<br />

6


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schlafes. Außerdem werden bestimmte schutzbedürftige Bereiche in die Betrachtung<br />

einbezogen.<br />

Durch den Ausbau des bestehenden Verkehrslandeplatzes zu einem<br />

Verkehrsflughafen kommt es zu einer Vergrößerung der Lärmkonturen und zu einer<br />

Verlagerung der Lärmbelastungsgebiete, wobei relevante Pegel keine<br />

Wohnbebauung tangieren. Bei einer Reihe von Wohngegenden kommt es durch die<br />

Verlagerung des Flugverkehres zu einer Verringerung der Lärmeinwirkung im<br />

Planungsfall 2015.<br />

Als zentraler Beurteilungswert für Lärmwirkung wird der präventive Richtwert für<br />

erhebliche Belästigung mit Leq3 = 62 dB(A) verwandt. In keinem der unterschiedlichen<br />

Szenarien werden durch diese Isophone bewohnte Gebiete tangiert. Anhand der<br />

berechneten Leq3-Werte an ausgewählten Immissionspunkten lässt sich ableiten,<br />

dass der höchste Wert an bebauten Wohngebieten 56,4 dB(A) am Tag beträgt.<br />

Wählt man die präventiven Maximalpegelkriterien für den Tag von 25 x 90 dB(A)-<br />

Isophone, so gilt die gleiche Aussage. Einzelpegel über 90 dB(A) werden an keinem<br />

der Immissionsorte erreicht.<br />

Für die Beurteilung der Nachtlärmbelastung werden vor allem Maximalpegelhäufigkeiten<br />

herangezogen. In der Nacht werden nur höchstens 2 Landungen und 2 Starts<br />

prognostiziert im Prognose-Null-Fall wie auch im Planungsfall 2015. Damit werden<br />

die relevanten Maximalpegelhäufigkeiten nicht erreicht. Schutzbedürftige Bereiche<br />

betreffen 6 Krankenhäuser, 1 Altenpflegeheim, 1 Schule und 3 Kindergärten. Hierfür<br />

wurden durch die lärmphysikalischen Gutachter an einzelnen Immissionsorten die<br />

äquivalenten Dauerschallpegel sowie die Maximalpegel berechnet. Die Dauerschallpegel<br />

wie auch die Maximalpegelhäufigkeiten für alle schutzbedürftigen Bereiche<br />

erreichen die angesetzten Begrenzungswerte nicht. Zusätzliche Maßnahmen sind<br />

deshalb nicht erforderlich.<br />

In die Immissionsbetrachtung durch Bodenlärm gehen das An- und Warmlaufen der<br />

Triebwerke, die Energieversorgung der Bordaggregate durch Hilfstriebwerke (APU<br />

und GPU), Triebwerksteste, Rollen der Flugzeuge oder Hovern der Hubschrauber,<br />

7


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

der Kraftfahrzeugbetrieb auf dem Flughafen und den Flughafenparkplätzen ein.<br />

Durch die Verlagerung der Start- und Landebahn und damit den entsprechenden<br />

Vorfeldern kommt es durch den Bodenlärm zu keinen wirkungsrelevanten<br />

Belastungen an Wohnbebauungen oder schutzbedürftigen Bereichen.<br />

Im lärmtechnischen Gutachten wurde die Straßenverkehrslärmbelastung in den 3<br />

Szenarien berechnet, relevante Pegel treten unmittelbar um die Straßen herum auf.<br />

Durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens und die Verlagerung der Start- und<br />

Landebahn kommt es an einzelnen Orten zu einer stärkeren Lärmbelastung, die<br />

jedoch in Wohnbereichen nicht über 3 dB(A) geht. An anderen Orten kommt es zur<br />

Verminderung. Konsequenzen unter dem Aspekt des Ausbaus des Flughafens<br />

ergeben sich aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht aus den vorliegenden Daten nicht.<br />

8


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

2. Gutachtenauftrag<br />

Die Flughafen GmbH Kassel plant den Ausbau des bestehenden<br />

Verkehrslandeplatzes zu einem Verkehrsflughafen. In einer landesplanerischen<br />

Beurteilung des Regierungspräsidiums Kassel wurde eine Flughafenausbauvariante<br />

C für das Planfeststellungsverfahren ausgewählt.<br />

Durch die Flughafen GmbH Kassel wurde deshalb der Auftrag für ein lärm<strong>med</strong>izini-<br />

sches Gutachten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erteilt.<br />

Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />

Gutachten“ für das Planfeststellungsverfahren.<br />

Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />

• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />

• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />

verkehrsreichsten Monate,<br />

• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />

verkehrsreichsten Monate.<br />

Das lärm<strong>med</strong>izinische Gutachten soll auf den Ergebnissen des lärmtechnischen<br />

Gutachtens aufbauen. Dabei ist sowohl der Fluglärm als auch der Bodenlärm zu<br />

berücksichtigen. Seitens der Lärmphysiker wurde auch die Lärmbelastung durch den<br />

Straßenverkehr errechnet. Die lärmtechnischen Berechnungen werden auf der<br />

Grundlage des noch geltenden Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm und der dazu<br />

erlassenen Anleitungen zur Berechnung als auch gemäß den Bestimmungen der<br />

vom Länderausschuss für Immissionsschutz verabschiedeten „Leitlinie zur Ermittlung<br />

und zur Beurteilung der Fluglärmimmission in der Umgebung von Landeplätzen<br />

durch die Immissionsschutzbehörden der Länder (Landeplatz-Fluglärm-Leitlinien)“<br />

und der dazu veröffentlichten Anleitung zur Berechnung durchgeführt. Im<br />

lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten sind auf der Grundlage der wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung die zu erwartenden Wirkungen aufgrund<br />

der geplanten Maßnahme zu prognostizieren und evtl. Maßnahmen zu empfehlen.<br />

9


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

3. Psychophysiologische Wirkungen von Schall und Lärm<br />

Um die Bewertung von Schallwirkungen einordnen zu können, sollen im Folgenden<br />

kurz die physiologischen Effekte von Schall dargestellt werden, um die Schutzziele<br />

gegenüber Lärm ableiten und einordnen zu können. Dabei wird besonderer Wert auf<br />

die wissenschaftliche Fundierung der Ergebnisse gelegt, um auch deutlich zu<br />

machen, auf welcher Grundlage die bisherigen Erkenntnisse beruhen.<br />

Schall, der als lästig oder störend erlebt wird oder zu gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen führt, wird als Lärm bezeichnet. Lärm ist in Bezug zum<br />

Menschen, der in diesem Gutachten im Vordergrund steht, etwas Negatives, Schall<br />

ist die objektive Auslösung. Dies bedeutet, dass Lärm selbst nicht gemessen werden<br />

kann, sondern es können nur die physikalischen Bestandteile des Schalls definiert<br />

und die im menschlichen Organismus durch diesen Schall ausgelösten Wirkungen<br />

beschrieben und evtl. quantifiziert werden.<br />

Physiologische, normale Reaktionen auf Schall<br />

Jeder Schall stellt einen Reiz für den Organismus dar, der nicht nur durch das spezi-<br />

fische Sinnesorgan Ohr aufgenommen und an die entsprechend zugeordneten Hirn-<br />

zentren weitergeleitet und dort wahrgenommen wird, sondern – wie auch alle<br />

anderen aufgenommenen Reize – vermag er das Aktivierungsniveau des<br />

Organismus zu verändern. Dabei spielt insbesondere die Neuartigkeit und/oder die<br />

Intensität eine Rolle. Diese Aktivierungsänderungen beeinflussen vegetative<br />

Funktionen, Hormone, das motorische System und andere Anpassungsfunktionen<br />

des Organismus.<br />

Die Steuerung vegetativer Funktionen des Menschen läuft in der Regel ohne Ein-<br />

flussnahme des Bewusstseins ab. Die Wirkung auf die einzelnen Organsysteme so-<br />

wie auf den gesamten Organismus realisieren sich über die Relation der beiden ve-<br />

getativen Nervenanteile Sympathikus und Parasympathikus. Sympathikusreaktionen<br />

werden bei konkreten, akuten Einwirkungen ausreichender Intensität von Schall oder<br />

mit für den Einzelnen bedeutungsvollem Informationsgehalt ausgelöst und führen zu<br />

einer Vielzahl von Veränderungen im Organismus. Die Verengung der Gefäße in der<br />

10


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Peripherie, z. B. in den Fingern, die stärkere Arbeit des Herzens, Blutdruckerhöhun-<br />

gen, Weite der Pupille, Muskeltonus(-spannungs)erhöhung werden in der Lärmwir-<br />

kungsforschung häufig eingesetzt, um das Ausmaß akuter Lärmeffekte zu be-<br />

schreiben.<br />

Für die Koordination der Funktionen aller Organe und Zellen und zur Anpassung an<br />

ein sich veränderndes Umfeld eines Menschen stehen dem Organismus neben dem<br />

Nervensystem das endokrine System, die Hormone, zur Verfügung. Sie sind<br />

chemische Informationsträger und werden von so genannten endokrinen <strong>Dr</strong>üsen<br />

abgegeben. Über dieses System erfolgt hauptsächlich eine etwas länger dauernde<br />

und globale Steuerung der Zell- und Organfunktionen.<br />

Einige Hormone und ihre Regulationssysteme spielen u. a. auch bei Schall und bei<br />

Lärm eine besondere Rolle, so vor allem aus dem Nebennierenmark die so<br />

genannten Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin und aus der<br />

Nebennierenrinde (NNR) das Cortisol.<br />

Sowohl Nebennierenrindenhormone als auch die Katecholamine haben ausgeprägte<br />

Wirkungen auf den gesamten Stoffwechsel, aber auch auf das Immunsystem und auf<br />

die Funktionen vieler Organe. Katecholamine und Cortisol werden auch als<br />

Stresshormone bezeichnet, was in erster Linie eine Charakterisierung ihrer<br />

Anpassungsfunktion ist und nicht ihrer Gefährlichkeit.<br />

Die erhöhte Ausscheidung von Katecholaminen und/oder Cortisol und die damit<br />

verbundenen sekundären Folgeerscheinungen im Stoffwechsel, im Immunsystem<br />

und an der Zelle, aber auch Erhöhungen des Blutdruckes und der Herzfrequenz<br />

werden als mögliche pathophysiologische, d. h. krankmachende Entwicklungen<br />

dargestellt. Alle Hormone und auch das Vegetativum mit seinen vielfältigen<br />

Wirkungen stellen selbstregulierende Systeme dar. Erhöhungen wie auch<br />

Erniedrigungen führen zu Gegenregulationen. Geringe, wenn auch statistisch<br />

signifikante Veränderungen haben andere Wirkungen als starke. Mäßige<br />

Cortisolerhöhungen sollen einen ausgesprochen positiven Effekt auf die<br />

Immunitätslage haben, hohe und länger dauernde einen negativen. Durch Cortisolund<br />

Katecholaminausscheidungen kommt es zur Erhöhung von Schwellen für<br />

11


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Sinneswahrnehmungen einschließlich des Lärms (FEHM-WOLFSDORF 1995) als<br />

ein zusätzlicher Schutz- und Anpassungsmechanismus. Reagieren diese Hormone<br />

oder das Vegetativum auf Anforderungen nicht oder nur gering, dann ist dieses als<br />

eindeutiges Zeichen von Krankheit zu werten.<br />

Auf unsere heutigen Erkenntnisse zu den längerfristigen Wirkungen von Schall<br />

oder/und Lärm wird bei der Darstellung der negativen Wirkungen und der<br />

Begründung der Schutzziele eingegangen. Hier spielen solche Prozesse wie<br />

Gewöhnung und Anpassung eine wesentliche Rolle.<br />

Psychische normale Reaktionen auf Schall<br />

Es ist nicht erst durch die Stressforschung bekannt, dass zwischen der „objektiven<br />

Welt“ und deren subjektiver Widerspiegelung, der „subjektiven Welt“, erhebliche<br />

Unterschiede bestehen, so auch zwischen der Objektivität eines Schallereignisses<br />

und der subjektiven Widerspiegelung als Lärm. Aufgrund erlernter Suchstrategien<br />

nimmt der Betroffene einen bestimmten Teil dieser objektiven Welt in seine<br />

„sensorische Welt“ auf, die aufgrund seiner spezifischen inneren Analysestrategien<br />

als Merkmale bewusst werden und aufgrund seiner subjektiven, erlernten<br />

Synthesestrategien seine eigene subjektive Welt bilden. Die Subjektivität beginnt<br />

demnach nicht erst mit der Bewertung sondern bereits mit der Aufnahme von Reizen<br />

und setzt sich bei der neurophysiologischen Verarbeitung fort.<br />

Eine Vielzahl von Erkenntnissen und davon abgeleiteter Bewertungen und Hand-<br />

lungsweisen bei Lärmwirkungen resultiert vor allem aus der Stressforschung der<br />

letzten Jahre in den verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere in der<br />

Medizin und der Psychologie. Mechanismen des Umgangs mit anderen Anforderun-<br />

gen, die zu Stress führen können, sind auch auf den Umgang mit Lärm und auf die<br />

Interpretation von Wirkungen des Lärms anzuwenden. Lärm ist demnach nicht isoliert<br />

von anderen Lebensprozessen zu sehen. Dies trifft sowohl auf die psychischen wie<br />

auch die physischen und sozialen Wirkungen von Lärm zu. Ein wesentlicher Nachteil<br />

der interessensgeprägten Diskussion um Lärmwirkung besteht darin, dass Lärm aus<br />

12


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

dem Gesamtzusammenhang von Wirkungen auf den Menschen aus seinem Lebensumfeld<br />

herausgerissen wird.<br />

Da es eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen zur Stressproblematik gibt, sollen<br />

kurz einige Ausführungen dazu erfolgen. Lärm wird häufig mit Stress gleichgesetzt.<br />

Doch stellt Lärm nur unter ganz bestimmten Bedingungen Stress dar.<br />

Es gibt drei grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen des Verständnisses von<br />

Stress:<br />

• Stress wird zum einen sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch teilweise<br />

in der Wissenschaft als ein bestimmtes Merkmal von Anforderungen, von<br />

Belastungen, von Einwirkungen auf den Menschen verstanden, die häufig mit<br />

einer hohen Quantität verbunden sind. Das, was von einem gefordert wird, der<br />

Lärm, der um einen ist, wird als Stress angegeben. Denkt man diese<br />

Auffassung konsequent weiter, dann wäre das Stressausmaß unter Lärm mit<br />

Hilfe der Schallcharakteristika des Lärms, z. B. der Höhe des Lärmpegels,<br />

Frequenz und Zeitgestaltung als ’Lärmstress’ messbar.<br />

• Eine zweite Richtung von Stressauffassungen geht auf den Begründer der<br />

biologischen Stressforschung Hans Selye zurück. Er interpretiert Stress als<br />

die unspezifische Reaktion eines Lebewesens auf irgendwelche<br />

Anforderungen, die in drei Stadien ablaufen kann: einer Alarmphase, einer<br />

Widerstandsphase und einer Erschöpfungsphase [Selye 1950]. Stress bei<br />

Lärm wäre danach die ausgelöste Reaktion im Organismus, die ein<br />

bestimmtes qualitatives und quantitatives Merkmal hat und unter bestimmten<br />

Bedingungen zur Erschöpfung, d. h. zur Krankheit führen kann. Messbar wäre<br />

Stress z.B. durch Cortisol-, Katecholamin- oder Herzfrequenzbestimmung.<br />

Kritik an dieser Auffassung wurde insbesondere an der mangelnden oder<br />

fehlenden Berücksichtigung individueller Faktoren vor allem aus der Sicht der<br />

Psychologie sowie auch an dem Begriff ’irgendwelche Anforderungen’<br />

geäußert.<br />

• Eine dritte Auffassung wird von der Psychologie vertreten. Sie geht davon aus,<br />

dass Stress durch die Bewertung von Anforderungen und von Möglichkeiten<br />

des Individuums, mit diesen Anforderungen fertig zu werden, entsteht. Wenn<br />

13


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

die Bewertung zur Bedrohung, zum Verlust oder auch zur Herausforderung<br />

[Lazarus 1966] führt, ist Stress vorhanden. Dies kommt auch der<br />

Lärmproblematik sehr nahe, denn Lärm ist ja wesentlich eine subjektiv<br />

bewertete Schallgröße, die belästigt und stört. Diese Auffassung<br />

berücksichtigt jedoch die Komplexität der biopsychosozialen Vorgänge, den<br />

Prozesscharakter des Wechselspiels zwischen Mensch und Umwelt zu wenig<br />

und führt deshalb in nicht wenigen Fällen zu Vereinfachungen, Behauptungen<br />

und weniger zu Erklärungen tatsächlicher negativer wie auch positiver<br />

Prozesse in der Belastungsbewältigung.<br />

• Deshalb interpretiert eine vierte Auffassung Stress als eine bestimmte Qualität<br />

der Wechselwirkung eines Lebewesens mit seinen Umweltanforderungen. Die<br />

Wirkung einer Anforderung hängt weder allein von deren Merkmalen noch<br />

allein von den Voraussetzungen des Menschen sondern von deren<br />

Beziehungen in einer konkreten Situation ab. Damit wird eine<br />

Grundauffassung für die Methodik und Interpretation auch in der<br />

Lärmwirkungsforschung formuliert. Diese so genannten interaktionalen oder<br />

transaktionalen Stressauffassungen haben sich in den letzten Jahren in der<br />

Humanwissenschaft weitgehend durchgesetzt, obwohl es auch hier<br />

unterschiedliche Aspekte gibt [Lazarus 1966, <strong>Scheuch</strong> & Schreinicke 1983,<br />

Schönpflug 1987, <strong>Scheuch</strong> 2003].<br />

Wesentliches zur Aufklärung dieser Wechselwirkung und ihrer Konsequenzen hat die<br />

psychologische Stressforschung geleistet. Trotzdem hat die Lärmwirkungsforschung<br />

die stresstheoretischen Vorstellungen lange Zeit nicht wahrgenommen. Auch heute<br />

noch fasst sie den Menschen als ein dem Lärm passiv ausgesetztes Wesen auf,<br />

wenn sie auf Grenzwerte orientiert ist. Doch der Mensch reagiert, bewertet, er<br />

handelt. In die Art und Weise dieses Wechselwirkungsprozesses mit Lärm gehen<br />

bisherige Erfahrungen, Erwartungen, eigene Bedürfnisse und Ziele ein. Der Umgang<br />

mit Lärm ist Teil des Umgangs der generellen Belastungsbewältigung eines<br />

Menschen.<br />

Bei der Bewertung des Lärms spielen die eigenen Möglichkeiten zum Umgang mit<br />

Lärm die wesentliche Rolle. Diese werden beeinflusst durch die Durchschaubarkeit<br />

der Lärmsituation oder einer vorgesehenen Änderung (z. B. Verantwortlichkeit,<br />

Notwendigkeit, Informationsumfang), die Beeinflussbarkeit (z. B. Einbeziehung in den<br />

14


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Entscheidungsprozess, Ansprechpartner), die Vorhersehbarkeit (z. B. Ausmaß von<br />

Veränderungen, deren Konsequenzen und Folgen, Glaubwürdigkeit der<br />

Informationen). Entscheidendes Kriterium für die Folgen von Belastungs- und<br />

Anforderungsbewältigung sind demnach die Kontrollmöglichkeiten und<br />

Entscheidungsspielräume für den Betroffenen, wenn er Kontrolle haben will. Besteht<br />

keine Kontrollmöglichkeit und resultiert daraus das Gefühl des Ausgeliefertseins, so<br />

ist eine wesentliche Voraussetzung für die Stressentstehung gegeben. Dabei geht es<br />

nicht um das objektive Vorhandensein von Durchschaubarkeit, Beeinflussbarkeit,<br />

Vorhersehbarkeit und Kontrolle, sondern um die subjektive Interpretation. Trotzdem<br />

oder gerade deswegen ergeben sich daraus Konsequenzen für die Gestaltung von<br />

Aktivitäten im Zusammenhang mit wesentlichen Änderungen des Flugbetriebes<br />

sowie der Art und Weise der Einbeziehung der betroffenen Bürger und der<br />

Öffentlichkeit. Die Psychologie wird zum Instrument des Lärmschutzes [Guski 2002].<br />

Der bereits angeführte Nachteil der ’reinen’ psychologischen Stresstheorien besteht<br />

darin, dass sie die Komplexität des Wirkungsmechanismus im Rahmen der<br />

Anforderungsbewältigung nicht widerspiegeln können, dass sie das subjektive<br />

Erleben in den Mittelpunkt mit all seinen Nachteilen der Erfassung und Interpretation<br />

stellen. Damit steigt die Abhängigkeit in der Wirkungsforschung von Medien,<br />

allgemeinen politischen Tendenzen und unterschiedlichen Zielvorstellungen. Von<br />

Guski [2002] wird hervorgehoben, dass nur für die psychologischen Wirkungen bei<br />

Schallexpositionen Dosis-Wirkungskurven nachweisbar wären. Zum einen stimmt<br />

das nicht, da auch bei der Lärmschwerhörigkeit solche Beziehungen existieren. Zum<br />

anderen klären diese statistischen Dosis-Wirkungsbeziehungen nur einen geringen<br />

Anteil der tatsächlich vorhandenen gemeinsamen Beziehungen (Varianz), was im<br />

Kapitel zur Belästigung erläutert werden wird. Eine Vielzahl anderer Faktoren spielt<br />

eine Rolle.<br />

Stress ist auch nicht nur ein Bewertungs- und Interpretationsphänomen der<br />

Wechselwirkung eines Menschen in seiner Umwelt mit den aus ihr resultierenden<br />

Anforderungen, Belastungen und Expositionen. Und nicht jede negative<br />

Interpretation in dem Wechselspiel zwischen Anforderungen und individuellen<br />

Voraussetzungen führt zu Stress.<br />

Stress ist nur dann vorhanden, wenn (1) das Gleichgewicht organismischer<br />

Funktionen (die Homöostase) gestört ist, oder/und wenn (2) die funktionelle<br />

15


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Optimalität psychischer und sozialer Prozesse beeinträchtigt ist [<strong>Scheuch</strong> 1997].<br />

Nicht alles, was unangenehm ist, ist Stress. Mit dem Begriff Stress ist sowohl in der<br />

Wissenschaft als auch insbesondere in der Bevölkerung die Vorstellung von Risiko<br />

verbunden. Deshalb geht es nicht um eine richtige oder falsche, sondern nur um eine<br />

verantwortungsbewusste Definition von Stress, die erklären hilft und beeinflussbare<br />

Beziehungen aufzeigt. Negative Emotionen, wie Ärger, Wut, Störungsempfinden,<br />

Belästigung stellen normale Erscheinungsbilder von Leben dar und beinhalten an<br />

sich kein Risiko. Risiko wäre, wenn sie nicht vorhanden wären. Sie müssen eine<br />

bestimmte Konsequenz haben, um zu einem Risiko zu werden. Diese Konsequenz<br />

besteht in ihrer Auswirkung auf die Regularität organismische Prozesse und die<br />

Effektivität der Handlungs- und Bewältigungsmöglichkeiten des Lebewesens im oben<br />

genannten Sinne.<br />

Bereits Selye formulierte die Störung eines organismischen Gleichgewichtes als<br />

Voraussetzung für die Interpretation von Stress. Erscheinungsformen dieses<br />

gestörten Gleichgewichtes sind jedoch nicht nur Veränderungen von<br />

Organfunktionen sondern auch negative Erlebensqualitäten, wie Angst, Ärger,<br />

Bedrohung, die zu Störungen von Tätigkeiten, Handlungen, Verhaltensweisen des<br />

Menschen und damit zur Einschränkung der Bewältigungsfähigkeit von<br />

Anforderungen führen. Diese Störung des Gleichgewichtes und der funktionellen<br />

Optimalität muss von einem Lebewesen beseitigt, kompensiert oder bewältigt<br />

werden. Diese Kompensationsaktivitäten sind ein ganzheitlicher<br />

psychophysiologischer Prozess, der aufgrund seines Charakters negative<br />

Erscheinungsbilder zeigen muss. Gelingt dieser Kompensationsprozess, so ist ein<br />

neues Gleichgewicht, eine neue funktionelle Optimalität erreicht, womit sich auch die<br />

Entwicklung eines Lebewesens erklärt. Gelingt die Kompensation nicht, können<br />

bleibende Störungen, Schädigungen, negative Grundhaltungen, falsche<br />

Bewältigungsstile, Krankheit die Folge sein (Kap. 5). Das bedeutet, dass diese<br />

Kompensationsprozesse Anpassungsvorgänge an ein sich änderndes Umfeld eines<br />

Lebewesens sind. Solche unterschiedlichen Formen dieser Kompensationsaktivitäten<br />

sind z. B. Ermüdung und auch Stress. Sie haben gemeinsame Merkmale und<br />

Kennzeichen sowie zu Grunde liegende Mechanismen. So sind von den körperlichen<br />

Funktionen alle Anpassungssysteme in eine solche Kompensation einbezogen, so<br />

das vegetative System, die Hormone, das motorische und auch das immunologische<br />

16


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

System. Deshalb spricht man von unspezifischen Reaktionen, was nicht bedeutet,<br />

dass sie immer gleich und bei allen Anforderungen identisch ausgelöst werden.<br />

Die Stressaktivität, bestehend aus körperlichen, psychischen und Verhaltensvorgän-<br />

gen, hat das Ziel der Anpassung an ein sich änderndes, forderndes und belastendes<br />

Umfeld. Die immer wieder zitierten Stresshormone sind demnach Anpassungshor-<br />

mone und haben für den Organismus einen zunächst positiven Effekt (Kap. 5.4).<br />

Den Prozess zur Wiederherstellung einer Homöostase, damit den<br />

Adaptations(Anpassungs-)vorgang, in dem das autonome Nervensystem und die<br />

Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse einbezogen sind, bezeichnet<br />

McEwen [1998] als ’Allostase’. Mit dieser Adaptation können ’Kosten’ verbunden<br />

sein, die pathologische Entwicklungen befördern, was ’allostatic load’, allostatische<br />

Belastung, genannt wird. Zu einer solchen ’allostatic load’ kommt es, wenn die<br />

einbezogenen Systeme überfordert sind durch Nichtzurückkehren auf das<br />

Ausgangsniveau bei Aufhören der Belastung, durch nichtadäquates Reagieren auf<br />

die Anforderung, durch Auslösung von Überreaktionen in anderen<br />

Funktionssystemen des Organismus. Eine wesentliche Rolle soll die Glucocortikoid-<br />

Kaskade, die Interaktionen zwischen erregenden Aminosäuren, Serotonin und<br />

Glucocorticoiden, spielen. Dabei könnten bestimmte Zellen im Hippocampus, einem<br />

Anteil im Gehirn, der eine wesentliche Rolle im Gedächtnisprozess spielt, geschädigt<br />

werden. Es ist unklar, ob das ein reversibler Prozess ist. Die unterschiedlichen<br />

Effekte der Glucokortikoide, einmal positiv, zum anderen negativ, wurde mit der so<br />

genannten U-Hypothese erklärt [Sapolski 1997]: Geringere wie auch höhere<br />

Konzentrationen der Glucocorticoide haben negative Effekte.<br />

’Allostatic load’ wird aufgefasst als das ’wear and tear’ des Körpers und des Gehirns<br />

aufgrund chronischer Über- oder Inaktivität physiologischer Systeme, die<br />

normalerweise in die Adaptation an Umweltanforderungen einbezogen sind (Kap.<br />

5.4).<br />

Stress ist nicht die einzige Anpassungsaktivität. Er hat gegenüber den anderen<br />

Kompensationsaktivitäten besondere Formen der Auslösung als auch der<br />

Erscheinungsbilder. In der Wechselwirkung Individuum-Umwelt entsteht Stress nur,<br />

wenn eine Gefährdung der Befriedigung von individuellen Bedürfnissen und Motiven<br />

oder der Erreichung von Zielen vorliegt und diese Bedürfnisse, Motive oder Ziele<br />

notwendig und wichtig für das Individuum sind, wobei Schwierigkeiten für das<br />

17


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Individuum auftreten, diesen Zustand durch ein zielgerichtetes Handeln zu<br />

verändern).<br />

Stress besteht in einem Missverhältnis zwischen Anforderungen und<br />

Bewältigungsmöglichkeiten, zwischen dem, was man soll und dem, was man will<br />

oder kann, zwischen dem, was man will und was man darf. Und dieses<br />

Missverhältnis führt zu individuellen biologischen, psychischen und/oder sozialen<br />

Veränderungen entsprechender Intensität.<br />

Im letzten Jahrzehnt verlagerte sich der Schwerpunkt der Stressforschung auf die<br />

Untersuchung der individuellen und situativen Bedingungen und Voraussetzungen<br />

der Bewältigung von Anforderungen. Es wurden sowohl personale als auch situative<br />

Risiken wie auch Ressourcen für die Belastungsbewältigung beschrieben. Hierauf<br />

wird in den Kapiteln 7 und 11 eingegangen.<br />

Über die Kombinationswirkungen verschiedener Stressoren ist wenig bekannt. Dies<br />

trifft auch für die energetischen Wirkungen des Schalls und die psychologischen<br />

Wirkungen des Lärms zu. Auch aus diesen Gründen ist ein komplexer<br />

Wirkungsansatz zu wählen.<br />

Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass Lärm aufgrund der<br />

Besonderheiten der Auslösung und der Erscheinungsbilder von Stress zum Stress<br />

werden kann, wenn<br />

• das Gleichgewicht somatischer Prozesse<br />

• und/oder die funktionelle Optimalität psychischer und sozialer Prozesse gestört<br />

werden<br />

aufgrund<br />

• einer Beeinträchtigung des Bedürfnisses nach Ruhe und Erholung sowie der<br />

Erholungsprozesse<br />

• einer Nichterreichung von Zielen,<br />

• einer Behinderung bestimmter Handlungsdurchführungen,<br />

• einer Beeinträchtigung der Kontrolle über die Bewältigung von<br />

Umweltanforderungen,<br />

• einer Störung der Regulation physiologischer Funktionen durch ständige,<br />

wiederkehrende Lärmreize.<br />

Wichtig ist die Verknüpfung zwischen den beiden Aufzählungen, der Quantität der<br />

Wirkung und der Qualität der Auslösung. Damit hört der Stressbegriff auf, ein<br />

Regenschirmbegriff zu sein, der dann kaum ein zielgerichtetes präventives Handeln<br />

18


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

zulässt. Nur über die Komplexität dieser beiden Merkmale ist Stress zu definieren.<br />

Allein mit dem Merkmal einer Belästigung oder Störung ist Stress nicht identisch.<br />

Auch eine erhebliche Belästigung braucht kein Stress zu sein.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen: Nicht jeder Lärm ist mit Stress gleichzusetzen.<br />

’Lärmstress’ ist eine falsche Bezeichnung und suggeriert Gefährdung und Schaden<br />

für Menschen auch in Situationen, in denen ganz normale physiologische und<br />

psychologische Prozesse ablaufen. Dieser Begriff beinhaltet eine spezielle, nur<br />

durch Lärm ausgelöste Wirkung, die, wie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt,<br />

isoliert gar nicht existiert. Entscheidend für die Beziehungen zwischen Lärm und<br />

seinen Wirkungen sind, wie auch bei anderen Belastungen, die Bewertung, die<br />

Bewältigung und die individuellen Voraussetzungen, wobei Stress durch Lärm nicht<br />

allein durch psychische Prozesse sondern auch durch den Energiegehalt und die<br />

Reizwirkung des Schalls ausgelöst werden kann.<br />

So haben wir vier verschiedene Wirkungsmechanismen von Schall zu<br />

betrachten:<br />

• die spezifische Wirkung auf das Hörsystem;<br />

• die unspezifische Aktivierungsänderung aufgrund des Energiegehaltes und<br />

des Neuigkeitswertes eines Schallereignisses,<br />

• die psychische Interpretation eines Schalls und deren Folgen auf körperliche<br />

und psychische Vorgänge sowie das Verhalten,<br />

• die Bewältigung von Lärm, d.h. der Umgang mit dem Lärm, die psychische<br />

Verarbeitung, die Verhaltenskonsequenzen, die wesentlich die unmittelbaren<br />

wie auch wahrscheinlich die langfristigen Folgen bestimmen.<br />

Für die <strong>med</strong>izinisch-psychologische Lärmwirkungsbewertung führen diese<br />

geschilderten physiologischen, normalen Mechanismen zu wesentlichen<br />

Schlussfolgerungen:<br />

• Verschiedenste Einwirkungen auf den Menschen bewirken ähnliche<br />

Veränderungen wie Lärm.<br />

• Lärmwirkungen aufgrund der Reizeigenschaften des Schalls sind abhängig<br />

vor allem vom Neuigkeitscharakter des Lärms oder dessen Umgebung.<br />

19


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

• Lärmwirkungen hinsichtlich der Emotionen werden wesentlich von der<br />

Einstellung zum Lärm beeinflusst. So ist Lärmwirkung in bestimmten<br />

Bereichen der Lärmintensität und der Häufigkeit des Auftretens durch<br />

individuelle physische und psychische Faktoren geprägt, weshalb es so<br />

schwierig ist, eine ursächliche Beziehung zwischen Lärm und vor allem<br />

langfristigen Wirkungen wissenschaftlich exakt in den Bereichen des<br />

Verkehrslärms nachzuweisen.<br />

• Reizwirkungen und Emotionen sind Anpassungsvorgänge, die damit alle<br />

unspezifischen Anpassungssysteme des Organismus, wie das Vegetativum,<br />

das hormonelle, immunologische und motorische System verändern können.<br />

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass eine Vielzahl organismischer<br />

Parameter sich auch unter Lärm verändern können, ja müssen.<br />

20


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

4. Lärmbezogene Schutzziele<br />

Im Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) wird gefordert, Menschen, Tiere<br />

und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige<br />

Sachgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen und, soweit es sich um<br />

genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, auch vor Gefahren, erheblichen<br />

Nachteilen und erheblichen Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt<br />

werden, zu schützen und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen<br />

vorzubeugen. Flugplätze sind keine genehmigungspflichtigen Anlagen nach diesem<br />

Gesetz, weshalb die Vorschriften des BImSchG nicht für Flugplätze gelten. Einige<br />

Herangehensweisen an die Beurteilung von Umweltwirkungen werden auch von mir<br />

für den Lärm genutzt. In den nachfolgenden Verordnungen wird dann meist ein<br />

Schallpegelwert als Begrenzung der Einwirkung festgelegt, der teilweise in Tag und<br />

Nacht unterteilt wird und nicht mehr auf die einzelnen Schutzziele ausgerichtet ist.<br />

Das noch gültige deutsche Fluglärmgesetz von 1971 ist vordergründig auf die<br />

Siedlungsbegrenzung ausgerichtet. Es werden zwei Werte mit unterschiedlichen<br />

Konsequenzen für einen 24-Stunden-Bereich festgelegt.<br />

Wirkungen von Schall und insbesondere die negative Ausprägung in Form des<br />

Lärmes können vielgestaltig sein. Inzwischen liegen Erkenntnisse der<br />

Lärmwirkungsforschung in verschiedenen Beeinträchtigungsbereichen vor. Deshalb<br />

wird auch in diesem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten von unterschiedlichen<br />

Schutzzielen und unterschiedlichen Beurteilungsgrenzen ausgegangen.<br />

Als Schutzziele bei Fluglärmeinwirkung werden im Folgenden diskutiert<br />

• Vermeidung von Krankheiten und Schutz der Gesundheit<br />

• Vermeidung von Schlafstörungen mit negativen Auswirkungen<br />

• Vermeidung erheblicher Belästigung<br />

• Vermeidung von Kommunikationsstörungen<br />

• Vermeidung von Leistungsbeeinträchtigungen<br />

• Vermeidung von Störungen der Erholung<br />

• Vermeidung von Störungen im Arbeitsprozess.<br />

21


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Die einzelnen Schutzziele sind nicht gleichwertig nebeneinander. Eine besondere<br />

Rolle und damit eine besondere Heraushebung bietet das Schutzziel Gesundheit.<br />

Alle anderen sind nachrangig. Herausgehoben ist auch das Schutzziel Vermeidung<br />

der Störung des Nachtschlafes, obwohl hier wissenschaftlich – wie noch zu<br />

begründen sein wird – eine direkte Beziehung zur Gesundheit bisher nicht<br />

nachgewiesen ist. Hier kommt besonders der Vorsorgeaspekt zum Tragen.<br />

Wo beginnt die „Schutznotwendigkeit“?<br />

Verwendet man unterschiedliche Schutzziele, steht man vor dem Problem, zu<br />

definieren, wo eine Schutznotwendigkeit oder –bedürftigkeit beginnt.<br />

Es ist ja nicht nur für den Lärm äußerst wichtig, Kriterien oder Beurteilungsgrenzen,<br />

bei denen Maßnahmen erforderlich sind, festzulegen.<br />

Für das wesentliche Schutzziel Gesundheit/Krankheitsverhütung gibt es in der<br />

Wissenschaft weitgehend akzeptierte Kriterien. Die Festlegung von Grenzwerten zur<br />

Reduzierung von Lärmwirkungen hat erst einmal auf den Erkenntnissen der<br />

Kausalität zu beruhen, welche Wirkungen sind tatsächlich auf diesen Lärm<br />

zurückzuführen. Dies trifft auf alle Beurteilungen und Wertung von Beziehungen<br />

zwischen einem möglichen Risiko und einer Erkrankung. Grundlage sind<br />

wissenschaftliche Plausibilitätskriterien für die Kausalität (Ursache) einer Erkrankung<br />

oder einer Wirkung (z.B. Hill 1965) hat (Tab. 1).<br />

Tab. 1: Plausibilitätskriterien für die Kausalität einer Assoziation (nach Hill 1965)<br />

• Stärke der Assoziation (Beziehung)<br />

• Konsistenz (Einheitlichkeit der Ergebnisse) der Studien (beobachtet durch<br />

verschiedene Untersucher, an verschiedenen Orten, zu verschiedener Zeit)<br />

• Spezifität der Wirkung (wenn andere mögliche Ursachen mitgeprüft wurden)<br />

• zeitlicher Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung<br />

• Dosis-Wirkungs-Beziehung<br />

• Erklärung durch einen Mechanismus (Plausibilität eines biologischen<br />

Wirkungszusammenhangs)<br />

• Kohärenz (Übereinstimmung mit bekannten Fakten und Gesetzmäßigkeiten)<br />

• Bestätigung durch das Experiment (z. B. tierexperimentell)<br />

• Analogie zu vergleichbaren Effekten aus anderer Ursache<br />

22


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Werden diese Kriterien nicht erfüllt, so liegen nach wissenschaftlicher<br />

Herangehensweise Vermutungen bis Spekulationen vor. Gerade in der<br />

Lärmwirkungsforschung, in der nicht nur <strong>med</strong>izinische und naturwissenschaftliche<br />

Wissenschaftler zur Gesundheit forschen, wird häufig gegen dieses Prinzip<br />

verstoßen. Es werden Einzelergebnisse nicht richtig gewertet, verabsolutiert und<br />

nicht mit den vorher genanten Kriterien der Plausibilität geprüft.<br />

Doch Handlungsnotwendigkeiten ergeben sich nicht nur auf der Grundlage der<br />

Plausibilität und der wissenschaftlichen Begründung einer Beziehung zwischen Lärm<br />

und Krankheit. Konsequenzen sind zu prüfen, wenn eine Wirkung einen adversen<br />

Charakter einnehmen kann. Die Scientific Expert Group der USA (1994) beschäftigte<br />

sich mit der Wirkung von Belastungen und Anforderungen auf den Menschen und<br />

beschrieb ein Kontinuum, was auch auf die Lärmwirkung anwendbar ist, von<br />

a. keine beobachtbaren Effekte<br />

b. kompensierbare Effekte ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />

c. frühe Effekte unklarer Bedeutung ohne gesundheitliche Konsequenzen<br />

d. frühe gesundheitliche Beeinträchtigungen.<br />

e. offensichtliche Erkrankungen.<br />

Der Umschlag von Punkt c. zu d. bedeutet mögliche negative, d. h. adverse Effekte.<br />

Hier beginnt die Schutzbedürftigkeit. Auch hierfür sind bestimmte wissenschaftlich<br />

akzeptierte Kriterien erforderlich, die auch Ähnlichkeiten mit den Plausibilitätskriterien<br />

für die Kausalität einer Erkrankung haben.<br />

Advers im Sinne der Notwendigkeit der Festlegung von Grenzwerten sind Effekte<br />

dann, wenn<br />

• durch die Belastung (z. B. Lärm) mit verschiedenen Methoden nachweisbare<br />

Expositionseffekte auftreten und<br />

• in verschiedenen Populationen stabile und kongruente Veränderungen bei<br />

vergleichbaren Belastungen aufgetreten sind und<br />

• wenn eine fehlende Reversibilität von Veränderungen (z. B. Leistungsdefizite,<br />

Befindlichkeitsänderungen, organismische Veränderungen) zu verzeichnen ist<br />

und<br />

• wenn die Ergebnisse in Abhängigkeit von den Expositionsbedingungen<br />

reproduzierbar sind und<br />

23


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

• wenn die Stärke der Expositionseffekte gegenüber anderen, üblicherweise<br />

tolerierten Ursachen der Veränderungen bedeutsam sind und<br />

• wenn die Effekte - z. B. Beschwerden, Befindlichkeits- und Belästigungsangaben<br />

- relevant für die Gesundheit sind, d. h. die Fähigkeit des Menschen, mit<br />

Umweltanforderungen umgehen zu können, beeinträchtigen.<br />

Dabei sollten alle diese Kriterien erfüllt sein, um von einem adversen, Handlung<br />

fordernden Effekt zu sprechen.<br />

Die Nichtberücksichtigung dieser wissenschaftlichen Beurteilungskriterien führt in<br />

vielen Fällen zu unterschiedlichen Interpretationen de Sicherheit und des<br />

Erkenntnisstandes der Lärmwirkungsforschung und ist Quelle für die teilweise<br />

heftigen Auseinandersetzungen vor Anhörungen und Gerichten.<br />

Es ist jedoch gerade für die Lärmwirkungen nicht einfach, wie noch darzustellen sein<br />

wird, diesen Ansprüchen zu genügen. Deshalb sind Vorsorgegesichtspunkte in die<br />

Ableitung von Schutzmaßnahmen einzubeziehen, die aber auch als solche deklariert<br />

werden sollen.<br />

Die Europäische Kommission hat am 02.02.2000 eine Mitteilung zur Anwendbarkeit<br />

des Vorsorgeprinzips veröffentlicht (bestätigt auch durch den Europäischen Rat bei<br />

seiner Tagung in Nizza, 07. bis 09.12.2000). Demnach hat sich das Vorsorgeprinzip<br />

nicht nur auf den Gesundheitsschutz, sondern auch auf die Gesundheit von Mensch,<br />

Tier und Pflanze zu beziehen. Dabei soll vermieden werden, dass das Prinzip<br />

willkürlich als Vorwand für protektionistische Maßnahmen angewandt wird. Bei neuen<br />

Erkenntnissen sollen Maßnahmen entsprechend angewandt werden, und sie sollen<br />

mittels einer Kosten-Nutzen-Analyse unter Einschluss sozioökonomischer Aspekte<br />

geprüft werden.<br />

Weitere Schutzziele<br />

Schutzziele können nicht nur für die Durchschnittsbevölkerung gelten. In besonders<br />

schutzbedürftigen Bereichen halten sich vor allem Menschen auf, die einer<br />

besonderen Gefährdung aufgrund Einschränkungen der Anpassungs- oder<br />

Bewältigungsfähigkeit unterliegen oder bei denen besondere Anforderungen stehen.<br />

In dem von mir verwendeten Schutzkonzept werden sie gesondert betrachtet und<br />

24


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

bewertet. Die Beurteilungsgrenzen liegen unterhalb derer, die für die<br />

Allgemeinbevölkerung gelten. Dazu gehören insbesondere Krankenhäuser,<br />

Altenpflegeheime, Kindergärten und Schulen. In Einzelfällen können auch andere<br />

Nutzungseinrichtungen hinzugezogen werden.<br />

Im Umweltgutachten 2002 (SRU 2002) wird eine Auffassung von BULLINGER et al.<br />

(1999) aufgenommen, die eine „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ als Schutzziel<br />

formuliert. Bei dieser verwaschenen, nicht ausreichend definierten Formulierung<br />

besteht die Gefahr, dass der Lärm hinter relevanteren Faktoren für die<br />

Lebensqualität und aufgrund der individuellen Differenziertheit von Lebensqualität an<br />

Bedeutung verliert. Deshalb bleibe ich bei einer differenzierteren Betrachtung der<br />

Schutzziele.<br />

Unabhängig von der Einhaltung von Schutzgrenzen sollte grundsätzlich die Strategie<br />

weitgehender Lärmminderung verfolgt werden.<br />

Grundsätzlich ist bei Neubau und wesentlichen Änderungen von Flughäfen vom<br />

Vorsorgeprinzip auszugehen.<br />

25


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

5. Schutzziel: Vermeidung von Krankheiten und von Gesundheits-<br />

beeinträchtigungen<br />

Gesundheit ist das wesentlichste Schutzgut gegenüber Umwelteinflüssen und spielt<br />

deshalb auch in den Diskussionen eine vordergründige Rolle. Dabei geht es nahezu<br />

immer um die Verhütung von Krankheiten.<br />

Krankheit – als das Gegenteil von Gesundheit – ist ein regelwidriger, körperlicher<br />

und/oder geistiger Zustand, der - unter versicherungsrechtlichen Gesichtspunkten -<br />

zur Arbeitsunfähigkeit oder/und zur Behandlungsnotwendigkeit führt. Gesundheit<br />

wäre dann als das Nichtvorhandensein von Krankheit zu verstehen. Doch bereits die<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte 1948 die Gesundheit viel<br />

umfassender als einen „Zustand vollkommenen körperlichen, psychischen und<br />

sozialen Wohlbefindens (well being) und nicht allein als ein Fehlen von Krankheit und<br />

Gebrechen“. In dieser Auffassung von Gesundheit werden von der WHO Ziele und<br />

strategische Komponenten formuliert, jedoch kein messbarer Gesundheitsbegriff<br />

definiert. Durch diese Auffassung wird aber verdeutlicht, dass Gesundheit und<br />

Krankheit nicht nur als Alternativen aufzufassen sind, und dass Gesundheit aus<br />

körperlichen, psychischen und sozialen Prozessen besteht, was sich zunehmend in<br />

der Wissenschaft, aber auch in Gesetzen und Regelungen für Einwirkungen auf den<br />

Menschen durchgesetzt hat. Doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass man den<br />

Menschen nur noch fragen muss, ob er sich vollkommen wohl fühlt, um Gesundheit<br />

zu erfassen.<br />

Auch in diesem Gutachten wird die Gesundheit nicht nur als somatische, körperliche<br />

Organ bezogene Gesundheit verstanden (SCHEUCH und SCHRÖDER 1990).<br />

Gesundheit als Schutzgut wird nicht nur im Sinne der Vermeidung von Krankheit<br />

interpretiert, sondern als Fähigkeit zur Bewältigung von Umweltanforderungen und<br />

damit zur Entwicklung und Erhaltung physischer, psychischer und sozialer<br />

Funktionen. Dies kommt auch in der Berücksichtigung anderer Schutzziele zum<br />

Ausdruck.<br />

Die diskutierten Erkrankungsmöglichkeiten unter Lärm sind vielgestaltig. Dass Lärm<br />

entsprechender Intensität und Dauer zu Schäden am Hörorgan führen kann ist schon<br />

26


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

lange bekannt. Auch die Dosis-Wirkungs-Beziehungen sind uns weitgehend geläufig.<br />

Weitaus umfangreicher werden im Zusammenhang mit Verkehrslärm die<br />

extraauralen Lärmschäden, d.h. außerhalb des Hörorgans diskutiert (Tab. 2). Dass<br />

so viele Schadensmöglichkeiten diskutiert werden, ist nicht verwunderlich, denn Lärm<br />

löst unspezifische Prozesse im Organismus aus (siehe Kapitel 3).<br />

Tab. 2: Extraaurale negative Lärmwirkungen<br />

• Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

• Psychische und psychiatrische E.<br />

• Atemwegserkrankungen<br />

• Medikamentenverbrauch<br />

• Schwangerschaft/Geburtsgewicht<br />

• Hormonelle Erkrankungen (z.B. Diabetes)<br />

• Magen-Darm-Erkrankungen<br />

• Allergien<br />

• Tinnitus (Hörgeräusche)<br />

• Krebs<br />

• Migraine<br />

• Hauterkrankungen<br />

Die gesicherten Erkenntnisse liegen zu den negativen Wirkungen des Lärms auf das<br />

Hörorgan vor. Deshalb soll dies auch als erstes diskutiert werden.<br />

5.1. Schäden durch Lärm am Ohr<br />

Wissenschaftlich erwiesen sind kausale Beziehungen zwischen Lärm und Krankheit<br />

für Schäden am Ohr. Das trifft für die Lärmschwerhörigkeit in der Arbeit sowie für die<br />

mechanische Zerstörung von Teilen des Hörorgans durch Lärm hoher Intensität zu.<br />

Lärmschwerhörigkeit durch Arbeit als mögliche Berufskrankheit ist eine<br />

Innenohrschwerhörigkeit mit charakteristischen Merkmalen, die bei Lärmpegeln von<br />

Leq3 = 85 dB(A) während der Schicht und bei einer Einwirkung von etwa 10 Jahren<br />

bei etwa 1 % der Arbeitnehmer auftritt. Unter präventiven Gesichtspunkten sollten<br />

nach neueren Erkenntnissen Leq3 = 80 dB(A) in einer Arbeitsschicht unterschritten<br />

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Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

werden. Seitens der EU wurde kürzlich eine neue Lärmschutzrichtlinie für den<br />

Arbeitsbereich herausgegeben (EU Lärm 86/188/EWG 2003). Sie orientiert die<br />

präventiven Maßnahmen am Schutz des Gehörs. Diese EU-Lärmschutzrichtlinie<br />

formuliert einen oberen Auslösewert bei Leq = 85 dB bzw. 137 dB(C) Maximalpegel,<br />

der zur Aufstellung von Lärmminderungsprogrammen, Kennzeichnung, Nutzung von<br />

Gehörschutzmitteln verpflichtet sowie einen unteren Auslösewert von Leq = 80 dB(A),<br />

der die Informationspflicht, Schutzunterweisung, Anspruch auf<br />

Gesundheitsüberwachung und Angebot von Gehörschutz beinhaltet.<br />

Im Umweltbereich treten Belastungen dieser Größenordnung in der Regel jedoch<br />

nicht auf. Bei extremen Belastungen durch niedrige Direktüberflüge von militärischen<br />

Strahlflugzeugen wurden früher in seltenen Fällen bleibende<br />

Hörschwellenanhebungen beschrieben. Seit 1990 die Tiefflugmindesthöhe in der<br />

Bundesrepublik Deutschland von 75 m auf 300 m angehoben wurde, sind solche<br />

Effekte nicht zu erwarten.<br />

Für Anwohner eines zivilen Flughafens besteht keine Gefahr für eine<br />

Lärmschwerhörigkeit, weil durch die anderen Schutzziele solche möglichen Schäden<br />

mit abgedeckt werden. Eine Gefährdung wäre bei jahrelangem Einwirken eines Leq<br />

24h = 80 dB(A) und einem häufigerem Einwirken gegenüber Maximalpegel von Lmax =<br />

115 dB(A) unter Berücksichtigung der Anstiegssteilheit zu diskutieren. Unter<br />

präventiven Gesichtspunkten für eine Lärmschwerhörigkeit sollte ein Leq 24h = 75<br />

dB(A) nicht überschritten werden. Bei Maximalpegeln spielt die Anstiegssteilheit eine<br />

Rolle. Relevante schnelle Anstiege der Schallbelastung sind im zivilen Luftverkehr<br />

nicht zu erwarten, so dass auch Einzelpegel im Flughafenumfeld keine<br />

Lärmschwerhörigkeit hervorrufen.<br />

5.2. Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind inzwischen die häufigste Todesursache aufgrund<br />

des Älterwerdens der Bevölkerung, des Zurückdrängens anderer Erkrankungen.<br />

Risikofaktoren und Risikoindikatoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen waren und<br />

sind intensiver Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung. Rauchen, Ernährung,<br />

28


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

mangelnde körperliche Aktivität, bestimmte psychische Verhaltens- und<br />

Bewältigungsstile, sind wissenschaftlich bestätigte Risikofaktoren für das Entstehen<br />

von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In diesen zahllosen wissenschaftlichen<br />

Untersuchungen zu Ursachen und Beeinflussungsmöglichkeiten von Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen spielt der Lärm eine untergeordnete Rolle.<br />

Im Vordergrund all dieser Untersuchungen steht die Hypertonie, der Bluthochdruck,<br />

da hieraus Schlaganfall, ischämische Herzerkrankungen und andere Komplikationen<br />

resultieren können. Zum anderen wird vor allem die ischämische Herzkrankheit<br />

selbst mit dem Herzinfarkt untersucht. Zunehmend werden auch<br />

Stoffwechselerkrankungen in diese Problematik Herz-Kreislauf-Erkrankung und<br />

belastungsbedingtes Risiko einbezogen, insbesondere der Diabetes mellitus, die<br />

Blutzuckerkrankheit, da zwischen Stoffwechsel und Gefäßerkrankungen eine sehr<br />

enge Beziehung besteht. Dies drückt sich unter anderem in dem klinischen Begriff<br />

„Metabolisches Syndrom“ aus, zu dem Hypertonie, Diabetes mellitus,<br />

Fettstoffwechselstörung, Adipositas (Fettsucht) und auch Harnsäureerhöhungen, die<br />

zur Gicht führen können, gehören.<br />

Die Hypertonie ist in der Bevölkerung weit verbreitet, was eine Zuordnung von Lärm<br />

als Ursache erschwert. Die Ursachen einer Hypertonie sind ebenfalls vielgestaltig.<br />

Gesichert ist, dass bei Hypertonie eine genetische Komponente, die Ernährung,<br />

insbesondere der Kochsalzgehalt der Nahrung, die Glukosetoleranz, d. h. eine<br />

mögliche Vorstufe für einen Diabetes mellitus, die Fettsucht eine wesentliche Rolle<br />

spielen. Dem Stress wird auch eine zunehmende Bedeutung beigemessen. Die<br />

Zuordnung exogener Faktoren zur Herausbildung einer Hypertonie wird dagegen<br />

sehr unterschiedlich diskutiert. Dies trifft auch auf den Lärm zu. So ist die Frage, ob<br />

Lärm in der Arbeitstätigkeit zur Hypertonie führen kann, noch offen. Im<br />

Arbeitsprozess werden deutlich höhere Lärmpegel erreicht als im kommunalen<br />

Bereich, damit auch höhere Pegel über 24 Stunden.<br />

Es werden auch keine einheitlichen Befunde der Hypertonie oder anderer Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit Lärmschwerhörigkeit gefunden, bei denen<br />

ja ein kausaler Schadensmechanismus nachgewiesen wurde. So fanden wir bei<br />

Lärmschwerhörigen über dem 40. Lebensjahr gegenüber Gleichaltrigen keine höhere<br />

Hypertonierate (Haufe et al. 2004).<br />

29


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Trotz jahrzehntelanger Untersuchungen ist bisher eine kausale Beziehung zwischen<br />

Lärm und Hypertonie wissenschaftlich nicht eindeutig und allgemein anerkannt<br />

nachgewiesen wurde (KRISTENSEN 1998, STARK et al.1998). Sicher ist jedoch,<br />

dass dieser Einfluss weitaus geringer ist als der von verhaltensbezogenen<br />

Risikofaktoren.<br />

Auch im Umweltbereich sind die Untersuchungsergebnisse zu Lärm und Hypertonie<br />

sehr different. Untersuchungen aus den 70iger und 80iger Jahren zeigten noch<br />

häufiger einen Zusammenhang. Statistische Signifikanz war aber auch da selten.<br />

Diese Einschätzung wird auch durch BABISCH (2000) unterstützt, der in seiner<br />

Analyse zu Verkehrslärmwirkungen feststellt, dass der epidemiologische Beweis für<br />

verkehrslärmbedingte Erhöhungen der Hypertonierate sehr gering ist. Erst bei sehr<br />

hohen Schallbelastungen, wie sie in der Umwelt nicht auftreten und wie sie<br />

heutzutage auch an Arbeitsplätzen der Industrieländer selten sind, scheint der<br />

Organismus unter bestimmten Voraussetzungen mit einer dauerhaften<br />

Blutdruckanhebung zu reagieren. Bei Schallpegeln, die in Bereichen um Flughäfen<br />

oder anderen Verkehrsgebieten zu erwarten sind, ist der Zusammenhang zwischen<br />

chronischer Lärmeinwirkung und Hypertonieentstehung uneinheitlich.<br />

In einer neuen Untersuchung legten MASCHKE et al. (2003) lärmbezogene<br />

Ergebnisse aus einer Gesundheitsstudie in Berlin-Spandau vor, auf die noch<br />

einzugehen sein wird. Da die Beziehungen von Erkrankungen zum Taglärm bisher<br />

wenig aussagefähig waren, wurde aus Lärmdatenbanken in Berlin der Nachtlärm<br />

entnommen. Sie fanden dabei, dass von den Befragten angegebene ärztliche<br />

Diagnosen „Hypertonie“ bei Personen eine erhöhte Periodenprävalenz (Auftreten<br />

zwischen zwei Untersuchungszeitpunkten) aufwiesen, wenn der nächtliche<br />

äquivalente Dauerschallpegel des Straßenverkehrs über 55 dB(A) lag gegenüber<br />

den Bereichen, die unter 50 dB(A) lagen. Dies ist eine der ganz wenigen<br />

Untersuchungen, die sich speziell mit dem Nachtlärm aus epidemiologischer Sicht<br />

beschäftigten. Diese Ergebnisse müssen weiter untersetzt werden. Insgesamt ist<br />

jedoch damit auch die unsichere Datenlage nicht günstiger geworden, da<br />

insbesondere auch die Lärmzuordnung bei diesen Untersuchungen schwierig ist.<br />

Zusammenfassend ist für den Arbeitsbereich festzustellen, dass ein kausaler<br />

Mechanismus zwischen Lärm und Hypertonie nicht nachzuweisen, eine Dosis-<br />

30


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Wirkungs-Beziehung nicht abzuleiten ist. Auch für die Beziehungen zwischen<br />

Verkehrslärm und Hypertonie ist kein wissenschaftlich gesicherter Nachweis zu<br />

führen. Es bleibt jedoch die Frage offen, inwieweit durch weitere Risikofaktoren<br />

gefährdete Personen durch zusätzlichen, chronischen Lärm für die Entstehung einer<br />

Hypertonie prädestiniert sind.<br />

Ähnliche Aussagen gelten für die viel diskutierte Problematik der Verbindung von<br />

Lärm und ischämischer Herzkrankheit einschließlich des Herzinfarktes. So<br />

beschrieben ISING et al. (1990) und ISING et al. (1995) eine statistisch signifikante<br />

Beziehung zwischen Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie für das Auftreten<br />

von Herzinfarkten bei Bewohnern in Lärmgebieten. In der bereits erwähnten<br />

Untersuchung von MASCHKE et al. (2003) zu Beziehungen zwischen Verkehrslärm<br />

mit bestimmten Erkrankungen in Berlin-Spandau auf der Grundlage von Schallpegeln<br />

nach Lärmkarte wurde sowohl für die Schallbelastung durch Straßenverkehr am Tag<br />

als auch in der Nacht und in den Fluglärmzonen keine signifikante Beziehung von<br />

Schallpegeln zur Lebenszeit- (Auftreten bisher im gesamten Leben) und<br />

Periodenzeitprävalenz der ärztlichen Behandlung von Herzinfarkten oder von Angina<br />

pectoris gefunden. Es zeigten sich ebenfalls keine Unterschiede zwischen dem Tagund<br />

Nachtschallpegel. Eine Tendenz kann jedoch auch hier angenommen werden,<br />

dass Pegel über <strong>60</strong> bis 65 Dezibel zu einem höheren Risiko führen könnten, leider<br />

sind die Angaben über 65 dB nicht verwertbar.<br />

In Tabelle 3 sind Ergebnisse zwischen Umweltlärm und Herzinfarkt dargestellt. Die<br />

durch Fluglärm betroffenen Populationen um Caerphilly und Speedwell wurden über<br />

mehrere Jahre untersucht und stellen eine der wenigen Langzeituntersuchungen dar,<br />

die mit gleicher Methodik durchgeführt wurden. Signifikante Beziehungen sind nicht<br />

gefunden worden.<br />

31


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 3: Verkehrslärmbelastung und ischämische Herzkrankheit (PVR/OR/RR sind<br />

relative Risikomaße)<br />

Studie Straßenver-<br />

Caerphilly<br />

Phase I<br />

Babisch et<br />

al.<br />

1988,1998<br />

5 J Foll.-Up<br />

1993<br />

10 J Foll.-Up<br />

1998<br />

Speedwell<br />

Phase I<br />

Babisch et<br />

al. 1988<br />

kehrslärm<br />

Leq dB(A)<br />

4 Schallpegel-<br />

klassen<br />

Leq, 6-22h<br />

51-55 bis 66-70<br />

4 Schallpegelklassen<br />

Leq, 6-22h<br />

51-55 bis 66-70<br />

Effektvariable<br />

Vergleich zwischen<br />

höchster und<br />

niedrigster<br />

Schallpegelklasse<br />

Risikomaße<br />

PVR/OR/RR<br />

[CI95% ]<br />

Signifikanz<br />

Angina pectoris PVR 0.5 [0.2-<br />

1.4]<br />

n. s.<br />

Myocardinfarkt PVR 1.2 [0.6-<br />

Ischämiezeichen<br />

(EKG)<br />

ischämische<br />

Herzkrankheit,<br />

ischämische<br />

Herzkrank-heit,<br />

2.3]<br />

n. s.<br />

PVR 1.2 [0.4-<br />

3.5]<br />

n. s.<br />

RR 0.5 [0.2-<br />

1.7]<br />

n. s.<br />

RR 1.1 [0.6-<br />

1.9]<br />

n. s.<br />

Angina Pectoris PVR 1.1 [0.7-<br />

1.9]<br />

n. s.<br />

Myocardinfarkt PVR 1.1 [0.6-<br />

Ischämiezeichen<br />

(EKG)<br />

1.9]<br />

n. s.<br />

PVR 1.4 [0.7-<br />

2.9]<br />

n. s.<br />

Kontroll-<br />

variablen<br />

n = 2512<br />

Alter, Sozial-<br />

status,<br />

32<br />

Fam.-stand,<br />

Beschäftigungsstatus,<br />

Rauchen,<br />

hereditäre<br />

Vorbelastung,<br />

körperl.<br />

Bewegung,<br />

BMI, Vorerkrankungen<br />

n = 2348<br />

Alter, Sozial-<br />

status, Fam.stand,<br />

Be-<br />

schäftigungsstatus,<br />

Rau-


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

3 J Foll.-Up<br />

1993 a/b<br />

10 J Foll.-Up<br />

1998<br />

Caerphilly/-<br />

Speedwell-<br />

Pool<br />

4 Schallpegel-<br />

klassen<br />

6 J Foll.-Up Leq, 6-22h<br />

Babisch et<br />

al. 1998<br />

Berlin<br />

Babisch et<br />

al.<br />

1994<br />

51-55 bis 66-70<br />

5 Schallpegelklassen<br />

Leqday<br />

≤ <strong>60</strong> - 80<br />

ischämische<br />

Herzkrank-heiten,<br />

ischämische<br />

Herzkrank-heiten,<br />

ischämische<br />

Herzkrankheiten,<br />

Myocardinfarkt (klin.<br />

gesicherte Diagnose)<br />

Myocardinfarkt<br />

(anamn. Angabe)<br />

RR 0.7 [0.3-<br />

1.8]<br />

n. s.<br />

RR 0.9 [0.6-<br />

1.4]<br />

n.s.<br />

RR 1.1 [0.7-<br />

1.7]<br />

n. s.<br />

OR 1.2 [0.8-<br />

1.7]<br />

n. s.<br />

PVR 1.2 [0.7-<br />

2.1]<br />

n. s.<br />

chen, hereditä-<br />

re Vorbe-<br />

33<br />

lastung, körperl.<br />

Bewegung,<br />

BMI, Vorer-<br />

krankungen<br />

s. o.<br />

n = 645 Krankenhausfälle,<br />

3390 Kontrollpersonen<br />

aus<br />

der<br />

Bevölkerung<br />

Substichprobe<br />

(n = 2169), Al-<br />

ter, Sozialstatus,<br />

Rauchen,<br />

Stadtbezirk,<br />

BMI, Schicht


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

In dieser Tabelle 3 wurden auch Ergebnisse der Berliner Studie von 1994 zu<br />

Herzinfarktpatienten im Krankenhaus und deren Umweltlärmbelastung<br />

aufgenommen. Vor wenigen Monaten wurde über das Umweltbundesamt (WaBoLu<br />

02/04) der Forschungsbericht 297 61 003: „Chronischer Lärm als Risikofaktor für den<br />

Myocardinfarkt, Ergebnisse der NaRoMi-Studie“ veröffentlicht. Die<br />

Herangehensweisen waren hier ähnlich. Es wurden Herzinfarktpatienten mit<br />

Kontrollpersonen aus dem Krankenhaus hinsichtlich ihrer Wohnlärmbelastung (aus<br />

den Lärmkarten von Berlin) miteinander verglichen. Die Bewertung der Ergebnisse<br />

leidet darunter, dass es in dieser Veröffentlichung aus den gleichen<br />

Untersuchungsdaten zwei unterschiedliche Berichte gibt. Es ist schon verwunderlich<br />

und bisher meines Wissens auch noch nicht vorgekommen, dass in dem Vorwort zu<br />

dieser sehr umfangreichen und teueren Studie formuliert wird: „Deutlich muss<br />

festgestellt werden, dass die verantwortlichen Wissenschaftler des<br />

Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits<strong>med</strong>izin<br />

Berlin der Vorgehensweise der Charité (Auftragnehmer des Umweltbundesamtes,<br />

der Autor des Gutachtens) bei den Verkehrslärm bezogenen Auswertungen in weiten<br />

Teilen nicht folgen“ (BABISCH 2004, Fachbegleiter im Umweltbundesamt). Seitens<br />

des Umweltbundesamtes und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und<br />

Arbeits<strong>med</strong>izin wurden Korrekturrechnungen durchgeführt. Dies liegt vor allem an der<br />

Definition der Lärmbelastung und der Kontrollgruppen.<br />

Das wesentliche Problem ist eben die Setzung des „Cut offs“, die Zuordnung zu den<br />

Untersuchungsgruppen, bei der Schallbelastung von Kontroll- und<br />

Belastungsgruppe. Die Risikoberechnungen der beauftragten Charité-Gruppe und<br />

die Nachrechnungen durch das Umweltbundesamt erbrachten teilweise konträre<br />

Ergebnisse, allein aufgrund der unterschiedlichen Kontrollgruppen (Abb. 1).<br />

34


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Od d s Ra tio (9 5 % Kl)<br />

1,75<br />

1,5<br />

1,25<br />

1<br />

0,75<br />

0,5<br />

0,25<br />

, '<br />

'<br />

'<br />

'<br />

,<br />

,<br />

0<br />

<strong>60</strong>-65 dBA >65-70 dBA >70 dBA<br />

Abb. 1: Verkehrslärm und Herzinfarktinzidenz (NaRoMI-Studie 2004)<br />

KI = Konfidenzintervall, UBA = Umweltbundesamt<br />

'<br />

'<br />

,<br />

,<br />

'<br />

,<br />

,<br />

Frauen UBA<br />

Männer UBA<br />

Männer Charité<br />

Frauen Charité<br />

Aus dieser Abbildung wird auch deutlich, dass bei geschätzten Werten (unter <strong>60</strong><br />

dB(A)) vollkommen unerwartete Ergebnisse errechnet wurden. In diesen Bereichen<br />

tritt nach den Berechnungen der Charité das höchste Risiko auf. Diese<br />

umfangreichste Untersuchung zu Herzinfarkt und Lärm – sonst spielt bei<br />

Herzinfarktursachen der Lärm kaum eine Rolle- kann von der Art des Studiendesigns<br />

die Frage der Kausalität nicht beantworten, sie „bekräftigen eine Hypothese“, wie<br />

Babisch (2004) es formulierte.<br />

Die Problematik besteht darin, dass es wissenschaftlich äußerst schwierig ist, den<br />

Faktor Lärm aus den vielfältigen Einflüssen auf die Entstehung von Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen „heraus zu filtern“ Zusätzliche Faktoren wie soziale Schicht,<br />

genetische familiäre Belastung, Ernährungsgewohnheiten, Verhaltensweisen,<br />

Bewegungsmangel, Diabetes mellitus, Rauchen, Übergewicht stellen weitaus<br />

signifikantere Einflussfaktoren für eine ischämische Herzkrankheit als Lärm dar.<br />

Nach einer Übersicht von OMURA et al. (1996) sind mittlerweile rund 177<br />

Risikofaktoren identifiziert worden, denen eine mitverursachende Rolle bei der<br />

Genese von kardiovaskulären Erkrankungen zugeschrieben wird. Lärm kann, wie alle<br />

35


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

anderen Belastungen, in dem unspezifischen Stressgeschehen einer multifaktoriellen<br />

Genese von Herz-Kreislauferkrankungen eine Rolle spielen; mehr ist bisher nicht<br />

bewiesen. So kommen nahezu alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten heute zur<br />

Aussage, dass wissenschaftlich eine Kausalbeziehung zwischen Umweltlärm und<br />

Herz-Kreislauferkrankungen nicht bewiesen ist, die Evidenz der Beziehungen<br />

zwischen Lärm und Herzinfarkt zwischen „begrenzt“ und „hinreichend“ einzustufen ist<br />

[THOMPSON 1993, GRIEFAHN 1991, PASSCHIER-VERMEER 1993 und 1999,<br />

JOB 1996, SCHWARZE 1996, MORELL et al. 1997, KRISTENSEN 1998, SCHEUCH<br />

2000, WEBER 2000, BABISCH 2000 und 2004, VAN KEMPEN et al. 2002]. Aus<br />

Sicht der Lärmwirkungsforschung ist leider festzustellen, dass bei allen, weltweit<br />

durchgeführten klinisch-epidemiologischen Studien zu den Ursachen von Herz-<br />

Kreislauferkrankungen der Umweltlärm nahezu keine Rolle spielt.<br />

Zum Problem der weitgehend fehlenden statistischen Signifikanz dieser empirischen<br />

Ergebnisse zu den Beziehungen zwischen Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen<br />

stellt der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen in seinem Sondergutachten zu<br />

Umwelt und Gesundheit (1999) fest: „ ...Den dargestellten Studien mangelt es wegen<br />

zu geringer Fallzahlen in den Gruppen mit hoher Lärmexposition an ausreichender<br />

Teststärke; die Ergebnisse sind statistisch nicht signifikant... Zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt kann daher nicht abschließend dazu Stellung genommen werden, ob<br />

Umweltlärm bei der Entstehung von ischämischen Herzkrankheiten eine<br />

mitverursachende Rolle spielt.“. Inzwischen sind die Fallzahlen erhöht wurden, die<br />

die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Vorsorgeaspekten unterstreichen (siehe<br />

Zusammenfassung dieses Kapitels).<br />

Der Rat der Sachverständigen für Umweltfragen [SRU 1999] ist der Meinung, dass<br />

„die bisherigen Ergebnisse konsistent einen eindeutigen Trend aufweisen“. Wie<br />

bereits angeführt, sind einige Wissenschaftler der Auffassung, dass die Beziehungen<br />

speziell zwischen Lärm und Herzinfarkt als „begrenzt“ und „hinreichend“ einzustufen<br />

wäre. Außerdem sind unsere Kenntnisse zu umweltbedingten Lärmwirkungen bei<br />

bestimmten Risikogruppen, wie Kranke und Ältere aber auch Kinder, unzureichend.<br />

Deshalb ist dies unter präventiven Gesichtspunkten auch bei Bewertungsgrenzen zu<br />

berücksichtigen. Deshalb sollten auch für den Fluglärm Begrenzungswerte unter dem<br />

Gesichtspunkt der Verhütung des Entstehens lärmbedingter Erkrankungen festgelegt<br />

36


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

werden. Dabei braucht es keine unterschiedlichen Werte für verschiedene<br />

Erkrankungen zu geben, da die unspezifischen Mechanismen (siehe Kapitel 4)<br />

weitgehend übergreifend sind.<br />

Die Wissenschaft ist keine Politik. Die Wissenschaft hat zu sagen, was sie weiß und<br />

wie sicher sie es weiß, und sie hat Kriterien für die Sicherheit des Wissens<br />

aufzustellen, u. a. die eingangs genannten Kriterien für eine Adversität sowie die<br />

aufgeführten Plausibilitätskriterien. Wenn dies nicht erfolgt oder nur im<br />

Kleingedruckten zu lesen ist, führt das zur Erzeugung von Risiken.<br />

5.3 Weitere diskutierte Erkrankungen und Störungen<br />

Erkrankungen im auralen (am Ohr) Bereich sind kausal auf Lärm zurückzuführen. Im<br />

extraauralen Bereich, nicht auf das Ohr bezogene Erkrankungen, sind diese<br />

Beziehungen in dieser Eindeutigkeit nicht vorhanden, wie das für die Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen dargestellt wurde. In Tab. 2 wurde eine Reihe von Erkrankungen<br />

aufgeführt, die mit Lärm in Verbindung gebracht werden.<br />

Es gibt monokausal und multikausal bedingte Erkrankungen. Die meisten<br />

chronischen Erkrankungen werden durch verschiedene Ursachen, multikausal,<br />

bedingt. Lärm ist ein Risikofaktor, der zweifellos im Zusammenwirken mit anderen<br />

Einflussgrößen im Rahmen einer Multikausalität für Erkrankungen eine Bedeutung<br />

hat. Andererseits sind gleiche Einwirkungen, z.B. Lärm und negative Emotionen,<br />

dazu angetan, in Abhängigkeit vom betroffenen Individuum unterschiedliche<br />

Erkrankungen auszulösen, wobei über die Mechanismen und Ursachen der<br />

unterschiedlichen Organbetroffenheit wenig bekannt ist. Der eine Mensch reagiert mit<br />

Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, während bei einem anderen Menschen<br />

Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems oder psychische Beschwerden im<br />

Vordergrund stehen.<br />

Neben den Herz-Kreislauferkrankungen werden andere Erkrankungen und<br />

pathologische Organbeeinflussungen sowie bestimmte ungünstige Verhaltensweisen<br />

in der wissenschaftlichen Literatur mit Lärmeinwirkungen in Verbindung gebracht.<br />

37


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Hierzu gehören: Magen-Darm-Erkrankungen, Asthma bronchiale, psychische<br />

Störungen, psychiatrische Behandlungen, Medikamentenverbrauch,<br />

Schwangerschaftsbeeinflussung einschließlich Auswirkung auf die<br />

Geburtsparameter, Tinnitus (Ohrgeräusche), Krebs (STANSFELD 1992,<br />

SCHWARZE 1991, MORELL et al. 1997).<br />

Es können prinzipiell alle psychosomatischen Erkrankungen und Störungen auch mit<br />

Lärm in Verbindung gebracht werden, da Lärm als unspezifischer Reiz auch über<br />

psychische Bewertungsprozesse somatische Wirkungen auslöst und bestimmte<br />

Verhaltensweisen zur Folge haben kann. Außerdem bezieht der Mensch aufgrund<br />

seines Kausalitätsbedürfnisses, bestimmte Störungen auf eine Ursache<br />

zurückzuführen, den Lärm als eine objektive, von außen einwirkende Größe in die<br />

Erklärung von Erkrankungen ein.<br />

Es kann hier nicht auf Einzelheiten bei den Erkrankungen, die oben angeführt<br />

wurden, eingegangen werden. Die Beziehungen von Umwelt- oder Arbeitslärm zu<br />

definierten Krankheiten werden in der wissenschaftlichen Literatur sehr uneinheitlich<br />

angegeben, meist ergeben sich keine wissenschaftlich gesicherten Ergebnisse.<br />

Interpretationen in und vor allem außerhalb der Wissenschaft sind häufig spekulativ.<br />

So kommen z. B. nahezu alle wissenschaftlichen Übersichtsarbeiten zur<br />

Einschätzung, dass Verkehrslärm, speziell Fluglärm (eine besondere Rolle spielen<br />

Tiefflugereignisse) keinen wesentlichen Einfluss auf Schwangerschafts- oder<br />

Geburtsparameter haben.<br />

Die zu psychiatrischen Erkrankungen, Medikamentenverbrauch in lärmbelasteten<br />

Wohnbereichen vorliegende Literatur ist weit verstreut und uneinheitlich. In einer<br />

Zusammenfassung kommen STANSFELD (1992) zu dem Ergebnis, dass es keine<br />

gesicherten Beziehungen, beispielsweise zwischen Lärm und psychiatrischen<br />

Erkrankungen gibt. Aus Schweden ist bekannt (GROTVEDT 1990), dass psychische<br />

Erkrankungen zum Nachbarschaftslärm in einer engeren Beziehung stehen, jedoch<br />

nicht zu anderen Lärmquellen.<br />

Es ist auch nicht bewiesen, dass Lärm über die Belästigung zu einem erhöhten<br />

Medikamentenverbrauch, insbesondere zu einem erhöhten Schlafmittelverbrauch<br />

38


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

führt (siehe auch Kapitel 7). Ebenfalls konnte die Beziehung zwischen<br />

Lärmbelastung und häufigerem Arztbesuch nicht zwingend nachgewiesen werden.<br />

Dagegen sind die subjektiven Beschwerdekonstellationen oder die über Fragebögen<br />

erfassten Angstsituationen sehr viel enger mit dem Lärmerleben bzw. mit der<br />

erlebten langfristigen Lärmbelastung in einen Zusammenhang zu bringen.<br />

Entsprechend des Kausalitätsbedürfnisses des Menschen werden subjektive<br />

Befindensbeeinträchtigungen häufiger äußeren Einwirkungen zugeordnet. Es<br />

widerspiegeln sich auch gewisse Grundeinstellungen und Beantwortungstendenzen<br />

in solchen Fragebögen zur Wertung äußerer Einflüsse und zur Wertung des<br />

Befindens wieder.<br />

Bei den Erkrankungen durch Lärm wird auch manchmal die Entstehung von Krebs<br />

durch Lärm diskutiert. Ein ursächlicher Zusammenhang ist beim gegenwärtigen<br />

Kenntnisstand zur Krankheitsentstehung von Krebs unwahrscheinlich.<br />

Zusammenhänge zwischen Durchblutung (die - wie oben ausgeführt - durch Lärm<br />

akut und zeitlich unmittelbar beeinflusst werden kann) und Stoffwechsel einerseits<br />

und krebsrelevanter Zellentartung andererseits lassen sich nur theoretisch herstellen,<br />

weil Lärm auf die Durchblutung wirkt. Der unspezifische Reiz „Lärm“ ist allerdings<br />

vergleichsweise schwach, so dass ein Zusammenhang höchst unwahrscheinlich ist.<br />

Manchmal wird auf eine verringerte Lebenserwartung unter Lärmeinwirkung<br />

hingewiesen. MORELL et al. (1997) kommen in ihrer Übersichtsarbeit zur<br />

Schlussfolgerung, dass wenn überhaupt Unterschiede der Lebenserwartung um<br />

Flughäfen festgestellt wurden, andere Faktoren dafür anzuschuldigen waren und<br />

nicht der Lärm. Dies trifft ebenfalls auf berufliche Lärmeinwirkungen mit einem<br />

deutlich höheren Pegel und dessen Beziehung zur Lebenserwartung zu.<br />

Einen interessanten Ansatz realisieren MASCHKE et al. (2003) in einer Studie zur<br />

Prävalenz ärztlicher Behandlungen in Abhängigkeit von der Verkehrslärmbelastung<br />

der Probanden in der bereits angeführten Studie in Berlin-Spandau, in dem sie<br />

zwischen Tages- und Nachtlärmbelastung in den Wohngebieten differenzierten. Sie<br />

beschrieben bei Bezug zum nächtlichen äquivalenten Dauerschallpegel über 55<br />

dB(A) ein erhöhtes Risiko für ärztliche Behandlungen wegen Hypertonie (signifikant),<br />

39


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

erhöhter Blutfette (OR 1,5, CI 0,9 – 2,5, nicht signifikant), für Asthma bronchiale (OR<br />

1,5, CI 1,0 – 2,5, signifikant), von Krebserkrankungen für die Periodenprävalenz<br />

(Behandlung im Zeitpunkt zwischen den Untersuchungszeiträumen des Spandauer<br />

Gesundheitssurveys), jedoch nicht für die Lebenszeitprävalenz, OR = 4,2, CI = 0,9 –<br />

20,0 (nicht signifikant). Kein wesentlicher Zusammenhang wurde zwischen<br />

nächtlicher Lärmbelastung über 55 dB(A) und der ärztlichen Behandlung gegenüber<br />

Schilddrüsenerkrankungen, chronischer Bronchitis, Migräne, Diabetes mellitus,<br />

Allergieneigung gefunden (Tab. 4). Für die Risikointerpretation ist die Anzahl der<br />

Fälle und Kontrollen bei den einzelnen Erkrankungsgruppen relevant, was leider in<br />

der mir zur Verfügung stehenden Publikation nicht angegeben ist. Es werden nur<br />

statistische Relativitätsmaße angegeben. Solche größer angelegten<br />

epidemiologischen Studien sind immer mit Schwierigkeiten verbunden, die mit einer<br />

Einschränkung der Verallgemeinerung einhergehen. So wurde der nächtliche<br />

Lärmpegel anhand der Lärmkarten der Stadt bewertet, die ärztlichen Behandlungen<br />

wurden subjektiv angegeben (ein besseres Kriterium jedoch als subjektive Angaben<br />

zu einer Erkrankung wie in den meisten Studien). Erkrankungen, die <strong>med</strong>izinisch<br />

inhaltlich zusammen gehören, zeigen teilweise ein differentes Verhalten, die<br />

Perioden- und Lebenszeitprävalenz (Auftreten der angegebenen Erkrankung<br />

zwischen Untersuchungszeiträumen bzw. im bisherigen Leben) hängen naturgemäß<br />

statistisch eng zusammen, weisen jedoch teilweise unterschiedliche Ergebnisse bei<br />

den Erkrankungen auf, die inhaltlich und <strong>med</strong>izinisch nicht zu erklären sind. Ein<br />

Beweis der Kausalität von den angeführten Erkrankungen und Lärmeinwirkungen ist<br />

mit diesen Untersuchungen auch nicht gegeben. Als Risikopopulation wird eine<br />

Wohngegend mit einem Nacht-Leq von > 55 dB(A) angesehen. Sollten gesicherte<br />

Ergebnisse sich bei diesem Herangehen zeigen, dann unterstreichen sie auch den<br />

von mir gewählten zusätzlichen präventiven Richtwert in der Nacht von Leq3 = 55<br />

dB(A) im Außenbereich (siehe Kapitel Schlafstörungen 6). Für Fluglärm wurden<br />

übrigens keine Zusammenhänge gefunden, wobei auch die Anzahl der Personen<br />

geringer war.<br />

40


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 4: Beziehungen zwischen unterschiedlichen Erkrankungen durch das Erfragen<br />

von Diagnosen sowie die Zuordnung der individuellen Lärmbelastung auf der<br />

Grundlage der Straßenverkehrskarten in Berlin sowie der Fluglärmzonen<br />

PP = Periodenprävalenz LP = Lebenszeitprävalenz 0 = keine Beziehung<br />

+ = signifikante Beziehung (+) = Trend n= 1.718 Personen<br />

Hypertonie<br />

Angina<br />

pectoris<br />

Straßenverkehr<br />

Fluglärmzonen<br />

Tag > 65 < 55 Nacht > 55 < 50 67 - 75 < 62<br />

PP LP PP LP PP LP<br />

0 0 + + 0 0<br />

0 0 0 0 0 0<br />

Herzinfarkt 0 0 0 0 0 0<br />

Diab. mell. 0 0 0 0 0 0<br />

erhöhte<br />

Blutfettwerte<br />

chronische<br />

Bronchitis<br />

0 0 (+) (+) 0 0<br />

0 0 (neg.) 0 0 0<br />

Asthma 0 0 0 + 0 0<br />

Krebs 0 0 (+) 0 (-) 0<br />

psychische<br />

Störung<br />

0 0 0 0 0 0<br />

Bei den Erkrankungen sind auch Kombinationseffekte von Lärm mit den<br />

Luftschadstoffen durch den Flugbetrieb zu diskutieren. Es gibt sehr wenige<br />

Untersuchungen, die einen solchen Effekt untersuchen. Das liegt einmal daran, dass<br />

die wissenschaftlich zu begründende Wirkmechanismen (siehe Kapitel 5.4) kaum zu<br />

eruieren sind, die Luftschadstoffkonzentrationen durch Flugverkehr relativ gering<br />

sind, so dass es auch nicht um die Untersuchung nur flugbedingter Kombinationen<br />

geht.<br />

Neuerdings wird eine Studie von ISING et al. (2003) vorgelegt, in denen von<br />

ärztlichen Diagnosen chronischer Haut- und Atemwegserkrankungen (angegeben<br />

von den Eltern) bei über 400 Kindern berichtet wird. Danach soll die Ausprägung der<br />

Symptome der erkrankten Kinder nicht nur von der Höhe der Belastungen durch<br />

Luftschadstoffe sondern auch von der Höhe der Lärmbelastungen abhängen, wobei<br />

die Höhe der jeweiligen Belastungen von den Autoren nicht gemessen, sondern von<br />

41


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

den Eltern und von den Kindern wie auch die ärztlichen Diagnosen erfragt wurden.<br />

Die Autoren dieser Studie empfehlen, dieser Frage gezielt nachzugehen. Der<br />

pathophysiologische Mechanismus der in Frage kommenden Luftschadstoffe ist ein<br />

anderer als der durch Schall ausgelöste. Kombinationseffekte dieser beiden<br />

Belastungsgruppen über immunologische Wirkmechanismen lassen sich bisher nicht<br />

wissenschaftlich nachweisen.<br />

Damit soll zum nächsten Kapitel übergeleitet werden.<br />

5.4 Mechanismen zwischen Schalleinwirkung und Krankheit<br />

Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für einen ursächlichen Zusammenhang<br />

zwischen einer Belastungswirkung und einer Krankheit ist der Nachweis der krank<br />

machenden Mechanismen und Prozesse. Allein ein statistischer Zusammenhang<br />

kann keine Ursache begründen.<br />

Zweifelsohne ist Lärm wie auch andere Belastungen des Menschen ein<br />

unspezifischer Stressor, der bestimmte Anpassungsmechanismen auslöst. Da diese<br />

ebenfalls unspezifische Merkmale haben, können vielfältige Wirkungen auftreten. Als<br />

krankheitsauslösende Mechanismen werden häufig Stressvorgänge genannt, wobei<br />

ich mich hier nur auf die körperlichen Veränderungen dieses Mechanismus<br />

konzentrieren möchte (siehe auch Kapitel 4).<br />

Die im Rahmen eines Stressgeschehens ausgelösten vegetativen, hormonellen<br />

Stoffwechsel-, immunologischen, motorischen Veränderungen sind Ausdruck der<br />

Aktivitäten des Lebewesens, mit seinen Umweltanforderungen fertig zu werden. Sie<br />

dienen der Mobilisation und der Vorbereitung des zielgerichteten Handelns. Wie<br />

bereits erwähnt, kann man von Stress nur dann sprechen, wenn als ein Merkmal die<br />

körperlichen Prozesse so ausgelenkt werden, dass die Abgestimmtheit zwischen den<br />

einzelnen Organen, das Funktionieren mit dem geringsten Energie- und<br />

Steuerungsaufwand nicht mehr funktioniert, sondern dass durch diese<br />

Veränderungen zur Bewältigung und Anpassung in Aktion gebracht wird. Diese<br />

Prozesse sind erst einmal Ausdruck eines gesunden Lebens. Bei<br />

Überbeanspruchung von Ausmaß und Dauer, Unabgestimmtheit der Prozesse,<br />

mangelnden Gegenregulationsmöglichkeiten des Individuums können sie unter<br />

42


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

bestimmten Voraussetzungen krank machende Bedeutung erlangen. Voraussetzung<br />

für die Bejahung einer Kausalität (Ursächlichkeit) zwischen Lärm und Krankheit ist<br />

eben auch der Nachweis der entsprechenden pathophysiologischen Mechanismen.<br />

Einer der angeschuldigten Mechanismen geht über die so genannten Stresshormone<br />

Cortisol und Katecholamine mit ihren vielfältigen Wirkungen im Organismus (siehe<br />

Kapitel 3). Häufig werden auch Stoffwechselveränderungen, die mit Hormonen und<br />

dem Vegetativum (Parasympathikus und Sympathikus) zusammenhängen können,<br />

als solche pathophysiologischen Mechanismen insbesondere für Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen benannt. Deshalb ist auch hier wieder die Frage, ob Lärm solche<br />

pathophysiologischen Mechanismen kausal auslösen kann, die auch längerfristig<br />

bestehen bleiben und schließlich zu einer definierten Krankheit führen.<br />

Bei der Risikobetrachtung von Lärm steht die Rolle von Cortisol und Katecholaminen<br />

bei der Krankheitsentstehung im Vordergrund. Insbesondere in den neunziger<br />

Jahren haben in der BRD die umfangreichen Untersuchungen von MASCHKE und<br />

die davon abgeleiteten Begrenzungswerte bei Fluglärm die widersprüchlichen<br />

Diskussionen bestimmt. Dabei wird immer wieder vor allem in nicht<strong>med</strong>izinischen<br />

Bereichen behauptet, dass die Krankheitsentstehung über den Stressmechanismus<br />

bei Lärm nachgewiesen sei. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden, da das<br />

eine zentrale Fragestellung bei Lärmwirkungen ist.<br />

Es ist die erste Frage zu beantworten, ob es bei Lärm, vor allen Dingen alltäglichem,<br />

immer wiederkehrendem Lärm zu entsprechenden nachweisbaren<br />

Hormonveränderungen kommt. Dabei ist nicht nur das häufig zitierte Cortisol zu<br />

betrachten, sondern auch andere Hormone, die im Rahmen des Stressgeschehens<br />

eine Rolle spielen können.<br />

Die Ergebnisse zu schallbedingten Wirkungen auf die Nebennierenrinde (Cortisol)<br />

und das Nebennierenmark (Katecholamine) sind äußerst unterschiedlich. In der<br />

Tabelle 5 sind Ergebnisse von Studien bis 2001 aufgeführt, bei denen die<br />

Katecholamine Adrenalin (A) und Noradrenalin (NA) und das<br />

Nebennierenrindenhormon Cortisol (oder dessen Derivate) unter Lärmeinwirkung<br />

bestimmt wurden. Die Studien sind von ihrem Design her sehr verschieden, es<br />

43


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

handelt sich um Labor- und um Felduntersuchungen, es wurden die Auswirkungen<br />

von Arbeits- oder von Verkehrslärm untersucht, Zeitdauer und Pegel der<br />

Lärmbelastung waren unterschiedlich, die Untersuchungen waren teils tags, teils<br />

nachts, Bestimmungen der Hormone erfolgten aus dem Blut oder aus dem Urin.<br />

Diese Tabelle sagt deshalb nur etwas darüber aus, ob unter Lärm überhaupt eine<br />

Wirkung festgestellt wurde.<br />

Tab. 5: Katecholamin- und Cortisolveränderungen bei Industrie- und Verkehrslärm in<br />

Labor- und Felduntersuchungen<br />

Katecholamine<br />

Autoren Jahr Bedingungen dB(A) A NA Cortisol<br />

Osada et. al. 1969 Straße, Industrielärm Lmax = <strong>60</strong> = = ∅<br />

Atherley et. al. 1970 Fluglärm/Schreibmasch 95<br />

ine 7 Stunden an 3 d<br />

∅ ∅ �<br />

Slob et. al. 1973 9-17 Uhr an 2 Tagen,<br />

Urin<br />

Brandenberger<br />

et. al.<br />

Manninen und<br />

Aro<br />

Lundberg und<br />

Frankenhaeuser<br />

1977 8 Pers. 2h versch.<br />

Lärm, Labor<br />

1979 Arbeitslärm,<br />

Tagesverlauf, 292<br />

Pers.<br />

1979 Labor, 50min, mit und<br />

ohne Kontrolle<br />

80 (�) = =<br />

84 - 105 ∅ ∅ =<br />

>85 � � ∅<br />

70 - 105 = = =<br />

Follenius et. al. 1980 10-12 Uhr alle 30 sec. 45 und 99 = = (�)<br />

Ising et. al. 1980 7 h psych. Belastung<br />

und Lärm<br />

Sato et. al. 1980 Kont./Kurzzeitlärm,<br />

Labor<br />

80 zu 50 � = ∅<br />

100 ∅ ∅ =<br />

Rai 1981 Arbeitslärm 80 - 107 ∅ ∅ �<br />

Iwamoto et. al. 1981 Labor 100 / 90 = = =<br />

Andsen et. al. 1982 Industrie, 20 min. 40 / 90 = = =<br />

Ising 1983 4 Tage 8.00 - 14.30 50 / <strong>60</strong> = � ∅<br />

44


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Uhr Verkehrslärm<br />

Bolm-Audorff 1985 Arbeitslärm, epidemiol. 83 - 97 ∅ ∅ =<br />

Babisch 1986 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅ �<br />

Cavatorta et. al. 1987 Industrielärm bis 96 (�) (�) =<br />

Cavorta et. al. 1987 Straßenlärm 51 - 70 ∅ ∅ =<br />

Iwamoto et. al. 1988 15 min. Labor <strong>60</strong> - 100 ∅ ∅ =<br />

Fruhstorfer et. al. 1990 9-21 Uhr, Industrie<br />

2. und 3. Tag<br />

Ising et. al. 1990 Überfluglärm, 1min 105 bzw.<br />

Maschke 1992 16 Nächte; 16/ 32/ 64<br />

Curio und<br />

Michalak<br />

Schulte und<br />

Otten<br />

mal<br />

85 (�) � =<br />

125<br />

1992 Fluglärm 105 bzw.<br />

125<br />

1993 Tiefflug und ohne<br />

Tiefflug<br />

Carter et. al. 1994 50LKW/Fluglärm<br />

4 Nächte<br />

Dugue et. al. 1994 Labor, Industrielärm<br />

30 min<br />

Carter et. al. 1995 Herzpatienten, 4<br />

Nächte<br />

Evans et. al. 1995 Kinder ruhiges und<br />

lautes (Fluglärm),<br />

Wohngebiet<br />

= = =<br />

55/ 65/ 75 ∅<br />

> 105<br />

= = =<br />

Lmax = 72 = = ∅<br />

45<br />

85 ∅ ∅ (�)<br />

65 – 72 = = ∅<br />

59 / 68 =<br />

Maschke et. al. 1995 Fluglärm 29 - 45 ∅ ∅<br />

Mela<strong>med</strong> +<br />

Bruhis<br />

1996 Arbeitslärm 55 / 65 ∅ ∅<br />

Sudo et. al. 1996 Arbeitslärm 71–75/93-<br />

100<br />

(�) (�) (�)<br />

Babisch et. al. 1996 Verkehrslärm/Wohnung 45 - 75 = ∅<br />

Luong et. al. 1996 Industrielärm 71–75/93-<br />

100<br />

(�) (�) =


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Ising 1998 Straßenlärm, 2 Nächte 45 / 53 - 69 =<br />

Miki et. al. 1998 2 Nachmittage,<br />

psychisch und Lärm<br />

90 (�) = =<br />

Evans et. al. 1998 Kinder, Fluglärm 53 / 62 =<br />

Kastka et. al. 1999 Fluglärm, Anwohner 35 – 76 ∅ ∅ =<br />

Ising 1999 Fluglärm 56/70 //max.<br />

Braun 1999 Straßenlärm beim<br />

Öffnen der Fenster<br />

90 - 100<br />

45 /<br />

53 - 69<br />

Harder et. al. 1999 Fluglärm, nachts Leq 42, Lmax<br />

Evans et. al. 2000 Verkehrslärm, Kinder 50 bis max<br />

Evans und<br />

Johnson<br />

Basner et. al. 2001/<br />

2004<br />

65<br />

57 <strong>60</strong> / max<br />

74<br />

2000 Bürogeräusche Leq 55<br />

max. 65<br />

64 Vpn., 832<br />

Schlaflabornächte<br />

Lmax 50- 80<br />

Leq 30�57<br />

= = =<br />

∅ ∅ �<br />

46<br />

∅ ∅ (�) (�)<br />

= = (�)<br />

� = =<br />

= = (�)<br />

Haines et. al. 2001 Kinder, Schulen < 57 / > 66 ∅ ∅ =<br />

Siegmann et al. 2001 Impulslärm 137-168 � (�) ∅<br />

�� signifikante Veränderung<br />

(��) nichtsignifikante Veränderung<br />

= Gleichbleiben<br />

∅ nicht untersucht<br />

A = Adrenalin NA = Noradrenalin<br />

In der nachfolgenden Tabelle 6 sind die Ergebnisse zusammengefasst.<br />

Untersuchungen in dem normalen Lebensumfeld von Betroffenen bei<br />

Lärmeinwirkungen zeigten nahezu ausschließlich keine wesentlichen Effekte auf<br />

diese Hormone.


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 6: Labor- und Felduntersuchungen zur Wirkung von Lärm auf Stresshormone<br />

( Angaben in Prozent)<br />

Parameter<br />

Anzahl<br />

Studien<br />

n<br />

signifik.<br />

Anstieg<br />

%<br />

nicht<br />

signif.<br />

Anstieg<br />

%<br />

gleichbleiben<br />

%<br />

47<br />

Abfall<br />

Adrenalin 29 20 20 50 10<br />

Noradrenalin 29 27 14 59 -<br />

Cortisol 34 18 12 62 8<br />

Wenn MASCHKE et al. [1998] zur Feststellung kommen, dass es 3 Typen von<br />

Cortisolreaktionen auf Lärm gibt: Anstieg, Abfall, Gleichbleiben, dann widerspiegelt<br />

das weitgehend den gegenwärtigen Kenntnisstand.<br />

Die Katecholamine steigen nach einem auslösenden Ereignis schnell an,<br />

verschwinden jedoch auch schnell aus Blut und Urin. Ihr Schädigungsmechanismus<br />

ist deshalb auch vordergründig bei Vorschädigungen zu erwarten, die eine solche<br />

unmittelbare Wirkung nicht mehr kompensieren lassen. Solche Wirkungen sind unter<br />

normalem Verkehrslärm kaum zu erwarten. Cortisol dagegen bleibt länger im Blut,<br />

wird deutlich später abgebaut, so dass es bei wiederkehrenden Ereignissen möglich<br />

wäre, dass eine Kumulation, „Aufschaukelung“, möglich wäre. Doch wie bereits<br />

angeführt, reguliert der Organismus dagegen. Am Tag gelingt der Nachweis von<br />

normalen, immer wiederkehrenden Auswirkungen von Verkehrslärm auf die Hormone<br />

äußerst schwierig, da vielfältige andere Einflüsse eine deutlich stärkere Wirkung als<br />

Lärm haben. Deshalb sind Untersuchungen während der Nacht unter<br />

Lärmeinwirkung aussagefähiger und auch einfacher. In der kürzlich vorgestellten<br />

DLR-Studie „Leiser Flugverkehr“ (SAMEL et al. 2004), der bisher umfangreichsten<br />

Feldstudie mit Untersuchungen von Hormonen bei nächtlichem Flugverkehr, wurden<br />

auch keinerlei wesentliche Effekte auf Cortisol und Katecholamine unter häuslichen<br />

Bedingungen in Abhängigkeit von Lärm festgestellt. In der Laborsituation wurde eine<br />

Tendenz zu höherem Cortisol gefunden, wobei bei den lauteren Pegeln wiederum<br />

ein Abfall gemessen wurde. Dies entspricht auch den Ergebnissen, die in der Tab. 2<br />

%


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

unter normalen Lebensbedingungen und bei akzeptablen<br />

Untersuchungsbedingungen gefunden wurden.<br />

Zusammenfassend ist die Frage, ob es bei alltäglichen, immer wiederkehrenden<br />

Einwirkungen von Verkehrsgeräuschen zu relevanten Hormonveränderungen in<br />

Populationen kommt, mit dem gegenwärtigen Wissensstand nicht zu bejahen, sogar<br />

mehr zu verneinen. Weitere Untersuchungen zu hormonellen Langzeitwirkungen von<br />

Lärm unter kontrollierten Bedingungen vor allem unter üblichen Lebensverhältnissen<br />

sind zweifellos erforderlich.<br />

Bei diesem Erkenntnisstand erübrigt sich nahezu die zweite wichtige Frage, welche<br />

pathophysiologische (krankmachende) Bedeutung evtl. auftretende Veränderungen<br />

hormoneller Parameter unter chronischer, alltäglicher Schalleinwirkung haben.<br />

Eine Hypothese in der Wirkungsforschung ist, dass die durch chronische<br />

Lärmeinwirkung hervorgerufenen Cortisolerhöhungen pathophysiologische,<br />

krankmachende Bedeutung haben. Lärm ist ein Stressor, deshalb ist die<br />

Beantwortung dieser Frage nur unter Einbeziehung auch anderer<br />

Stressuntersuchungen möglich.<br />

Zweifelsohne ist eine Hypercortisolämie, eine andauernde Erhöhung des<br />

Cortisolspiegels im Blut, ein pathologischer Zustand. Eine akut produzierte<br />

Hypercortisolämie, z. B. durch Pharmaka, bewirkt sofortige Wirkungen auf die<br />

Regulation der Lipolyse (Anstieg von Glycerol und freien Fettsäuren im Blut).<br />

Über Wochen und Monate vorgenommene Tierversuche mit verschiedenen<br />

Belastungen ohne massive, durch Pharmaka induzierte Cortisolerhöhungen zeigten<br />

dagegen bisher uneinheitliche Ergebnisse. Es überwiegt das Gleichbleiben oder<br />

sogar die Abnahme des Cortisols in Belastungsphasen. Noch uneinheitlicher sind die<br />

Untersuchungen bei Menschen mit chronischem Stress. OCKENFELS [1995] fand<br />

bei Arbeitslosigkeit als Modell für chronischen Stress keine Unterschiede in der<br />

Gesamtkonzentration von Cortisol und dessen Reaktivität auf alltägliche Stressoren,<br />

jedoch ein anderes Tagesprofil. Bestimmte stressrelevante Erkrankungen wie das<br />

chronische Erschöpfungssyndrom, das Burnout, bestimmte chronische<br />

48


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schmerzzustände sind mit einer Verminderung des Cortisols und einer geringeren<br />

Reaktivität auf Belastungen verbunden [HEIM et al. 2000].<br />

Häufig wird bei der Erklärung krankmachender Prozesse die Cortisolwirkung auf die<br />

Immunfunktion und damit auf die Abwehr von Krankheiten in den Mittelpunkt gestellt.<br />

WILCKENS [1995] kommt zur Feststellung, dass die Rolle der Glucocorticoide, z. B.<br />

des Cortisols „zumindest was endogenes (selbst produziertes) Cortisol in<br />

physiologischen Konzentrationen betrifft ... nicht als immunsuppressiv<br />

(Unterdrückung der Immunantwort) sondern als notwendige Voraussetzung für eine<br />

koordinierte Immunantwort einzustufen“ ist (Erklärungen in Klammern durch den<br />

Gutachter). Es ist also wichtig, zwischen einer Wirkung des Cortisols als<br />

physiologischer Gegenregulation u. a. gegen überschießende immunologische<br />

Antworten und einer krankhaften sowie durch Pharmaka ausgelösten<br />

Immunsuppression zu unterscheiden.<br />

Die Hypophysen-Hypothalamus-Nebennierenrinden-Achse (HHN) mit Beeinflussung<br />

der Cortisolausscheidung wird auch durch krankheitsbedingte<br />

Entzündungsparameter aktiviert. Mindestens 10 verschiedene Zytokine<br />

(Entzündungsparameter) lösen eine endokrine (hormonelle) Reaktion aus und<br />

erlauben dadurch den Tieren das Überleben. Das Immunsystem selbst wirkt auf die<br />

Cortisol produzierenden Teile des Organismus wie auch auf Gehirnregionen<br />

(SCHAUENSTEIN et al. 2001).<br />

Zum anderen sind Katecholamin- oder Cortisolreaktionen sehr selten 'generalisiert';<br />

die verschiedenen Organe können sehr unterschiedlich auf den gleichen Stimulus<br />

reagieren, verschiedene Stimuli haben verschiedene Aktivationsmuster. Es sind also<br />

sehr vielgestaltige und miteinander verbundene Prozesse, die insbesondere im<br />

psychologischen Bereich ablaufen. Dies verbietet auf der einen Seite eine isolierte<br />

Interpretation eines einmalig gemessenen Hormonwertes, zum anderen stellt diese<br />

„vermaschte Regulation“ hohe Anforderungen an ein wissenschaftliches<br />

Untersuchungsdessin.<br />

Den Glucocorticoiden wird zum anderen eine Bedeutung im Alterungsprozess<br />

zugewiesen, wie das bereits dargestellt wurde (McEwen 1998). Erhöhte<br />

49


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Glucocorticoide bei älteren Ratten würden sich toxisch auf bestimmte Nervenzellen<br />

im Hippocampus (Hirnbestandteil) auswirken, die wiederum diese erhöhte<br />

Glucocortikoidausscheidung unterhalten. Beim Menschen ist das bisher nicht<br />

nachzuweisen. Auch die tatsächlich vorhandenen Unterschiede der<br />

Cortisolreaktionen mit dem Altern, insbesondere bei über 70-jährigen, sind noch<br />

unklar hinsichtlich ihrer pathogenen Bedeutung (DODT et al. 1995).<br />

Eine deutlich zu hohe oder zu niedrige Ausscheidung von Cortisol (Hyper- bzw.<br />

Hypocortisolismus) stellen ernste Krankheitsbilder dar (Cushing-Syndrom, Morbus<br />

Addison). Solche hohen Cortisolspiegel treten jedoch als belastungsbedingte<br />

Veränderungen nicht auf. Deshalb ist aus den Wirkungen solch hoher Cortisolspiegel<br />

nicht auf gleiche Effekte wie bei Niveauverschiebungen im Normbereich zu<br />

schließen.<br />

Die Interpretation, dass Lärm zu Cortisolerhöhungen und diese zu Krankheit führen,<br />

ist eine Betrachtungsweise, die zur Einseitigkeit in der Erkenntnisgewinnung geführt<br />

hat. Dies wird als 'linearkausaler Monopolismus', als 'Forschungsreduktionismus'<br />

oder 'paradigmatische Krise im Stressbereich' bezeichnet (HENNIGSEN 1993,<br />

SOLOMON 1993).<br />

Die psychoneuroimmunologischen Forschungen verdeutlichen ganz besonders, dass<br />

nicht eine einzelne Veränderung aus einem in seiner ganzen Komplexität erst wenig<br />

erfassten homöostatischen Netzwerk herausgerissen und interpretiert werden kann.<br />

Gegenwärtig ist in der Medizin ein Durchbruch zu verzeichnen, der eine gänzlich<br />

andere Herangehensweise der Interpretation belastungsbedingter Veränderungen<br />

zum Inhalt hat. Von der Sichtweise nebeneinander und unabhängig funktionierender<br />

Systeme gehen der gegenwärtige Forschungsschwerpunkt und die weitere<br />

Entwicklung zu einer integrativen Sichtweise miteinander funktionierender Systeme.<br />

Dann sind erst ursächliche Erklärungen und die Ableitung entsprechender<br />

Mechanismen möglich.<br />

Aus dem bisher Dargelegten und aus weiteren Untersuchungen ist zu schließen,<br />

dass der Parameter „Cortisolkonzentration“ beim gegenwärtigen Stand der<br />

wissenschaftlichen Forschung und praktischen Erkenntnisse nicht zum<br />

entscheidenden Kriterium für den Beweis einer Gesundheitsgefährdung durch Lärm<br />

50


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

herangezogen werden kann. Dieser Auffassung schlossen sich inzwischen auch<br />

MASCHKE und HECHT (2003, S. 53) für die nächtliche Lärmbelastung an: „Nach<br />

dem heutigen Stand des Wissens ist der Nachweis einer nächtlichen chronischen<br />

Stresssituation allein mit Hilfe von Stresshormonen als problematisch anzusehen.<br />

Die Aussagekraft des Indikators „veränderte Stresshormone“ für chronischen<br />

Lärmstress muss ohne Vereinheitlichung der Datenerhebung als eingeschränkt<br />

eingestuft werden.“<br />

Die simple Interpretation einzelner Parametern führt zu erheblich falschen Aussagen<br />

[HJEMDAHL zitiert bei THEORELL 1994]. Es trifft nicht nur für die Bewertung der<br />

Folgen von Lärm zu, dass Risikobewertung die dynamischen und Prozess<br />

orientierten Interaktionen zu berücksichtigen hat, sonst besteht unser Leben nur<br />

noch aus diskutierten, nicht mehr überschaubaren aber tatsächlich kaum<br />

vorhandenen Gefährdungen. Das trifft auch auf die mit hormonellen Veränderungen<br />

einhergehenden Stoffwechselprozesse zu, die im Folgenden kurz betrachtet werden<br />

sollen.<br />

Es werden auch andere Mechanismen für eine Krankheitsentstehung diskutiert, die<br />

auf die Wirkungen von den genannten oder/und anderen Hormonen sowie dem<br />

vegetativen Nervensystem zurückzuführen sind. Die akuten, unmittelbaren Einwirkungen<br />

unter Belastungen, z.B. Lärm, gehen meist in die gleiche Richtung wie ein<br />

atherogenes, gefäßwandveränderndes Risiko. Es kann zu Veränderungen des<br />

Blutdruckes, der Variabilität von Blutdruck und Herzschlagfrequenz, zur Erhöhung<br />

von Cholesterol und anderen Fettstoffwechselparametern, des Fibrinogens (ein<br />

Gerinnungsparameter) und der Glukose (Zucker) im Blut, der Viskosität des Blutes,<br />

der Zusammenballungsfähigkeit der Thrombozyten (Blutplättchen), auch zu<br />

Elektrolytveränderungen u. a. kommen. All diese Veränderungen werden auch durch<br />

andere, aktivitätserhöhende Einflussfaktoren ausgelöst. Solche<br />

Stoffwechselveränderungen werden als Risikofaktoren für Herz-<br />

Kreislauferkrankungen bezeichnet, wenn sie über einen längeren Zeitraum bestehen<br />

bleiben.<br />

Kurzfristige Veränderungen unter akuten Belastungen dieser Parameter sind<br />

eindeutig nachgewiesen. Sie sind Bestandteil des Schutz- und<br />

51


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Anpassungsmechanismus eines Lebewesens. Ihre Bedeutung für langfristige<br />

Veränderungen unter anhaltendem, ständig wiederkehrendem Lärm mittlerer Pegel<br />

ist jedoch weitgehend unklar. So ist es nicht verwunderlich, dass eindeutige,<br />

statistisch signifikante, wiederholbare Wirkungen von Lärm auf diese Parameter bei<br />

Langzeitexponierten kaum signifikant nachzuweisen sind. Die Speedwell- und<br />

Caerphilly-Studien sind standardisierte Lärmwirkungsstudien in vergleichbaren<br />

Gegenden (Abb. 2). Sie wurden bereits bei der Darstellung epidemiologischer<br />

Ergebnisse aufgeführt (siehe Tab. 3). Es zeigten sich hinsichtlich aller Parameter bis<br />

auf die Plasma-Viskosität keine signifikant einheitlichen Veränderungen, obwohl die<br />

Methodik weitgehend identisch war. Die Odds Ratios, Maß für das Risiko, für<br />

Glukose, Leukozytenzahl, Fibrinogen, HDL-Cholesterol, Gesamt-Cholesterol,<br />

systolischer Blutdruck weisen in beiden Studien sogar entgegengesetzte Tendenzen<br />

auf.<br />

Abb. 2: Klinisch-chemische und vegetative Veränderungen in Abhängigkeit von der<br />

Lärmbelastung (Leq 51-55 dB(A) im Vergleich zu 66-70 dB(A) in den<br />

Wohngegenden, zusammengefasst nach Babisch et al. (1993). (Die Odds<br />

Ratios ist der Strich in dem Kästchen. Liegt dieser Strich über der fetten<br />

Linie 1, dann ist der jeweilige Parameter in der lärmbelasteten Gruppe<br />

höher, unter 1 niedriger als in der Kontrollgruppe. Statistisch relevante und<br />

damit mit einer bestimmten Sicherheit auch bewertbare Ergebnisse finden<br />

sich nur dann, wenn die Confidenzintervalle (Umfang der Kästchen) den<br />

Wert 1 nicht einschließen.)<br />

52


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

5.5 Zusammenfassung Krankheit und Lärm<br />

Beim Umweltlärm besteht wie in anderen Bereichen mit geringen Belastungsdosen<br />

zunehmend das Problem, dass die Ansprüche an das Verständnis komplexer<br />

physiologischer und pathophysiologischer Prozesse ebenso steigen wie die Rolle<br />

des Individuums und des Individuellen. Für den Einzelnen lassen sich Wirkungen<br />

nicht prognostisch vorhersagen. Deshalb ist es von grundlegender Bedeutung für die<br />

Lärmwirkungsforschung,<br />

• keine isolierte Lärmwirkungsbewertung vorzunehmen, ohne diese in die<br />

gesamte Belastungsforschung und deren Ergebnisse einzuordnen,<br />

• keine isolierte Parameterdiskussion als Risiko zu führen, sondern sie<br />

einzuordnen in das gesamte Wirkungsgefüge einer Anpassung oder<br />

Fehlanpassung.<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Lärm zweifelsohne einen Stressor darstellt<br />

mit der Möglichkeit der Auslösung pathophysiologischer, d. h. krank machender,<br />

Prozesse. Diese Hypothese ist nach wie vor aufrecht zu erhalten. Die ablaufenden<br />

Regulations- und Gegenregulationsprozesse sind jedoch weitaus umfangreicher und<br />

gegenwärtig auch (noch) nicht eindeutig zu erfassen. Deshalb darf man auch nicht<br />

suggerieren, dass hinsichtlich der Lärmwirkung zur Entstehung von Erkrankungen<br />

alles bewiesen sei. Das führt bei den Betroffenen zu Unsicherheit, Ausgeliefertsein,<br />

Angst. Dies können vergleichsweise stärkere Stressoren sein als der Lärm in<br />

Verkehrspegelbereichen.<br />

Der gegenwärtige Wissensstand ist zum Zusammenhang zwischen chronischer<br />

Lärmbelastung und<br />

• Schwerhörigkeit nachgewiesen,<br />

• einzelnen Herz-Kreislauf-Erkrankungen als „begrenzt bis hinreichend<br />

(sufficient)“ nachgewiesen,<br />

• Hormon- und Stoffwechselveränderungen als “begrenzt” (limited)<br />

nachgewiesen,<br />

• den anderen, oben genannten weiteren Erkrankungen „fehlend bis begrenzt“<br />

nachgewiesen.<br />

53


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Dies ist auch die Meinung des Interdisziplinären Rates für Lärmwirkungsforschung<br />

beim Umweltbundesamt, der seine Tätigkeit mit einer abschließenden<br />

Stellungnahme zu den bisherigen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung<br />

abschloss (2004).<br />

Die eingangs genannten Plausibilitätskriterien zwischen einer Einwirkung/Belastung<br />

auf den Menschen und Erkrankungen/Beeinträchtigungen ist für die Herz-Kreislauf-<br />

Erkrankungen entsprechend der Tabelle 7 zu beantworten.<br />

Tab. 7: Wissensstand zur Realisierung der Plausibilitätskriterien für Lärm und<br />

ausgewählte Herz-Kreislauf-Krankheiten<br />

Kriterium Wertung<br />

Assoziation gering<br />

Konsistenz fraglich<br />

Spezifität nein<br />

Zeitfolge ja<br />

Biologischer Gradient (ja)<br />

Plausibilität ja<br />

Kohärenz ja<br />

Experiment ja<br />

Analogie ja<br />

(Intervention) nein<br />

Seitens der EU wurde kürzlich eine neue Lärmschutzrichtlinie für den Arbeitsbereich<br />

herausgegeben, in dem die Einflussfaktoren auf kausale Beziehungen zwischen<br />

Lärm und einer Krankheit besser zu kontrollieren sind als im Umweltbereich, (EU<br />

Lärm 86/188/EWG 2003). Sie orientiert die präventiven Maßnahmen am Schutz des<br />

Gehörs. Hinsichtlich anderer Erkrankungen heißt es: „Der derzeitige<br />

wissenschaftliche Erkenntnisstand über etwaige Folgen von Lärm für die Gesundheit<br />

und die Sicherheit reicht nicht aus, um exakte, jegliche Gefährdung … erfassende<br />

Expositionsgrenzen festzulegen, ibs. hinsichtlich der extraauralen Lärmwirkungen“.<br />

Diese Herangehensweise ist aus meiner Sicht für den Umweltbereich nicht zu<br />

übertragen. Zweifelsohne kann Lärm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen,<br />

auch wenn die Mechanismen noch unklar sind. Deshalb müssen lärmmindernde<br />

Strategien prinzipielle gesellschaftliche Strategien sein. Doch kann das nicht mit<br />

54


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Unsachlichkeit, Risikoerzeugung und Fehlinformationen verbunden werden, weil<br />

dadurch nicht nur das Risiko steigt, sondern auch die Glaubhaftigkeit der<br />

Wissenschaft sinkt. Unter Vorsorgegesichtspunkten ist Handeln erforderlich.<br />

Guski stellte in der psychologischen Stellungnahme für den Ausbau des Flughafens<br />

Berlin-Schönefeld (2003) fest, dass..."für Krankheitsaspekte in der Regel weder die<br />

Ursache - Wirkungsfrage noch die gesundheitliche Relevanz geklärt sei". Daraus<br />

jedoch den Schluss zu ziehen, dass <strong>med</strong>izinische Kriterien überhaupt entfallen<br />

könnten, ist nicht nachzuvollziehen. Auch unter dem Aspekt der Sicherheit und der<br />

Risikobewertung von Betroffenen sollten solche Kriterien aufgestellt werden.<br />

Es ist Babisch (2000) vollkommen zuzustimmen: „Die Risikovermittlung und –<br />

diskussion insgesamt bedarf - unabhängig vom Lärm – einer sehr viel rationaleren<br />

Herangehensweise, als das hier zu Lande häufig der Fall ist ... Gesteuerte oder<br />

unkritisch hinterfragte Einzel- oder Gruppeninteressen und diffuse Umweltängste<br />

bestimmen mitunter die Meinungsbildung. Die Öffentlichkeit kann mit Risiken nur<br />

sehr schwer umgehen. Hier zu einer Verbesserung beizutragen, muss eine<br />

zukünftige Aufgabe der Umwelthygiene sein. Dazu gehört auch die Vermittlung, dass<br />

das Eingehen und Akzeptieren von Risiken zum Lebensalltag gehört. Dem Bürger<br />

fehlen objektive Maßstäbe anhand derer, die auf der Grundlage von adäquaten<br />

Risikovergleichen seine Einstellungen, sein Handeln und seine Erwartungen an die<br />

Politik ausrichten und formulieren kann“.<br />

5.6 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />

Für die Vermeidung von Krankheiten sind Begrenzungswerte notwendig, auch wenn<br />

eindeutig gesicherte Erkenntnisse sowohl für den Arbeitslärm (mit Ausnahme der<br />

Lärmschwerhörigkeit) und den Verkehrslärm noch nicht ausreichend vorhanden sind.<br />

Auch ohne Einbezug der möglicherweise besonders kritischen Nachtbelastung kann<br />

die Annahme, dass Lärm bei permanenter Einwirkung eines äquivalenten<br />

Dauerschallpegels (6-22 Uhr) von mehr als 70 dB(A) zur Genese von Herz-<br />

55


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Kreislauferkrankungen beiträgt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zurückgewiesen<br />

werden.<br />

Der Niederländische Gesundheitsrat [HCN 1999] betrachtet den Nachweis einer<br />

Risikoerhöhung für Herz-Kreislauferkrankungen durch Verkehrslärm an<br />

Lm = 70 dB(A) als hinreichend. Als Schwellenwert für lärmbedingtes Infarktrisiko<br />

empfiehlt der SRU [1999] Lm = 65 dB(A).<br />

Eine Gefährdung ist bei einem Leq 16 h = 70 dB(A) nicht auszuschließen, unter<br />

präventiven Gesichtspunkten sollte ein Leq 16 h = 65 dB(A) eingehalten werden. Diese<br />

Werte werden auch in der so genannten Synopse (GRIEFAHN et al 2002)<br />

vorgeschlagen.<br />

Nahezu ausschließlich wird in der epidemiologischen Literatur zur Beziehung<br />

zwischen Schall und Krankheit der äquivalente Dauerschallpegel verwendet. Doch<br />

auch der Maximalpegel kann zu vegetativen Veränderungen mit Störungspotenz<br />

führen. Von hohen Pegeln über 115 dB(A) ist diese Wirkung weitgehend gesichert.<br />

Durch akute Schallbelastungen kommt es nach JANSEN (1996) bei Pegeln über 99<br />

dB(A) zu vegetativen Übersteuerungen, wodurch die Schwelle zu<br />

Gesundheitsgefährdungen überschritten wird. Er bezeichnet eine Isophone über 99<br />

dB(A) als Lärmgefährdungsgebiet. MASCHKE et al. (2001) kritisierten vehement die<br />

Ableitungen von Jansen. Eine Auseinandersetzung mit diesen Argumentationen<br />

erfolgte in der Veröffentlichung von SCHEUCH und JANSEN (2002). Bei diesen<br />

Diskussionen spielt der Gesundheitsschutz eine geringere Rolle, es geht stärker um<br />

die Auseinandersetzung mit einem Gutachter. Von Belang ist diese Diskussion nicht,<br />

da auch beim geplanten Ausbau des Flughafens Kassel-Calden dieses so genannte<br />

Lärmgefährdungsgebiet weder im Ist-Zustand noch in den prognostizierten Szenarien<br />

besiedelte Gebiete trifft.<br />

Die Bestimmung von Kriterien für schädigende Maximalpegeln von<br />

Fluglärmereignissen am Tag zwischen 6 und 22 Uhr ist äußerst schwierig, da<br />

vielfältige Schallereignisse auf den Menschen einwirken und die Prozesse auf<br />

Einzelereignisse auch schwierig zu erforschen sind. Unter präventiven<br />

Gesichtspunkten sollte unter Berücksichtigung der wenigen experimentellen Literatur<br />

56


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

eine Pegelhäufigkeit von Lmax16 h = 25 x 90 dB(A) nicht überschritten werden. Eine<br />

isolierte Anwendung der Maximalpegelhäufigkeiten ohne den Tagwert für den<br />

äquivalenten Dauerschallpegel verbietet sich.<br />

Für sensible Gruppen, z.B. Kranke sollten niedrigere Begrenzungswerte gelten<br />

(siehe Kapitel 13).<br />

Die Begrenzungswerte für die Nacht (siehe entsprechendes Kapitel 6) decken auch<br />

die Vorbeugung des Entstehens von Erkrankungen ab. Deshalb sind nur Tagwerte<br />

unter der speziellen Betrachtung Prävention von Erkrankungen zu berücksichtigen.<br />

57


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

6. Schutzziel: Vermeidung nächtlicher Schlafstörungen durch Lärm<br />

6.1 Wirkungsparameter von Schlafstörungen<br />

Neben der möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung wird bei den Lärmwirkungen<br />

besonders der erheblich störende Effekt in der Nacht diskutiert. Im deutschen<br />

Fluglärmgesetz von 1971 wurde ein 24-Stunden-Wert zur Beurteilung herangezogen.<br />

Durch die lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten der letzten 30 Jahre wurde auch in der<br />

Rechtssprechung eine Zweiteilung zwischen Tag 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr und Nacht<br />

22:00 Uhr bis 6:00 Uhr vorgenommen. Damit soll der besonderen Schutzbedürftigkeit<br />

des Nachtschlafes Rechnung getragen werden. Dies wird auch in diesem<br />

lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten berücksichtigt.<br />

Verkehrslärm bedingte Störungen des Nachtschlafs stellen neben der Belästigung<br />

die häufigste Beeinträchtigung dar. Durch die Zunahme des Flugverkehrs und die<br />

Ausdehnung auf die Nacht ist auch objektiv in den letzten zwei Jahrzehnten eine<br />

erhebliche Zunahme der Nachtflugbewegungen vor sich gegangen. Deshalb hat sich<br />

die Lärmwirkungsforschung auch zunehmend dieser Problematik zugewandt.<br />

Nach vielen Schlafuntersuchungen im Labor wurden in den letzten 10 Jahren auch<br />

einige Untersuchungen in üblichen Schlafbedingungen unter Lärmeinwirkung<br />

durchgeführt. Die Problematik dieser Untersuchungen besteht jedoch in der<br />

mangelnden Vergleichbarkeit, insbesondere was die Häufigkeit der untersuchten<br />

Nächte als auch die Parameter zum Nachweis einer Schlafstörung durch Lärm<br />

betrifft. So wird eine Vielzahl von Kenngrößen verwendet.<br />

Diese unterschiedlichen Effektparameter von Schalleinwirkung kann man einteilen in<br />

• Reaktionen im Schlaf<br />

- Änderung der Schlafstadien, der -tiefe<br />

- Nichterinnerbares Aufwachen<br />

- Körperbewegungen<br />

- Vegetative und hormonelle Veränderungen<br />

h Schlafablaufstörungen<br />

- Einschlaf- und Durchschlafstörungen<br />

58


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

- Verminderung des Gesamtschlafes<br />

- Erinnerbares Aufwachen<br />

• Subjektive Wirkungen<br />

- Bewertung der Schlafqualität<br />

- Belästigung<br />

- Bewertung der "after effects" eines gestörten Schlafes im Befinden, der<br />

Leistung und im Verhalten.<br />

Dabei gibt es zwischen diesen unterschiedlichen Parametern eine wechselseitige<br />

Beeinflussung. GRIEFAHN (1991) unterscheidet zwischen primären (in einer Nacht),<br />

sekundären (nach einer Nacht) und tertiären (langfristigen) Wirkung. Entscheidend<br />

für den gegenwärtigen Wissensstand zur Bedeutung von lärmbedingten<br />

Schlafbeeinflussungen ist, dass zur pathophysiologischen, d. h. krank machenden<br />

Bedeutung dieser einzelnen Parameter kaum eine Aussage möglich ist, so dass<br />

unser Stand zu den primären Wirkungen durch Schall relativ gut ist, die sekundären<br />

Wirkungen von vielen weiteren Faktoren abhängt und die tertiären Wirkungen<br />

weitgehend unklar sind.<br />

So bunt die Parameterpalette in der Schlafwirkungsforschung ist, so unterschiedlich<br />

sind auch die Ergebnisse. MASCHKE et al. (1997) referierten im Auftrag des<br />

Bundesumweltamtes 35 Studien zu nächtlichen Lärmwirkungen. Die<br />

Hauptergebnisse dieser Studien sind von mir zusammengefasst worden und in<br />

Kurzfassung in der Tab. 8 dargestellt (<strong>Scheuch</strong> 2004).<br />

Gleiche Bezeichnungen für einen Wirkungsparameter haben häufig sehr<br />

unterschiedliche Merkmale zur Grundlage. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass<br />

auch die Anzahl tatsächlich signifikanter Veränderungen in diesen Publikationen<br />

gering ist. Hinzu kommt, dass teilweise wenige Nächte untersucht worden sind, eine<br />

Reihe dieser Arbeiten Laboruntersuchungen umfassen, Pegel und Häufigkeiten<br />

erheblich schwanken. Der Zeitpunkt der Lärmeinwirkung in der Nacht, der - und<br />

darüber besteht Einigkeit - einen unterschiedlichen Einfluss auf die Wirkung hat,<br />

wurde nur in wenigen Beiträgen berücksichtigt. Individuelle Eigenschaften spielen<br />

eine untergeordnete Rolle, teilweise wurden nur Lärmsensible ausgewählt.<br />

59


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 8: Beeinträchtigung des Schlafes durch Lärm – zusammengefasst aus einer<br />

Literaturübersicht von MASCHKE et al. 1997 (<strong>Scheuch</strong> 2004)<br />

Indikator der<br />

Schlafveränderung<br />

Anzahl<br />

Studien<br />

gleichgerichtete<br />

Veränderung [%]<br />

<strong>60</strong><br />

Anteil signifikante<br />

Veränderung [%]<br />

subjektive Schlafqualität 25 84 * 64<br />

Dauer der Wachphase 14 93 * 64<br />

Leistungstests 10 80 * 50<br />

Dauer des REM – Schlafes 18 78 * 50<br />

Körperbewegungen 16 50 * 50 (Erhöhung)<br />

20 (Verringerung)<br />

Dauer des Tiefschlafes 21 52 * 33<br />

Schlafstadienlatenz 22 50 * 32<br />

Aufwachreaktion 13 77 * 23<br />

Dauer des Leichtschlafes 14 69 * 21<br />

Gesamtschlafzeit 13 69 15<br />

* unterschiedliche Parameter angewandt<br />

Wie aus der Tab. 8 hervorgeht, werden in vielen Fällen signifikante Veränderungen<br />

von Arousal-Reaktionen angegeben. Solche Reaktionen können im normalen Schlaf<br />

mehr als 20-mal / Stunde, bis zu 500-700 mal/Nacht auftreten, je nachdem wie man<br />

sie definiert. Wachphasen sind auch im ungestörten Schlaf relativ häufig. So fanden<br />

BASNER et al. (2001) eine durchschnittliche Anzahl pro Person von 24,4 ± 9,3<br />

solcher Wachphasen im Labor, die aber meist nicht am Morgen erinnerbar sind.<br />

Erinnerbare Phasen müssen mindestens 3 bis 4 Minuten dauern. Bei diesen<br />

Häufigkeiten ist die Frage zu stellen, wann eine gesundheitliche Gefährdung<br />

beginnt. EEG-Arousals, von vielen Autoren als "Schlafstörung" bezeichnet, haben<br />

keine Bedeutung z.B. für die Tagesschläfrigkeit. Unklar ist dagegen die Bedeutung<br />

vegetativer Arousals, doch auch solche sind physiologischerweise mit den<br />

Schlafstadien verbunden.<br />

Unterschiedliche Auffassungen zu den Folgen schlafbedingter Lärmeffekte liegen<br />

jedoch nicht nur an der Unklarheit pathophysiologischer Prozesse und der Bedeu-


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

tung der erfassbaren lärmbedingten Veränderungen. Eine wesentliche Rolle spielt<br />

auch, dass sowohl in der Lärmwirkungsforschung als auch in der Lärmdiskussion<br />

verschiedene Betrachtungsweisen durcheinander geworfen werden. Es werden<br />

„Schwelleneffekte bei Sofortreaktionen“ mit „günstigen Bedingungen für den Schlaf“,<br />

„Störungseffekten durch Lärm in der Nachtzeit“ mit „tatsächlichen Gesundheitsbeein-<br />

trächtigungen“ vermengt.<br />

Trotz der aufgeführten Probleme leiten MASCHKE et al. aus der genannten<br />

Literaturübersicht von 35 Studien, wobei nur 5 sich speziell mit Fluglärm und 2 mit<br />

Straßen- und Fluglärm beschäftigen, Effektschwellen ab, die für den äquivalenten<br />

Dauerschallpegel bei 35 bis 45 dB(A) und für den Lmax bei 45 bis 55 dB(A) liegen<br />

sollen.<br />

Für Verallgemeinerungen dieser Untersuchungsergebnisse ist die Datenlage aus<br />

meiner Sicht zu differenziert. Effektschwellen beinhalten auch die physiologische,<br />

normale Reaktion eines Lebewesens auf Belastungen. Sie sagen erst mal nur aus,<br />

dass ein Mensch reagiert. Die Reaktionen bleiben aus, wenn der Mensch krank ist.<br />

Die entscheidende Frage ist jedoch, welche der in der Tabelle genannten Parameter<br />

Gesundheitsrelevanz besitzen.<br />

6.2 Die DLR-Nachtfluglärmstudie<br />

Das Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik des Deutschen Zentrums für<br />

Luft- und Raumfahrt e.V. hat das Projekt „Leiser Flugverkehr“ abgeschlossen. Im<br />

Mai 2004 wurde die Zusammenfassung des Forschungsberichtes 2004-07/D zu<br />

dieser Untersuchung zur Verfügung gestellt. (u.a. SAMEL et al. 2004, BASNER et al.<br />

2004).<br />

Die in ihrer Art größte und mit erheblichem, bisher einmaligem methodischen<br />

Aufwand durchgeführte Untersuchung setzt sich aus einer Laborstudie und einer<br />

Feldstudie zusammen, an denen insgesamt 192 Männer und Frauen im Alter von 18<br />

bis 65 Jahren teilnahmen. Die Probanden waren gesund, im Vergleich zu<br />

Allgemeinbevölkerung jedoch häufiger lärmempfindlich.<br />

61


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

In der Laborstudie wurden 61 Frauen und 67 Männer in je 13 aufeinander folgenden<br />

Nächten in der Zeit von 23 bis 7 Uhr untersucht. Auf eine Gewöhnungsnacht folgten<br />

eine Referenznacht sowie 9 Nächte, in denen 4 bis 128 Geräusche startender bzw.<br />

landender Flugzeuge mit Maximalpegeln zwischen 45 und 80 dB(A) eingespielt<br />

wurden. Die 12. und 13. Nacht diente der Erholung. Einschließlich des<br />

Grundrauschens von 30 dB(A) variierte der äquivalente Dauerschallpegel (Leq3)<br />

zwischen 31.0 und 54.5 dB(A) am Ohr des Schläfers.<br />

An der Feldstudie beteiligten sich 33 Frauen und 31 Männer, deren Schlaf in je 9<br />

aufeinander folgenden Nächten in deren gewohnter Umgebung zu Hause, zu den für<br />

sie üblichen Schlafzeiten und mit der für sie gewohnten Fensterstellung registriert<br />

worden war. Von diesen hatten 20 auch an der Laborstudie teilgenommen. Die am<br />

Ohr der Schläfer gemessenen Maximalpegel variierten zwischen 20 und 73 dB(A). Im<br />

Mittel wurden bei jedem Probanden 36.2, nicht von anderen Geräuschen überlagerte<br />

Fluggeräusche sowie 30.4 (nicht überlagerte) Geräusche von Pkw, Lkw und<br />

Motorrädern registriert.<br />

In allen Nächten (Labor und Feld) wurden fortlaufend das Polysomnogramm (EEG,<br />

EOG, EMG), das Elektrokardiogramm (EKG), die Atmungsfrequenz und die<br />

Fingerpulsamplitude registriert. Über die gesamte Bettzeit wurden die mit dem Urin<br />

ausgeschiedenen Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol bestimmt.<br />

Abends und morgens wurden mehrere Leistungstests durchgeführt und Fragebögen,<br />

etwa zur Belästigung und zur Befindlichkeit, beantwortet.<br />

Es handelt sich um die umfangreichste Studie zur Untersuchung der Fluglärmwirkung<br />

auf den Schlaf. Es wurden mit einer einheitlichen Methodik im Labor und im Feld<br />

mehr Personennächte untersucht, als bisher der wissenschaftlichen Literatur<br />

insgesamt zu entnehmen ist. Es liegt eine methodisch sehr sorgfältig geplante und<br />

durchgeführte Studie vor.<br />

Die Auswahl der Probanden richtete sich nach experimentellen Gesichtspunkten. Um<br />

vergleichbare und bewertbare Ergebnisse mit einem noch vertretbaren Aufwand zu<br />

erreichen, wurden gesunde Personen im Alter von 18 bis 65 Jahren untersucht. Die<br />

Einbeziehung von Jugendlichen und Kindern in eine solche umfangreiche<br />

mehrtägige Untersuchung vor allem im Labor verbietet sich. Mit dem Alter variiert der<br />

Gesundheitszustand und damit auch die Reaktionsfähigkeit auf Belastungen.<br />

Deshalb ist es vernünftig, ein Alterskriterium zu setzen, was mit 65 Jahren gemacht<br />

62


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

worden ist. Es ist BASNER zuzustimmen, dass bei über 65-Jährigen nicht zu<br />

erwarten ist, dass es zu abrupten anderen Belastungswirkungen kommen wird.<br />

Die DLR-Studie hat gegenüber allen bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen<br />

zu diesem Thema den Vorteil,<br />

• sehr viele Nächte untersucht zu haben,<br />

• dass bei einer Untersuchungsperson mindestens 9 Nächte in einem gewöhnten<br />

Milieu untersucht wurden,<br />

• dass alle diese oben genannten Wirkungsparameter einer lärmbedingten<br />

Schlafstörung in einem Untersuchungsansatz verwirklicht worden sind,<br />

• dass es zu den einzelnen Wirkungsparametern eine einheitliche Terminologie,<br />

einheitliche Methodik und klare Festlegung zur Erfassung und Bewertung gibt,<br />

• dass die Lärmapplikation in bisher einmaliger Art und Weise bei<br />

wissenschaftlichen Untersuchungen mit genauen Schallbestimmungen und<br />

Kontrollen der Lärmeinwirkung sowohl im Labor als auch unter<br />

Feldbedingungen erfolgten,<br />

• dass in den Felduntersuchungen Außen- und zwei Innenraumpegel gemessen<br />

worden sind,<br />

• dass eine umfangreiche Charakterisierung der untersuchten Populationen mit<br />

<strong>med</strong>izinischen und psychologischen Methoden erfolgte.<br />

6.3 Grundlagen für Begrenzungswerte<br />

Im Allgemeinen wird von der besonderen Bedeutung von Aufweckreaktionen für die<br />

Festlegung von Begrenzungswerten ausgegangen. Dies ist zu unterstützen, da eine<br />

mögliche Gesundheits- und Leistungsbeeinträchtigung, und damit auch<br />

Befindensstörungen, durch schallbedingte Lärmeinflüsse vor allem über diese<br />

Aufweckschwelle geschieht.<br />

Hinsichtlich der Aufweckreaktion wird in dieser DLR-Labor- und Feldstudie als<br />

Aufweckreaktionen der Wachzustand (nicht nur der erinnerbare, sondern der aus<br />

elektrophysiologischen und vegetativen Veränderungen ablesbare) und das<br />

Schlafstadium S 1 zusammengefasst. Es wird scheinbar von der Hypothese<br />

63


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

ausgegangen, dass das Schlafstadium S 1 und die elektrophysiologisch<br />

nachweisbaren Vorgänge nicht der Erholung dienen können, was durchaus<br />

berechtigt ist. Jedoch sind diese Vorgänge normale physiologische Prozesse. Die<br />

Schlussfolgerung, wenn sie nicht der Erholung dienen können, müssen sie<br />

gefährdend sein, ist nicht nachzuvollziehen.<br />

Diese DLR-Studie – wie nahezu alle anderen Lärmstudien in der Nacht – untersucht<br />

nicht die pathophysiologischen Effekte der Störung der lärmbedingten Störung des<br />

Nachtschlafes. Es wird davon ausgegangen, dass, wenn keine wesentlichen Effekte<br />

durch Lärm nachts auftreten, dann können auch keine langfristigen negativen<br />

Wirkungen erwartet werden. Es werden demnach nur die primären und teilweise<br />

auch sekundären Wirkungen möglicher Lärmeffekte erfasst. Unter diesem<br />

Gesichtspunkt ist relevant, dass in den Laboruntersuchungen bei einer<br />

Gesamtschlafzeit von 7 Stunden und 24,5 Minuten in den Lärmnächten der Schlaf<br />

um 1,8 Minuten kürzer war, der Tiefschlaf war um 4,1 Minuten nicht signifikant<br />

reduziert, wobei in den weniger lauten Lärmnächten ein Anstieg der Tiefschlafanteile<br />

festgestellt wurde. Diese Zunahme trat bei Maximalpegeln bis zu 55 dB(A) und<br />

geringeren Häufigkeiten auf. Zweifelsohne spielen die erinnerbaren<br />

Aufweckreaktionen die entscheidende Rolle bei gesundheitlichen<br />

Beeinträchtigungen. Zum erinnerbaren Aufwachen wurden in dieser Studie keine<br />

wesentlichen Beziehungen zu dem Lärmeinwirkungen im Feld gefunden. Es ist<br />

anzunehmen, dass auch die vegetativen Arousals langfristig eine ungünstige<br />

Wirkung haben (siehe unten).<br />

Wie bereits im vorhergehenden Kapitel dargestellt, vertreten einige deutsche Autoren<br />

(MASCHKE et al. 1997, SPRENG 2003, ISING 1998) die Auffassung, dass durch<br />

nächtlichen Verkehrslärm Cortisol (und teilweise Katecholamine) ansteigen würden<br />

und über die Wirkungen des Cortisols die Gefährdung der Gesundheit resultiert. Die<br />

Aufweckreaktion im Labor oder Schlafzimmer lässt sich im Experiment unmittelbar<br />

dem einwirkenden Schall zuordnen. Dagegen ist die Cortisolkonzentration eine<br />

Summation über die Nacht, wobei Cortisol einen der ausgeprägtesten Biorhythmus<br />

aller Hormone aufweist, in den natürlich auch andere Mechanismen eingehen. So ist<br />

es nicht verwunderlich, dass sehr unterschiedliche Ergebnisse vorliegen (siehe auch<br />

Tab.2) und in den letzten Jahren ein erheblicher Wissenschaftsstreit zur Rolle des<br />

64


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Cortisols bei der Festlegung von Begrenzungswerten für Verkehrslärm stattgefunden<br />

hat.<br />

Es wurde bereits erwähnt, dass in dieser DLR-Studie zu Nachtfluglärmwirkungen<br />

unter Feldbedingungen, d. h. im gewohnten Schlafzimmer, keinerlei wesentliche<br />

Veränderungen von Cortisol oder Katecholaminen gefunden wurden. Im Labor zeigte<br />

sich eine Erhöhung des Cortisols in Lärmnächten, die jedoch bei höheren<br />

Lärmeinwirkungen wieder zurückging.<br />

Insbesondere von ISING et al. (2003) wird vertreten, dass die Cortilsolkonzentration<br />

der ersten Nachthälfte zum Nachweis schallbedingter Wirkungen besonders geeignet<br />

sei, da dies die Erholungsfunktion des Schlafes beeinträchtigen und langfristig eine<br />

Gesundheitsgefahr darstellen könne. Dabei wird auf BORN und FEHM (2003)<br />

verwiesen, die insbesondere den Nachweis der Wirkungen von Tagbelastungen auf<br />

diesen Cortisolspiegel im ersten Teil der Nacht verdeutlichten, jedoch explizit in ihrer<br />

Veröffentlichung darauf hinwiesen, dass daraus nach der bisherigen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnis nicht auf die Anwendbarkeit für die nächtliche<br />

Lärmeinwirkung zu schließen ist (BORN und FEHM 2003, S.34). So fanden ISING et<br />

al. in einer Studie sowohl unter den sehr schwierigen experimentellen, kaum<br />

nachkontrollierbaren Bedingungen, dass die Eltern das Kind weckten und selbst Urin<br />

abnahmen, eine Erhöhung in der ersten Nachthälfte, bei einer anderen<br />

Untersuchung keinerlei Effekt.<br />

Begrenzungswerte für den Verkehrslärm in der Nacht beruhen ausschließlich auf<br />

experimentellen Kurzzeituntersuchungen über höchstens mehrere Wochen im Labor<br />

oder im Wohnbereich. Aufgrund der unmittelbaren Reaktionen auf den Schall in einer<br />

Nacht und den Verlauf dieser Reaktionen über den Untersuchungszeitraum werden<br />

Schlussfolgerungen abgeleitet. Es gibt bisher kaum Möglichkeiten, Langzeiteffekte<br />

eines gestörten Schlafes in die Beurteilung der schallbedingten Nachtlärmstörungen<br />

einzubeziehen. GRIEFAHN (1991) bezeichnet solche Störungen Tertiärreaktionen in<br />

Form von klinisch-manifesten Gesundheitsschäden und Entwicklungsstörungen. Es<br />

ist festzustellen, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu keine gesicherten<br />

Aussagen möglich sind. Es wäre ein Beitrag der verkehrslärmbedingten Störungen<br />

des Nachtschlafes zur Genese multifaktorieller chronischer Erkrankungen und<br />

Beeinträchtigungen durchaus denkbar, aber dies ist bisher nicht bewiesen.<br />

65


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Neben den Kriterien für den Nachweis von negativen Schallwirkungen in der Nacht<br />

spielt auch in der Diskussion die Art der akustischen Kriterien für Begrenzungswerte<br />

für die Nacht, Maximalpegel oder energieäquivalente Dauerschallpegel, eine<br />

wesentliche Rolle. Zunehmend geht man von der Maximalpegelhäufigkeit als<br />

Kriterium aus. Dies ist grundsätzlich zu unterstützen, da in der<br />

Lärmwirkungsforschung überwiegend die Auffassung besteht, dass die Maximalpegel<br />

insbesondere für das Aufwachen, aber auch für andere Effekte in der Nacht eine<br />

größere Bedeutung haben. Dies wurde auch durch die multidisziplinäre Studie im<br />

Deutschen Luft- und Raumfahrtszentrum (BASNER et al. 2001 und 2004)<br />

unterstrichen, in der bei insgesamt 128 Probanden in je 13 aufeinander folgenden<br />

Nächten im Labor mit Maximalpegeln zwischen 50 und 80 dB(A) sowie äquivalenten<br />

Dauerschallpegeln zwischen 31,2 und 52,6 dB(A) keine wesentliche Abhängigkeit<br />

von den Dauerschallpegeln der nächtlichen Reaktionen, sondern nur von der<br />

Maximalpegelhäufigkeit beschrieben wurde. Dies wurde auch in den<br />

Felduntersuchungen aus der gleichen Einrichtung nachgewiesen.<br />

Die Ergebnisse des Projektes „Leiser Flugverkehr“ (SAMEL et al. 2004) bestätigten<br />

den erheblichen Unterschied der Wirkungen von Lärm in den üblichen<br />

Wohnbereichen gegenüber Laboruntersuchungen, den bereits PEARSON (1998)<br />

und andere beschrieben. Bisher wurden in der Lärmwirkungsforschung hauptsächlich<br />

Laborergebnisse für die Ableitung von Begrenzungswerten verwendet. So zeigten<br />

sich in der DLR-Studie im Labor Aufwachwahrscheinlichkeiten bei Maximalpegeln<br />

von 45 dB(A) und 80 dB(A) von 13,3 % bzw. 71,5 %, im Feld (im Schlafzimmer) bei<br />

Maximalpegeln von 27,1 dB(A) und 73,2 dB(A) dagegen<br />

Aufwachwahrscheinlichkeiten von 7,7 % bzw. 18,4 %. In der normalen<br />

Wohnumgebung verläuft die Beziehung von Aufwachwahrscheinlichkeit und auch<br />

anderen Wirkungen des Lärms zu den Schallpegeln erheblich flacher. Dies<br />

unterstreicht die erheblichen Gewöhnungsprozesse, die in gewohnten Umgebungen<br />

ablaufen, weshalb auch der Nachweis von langfristigen Wirkungen schwierig ist. In<br />

den vorläufigen Informationen des DLR-Projektes „Leiser Flugverkehr“ wird von<br />

einem Hintergrundpegel mit 27,1 dB(A) ausgegangen, was dem in der Feldstudie<br />

gefundenen Median entspricht. Bei Maximalpegeln von 27,1 dB(A) wurde trotzdem<br />

66


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

eine Aufwachwahrscheinlichkeit von 7,7 % gefunden, die bei 40 dB(A) bei ungefähr 9<br />

% liegt, bei <strong>60</strong> dB liegt dies etwa zwischen 13 % und 14 %.<br />

Griefahn (1990) analysierte 10 Laborstudien unter Berücksichtigung der Gewöhnung<br />

(bezogen auf die 6. Untersuchungsnacht, hier sind Gewöhnungsprozesse an eine<br />

ungewohnte Untersuchungssituation sicher abgeschlossen) und der Länge der<br />

Schallereignisse und kam für die physiologische Aufwachreaktion zu einem Pegel<br />

von 67,9 dB(A), unter dem keine Reaktionen auftraten. Sie korrigierte dies auf das<br />

empfindlichste Schlafstadium und den Altersanteil (71 Jahre), was zu einem Pegel<br />

von <strong>60</strong>,7 dB(A) führte. Für O-Reaktionen (Änderungen um weniger als eine<br />

Schlafstudie) errechnete sie für 90 % der Bevölkerung <strong>60</strong>,8 dB(A), korrigierte nach<br />

der gleichen Prozedur wie für die Aufwachreaktionen dann auf 54,5 dB(A). Diese<br />

präventiven Korrekturen sind unter dem Aspekt dauernder Einwirkungen relevant.<br />

Für unregelmäßige Ereignisse mit Kompensationsphasen ist unter<br />

Gewöhnungsaspekten nach unserer Auffassung vor allem die physiologische<br />

Aufwachreaktion bedeutungsvoll. Danach wären Einzelpegel unter 67,9 dB(A) am<br />

Ohr des Schläfers für die Störung der Gewöhnung als weniger relevant anzunehmen,<br />

wobei dieser Wert aus Laboruntersuchungen stammt. Für die normale Wohnumwelt<br />

ist dabei ein beträchtlicher Sicherheitsfaktor zu vermuten. Auf die Kombination der<br />

Pegelhöhe mit der Häufigkeit wird unten eingegangen.<br />

In diesem Zusammenhang soll auch auf die Feldstudie zu Schlafstörungen auf der<br />

Grundlage von Bewegungsmessungen des Körpers (Aktimetrie) um die Flughäfen<br />

Heathrow, Gatwick, Manchester und Stanstedt in England von HORNE et al. (1994)<br />

hingewiesen werden. Insgesamt 5.742 Nächte wurden bei 400 Personen (211<br />

Frauen, 189 Männer) im Alter von 20 bis 70 Jahren im Feld untersucht. Bei 178<br />

Nächten wurde synchron das EEG erfasst. Dabei konnte nachgewiesen werden,<br />

dass in 88 % der EEG-Ereignisse auch ein aktimetrisches Ereignis vorhanden war,<br />

so dass geschlossen wurde, dass die Aufweckreaktion (nicht das erinnerbare<br />

Aufwachen) von etwa 15 Sekunden Dauer auch aktimetrisch nachweisbar ist. Das<br />

Überraschende bei diesen Ergebnissen war, dass die Fluglärmereignisse nur in einer<br />

sehr geringen Zahl den Schlaf, d. h. die Bewegungen im Schlaf im gewöhnten<br />

Schlafzimmer beeinflussten. Einen viel größeren Effekt hatten die häuslichen<br />

Bedingungen und die individuellen Besonderheiten, wie Kinder im Haushalt,<br />

67


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Krankheiten, auf Toilette gehen, Bettnachbar, Schnarchen u.a. Die<br />

Wahrscheinlichkeit der durch Fluglärm ausgelösten Bewegungsaktivität war im<br />

Durchschnitt bei Außenpegeln (Innenpegel werden mit 20 dB geringer angegeben)<br />

von 69 bis 75 dB(A) (Maximalpegel) nicht erhöht. Pegel von 76 bis über 88 dB(A)<br />

zeigten dann einen linearen Anstieg, wobei in den Bereichen von 82 bis 87 dB(A)<br />

etwa 2 % lärm induzierter Bewegungsaktivitäten vorhanden waren. Die Autoren<br />

stellen fest, dass ihre Ergebnisse u. a. die Griefahn-Ergebnisse von 1978 stützen, die<br />

davon ausgehen, dass unter <strong>60</strong> dB(A) im Raum die Wahrscheinlichkeit des lärm<br />

bedingten Aufwachens gegen null geht. Die Bewegungshäufigkeit in der Nacht stand<br />

mit der subjektiven Bewertung der Schlafqualität am folgenden Tag in Beziehung.<br />

Gegen die Ergebnisse dieser Studie wird vor allem eingewendet, dass um die<br />

Londoner Flughäfen ein umfassendes Lärmschutzprogramm mit<br />

Schallschutzfenstern bei etwa zwei <strong>Dr</strong>ittel der untersuchten Gebäude vorgenommen<br />

wurde. Damit wären die Pegel hinsichtlich ihrer Wirkungen zu hoch eingeschätzt. Zu<br />

berücksichtigen ist aber, dass eben auch ein <strong>Dr</strong>ittel ohne wesentlichen Schallschutz<br />

in die Untersuchung einbezogen wurde und eine nicht definierte Zahl von<br />

Untersuchten auch bei angekipptem oder geöffnetem Fenster schlief.<br />

In der DLR-Laborstudie, wurden keine systematischen Zusammenhänge oder<br />

Wechselwirkungen zwischen Anzahl bzw. Lautstärke der Fluggeräusche mit den<br />

Aktimeterdaten gefunden (BASNER 2004).<br />

Als Erkenntnis aus der bisherigen Lärmwirkungsforschung für die Nacht ist zu<br />

schließen, dass entscheidendes Kriterium zur Veränderung von negativen Wirkungen<br />

die Maximalpegelhäufigkeit darstellt. Im diesem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten wird<br />

von einem Schallpegel von <strong>60</strong> dB(A) in einer Häufigkeit von 6-mal pro Nacht im<br />

Durchschnitt der sechs verkehrsreichsten Monate als kritischem Wert ausgegangen.<br />

Bei Außenwerten von mehr als 6 x 75 dB(A) sind Gesundheitsbeeinträchtigen durch<br />

lärm bedingtes Aufwachen nicht auszuschließen. SPRENG (2003) hat auf der<br />

Grundlage der Maschke-Untersuchungen ein Cortisolmodell für zulässige<br />

Pegelhäufigkeiten in einer Nacht aufgestellt. Trotz der vorher genannten<br />

Einschränkungen und einiger willkürlicher Hypothesen, die experimentell nicht zu<br />

untersetzen sind, ist das Resultat Kombination von Häufigkeit und Pegeln in einer<br />

guten Übereinstimmung zu Modellen, die auf der Grundlage des Aufwachens erstellt<br />

worden sind. Nach diesem Cortisolmodell von SPRENG (2002 und 2003) sind nicht 6<br />

68


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

x <strong>60</strong> sondern 8 x <strong>60</strong> dB(A) im Innenraum tolerabel. Auch in der laborexperimentellen<br />

Untersuchung von BASNER et al. (2001) ist die Aufweckwahrscheinlichkeit von der<br />

Kombination Häufigkeit und Maximalpegel abhängig. Zur Vermeidung einer<br />

zusätzlichen durch Lärm bedingten Weckreaktion wären im Labor noch 13 Überflüge<br />

mit Lmax = 50 dB(A) oder auch 4 Ereignissen mit Lmax bis zu 80 dB(A) zulässig. In<br />

Felduntersuchungen liegen die Aufweckschwellenwerte, wie die Untersuchung der<br />

DLR 2004 zeigt, deutlich höher (siehe oben). Werte in der Richtlinie der WHO<br />

(BERGLUND et al. 1999) wie auch des Interdisziplinären Arbeitskreises für<br />

Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundsamt (1982) mit Maximalpegeln von 40 dB(A)<br />

stellen kein Grenzwerte der Belastbarkeit dar, sie weisen eine Zielvorstellung aus,<br />

die einen sicheren Bereich umschreibt, in dem auch andere Schalleffekte in der<br />

Nacht kaum noch lärmbedingt auftreten.<br />

Aus der DLR-Studie ist zu entnehmen, dass es auch unter fortbestehender<br />

Lärmeinwirkung (im Labor bis Maximalpegel von 55 dB(A) am Ohr des Schläfers) zu<br />

Kompensationsreaktionen mit verlängerten Tiefschlafphasen, schnellerem<br />

Wiedereinschlafen nach physiologischen Aufwachreaktionen und teilweise<br />

verlängerter Schlafdauer kommt. Auch aus Schlafentzugsuntersuchungen lassen<br />

sich die Kompensationsmechanismen studieren, die ähnlich sind wie bei<br />

lärmgestörten Schlaf. Bei einem mehrstündigen Schlafentzug in einer Nacht kommt<br />

es in der folgenden Nacht zu einer Verlängerung der Tiefschlafphasen und zu einer<br />

Verkürzung der Flachschlafphasen. Auch die REM–Phasen verkürzen sich. In der<br />

zweiten Nacht nach dem Schlafentzug weist der Schlafverlauf bereits beachtliche<br />

Normalisierungstendenzen auf. In der dritten Nacht ähnelt der Schlafverlauf schon<br />

wieder weitgehend einem normalen Verlauf.<br />

Im Rahmen der zitierten Studie um die Flughäfen in England (HORNE et al. 1994)<br />

war es auch möglich, Untersuchungen unter zwei „Extrembedingungen“<br />

durchzuführen. Der Flughafen Manchester mit den meisten Nachtflugbewegungen in<br />

Großbritannien schloss für 10 Tage wegen Reparaturarbeiten. 16 Personen, die<br />

sehr nahe am Flughafen wohnten, wurden vor, während und nach der Schließung<br />

untersucht. Es konnte kein wesentlicher Effekt dieser deutlichen Veränderung der<br />

Flugbewegungen auf die dort Lebenden mit den eingesetzten Methoden festgestellt<br />

69


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

werden. Die Gewöhnungsprozesse sind bei Gesunden, denn nur diese wurden in die<br />

Untersuchungen einbezogen, scheinbar ausgeprägter als angenommen.<br />

6.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />

Aus den bisherigen Untersuchungen lassen sich Schlussfolgerungen für die<br />

Verwendung von Begrenzungswerten zur Vermeidung oder Verminderung von<br />

Lärmstörungen in der Nacht aufstellen. Aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich<br />

eindeutig die Schlussfolgerung ableiten, dass vordergründig für die Wirkungen von<br />

Lärm während des Schlafes die Maximalpegel und vor allem die<br />

Maximalpegelhäufigkeiten sind. Am häufigsten wurde bisher ein von JANSEN<br />

verwendeter Grenzwert von 6 x <strong>60</strong> dB(A) innen verwandt. Unter dem Aspekt der<br />

Gesundheitsgefährdung ist dieser Wert nach den neueren Ergebnissen nicht<br />

abzulehnen Als Innenraumpegel ist er als kritischer Toleranzwert auch in der so<br />

genannten Synopse aufgenommen worden (siehe unten). Er zwingt bei<br />

Überschreitungen zum Handeln, da dann die Möglichkeit gesundheitlicher<br />

Beeinträchtigungen nicht auszuschließen ist und weitere negative Wirkungen nicht<br />

möglich sind.<br />

In der DLR – Studie (BASNER et al. 2004) wurde ermittelt, dass unterhalb von 33<br />

dB(A) nur noch natürliches, spontanes Aufwachen zu beobachten ist. Allerdings<br />

treten physiologische Aufwachwahrscheinlichkeiten unterhalb von <strong>60</strong> dB(A) sehr<br />

gering auf. In den Feldversuchen unter realen Bedingungen zeigte sich erst bei 25<br />

Überflügen mit 53 dB(A) ein lärmbedingtes Aufwachen, bei <strong>60</strong> dB(A) lag die<br />

Aufwachwahrscheinlichkeit bei 6 %. Mithin ist erst bei 16 Überflügen mit <strong>60</strong> dB(A) in<br />

der Nacht mit einem lärmbedingten Aufwachen in den gewohnten Schlafzimmern zu<br />

rechnen.<br />

Unter Vorsorgeaspekten sollte jedoch der in der Synopse (GRIEFAHN et al. 2002)<br />

genannte Präventivwert von 13 x 53 dB(A) pro Nacht nicht überschritten werden. Auf<br />

der Grundlage von Untersuchungen von GRIEFAHN (1990) unter Berücksichtigung<br />

des Streuungsbereiches und auch SPRENG (2001) kann ein Maximalpegel von 53<br />

70


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

dB(A) angenommen werden, bei dem es nicht zu zusätzlichen Lärm bedingten<br />

Reaktionen kommt, die einen negativen Effekt sowohl kurzfristig auf den nächsten<br />

Tag oder langfristig ausüben können. Andere Autoren nennen 55 dB(A) als einen<br />

Wert, bei dem mit Aufwachreaktionen zu rechnen wäre (HOFMANN 1993,<br />

MASCHKE im lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachten für den Flughafen Hamburg).<br />

Wie bereits erwähnt, sind Maximalpegelhäufigkeiten die entscheidenden Kriterien für<br />

die Wirkungen des Schalls in der Nacht. Der energieäquivalente Dauerschallpegel<br />

spielt eine geringere Rolle. Er ist jedoch bedeutungsvoll für das Wiedereinschlafen<br />

nach Aufwachen und kann auch eine Rolle spielen bei der Beurteilung des<br />

Lärmniveaus innerhalb der Isophonen von 6 x <strong>60</strong> bzw. 13 x 53 dB(A). Deshalb<br />

schlagen die Autoren der Synopse vor, innerhalb der Konturen der<br />

Maximalpegelhäufigkeiten auch noch den Leq bei Bedarf heranzuziehen. Auch<br />

Lärmschutzmaßnahmen können diesen Pegel einbeziehen. Es soll jedoch nochmals<br />

betont werden, dass die Maximalpegel die entscheidenden Kriterien sind. In der<br />

Literatur angegebene Begrenzungswerte mit Hilfe des Leq variieren erheblich und<br />

liegen auch überwiegend für den Straßenverkehr vor. Die Angaben bewegen sich<br />

meist zwischen 32 und 45 dB(A). Ein Leq von 40 dB(A) innen ist unter dem<br />

Gesichtspunkt eines kritischen Toleranzwertes handlungszwingend, ein Leq von 35<br />

dB(A) ist unter präventiven Gesichtspunkten grundsätzlich zu sichern in den<br />

Bereichen mit den entsprechenden Schallpegelhäufigkeiten.<br />

Bei den Kriterien für die Nacht ist vom Schallpegel am Ohr des Schläfers<br />

auszugehen. Dadurch wird natürlich eine erhebliche Streubreite der Beziehung<br />

zwischen Außenpegel und diesem ohrbezogenem Pegel möglich. Dabei wird ein<br />

Dämmmaß eines angekippten Fensters von 15 dB angesetzt. Es ist zu<br />

unterstreichen, dass ein angenommenes Dämmmaß immer nur eine Durchschnittsund<br />

Hilfsgröße darstellen kann, da die Dämmung von vielen Faktoren abhängt, so<br />

von der Schallcharakteristik, der Schalleinwirkung auf das Haus/Fenster, die<br />

Fenstergröße, die Spaltbreite, die Raumcharakteristik, die Art des Fensters und<br />

vieles andere. Für einen Musterraum berechnet <strong>Dr</strong>. Lehmann (siehe Stellungnahme<br />

im Verfahren Flughafen Berlin-Schönefeld) bei einer Spaltbreite von Maximal 8 cm<br />

eine geringfügig unter 15 dB liegende Dämmung bei einem relativ großen Fenster in<br />

Relation zum Raum. Solche Berechnungen beruhen immer auf einer Reihe von<br />

71


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Annahmen. In der Veröffentlichung der DLR-Studie „Leiser Flugverkehr“ (2004)<br />

wurden in jeweils 9 Nächten bei 64 Personen zu Hause eine mittlere Pegeldifferenz<br />

von 28 dB(A) bei geschlossenen Fenstern, von 18 dB(A) bei gekippten und von 13,5<br />

dB(A) bei geöffneten Fenstern zwischen Außenpegeln und Innenpegeln gemessen<br />

(am Ohr des Schläfers). Etwa 570 Messungen wurden durchgeführt. Die<br />

gemessenen Maximalpegel außen bewegten sich in den Bereichen 35 bis 87 dB(A),<br />

im Mittel 64 dB(A), die entsprechenden Maximalpegel innen lagen bei allen<br />

Messungen zwischen 20 und 73 dB(A), im Mittel 44 dB(A). Der gemessene Leq<br />

außen betrug im Durchschnitt 53,9 dB(A), innen am Ohr 36,2 dB(A). Von 34<br />

Messungen, die als Medianwert aus neun Nächten angegeben wurden, waren zwei<br />

mit einer Pegeldifferenz von innen zu außen < 15 dB(A), dreizehn dagegen mit einer<br />

Pegeldifferenz von > 20 dB(A). Durch die sehr umfangreichen Untersuchungen<br />

konnte auch nachgewiesen werden, dass diese Differenzen in den einzelnen<br />

Jahreszeiten unterschiedlich sind und nicht nur von der Anzahl der Flugbewegungen<br />

abhängen.<br />

Auch die Autoren der Synopse (2002) gehen von einer Dämmwirkung des gekippten<br />

Fensters von 15 dB(A) aus. In der Mediation zum Flughafen Frankfurt wurde<br />

ebenfalls eine Dämmung eines angekippten Fensters von 15 dB(A) angenommen.<br />

Es sollte bei diesen Differenzwerten für die Festlegung von Grenz- und<br />

Beurteilungswerten trotz der gemessenen Differenzen in der DLR-Studie geblieben<br />

werden. Damit ist ein weiterer präventiver Faktor für die Nacht vorhanden.<br />

72


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

7. Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung<br />

7.1 Kriterien für Belästigung<br />

Die Belästigung durch Lärm ist die häufigste negative Schallwirkung. Da sie vom<br />

Untersuchungszeitaufwand einfach zu ermitteln ist – jedoch nicht unter dem Aspekt<br />

der Bewertung und Interpretation – wurde sie auch im Zusammenhang mit Fluglärm<br />

am häufigsten untersucht. Dabei bestehen auch heute noch – wie bei der<br />

Gesundheit – Unklarheiten und unterschiedliche Auffassungen in der Definition von<br />

Belästigung oder Beeinträchtigung durch Lärm. Hier hat man zusätzlich jedoch eine<br />

quantitative Grenze definiert. Von der einfachen Belästigung, die nach<br />

Bundesimmissionsschutzgesetz § 3 noch nicht als schädlich anzusehen ist, sind die<br />

„erheblichen Belästigungen“ zu trennen. Während die Gefährdung im Wesentlichen<br />

einen <strong>med</strong>izinischen, d. h. pathophysiologischen, krankmachenden Charakter haben<br />

kann, ist die erhebliche Belästigung oder erhebliche Beeinträchtigung dadurch<br />

gekennzeichnet, dass Geräusch bedingte, unerwünscht starke Beeinflussungen<br />

menschlicher Verhaltensweisen auftreten. Die Betroffenen sind an den für sie<br />

wichtigen Aktivitäten gehindert und die Wirkungen können nicht durch mittelbare oder<br />

unmittelbare Zusatzanstrengungen, individuell akzeptiert, kompensiert werden.<br />

Eigentlich ist Belästigung Bestandteil der oben dargestellten Auffassung von<br />

Gesundheit. Doch für die Schutzzieldiskussion wird sie und muss sie abgetrennt<br />

werden. Die erhebliche Belästigung tritt nicht nur vor der körperlichen Erkrankung ein<br />

(ORTSCHEID und WENDE 2000), sondern sie ist ein eigenständiges<br />

Schutzkriterium. Sonst würde suggeriert, dass die erhebliche Belästigung Vorstufe<br />

der körperlichen Erkrankung ist und zu dieser führen muss, was wissenschaftlich<br />

nicht haltbar ist (siehe Kapitel 5.4).<br />

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) ist zwischen Belästigung und<br />

erheblicher Belästigung zu unterscheiden, wobei letztere als Kriterium für<br />

Schutzmaßnahmen angesehen wird, wobei zu berücksichtigen ist, wie vorn bereits<br />

erwähnt, dass das BImSchG nicht für Flughäfen gilt. Es soll hier keine Diskussion zu<br />

den unterschiedlichen Begriffen der Belästigung, den differenten Methoden zur<br />

Erfassung, den Schwierigkeiten zur Aufarbeitung von Pegel-Belästigungs-<br />

Beziehungen aus unterschiedlichen Studien erfolgen (siehe auch GUSKI 2002).<br />

73


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Es ist anerkannt, dass eine Null-Belästigung wie auch ein Null-Anteil an erheblichen<br />

Belästigungen in der Gesellschaft nicht zu realisieren ist. Das liegt daran, dass es bei<br />

allen erfragten Belastungsfaktoren eine bestimmte Grundgesamtheit mit negativen<br />

Angaben gibt, dass bei Fragebogenerhebungen eine Tendenz zur Mitte existiert,<br />

dass Betroffenheit in Abhängigkeit von einer Vielfalt situativer und persönlicher<br />

Einflussfaktoren eine unterschiedliche Wertigkeit hervorruft, wodurch insgesamt eine<br />

erhebliche Breite von Antworttendenzen zu verzeichnen ist. WIRTH (2004) stellte im<br />

Umfeld des Züricher Flughafens in den leisen Gegenden einen überdurchschnittlich<br />

hohen Anteil erheblich Belästigter und in den lauteren Fluglärmgegenden einen<br />

erheblichen Anteil nicht Belästigter fest. Dies wird auch damit begründet, dass es<br />

einen bestimmten Anteil erheblich Belästigter durch alle Belastungen einschließlich<br />

Lärm gibt, die Erfassungsmethoden nicht unabhängig von den Gesamtsituationen<br />

nur auf Pegel-Belästigungs-Beziehungen zurückzuführen sind, menschliches Leben<br />

einen bestimmten Schallpegelbereich braucht und erzeugt. Zum anderen hat<br />

natürlich eine Abwägung mit anderen Risiken und Konsequenzen zu erfolgen.<br />

Bei allen Diskussionen um die Ableitung von Schallpegel-Belästigungs-Beziehungen<br />

ist nicht zu vergessen, dass wissenschaftlich durch den Schallpegel nur ein geringer<br />

Teil der so genannten Varianz der Belästigung aufgeklärt wird. In der Lärmstudie<br />

2000 um den Züricher Flughafen sind das 15 % (WIRTH 2004), d. h. 85 % der<br />

angegebenen Belästigung durch Fluglärm wird nicht durch die Höhe des<br />

Schallpegels bestimmt. Im Allgemeinen wird die Varianzaufklärung der Beziehungen<br />

Belästigung – Schallpegel zwischen 9 und höchstens 39 % angegeben (u.a. GUSKI<br />

1999). Das bedeutet auch, dass verschiedene wissenschaftliche Bemühungen zur<br />

Ableitung von Grenzwerten aus unterschiedlichen Studien mit einem erheblichen<br />

Fehler behaftet sein müssen. Trotzdem existieren zwischen Schallpegel und<br />

Belästigung Dosis-Wirkungs-Beziehungen, die in anderen Bereichen nicht so deutlich<br />

ausgeprägt sind. Doch sind sie auf keinen Fall, wie das häufig suggeriert wird, linear.<br />

Die Festlegungen zu einer erheblichen Belästigung sind erst einmal ein<br />

administrativer Akt. Da häufig Fragebögen mit unterschiedlicher Skalierung der<br />

Beantwortungsmöglichkeiten (zwischen 2 und 10 Abstufungsmöglichkeiten bei<br />

unterschiedlichen Formulierungen der Frage), ist es nicht einfach, unterschiedliche<br />

Studien zu vergleichen. Nach ROHRMANN (1984) ist erheblich belästigt, wer auf<br />

74


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

einen Fragebogen in einer Skalierung über 78 % seine Zuordnung trifft. Das wäre auf<br />

einer Zehnerskala 8, 9 oder 10. In einer Reihe von Untersuchungen werden<br />

erhebliche Belästigungen auch bereits ab der Mitte einer Skala verwandt, was von<br />

der Definition her unzulässig ist. Das führt natürlich auch zu anderen Pegel-<br />

Belästigungs-Beziehungen. Von WIRTH (2004) wurden bei den gleichen Personen<br />

Skalenwerte von 1 – 7 und Skalenwerte von 0 – 10 verwandt. Es zeigte sich, dass<br />

das hinter der Beantwortung liegende mentale Konzept unterschiedlich erfasst wird.<br />

Eine zweite Festlegung besteht darin, welcher Anteil erheblich Belästigter zu<br />

akzeptieren ist. Dieser Anteil wird zwischen 10 und 35 % diskutiert, teilweise in<br />

Abhängigkeit von der Skalierung der Fragebögen bis zu 50 %. In den letzten Jahren<br />

hat sich ein Anteil von 25 % erheblich Belästigter, teilweise 28 % herauskristallisiert.<br />

Aufgrund der vorher genannten Probleme sind die Angaben sehr unterschiedlich bei<br />

den Beziehungen zwischen Pegeln und dieser Prozentzahl erheblich Belästigter.<br />

GUSKI analysiert Untersuchungen von Hede (1982), der EG-Studie (Diamond et al.<br />

1986), Gjestland (1990) und Oliva (1993, 1998) und kommt zu einem Grenzwert<br />

gegen erhebliche Belästigung von 61 dB(A). Dabei ergeben sich als Grenzbereiche<br />

für 25 % erheblich Belästigte bei Hede 68 dB(A), Diamond 59 dB(A), Gjestland 64<br />

dB(A), Oliva 61 dB(A) (nach arithmetischer Mittelung 63 dB(A) und nicht 61 dB(A)).<br />

Es ist zu vermuten, dass GUSKI in seiner Mittelung den Wert von Hede (68 dB(A))<br />

nicht einbezogen hat. Bei OLIVA (1998) ist unter <strong>60</strong> dB(A)-Einwirkung ein Anteil von<br />

15 % erhebliche Belästigung zu finden.<br />

Als wesentlichen Wert für präventive Maßnahmen ist nach der Synopse (GRIEFAHN<br />

at al. 2002) ein Leq von 62 dB�A) anzusetzen. Die erhebliche Belästigung kann für den<br />

Einzelnen jedoch deutlich unter diesem Pegel auftreten. MASCHKE gibt an, dass bei<br />

Lm = 59 dB(A) die erhebliche Belästigung beginnt. Öfters wird ein Leq von 55 dB(A)<br />

als Schwellenwert für erhebliche Belästigung angesehen (siehe auch SRU-<br />

Gutachten 1999). Dies heißt nicht, dass nicht unterhalb dieses Pegels Belästigungen<br />

auftreten können. In den Untersuchungen von WIRTH (2004) zeigte sich bei<br />

Verwendung des Leq über 24 Stunden schon ab 40 dB ein Anstieg des<br />

Belästigungsgrades und der erheblichen Belästigung, der jedoch zwischen 55 und 65<br />

dB(A) sich nicht mehr fortsetzte, nahezu gleich blieb. Demnach wurde in diesem<br />

75


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Bereich auch keine Dosis-Wirkungs-Beziehung gefunden. Zwischen 55 und 65 dB(A)<br />

wurde auf einer 10-stufigen Antwortskala zur Belästigung ein Durchschnittswert von<br />

5 angegeben, also genau in der Mitte. Ab 70 dB(A) stieg die Belästigung wieder<br />

deutlich an.<br />

7.2 Korrekturfaktoren bei Belästigung<br />

Von GUSKI (2003) wird in die Lärmwirkungsdiskussion eingebracht, dass sich der<br />

Anteil der Belästigten durch Fluglärm im letzten Jahrzehnt erhöht hätte, weshalb ein<br />

Abzug von den Dosis-Wirkungs-Beziehungen von zusätzlich 1,5 dB(A) zu erfolgen<br />

hätte. Die bevölkerungsbezogenen Erhebungen zum Fluglärm, soweit sie<br />

methodisch vergleichbar sind, zeigen, dass der Anteil der erheblich Belästigten<br />

zurückgegangen und demnach der der mittelmäßig Belästigten angestiegen ist,<br />

wenn nicht andere Faktoren eine Rolle spielen. Nach Ortscheid stieg der Trend der<br />

Belästigung für die vom Fluglärm "stark Belästigten" von 1984 - bis 1989 auf 20 %<br />

an, seit 1990 kann dann bis 1998 ein Abfall auf 5 % festgestellt werden. Die "nicht so<br />

stark Belästigten" stiegen ebenfalls von 1984 (26 %) bis 1991 auf 40 % an und<br />

zeigten von da ab eine gleich bleibende, eher leicht abfallende Tendenz (1994 36<br />

%).<br />

DE JONG beschrieb von 1977 bis 1987 eine Zunahme von 11 auf 15 % der "stark<br />

Belästigten", während die "nicht so stark Belästigten" von 29 % auf 40 % stiegen.<br />

KASTKA (1995) ermittelte von 1987 – 1993 etwa 20 % Zunahme der Belästigungen,<br />

obwohl der Mittelungspegel in der gleichen Zeit um 2,1 dB(A) abfiel. Kastka<br />

begründet diesen Zusammenhang damit, dass die trotz fallender Pegel allgemein<br />

angestiegene Belästigungswirkung in der stark gestiegenen Zahl von "aktiven"<br />

Anwohnern zu sehen ist. Diese zeigen Belästigungsreaktionen, die auf eine um 20 %<br />

erhöhte Empfindlichkeit hinweisen. Die Passiven stellen jedoch die große Mehrheit<br />

der Befragten dar (80%). Oliva kommt in seiner umfangreichen Untersuchung (1998)<br />

zu dem Schluss, dass sich in dem Zeitraum von 1971 bis 1991 die<br />

Belästigungsreaktion an den Flughäfen Genf und Zürich nicht wesentlich geändert<br />

habe und dass die Beziehung zwischen Lm und Belästigungsreaktion unterhalb von<br />

63 dB(A) in der Schweiz annähernd konstant geblieben ist. Für 1971 und 1991<br />

76


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

ergeben sich bei 57 dB(A) ca. 14 % "stark Belästigte für <strong>60</strong> dB(A) 20 %. Erst bei 63<br />

dB(A) ist ein signifikant höherer Prozentsatz von stark Gestörten zu verzeichnen, bei<br />

höheren Belastungen geht der Prozentsatz der stark Gestörten 1991 sogar wieder<br />

zurück.<br />

WIRTH (2004) beschrieb für den Flughafen Zürich, dass bei gleichem Schallpegel<br />

ein höherer Prozentsatz der stark belästigten Personen vorhanden zu sein scheint.<br />

Die Untersuchungen liefen um das Jahr 2000 in einer Phase einer erheblichen<br />

politischen Diskussion um Änderungen der Flugrouten um den Flughafen Zürich. Es<br />

werden psychosoziale Prozesse, wie Sensibilisierung, Bedeutungszuweisungen,<br />

veränderte Erwartungen und zunehmendes Technik- und Politikmisstrauen diskutiert.<br />

Zum anderen haben durch die Ausweitung des Flugverkehrs (nicht des Fluglärms),<br />

die Bemühungen vieler Flughäfen zum Ausbau, die Zunahme des Nachtfluges auch<br />

erhebliche Diskussionen in den Medien stattgefunden, die für diese Fragestellung<br />

stärker sensibilisiert haben. Daraus lässt sich jedoch aus meiner Sicht keine<br />

notwendige Korrektur einer Dosis-Wirkungs-Beziehung (Schallpegel zu Belästigung)<br />

ableiten, wie das von GUSKI diskutiert wird.<br />

Das Herangehen von Guski, von einem ermittelten Schallpegel für 25 bis 28 % der<br />

erheblich Belästigten, der zwischen 62 und 65 dB(A) liegt nochmals 1,5 dB(A)<br />

abzuziehen, ist demnach wissenschaftlich nicht zu untersetzen. Wie ausgeführt, ist<br />

nicht nachzuweisen, dass der Anteil erheblich Belästigter prinzipiell und bei gleichem<br />

Lärm angestiegen ist. Dies trifft insbesondere für den Fluglärm zu. Zum anderen<br />

zeigen die bisherigen Ergebnisse, die sich tatsächlich mit der Veränderung der<br />

Belästigung beschäftigt haben, dass das entscheidende Kriterium die anscheinend<br />

willkürliche Diskussion in den Medien gewesen war. Dies wirft die prinzipielle Frage<br />

auf, ob durch wachsende Diskussionen um Umweltwirkungen die objektiven<br />

Begrenzungswerte reduziert werden müssen. Dies lässt Manipulationen erheblichen<br />

Spielraum und unterstreicht nochmals die Forderung, mit Risikodiskussionen<br />

verantwortungsvoll umzugehen.<br />

Ein weiteres Argument des letzten Jahres von GUSKI (2003) ist das der so<br />

genannten Überschussreaktion. Bei Veränderungen des Fluglärms kommt es nach<br />

Auffassung von GUSKI – möglicherweise länger dauernd – zu Überschussreaktionen<br />

77


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

an Belästigungen in der Bevölkerung. Um dieser Überschussreaktion entgegen zu<br />

wirken, müssten ebenfalls die Dosis-Wirkungs-Beziehungen nach unten korrigiert<br />

werden. Bisherige Ergebnisse zu solchen Überschussreaktionen sind sehr<br />

widersprüchlich. GUSKI (2003) kommt selbst zur Einschätzung, dass dies eine<br />

Hypothese ist. In der Literatur gibt es nur vereinzelte Angaben (nur 2 Studien), die<br />

auch noch unterschiedliche Ergebnisse geliefert haben. Es wurden keine<br />

Kontrollgruppen einbezogen. Die zur Grundlage verwendeten Belästigungswerte<br />

befanden sich teilweise im Streubereich, Aussagen zur Dauer eines<br />

Überschusseffektes sind nicht möglich. GUSKI (2003, S. 23) selbst stellt fest: „In<br />

Ermangelung weiterer Daten zu diesem Problem erscheint es unangebracht, diese<br />

Ergebnisse bei der Prognose der in einem wesentlich geänderten Flughafen zu<br />

erwartenden Belästigung ohne Vorsichtsmaßnahmen zu berücksichtigen“. Ein<br />

wissenschaftliches Gutachten hat nicht von Möglichkeiten und Spekulationen<br />

auszugehen, sondern hat sich unter Berücksichtigung des Vorsorgeaspektes auf<br />

wissenschaftlich anerkannter Basis zu bewegen.<br />

7.3 Belästigung und Krankheit<br />

Im Kapitel 4 wurde ausgeführt, dass die Vermeidung oder Minderung erheblicher<br />

Belästigung ein eigenes Schutzziel darstellt. Häufig wird argumentiert, dass durch<br />

das Belästigungserleben Krankheiten entstehen könnten. Die wissenschaftliche<br />

Basis für eine solche Feststellung ist sehr gering. Im Internet wurden erste<br />

Ergebnisse des PAN EUROPÄISCHEN LARES SURVEY zum Fluglärm vorgestellt<br />

(NIEMANN et al. 2004). Es wurde die Belästigung in Beziehung gesetzt zur erfragten<br />

Krankheitsdiagnose („Ist die Krankheit von einem Arzt diagnostiziert worden?“). Bei<br />

7949 Untersuchten gaben 39 % der Befragten an, durch Straßenverkehrslärm<br />

belästigt zu sein, gefolgt von 36 % durch Nachbarschaftslärm. Den geringsten<br />

Belästigungsgrad von 13 % (schwach, moderat, stark, extrem) wurde für Fluglärm<br />

gefunden, unter 2 % „stark“ und „extrem“. Für eine moderate Belästigung durch<br />

Fluglärm wurde ein erhöhtes Risiko für Bronchitis, Trend zur Depression und Migräne<br />

beschrieben. Bei starker Belästigung durch Fluglärm konnte das für Migräne und<br />

Trend zur Depression nicht mehr bestätigt werden (Tab. 9).<br />

78


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 9: Belästigung und Erkrankungsrisiko, Ergebnisse aus dem LARES-Survey,<br />

(1) deutsch: Niemann, Maschke, Hecht 2004, (2) englisch: Niemann, Maschke 2004<br />

Die Zahlen in Klammern geben die Anzahl der Personen in den Gruppen mit<br />

angegebener Erkrankung an.<br />

+ = signifikant<br />

Asthma<br />

moderate Belästigung starke Belästigung<br />

(1)<br />

Fluglärm<br />

(Anzahl)<br />

1,3<br />

(31)<br />

Bronchitis 1,6 +<br />

(56)<br />

Depression 1,4<br />

(62)<br />

Hypertonie 1,1<br />

(171)<br />

Herz-Kreislauf 1,1<br />

(179)<br />

(2)<br />

allgem. Verkehr<br />

Industrielärm<br />

(1)<br />

Fluglärm<br />

(Anzahl)<br />

1,48 4,2 +<br />

(7)<br />

1,06 2,7 +<br />

(11)<br />

1,06 1,8<br />

(10)<br />

1,04 3,0 +<br />

(32)<br />

1,05 3,1 +<br />

(34)<br />

79<br />

(2)<br />

allgem. Verkehr<br />

Industrielärm<br />

1,61 -<br />

1,97 +<br />

1,85 +<br />

1,45 +<br />

Die tatsächlichen Diagnosezahlen sind teilweise sehr gering und kaum aussagefähig.<br />

Es wurde eine Reihe wichtiger Variabler nicht untersucht, so dass aus diesen<br />

vorläufigen Ergebnissen noch keine Schlussfolgerung zu ziehen ist. In der Tabelle 10<br />

werden die Beziehungen zwischen subjektiven Belastungs- oder<br />

Belästigungsparametern aus den bereits zitierten Studien „Spandau“ und „LARES“<br />

dargestellt. Dies zeigt die sehr unterschiedlichen Ergebnisse zu bestimmten<br />

Erkrankungen.<br />

0,89


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 10: Beziehungen zwischen subjektiven Störungen (Belästigungen/Belastung)<br />

und bestimmten Erkrankungen<br />

0 = keine Beziehung,<br />

+ = signifikante Beziehungen, PP = Periodenprävalenz, LP = Lebenszeitprävalenz<br />

Hypertonie<br />

Angina pectoris<br />

„Spandau“ – Verkehr insgesamt „LARES“ - Verkehrslärm<br />

PP LP Erwachsene<br />

18 – 59 Jahre<br />

Tag Nacht Tag Nacht Belastung<br />

mäßige/starke<br />

zu keiner<br />

Ältere<br />

> 59 Jahre<br />

Belastung<br />

mäßige/starke<br />

zu keiner<br />

0 0 0 0 0 1,6 0 0<br />

0 0 0 0 0 1,5 0 0<br />

Herzinfarkt 0 0 0 0 0 0 0 0<br />

Diab. mel. 0 0 0 0 1,7 0 0 0<br />

erhöhte<br />

Blutfettwerte<br />

chronische<br />

Bronchitis<br />

0 0 0 0 0 0 0 0<br />

0 0 0 0 0 1,9 0 0<br />

Asthma 0 0 0 0 1,6 0 0 0<br />

Krebs 0 0 0 0 0 0 0 0<br />

psychische<br />

Störung<br />

+ 0 + 0 0 0 0 0<br />

7.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />

Es wird auch diskutiert, dass nicht der energieäquivalente Dauerschallpegel sondern<br />

die Häufigkeit der Einzelpegel bei der Bewertung der Belästigung Verwendung finden<br />

sollte. Von KASTKA wurde der NAT 70 eingeführt, die Anzahl der Überschreitung<br />

von 70 dB(A) am Tag oder in der Nacht. Für den Tag gilt ein Wert, bei dem eine<br />

erhebliche Belästigung beginnt, von <strong>60</strong> x 70 dB(A). Die bisherigen<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisse mit diesen Kriterien sind gering, zum anderen ist bei<br />

dieser Anzahl auch der Leq ein adäquates Maß. WIRTH (2004) fand zwischen<br />

Belästigung und dem Leq, dem NAT 70 aber auch dem LDN und LDEN nahezu eine<br />

gleiche korrelative Beziehung.<br />

Der Einzelpegel ist auch erheblich von situativen Einflüssen abhängig, die<br />

Belästigung sollte jedoch als eine übergreifende Beeinträchtigung erfasst werden. All<br />

80


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

dies spricht für die Verwendung des Leq als dem traditionellen Maß in der bisherigen<br />

wissenschaftlichen Literatur.<br />

In der so genannten Synopse (GRIEFAHN et al. 2002) wurde als kritischer<br />

Toleranzwert zur Vermeidung erheblicher Belästigung ein Leq von 65 dB(A)<br />

empfohlen. Dieser Wert zwingt zu Maßnahmen. Seitens der Autoren dieser Synopse<br />

wird ein präventiver Richtwert von 62 dB(A), der grundsätzlich einzuhalten ist,<br />

angesetzt. Als ein Schwellenwert wird in der Synopse ein Leq von 55 dB(A)<br />

angegeben, den man durchaus als langfristige Zielvorstellung verstehen kann. Dies<br />

heißt jedoch nicht, dass in diesem Bereich ein Schädigungscharakter entsprechend<br />

BImSchG vorhanden wäre. Mit dieser Zielvorstellung wird dem grundsätzlichen<br />

Lärmminderungsgebot Rechnung getragen.<br />

Dies entspricht weitgehend auch dem Vorschlag des Sachverständigenrates für<br />

Umweltfragen (1999), der einen Leq von 65 dB(A) gegenwärtig als angemessen<br />

ansieht, jedoch mittelfristig einen Wert von Leq von 62 dB(A) anstrebt und langfristig<br />

empfiehlt zu prüfen, ob unter Abwägung auch anderer Gründe ein Leq von 55 dB(A)<br />

erreichbar ist. Im Mediationsverfahren Flughafen Frankfurt/Main wird ein Alarmwert<br />

von 65 dB(A) im stufenweisen Schutzkonzept zur Vermeidung gesundheitlicher<br />

Schäden angegeben, der nicht überschritten werden soll. Ein Schwellenwert von 62<br />

dB(A) sollte zur Vermeidung erheblicher Belästigungen nicht überschritten werden<br />

und ein Wert von <strong>60</strong> dB(A) sollte aus Vorsorgegründen als Obergrenze angestrebt<br />

werden.<br />

81


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

8. Schutzziel: Vermeidung von Kommunikationsstörungen durch Lärm<br />

Schall bestimmter Intensität, Frequenz und Zeitmerkmalen beeinträchtigt die<br />

Kommunikation und das Kommunikationsverhalten von Menschen. Es können<br />

kurzfristige wie auch langfristige negative Wirkungen auftreten. Insbesondere aus<br />

labor- aber auch arbeitsbezogenen Untersuchungen liegen vielfältige Ergebnisse zu<br />

den Abhängigkeiten der Kommunikationsstörungen durch Lärm vor. Diese<br />

Kommunikationsbeeinflussungen werden sowohl für den Innen- als auch für den<br />

Außenraum in die Betrachtung einbezogen.<br />

Kommunikationsbeeinträchtigungen betreffen das Hören und Verstehen, das<br />

Sprechen und auch den Spracherwerb. Störungen der Kommunikation können zu<br />

Informationsverlusten, Fehlinformationen, Verlängerung der Kommunikationsdauer,<br />

Zunahme der Hör- und Sprechanstrengung führen. Die Güte einer Kommunikation ist<br />

abhängig von den Eigenschaften der Kommunizierenden und den Bedingungen,<br />

unter denen Kommunikation abläuft. Zu den Eigenschaften der Kommunizierenden<br />

gehören neben dem Hörvermögen u.a. der Sprachpegel, die Sprachfrequenz, die<br />

Sprachverständlichkeit (Mutter- oder Fremdsprache). Beeinflussende Bedingungen<br />

sind z. B. die Raumbeschaffenheit, der Sprecher-Hörer-Abstand, Pegel sowie<br />

Frequenz und Zeitcharakteristik eines Störgeräusches.<br />

Die Sprechpegel richten sich nach Situation und Bedingungen.<br />

Nach ISO 9921 (Assessment of Speech Communication) liegen die Sprachpegel für<br />

Kommunikation in 1 m Entfernung für eine normale Sprache bei <strong>60</strong> dB(A), für<br />

angehobene 66 dB(A), für laute bei 72 dB(A). Auch bei SPRENG (1994) finden sich<br />

ähnliche Werte: ruhig, Privatbereich 48 dB(A), ruhig, normal Privatbereich 54 dB(A),<br />

normal <strong>60</strong> dB(A), angehoben 66 dB(A), laut 72 dB(A), sehr laut 78 dB(A), Schreien<br />

84 dB(A), maximales Schreien 90 dB(A).<br />

Demnach liegt der Sprachpegel bei ruhiger Sprechlautstärke zwischen 50 und 55<br />

dB(A), bei normaler zwischen 55 und 63 dB(A), bei angehobener zwischen 62 und<br />

68 dB(A). Wenn die Sprache angehoben wird und Schreien mit Pegelwerten<br />

oberhalb von 70 – 80 dB(A) erforderlich ist, findet man bei einer Analyse auch im<br />

Frequenzspektrum eine Verschiebung sowie ein Abflachen der Sprachmelodie und<br />

der Sprachdynamik. Dadurch kommt es zu verzerrter Sprache mit Einschränkungen<br />

82


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

für die Sprachverständlichkeit. Diese reduziert sich bei Anstieg des Sprechpegels um<br />

10 dB(A) um etwa 15 – 40 %. In den angegebenen Bereichen der Sprechlautstärke<br />

50 - 68 dB(A) liegen die höchsten Terzbandpegel zwischen 250 und 630 Hz. Erst<br />

wenn die Sprechlautstärke lauter wird oder in Schreien übergeht, (70 - 78 dB(A) bzw.<br />

80 bis 95 dB(A)), verschiebt sich der Frequenzbereich mit dem höchsten<br />

Terzbandpegel auf 630 bis 1250 Hz. Zur Kompensation des Abstandes zwischen<br />

Signal (Sprechen) und Störgeräusch müsste das Signal (Sprechen) noch um etwa 5<br />

dB(A) lauter sein, damit diese extrem laute Sprache mit gleicher<br />

Sprachverständlichkeit aufgenommen und wie die normal gesprochene Sprache<br />

verstanden wird. Ebenso ist in solchen Situationen ein Absinken der<br />

Sprechgeschwindigkeit um etwa 20 % zu bemerken, wodurch zwar bei geringen und<br />

mittleren Sprechlautstärken bessere Erkennung möglich ist, jedoch bei lauter<br />

Sprache durch Veränderung der zeitlichen Wortstruktur und in Folge der<br />

Artikulationen die Unterscheidungsmöglichkeit im allgemeinen negativ beeinflusst<br />

wird. Solche Störungen sind besonders bedeutsam für Hörgestörte oder<br />

Hörgeräteträger.<br />

Für eine enge Kommunikation wird von einem 1-Meter- und für eine familiäre<br />

Kommunikation von einem 4-Meter-Abstand ausgegangen. Der Lärmpegel als<br />

Störschallpegel oder der Sprechpegel sind nur zwei von vielen Einflussfaktoren für<br />

die Sprachverständlichkeit. Sie sind Hilfsgrößen, um den Außenpegel bei<br />

Verkehrslärmbelastung entsprechend bewerten zu können.<br />

Entscheidend für die Sprachverständlichkeit ist unter anderem der Signalgeräusch-<br />

abstand. Nach ISO 9921 beträgt dieser für eine sehr gute/exzellente<br />

Sprachverständlichkeit ≥ 7,5 dB(A), für eine gute ≥ 3,0 dB(A). LAZARUS (2002) gibt<br />

nach neueren Erkenntnissen Abstände von 12 bis 14 dB(A) bzw. ≥ 7,5 dB(A) für eine<br />

sehr gute/gute Sprachverständlichkeit, SPRENG (1994) für Normalhörende 6 bis 18<br />

dB(A) an.<br />

Neben der Beeinträchtigung des Sprachverständnisses wird auch das<br />

Störungserleben einer Kommunikation als Kriterium angewandt. GRIEFAHN et al<br />

(2001) schließen aus Feldstudien an Flughäfen, die in verschiedenen Ländern von<br />

1980 bis 1998 durchgeführt werden, auf einen Tagesmittelungspegel von Leq = <strong>60</strong>,2<br />

dB(A), bei dem etwa 30 % der Betroffenen in der Kommunikation stark gestört sind.<br />

83


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Die Ableitung von empfohlenen Begrenzungswerten gegen Störungen der<br />

Kommunikation resultiert aus experimentellen wie auch Felduntersuchungen.<br />

Experimentelle Untersuchungen haben den Nachteil, dass sie nicht die üblicherweise<br />

vorhandene Lebenssituation simulieren können, in der auch die für die<br />

Kommunikation notwendigen Anpassungsvorgänge ablaufen oder abgelaufen sind.<br />

Der Vorteil ist, dass die Bedingungen standardisiert verändert werden können.<br />

Felduntersuchungen, meist Befragungen, in den wenigsten Fällen Verhaltens- und<br />

Handlungsanalysen, erfassen neben Kommunikationsbeeinträchtigungen häufig<br />

auch andere Störungen und Belästigungen.<br />

Die Momentanpegel spielten in der wissenschaftlichen Literatur bei<br />

Kommunikationsstörungen eine deutlich geringere Rolle. Verwertbare Ergebnisse<br />

aus dem häuslichen Umfeld liegen nicht vor. In der DIN 33410 wird eine<br />

Sprachverständlichkeit für den Arbeitsbereich angenommen, wenn in Innenräumen<br />

ein Lmax von ≤ <strong>60</strong> bzw. 54 dB(A) für Abstände von 1 bis 4 Metern gegeben ist. Für<br />

den Fluglärm muss berücksichtigt werden, dass bei einer Überflugdauer von um die<br />

30 bis 40 Sekunden die Maximalpegel nur wenige Sekunden dauern. Das hat für die<br />

Kommunikation bestimmte Vorteile, es können jedoch auch erheblich höhere Pegel<br />

bei sehr lauten Flugzeugen auftreten. Deshalb ist auch die Frage der Rolle der<br />

Maximalpegel zu diskutieren. In experimentellen Untersuchungen wurde ihre<br />

Bedeutung für Kommunikationsstörungen untersucht. Epidemiologische<br />

Untersuchungen zu Maximalpegeln und ihren bleibenden Störeffekten liegen<br />

dagegen weitgehend nicht vor. Störeffekte für Radio/TV beschrieben RYLANDER et<br />

al. (1980) bei Lmax = 75 dB(A) und für das Telefonieren bei Lmax = 78,5 dB(A). Bei<br />

Sprachpegeln über 20 dB ist bei gewohnter Sprache eine 50%-ige<br />

Sprachverständigkeit gegeben, wenn die gesprochenen Sätze 8 dB unter dem<br />

Störgeräuschpegel betragen. Bei schwierigen Texten, Fremdsprachen, ungewohnten<br />

Sprachpartnern verringert sich die Verständlichkeit deutlich auf 50 bis 70 %. Die<br />

Effekte von Maximalpegeln sind jedoch erheblich von situativen Effekten abhängig,<br />

so dass im Allgemeinen bei der Umsetzung dieses Schutzzieles auf die<br />

energieäquivalenten Dauerschallpegel zurückgegriffen werden sollte.<br />

84


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Trotz der geringen Dauer der Maximalpegel wird die Störwirkung durch Fluglärm<br />

gegenüber Straßenlärm als höher eingeschätzt. Das liegt vor allem an dem<br />

intermittierenden Charakter und psychischen Bewertungen.<br />

Für das Schutzziel Kommunikation wird zwischen Innen- und Außenpegel<br />

unterschieden. Für Außenwohnbereiche können die für den Innenraum geltenden<br />

kritischen Werte nicht herangezogen werden, weil hier Freifeldbedingungen<br />

herrschen, die im Inneren nicht gegeben sind. Auch kann an die Sprachqualität im<br />

Außenbereich nicht der strenge Maßstab angelegt werden, der für den Innenbereich<br />

notwendig ist.<br />

Von SPRENG (1994) werden verschiedene tolerable Innengeräuschpegel für gutes<br />

bis sehr gutes Sprachverstehen aufgestellt. Es wird dabei zwischen enger<br />

Kommunikation (1 m Abstand) mit einem Kommunikationspegel von 57 dB(A), eine<br />

familiäre Kommunikation in 4 m Abstand mit normal-/angehobener Stimme und<br />

einem Kommunikationspegel von 63 dB(A) sowie eine schulische Kommunikation im<br />

10-Meter-Abstand mit angehobener Stimme bei einem Kommunikationspegel von 69<br />

dB(A) unterschieden. SPRENG gibt für diese Kommunikationsformen je nach der Art<br />

von Personengruppen Signalstörverhältnisbereiche zwischen 6 und 31 dB an.<br />

Deshalb wird auch empfohlen, für unterschiedliche Personengruppen (siehe unten)<br />

auch unterschiedliche mittlere tolerable Innengeräuschpegel anzusetzen.<br />

Schlussfolgerung für Begrenzungswerte<br />

Als Außenwert für befriedigende bis ausreichende Kommunikation bietet sich<br />

aufgrund der vorhandenen Untersuchungsergebnisse für den Tag als kritischer<br />

Toleranzwert ein Lm von 62 dB(A) an. Für den Innenraum lassen sich<br />

Mittelungspegel von 45 dB(A) als kritische Toleranzwerte angeben. Der Außenwert<br />

entspricht dem präventiven Wert für die Einschränkung der erheblichen Belästigung.<br />

Störpegel für den Außenbereich zu einer noch tolerierbaren Nutzung liegen bei etwa<br />

68 dB(A) (LAZARUS 1990, SPRENG 1994). Bei vier Meter Sprechabstand liegt dies<br />

etwa bei 56 dB(A). Daraus kann man ableiten, dass als kritischer Wert für eine<br />

befriedigende und ausreichende Kommunikation ein Störpegel von 62 dB(A)<br />

anzunehmen ist.<br />

85


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Es sollte jedoch, um den Forderungen des SRU nach deutlicher Unterschreitung<br />

dieser kritischer Toleranzwerte zu genügen, ein präventiver Tages-Richtwert (außen)<br />

für befriedigende Kommunikation von 59 dB(A) am Tage und ein präventiver<br />

Richtwert von 40 dB(A) innen (für gute Kommunikation) eingehalten werden. Auch<br />

der Arbeitskreis für Lärmwirkungsforschung beim Umweltbundesamt empfahl bereits<br />

1985 einen Innengeräuschpegel von 40 dB(A) für gutes bis sehr gutes<br />

Sprachverständnis bei familiärer Kommunikation. Die Bedingungen für eine sehr gute<br />

bis gute Kommunikation im Innenraum lassen sich individuell natürlich besser<br />

beeinflussen als im Außenfeld. Nach den oben genannten Dämmmaßen sind sie<br />

sowohl bei Spaltlüftung, aber insbesondere auch bei geschlossenem Fenster<br />

möglich. Für den Zeitraum mit hohen Anforderungen an die Kommunikationsgüte ist<br />

dies durchaus zumutbar. Der präventiv angegebene Wert von 59 dB(A) im<br />

Außenbereich für eine akzeptable Kommunikation liegt zwischen dem für den<br />

familiären Bereich oben angegebenen Störpegelwert von 56 dB(A) und dem<br />

kritischen Wert von 62 dB(A). Unter dem Aspekt der Anpassbarkeit der<br />

Kommunikationsentfernungen ist dies vertretbar.<br />

Besonders betroffen durch schlechte Kommunikationsbedingungen sind<br />

Hörgeräteträger. Gerade bei ihnen ist der Signal-Störgeräusch-Abstand besonders<br />

relevant, da durch das Hörgerät sowohl Sprach- als auch Störschall verstärkt<br />

werden, wodurch die Sprachverständlichkeit erheblich absinkt. Ebenfalls<br />

Altersschwerhörige und Schwerhörige werden durch einen geringen Signal-<br />

Störgeräusch-Abstand stärker beeinträchtigt. Auch Säuglinge und Kleinstkinder<br />

sollen besonders störanfällig sein. Kleinkinder und Schulkinder werden bei den<br />

schutzbedürftigen Bereichen nochmals behandelt. Die präventiv orientierten<br />

Richtwerte beinhalten auch teilweise die besondere Betroffenheit, sie können<br />

natürlich nicht alle Einzelfälle berücksichtigen, da sie auf Bevölkerungsgruppen<br />

ausgerichtet sind.<br />

86


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

9. Schutzziel: Vermeidung von Leistungsstörungen durch Lärm<br />

Mit den Kommunikationsstörungen eng verbunden – jedoch nicht ausschließlich<br />

durch sie bedingt – sind Leistungsbeeinträchtigungen sowohl in der Arbeit als auch in<br />

der Freizeit. Eine besondere Betroffenheit kann in Schulen und Kindergärten<br />

auftreten, so dass diese Gruppe demnach auch einer besonderen Betrachtung<br />

unterzogen wird. Aber auch für den Arbeitsbereich können Lärmwirkungen negative<br />

Auswirkungen auch durch Umweltlärm haben.<br />

Mechanismen zur Leistungsbeeinflussung durch Lärm können vielgestaltig sein. Neben<br />

Lästigkeitsempfindungen und Beeinflussungen der Motivation tragen auch Aktivitätssteigerungen<br />

sowie Kommunikationsstörungen zur Leistungsbeeinträchtigung<br />

durch Lärm bei.<br />

Die zur Problematik Lärm und Leistung vorliegenden Untersuchungsergebnisse<br />

betreffen eine Reihe von lärmbeeinflussbaren Funktionsbereichen: Vigilanz und<br />

selektive Aufmerksamkeit, Lesen, Gedächtnis, komplexe Informationsverarbeitung,<br />

sensomotorische Steuerung u.a. (GUSKI 1997, EVANS 1998, HYGGE et al. 1998,<br />

MEIS 1998, SCHICK et al. 1999).<br />

Da jede anspruchsvolle Tätigkeit mit Konzentration auf die wesentlichen<br />

Informationsinhalte verbunden ist, bedeutet eine Störung der Konzentration sowie<br />

der Vigilanz und der selektiven Aufmerksamkeit eine Verschlechterung der<br />

Leistungen. Die mit der Arbeitsaufgabe verknüpften Wissensbestände müssen in der<br />

Regel aus dem Gedächtnis abgerufen werden, um zu einem angemessenen und<br />

fehlerfreien Resultat zu gelangen. Dies gilt für eine Vielzahl von Tätigkeiten, nicht nur<br />

im Büro oder im Unterricht.<br />

Die Mechanismen der Leistungsbeeinflussung durch Schall sind unterschiedlich.<br />

Durch Schall werden auch Bewältigungsmechanismen ausgelöst, die dazu führen,<br />

dass das Leistungsergebnis selbst nicht ungünstiger zu sein braucht, möglicherweise<br />

der Aufwand jedoch zur Erreichung dieses Ergebnisses steigt. Zum anderen kann<br />

Schall auch durch seinen Verdeckungseffekt und damit die Ausblendung von<br />

intermittierenden Störgeräuschen zu einer Leistungsverbesserung führen.<br />

87


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Neben den unmittelbaren Auswirkungen von Lärm auf das Leistungsergebnis werden<br />

auch Nachwirkungen z, B, eines gestörten Schlafes diskutiert. Die DLR-Studie zu<br />

den Nachtfluglärmwirkungen (BASNER et al. 2004) beschrieb sowohl bei den Labor-<br />

als auch bei den Felduntersuchungen keine wesentlichen Wirkungen des<br />

unterschiedlichen Nachtfluglärms auf die untersuchten Leistungsbereiche am<br />

Folgetag.<br />

Zur Frage der Leistungsminderung durch Lärm wird auch in den Abschnitten zur<br />

Kommunikation, zur Belästigung, zur Arbeit sowie zu den schutzbedürftigen<br />

Bereichen, insbesondere den Schulen und Kindergärten, eingegangen. Zusätzliche<br />

Begrenzungswerte für das spezielle Erreichen einer Leistung ergeben sich nicht, sie<br />

werden durch die anderen Begrenzungswerte abgedeckt. Das betrifft vor allem<br />

Begrenzungswerte, die zur Vermeidung erheblicher Belästigung wie auch zur<br />

Verminderung von Kommunikationsstörungen aufgestellt worden sind, außerdem<br />

werden besondere Begrenzungswerte für Schulen und Kindergärten empfohlen.<br />

88


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

10. Schutzziel: Vermeidung der Störung der Erholung<br />

Wohnen dient auch der Erholung. Für bestimmte Bereiche mit speziellen<br />

Erholungsaktivitäten sind gesonderte Betrachtungen notwendig. Deshalb gehen<br />

Erholungsaspekte sowohl in die anderen Schutzziele ein, sie werden jedoch auch<br />

gesondert betrachtet.<br />

Dass Schall, insbesondere unerwünschter Lärm, die Erholung beeinträchtigen kann,<br />

ist selbstverständlich. Zum anderen werden gerade in der Erholung lärmintensive<br />

Bereiche und Aktivitäten gesucht, so dass es nicht um den Schallpegel an sich geht,<br />

sondern die Erholungsaktivitäten im Zusammenhang mit einer Situation und den<br />

Wünschen des Individuums zu sehen sind.<br />

Insgesamt sind Untersuchungen unter dem Aspekt der Festlegung von Grenz- oder<br />

Schwellenwerte bei Fluglärm gegen Erholungsbeeinträchtigungen sehr selten.<br />

Die Störungen von Ruhe und Erholung korrelieren mit dem Lärmpegel geringer, als<br />

das für die Belästigung und Kommunikationsstörung zutrifft. Das liegt u. a. daran,<br />

dass die Erholungszeiten sich auf bestimmte Tagesabschnitte konzentrieren und der<br />

Mittelungspegel die Schallbelastung am gesamten Tag widerspiegelt. Werden nur die<br />

Mittelungspegel in den Abendstunden verwandt, so ergeben sich engere<br />

Beziehungen zur Erholungsstörung, insbesondere in den Wohngebieten (GUSKI<br />

1991). Auch KASTKA (1999) berichtet, dass die Störungen in der Erholung in den<br />

Abendstunden am häufigsten sind. Deshalb hat die Europäische Union als<br />

Beurteilungspegel den so genannten LDEN empfohlen, der die Abendstunden mit 5<br />

dB(A) Aufschlag besonders hervorhebt. Es soll an dieser Stelle nicht auf die<br />

Problematik des LDN und LDEN eingegangen werden.<br />

Auch unter dem Gesichtspunkt der Erholung ist eine getrennte Betrachtung der Tagund<br />

Nachtbelastung zu bevorzugen. Ein über 24 Stunden errechneter<br />

Mittelungspegel, der auch eine unterschiedliche tageszeitliche Wertung hat, wie der<br />

LDN lässt eine realitätsgerechte Beurteilung der Lärmwirkung nicht zu. Außerdem<br />

widerspiegelt er dann nicht die tatsächliche Belastung über diesen Zeitraum.<br />

89


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Bisherige Ergebnisse der Lärmwirkungsforschung beruhen überwiegend auf anderen<br />

Belastungsgrößen.<br />

Schutzziele, wie Vermeidung von Krankheiten, Belästigung, Schlafstörungen,<br />

beinhalten stets eine prognostische Aussage zu längerfristigen Wirkungen,<br />

Forschungsergebnisse widerspiegeln die im Allgemeinen vorhandenen Beziehungen<br />

zu Lärmpegeln. Bei der Interpretation zur Ableitung von Begrenzungswerten wird<br />

davon ausgegangen, dass die Betroffenen ständig in solchen Bereichen leben. Bei<br />

der Nutzung von Erholungsgebieten sowie von Erholungsaktivitäten ist die Situation<br />

jedoch anders. Sie werden zeitweilig aufgesucht bzw. durchgeführt. Deshalb ist ein<br />

Schluss auf die Störung dieser Erholungsbetrachtung z. B. zur Gesundheit nicht<br />

möglich. Wissenschaftliche Erkenntnisse liegen nicht vor. Ebenso gibt es nahezu<br />

keine Erkenntnisse zur Beeinträchtigung von bestimmten unterschiedlichen<br />

Erholungsaktivitäten durch Fluglärm.<br />

Die empfundene Störung der Erholung in Erholungsgebieten und bei<br />

Erholungsaktivitäten hängt erheblich von der Art der Aktivitäten ab, zeigt auch<br />

Unterschiede bei gleichen Pegeln in unterschiedlichen Bereichen (ANDERSON et al.<br />

1993). Dosis-Wirkungs-Beziehungen lassen sich schwierig nachweisen (FIDELL et<br />

al. 1996). GJESTLAND et al. (1990) finden bei Befragungen u. a. zur Störung der<br />

Erholung bei Tagespegeln zwischen 50 und 55 dB(A) etwa 10 % Gestörter. Bei etwa<br />

<strong>60</strong> dB sind es 20 %, bei 65 dB etwa 30 %.<br />

Die Untersuchung von Gjestland (1990) untersucht nicht die Erholungsfunktion selbst<br />

– dazu gibt es für Fluglärm keine Untersuchungen -, sondern die subjektiven<br />

Angaben zu einer Störung der Erholung. Auffallend in dieser Untersuchung ist, dass<br />

die Erholung weitaus geringer störbar ist als die Kommunikation innen und außen bei<br />

gleichen Pegeln. Insbesondere bei Pegeln über 57 dB(A) verstärkt sich die Differenz<br />

der gestörten Personen zwischen Erholung und Kommunikation. Ca. 8 % der<br />

Befragten sind unabhängig vom Pegel immer gestört. Bei Leq 50 dB(A) bis etwa 58<br />

dB(A) sind etwa 10 % der Befragten in ihrer Erholung gestört, unter 40 dB(A), was<br />

am Tag einer leisen Umgebung entspricht, bereits 8 %.<br />

90


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Trotz dieser sehr ungünstigen wissenschaftlichen Datenlage sollte auch das<br />

Schutzziel Erholung in die Betrachtung einbezogen werden. Hierfür kommen nur<br />

energieäquivalente Dauerschallpegel und keine Maximalpegel in Frage.<br />

Maximalpegel in ihrer Störung sind erheblich von den situativen Gegebenheiten und<br />

der ausgeübten Aktivität abhängig. Deswegen lassen sich keine pauschalen<br />

Orientierungen ableiten. Erholungsaktivitäten im Innenraum werden durch die<br />

Begrenzungswerte für die Reduzierung erheblicher Belästigung und der Realisierung<br />

einer guten Kommunikation berücksichtigt. Deshalb sollten nur für den Außenraum<br />

zusätzliche Begrenzungswerte vor allem in erholungsbezogenen Gebieten zur<br />

Bewertung herangezogen werden.<br />

Erholungsaktivitäten sind deutlich eingeschränkt, wenn die energieäquivalenten<br />

Dauerschallpegel Leq am Tag über 16 Stunden 64 dB(A) überschreiten. Dann sind<br />

etwa 25 bis 30 % in den Erholungsaktivitäten gestört. Erstrebenswert unter<br />

präventiven Gesichtspunkten wäre für die spezielle Problematik der Erholung ein Leq<br />

von 57 dB(A). Dies wäre insbesondere für spezielle Erholungsgebiete zu empfehlen.<br />

Hier können etwa 10 bis 15 % von Personen angenommen werden, die eine<br />

Erholungsstörung angeben bei Befragungen. Bei solchen Pegeln ist auch die<br />

Verhältnismäßigkeit gegenüber anderen Schalleinflüssen während einer<br />

Erholungstätigkeit gewahrt. Dabei ist die Erholung gegenüber dem Schutz vor<br />

erheblicher Belästigung nachgeordnet.<br />

91


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

11. Zusammenfassende Darstellung von Einflussfaktoren auf die<br />

Wirkungen von Lärm<br />

Bei den bisherigen Argumentationen wurde häufig auf die Uneinheitlichkeit<br />

wissenschaftlicher Ergebnisse zu Lärmwirkungen, auf die Komplexität und<br />

Multikausalität der diskutierten Effekte von Lärm, auf noch vorhandenen<br />

Forschungsbedarf hingewiesen. Deshalb sollen zusammenfassend mögliche<br />

Einflussfaktoren auf die gesundheitliche und psychische Wirkung von Lärm<br />

dargestellt werden.<br />

Die Empfindlichkeit oder Widerstandsfähigkeit gegenüber Lärmeinwirkungen ist von<br />

Individuum zu Individuum und auch bei dem einzelnen Individuum in Abhängigkeit<br />

von seinem aktuellen Zustand sowie von Umgebungsbedingungen erheblich<br />

unterschiedlich. Die Bewältigung von Lärm hängt von vielen Faktoren ab. Das<br />

erschwert allgemein gültige Regelungen für Grenzwerte von Lärm und forciert die<br />

Diskussion um Lärm. Deshalb ist es Aufgabe der Gesellschaft und ihrer<br />

Gesetzgebung zu definieren, welche Beeinträchtigungen und Störungen zu tolerieren<br />

sind. Ein Nullrisiko gibt es bei Lärm nicht.<br />

In der wissenschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl akustischer und nicht<br />

akustischer Einflussfaktoren auf die Wirkung von Lärm diskutiert, teilweise auch mit<br />

widersprüchlichen Ergebnissen. Wesentliche Einflussfaktoren wurden in Tab. 11<br />

zusammengefasst. Sie sind sowohl unter dem Gesichtspunkt der physiologischen,<br />

psychologischen als auch der pathologischen Lärmwirkungen zu sehen. Sie sollen<br />

nicht im Einzelnen diskutiert werden, auf eine Reihe dieser Faktoren wurde bereits in<br />

einzelnen Kapiteln hingewiesen.<br />

92


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tab. 11: Diskutierte Einflussfaktoren auf Lärmwirkungen<br />

Schallgebundene Faktoren<br />

h Frequenzzusammensetzung<br />

h Lautstärke, Schalldruck<br />

h Impulshaltigkeit (Anstiegsschwelle)<br />

h zeitliche Faktoren der Einwirkung<br />

- Expositionsdauer/Lärmpause<br />

- zeitliche Abfolge (rhythmisch oder stochastisch)<br />

h Pegelschwankungen zwischen Grund- und Maximalpegel (Modulationstiefe)<br />

Nichtakustische Faktoren<br />

h Vorerfahrung mit dem betreffenden Geräusch<br />

h Wissen um die Vermeidbarkeit des Lärms<br />

h individuelle Geräuschempfindlichkeit<br />

h positive/negative Einstellung zur Schallquelle (emotionale Wertigkeit)<br />

h Informationsgehalt des Schalls<br />

h Sichtkontakt zur Lärmquelle<br />

h Aktuelle Situation der Person<br />

- Gesundheitszustand<br />

- Interferenz mit beabsichtigten Tätigkeiten<br />

- Einstellung und Motivation zur gegenwärtigen Tätigkeit<br />

- physische und psychische Verfassung<br />

- aktuelle Informationsverarbeitungsanforderung<br />

h Habituelle Situation der Person<br />

- Alter<br />

- sozioökonomischer Status<br />

- Bildung<br />

- Hauseigentümer im lärmbetroffenen Gebiet<br />

- Geschlecht<br />

- Persönlichkeitseigenschaft/Bewältigungsverhalten<br />

h Gewöhnung<br />

93


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Eine wesentliche Rolle hinsichtlich des Ausmaßes der Diskussion um Lärmwirkungen<br />

sowie der subjektiven Parameter von Lärm spielen auch die Glaubwürdigkeit und<br />

damit die reale Information des Flughafens, das Vertrauen in Behörden, die<br />

Einbeziehung der Bevölkerung in bestimmte Informations- und<br />

Entscheidungsprozesse, die Stellung des Flughafens in der Region. Demnach spielt<br />

auch das Management im Umgang mit Risiken durch den Flughafenbetrieb eine<br />

wesentliche Rolle.<br />

94


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

12. Vorschläge für Bewertungsgrenzen gegen Fluglärm<br />

12.1 Prinzipien für Bewertungsgrenzen<br />

Bei der Diskussion zu bisherigen Ergebnissen hinsichtlich der aufgeführten<br />

Schutzziele wurde bereits auf Begrenzungswerte eingegangen. Im Folgenden soll<br />

zusammenhängend das angewandte Schutzkonzept dargestellt werden.<br />

Der Deutsche Bundestag forderte in seinem Beschluss vom 02.09.1998 die<br />

Festlegung von Zumutbarkeitsgrenzen, Schutzzonen, Eingriffsschwellen. MASCHKE<br />

(1997) spricht von „Effektschwellen“. In der Rechtsprechung werden teilweise durch<br />

die Lärmwirkungsforschung vorgeschlagene Begrenzungswerte als<br />

„Handlungsschwellen“ oder „Eingriffsschwellen“ bezeichnet.<br />

Der Umweltrat empfiehlt in seinem Sondergutachten von 1999 kurzfristig, mittelfristig<br />

und langfristig anzuwendende Immissionsbegrenzungswerte. Die kurzfristigen sind<br />

einzuhalten, bei den mittelfristigen soll unter Vorsorgeaspekten dieses Ziel<br />

angestrebt werden und langfristig soll unter Berücksichtigung des technisch<br />

Machbaren und wirtschaftlich Tragbaren eine Lärmminderung entsprechend dieser<br />

Immissionswerte geprüft werden. In seinem Gutachten von 2002 verließ der<br />

Umweltrat jedoch diese Linie und übernahm die Vorschläge von ORTSCHEID und<br />

WENDE (2000). Diese gehen von „Belastungsbereichen“ aus, „ die aus der Sicht der<br />

Lärmwirkungsforschung im Sinne von Schwellenbereichen besonders beachtet<br />

werden müssen“ (S.31). Dann werden jedoch keine Bereiche sondern einzelne<br />

dB(A)-Pegel als Begrenzungswerte angegeben. Diese scheinbar als Schwellenwerte<br />

gedachten Pegel werden für die erhebliche Belästigung, für<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen, die nicht mehr auszuschließen sind, und für<br />

Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu<br />

erwarten sind, formuliert (S.31, Zusammenfassende Bewertung...: Qualitätsziele).<br />

Verwirrend ist, dass in der Zusammenfassung dieser Schrift bei den nicht<br />

auszuschließenden Gesundheitsbeeinträchtigungen noch der Zusatz „aus<br />

präventiv<strong>med</strong>izinischer Sicht“ erscheint. Ist ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor<br />

berücksichtigt? Auf alle Fälle ist die Verwendung des Begriffes „Schwelle“ nicht<br />

definiert.<br />

95


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Die nachfolgenden Kriterien für die Bewertung von Fluglärm beruhen auf dem bereits<br />

eingangs genannten Schutzkonzept bei wesentlichen Änderungen oder Neuanlagen<br />

von Flughäfen/Flugplätzen, was 2002 durch GRIEFAHN, JANSEN, SCHEUCH und<br />

SPRENG erarbeitet wurde (Z. f. Lärmbekämpfung 49, 5, 171-175, 2002).<br />

Mit einer abgestuften Wertung von Beurteilungsgrenzen soll mehr Klarheit in die<br />

unterschiedliche Terminologie von diskutierten Begrenzungswerten von Flughäfen<br />

gebracht werden und zum anderen mehr Klarheit bei der Risikobeurteilung von<br />

Fluglärm auf wissenschaftlicher Basis erreicht werden.<br />

Grundsätzlich wird in diesem Konzept von dem Minimierungsauftrag umweltbedingter<br />

Lärmeinflüsse ausgegangen. Dies bedeutet, dass die vorgeschlagenen<br />

Bewertungsgrenzen Vorschlagscharakter besitzen und wissenschaftlich ständig<br />

hinterfragt werden müssen.<br />

Der Begriff Grenzwert wird vermieden, da er Gesetzes- und Verordnungsvorschriften<br />

vorbehalten bleiben sollte.<br />

Es wird von einer Hierarchie der Begrenzungswerte ausgegangen:<br />

Kritischer Toleranzwert:<br />

Gesundheitsgefährdungen und/oder -beeinträchtigungen sind nicht mehr<br />

auszuschließen. Die wissenschaftliche Begründung der Lärmwirkung ist vorhanden,<br />

oder es besteht ein ausreichender, wissenschaftlich begründeter Verdacht.<br />

Diese Toleranzwerte sind zu unterschreiten. Ihre Überschreitungen zwingen zu<br />

Maßnahmen der Lärmminderung.<br />

Präventiver Richtwert:<br />

Es handelt sich um einen Vorsorgewert, bei dessen Einhaltung<br />

Gesundheitsgefährdungen weitgehend ausgeschlossen sind. Beeinträchtigungen<br />

und Störungen können insbesondere bei sensiblen Gruppen auftreten. Die<br />

wissenschaftliche Begründung ist plausibel.<br />

Sie sollten grundsätzlich nicht überschritten werden. Bei Überschreitung besteht<br />

Handlungsbedarf.<br />

96


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Unter dem Minimierungsgebot sollten Schwellenwerte langfristig angestrebt werden.<br />

Schallimmissionen im Bereich des Schwellenwertes führen zu deutlichen<br />

physiologischen und psychologischen Veränderungen, die im jeweiligen<br />

Normbereich ablaufende Anpassungs- und Bewältigungsprozesse auslösen.<br />

Die Veränderungen sind nachgewiesen, eine wissenschaftliche Prognose über<br />

Langzeiteffekte ist beim heutigen Wissensstand noch nicht möglich.<br />

Ein unmittelbarer aktueller Handlungsbedarf für Flughäfen/Flugplätze ergibt sich aus<br />

diesen Werten nicht.<br />

In den Bereich zwischen Schwellenwerten und Präventiven Richtwerten können<br />

Begrenzungswerte für schutzbedürftige Bereiche eingeordnet werden.<br />

Im Bereich des Schwellenwertes ordnet sich Lärm in das normale Risiko<br />

menschlichen Lebens ein.<br />

Unser Grundverständnis von Schwellenwerten geht von der Normalität von<br />

Wirkungen in diesem Bereich aus. Zur Bewältigung von Anforderungen und zur<br />

eigenen Entwicklung stehen dem Lebewesen physiologische und psychologische<br />

Anpassungskapazitäten und Anpassungsmechanismen zur Verfügung. Diese<br />

werden durch das vegetative Nervensystem, das endokrine, motorische und<br />

immunologische System realisiert, wobei auch kognitive sowie emotionale Prozesse<br />

eingeschlossen sind. Bei Anforderungen und Belastungen, die ein bestimmtes<br />

individuelles Maß übersteigen, kommt es zur Aktivierung solcher Prozesse, die erst<br />

einmal dazu führen, dass das Gleichgewicht körperlicher Funktionen gestört wird, um<br />

zielgerichtet und unspezifisch, d.h. unabhängig von der Art der Belastung, eine<br />

Reaktionsbereitschaft des Organismus zu schaffen. Auch die psychischen<br />

Funktionen führen zu einer Konzentration auf die entsprechenden auslösenden<br />

Anforderungen bzw. Belastungen. Das ist ein normaler psychophysiologischer Prozess,<br />

der durch die anschließende Kompensation dieser Veränderungen wieder zur<br />

Normalität, d. h. zum Gleichgewicht, zurückkehrt (siehe Kapitel 4).<br />

Ohne die Störungen dieses Gleichgewichtes gäbe es keine Entwicklung. Die Entwicklung<br />

eines Lebewesens wird durch die Auslenkung des körperlichen, psychischen<br />

und sozialen Gleichgewichtes und die daraufhin erfolgende Kompensation<br />

97


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

realisiert, um wiederum ein Gleichgewicht als Voraussetzung für eine funktionelle<br />

Optimalität zu erreichen.<br />

Das führt natürlich zu messbaren Veränderungen auch unter Lärm.<br />

Schwellen gibt es nicht nur für <strong>med</strong>izinisch relevante Schutzziele auf der Grundlage<br />

von somatischen Anpassungsvorgängen. Auch hinsichtlich der subjektiven Widerspiegelung<br />

von Schall, der Belästigung wie auch der Relevanz von Kommunikationsstörungen<br />

sind solche Schwellen festzulegen. In der von uns verwendeten Auffassung<br />

von Gesundheit kann man sich belästigt fühlen ohne dass die Fähigkeit beeinträchtigt<br />

ist, seine Umweltanforderungen zu bewältigen und sich selbst zu entwickeln.<br />

Belästigung kann als Auslöser zum Aneignen von Bewältigungsformen werden.<br />

Auch unterhalb der definierten Schwellen können physiologische und psychologische<br />

Reaktionen auftreten, z.B. aufgrund der individuellen Bedeutsamkeit des<br />

Schallereignisses, durch Richtungshören u.a.<br />

In der Synopse wird davon ausgegangen, dass prinzipiell seitens der Lärmwirkungsforschung<br />

der Auftrag zur Lärmminderung bei unserem gegenwärtigen<br />

Erkenntnisstand resultiert. Deshalb sind die Schwellenwerte als langfristige<br />

Zielorientierung genannt, nicht wegen eines Risikos, sondern für eine quantitative<br />

und vernunftbasierte Zielstellung. Zum anderen wissen wir, dass es nahezu keinen<br />

Schallpegel gibt, bei dem es nicht zu individuellen Reaktionen kommen kann. Auch<br />

zur Minimierung des Einzelrisikos für besonders schutzbedürftige Personen stellen<br />

diese Schwellenwerte nur eine Zielvorstellung dar. Deshalb wurde in der Synopse<br />

aufgeführt, dass Schwellenwerte unter dem Minimierungsgebot langfristig angestrebt<br />

werden sollen.<br />

Auch aus juristischer Sicht wird dieses Schutzkonzept unterstützt und als<br />

handhabbar eingeschätzt (DOLDE 2003, GIEMULLA und SCHORCHT 2004).<br />

Den auch international gebräuchlichen Beurteilungskriterien liegen jeweils<br />

Durchschnittwerte zu Grunde, entweder Mittelungspegel oder<br />

Maximalpegelhäufigkeiten in einem bestimmten Zeitraum, in der BRD in den sechs<br />

verkehrsreichsten Monaten. Diese können an einzelnen Tagen oder auch<br />

98


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

konzentriert über Wochen teilweise deutlich überschritten werden. Es besteht die<br />

Befürchtung, dass dadurch gesundheitliche oder andere lang dauernde Beeinträchti-<br />

gungen auftreten können. Dies führte auch zur Forderung, dass in unterschiedlichen<br />

Flugrichtungen die 100 : 100 % Berechnung erfolgen soll. Damit wird eine gewollte<br />

Überschätzung des tatsächlich vorhandenen Risikos vorgenommen. Dem ist aus<br />

Lärmwirkungssicht nicht zu widersprechen, obwohl es keinerlei wissenschaftliche<br />

Daten zur Untermauerung dieser These gibt und es durchaus durch die<br />

Übervorteilung von bestimmten Gebieten hinsichtlich Lärmschutz und<br />

Lärmmaßnahmen zu Komplikationen und zusätzlichen Belastungsfaktoren in<br />

anderen Bereichen kommen kann. Deshalb bevorzuge ich die Realverteilung plus die<br />

entsprechenden Standardabweichungen bei bestehenden Flughäfen oder einem Sicherheitszuschlag<br />

bei noch nicht bestehenden Flugplätzen. Durch die Bewertung der<br />

sechs verkehrsreichsten Monate wird ja bereits ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor<br />

eingebaut.<br />

Vom Flugverkehr kann nicht nur das Flugzeug in der Luft sondern auch auf dem<br />

Boden durch Rolllärm, Triebwerksprobeläufe, der Verkehr auf dem Flughafen<br />

belastend sein. Diese Geräusche werden von Betroffenen dem Flughafen<br />

zugeordnet und von mir als flughafenbedingter Lärm bewertet. Nahezu alle<br />

Wirkungsuntersuchungen – ob Belästigung oder gesundheitsrelevante Effekte, ob<br />

Kommunikations- oder Erholungsstörung – beziehen sich zur Ableitung von Dosis-<br />

Wirkungs-Beziehungen auf den gesamten Lärm, der von einem Flughafen ausgeht.<br />

Alles andere wäre eine willkürliche Trennung.<br />

12.2 Bewertungsgrenzen<br />

Flughäfen/Flugplätze<br />

und Eckwerte für Schallimmissionen um<br />

Im Folgenden werden nochmals die verwendeten Kriterien für ein Schutzkonzept bei<br />

der Berücksichtigung unterschiedlicher Schutzziele aus der so genannten Synopse<br />

dargestellt.<br />

99


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schutzziel: Vermeidung von Hörschäden<br />

Maximalpegel äquivalenter<br />

Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax = 115 dB(A) Leq,24h = 80 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Lmax = 95 dB(A)* Leq,24h = 75 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax = 90 dB(A)* Leq,24h = 70 dB(A)<br />

* unter Berücksichtigung der Anstiegssteilheit<br />

Anmerkung: Hörschäden sind durch zivilen Flugverkehr bedingten Umweltlärm nicht<br />

zu erwarten. Sie sind möglicherweise zu beachten, wenn die notwendigen<br />

Erholungszeiten für das Gehör nicht eingehalten werden können.<br />

Schutzziel: Vermeidung von Gesundheitsschäden/Krankheiten (außer Hörorgan)<br />

Tagwerte: 6 – 22 Uhr (außen)<br />

äquivalenter<br />

Dauerschallpegel<br />

Maximalpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq,16 h = 70 dB(A) Lmax,16 h = 19 x 99 dB(A)*<br />

Präventiver Richtwert: Leq,16 h = 65 dB(A) Lmax,16 h = 25 x 90 dB(A)<br />

Schwellenwert: – –<br />

*Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />

Anmerkung: Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zur Schädigungsgrenze bei<br />

Umweltlärm am Tag liegen noch nicht ausreichend vor. Eine gemeinsame<br />

Betrachtung mit dem Nachtbegrenzungswert ist beim gegenwärtigen Wissensstand<br />

nicht möglich. Es sollte eine Tag-Nacht-Trennung vorgenommen werden.<br />

Schwellenwerte werden nicht angegeben, da die wissenschaftliche Grundlage<br />

derzeit zu gering ist und Spekulationen Unsicherheiten bei den Betroffenen erzeugen<br />

können.<br />

Schutzziel: Vermeidung erheblicher Belästigung (außen*)<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq,16 h = 65 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq,16 h = 62 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq,16 h = 55 dB(A)<br />

100


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Anmerkung: Maximalwerte werden nicht vorgeschlagen, da ihre Belästigungswirkung<br />

erheblich von der Situation und von individuellen Faktoren abhängt und<br />

wissenschaftliche Erkenntnisse in Bezug auf den äquivalenten Dauerschallpegel<br />

vorliegen.<br />

Schutzziel: Vermeidung relevanter Kommunikationsstörungen<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Innen Außen*<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq, 16 h = 45 dB(A) Leq, 16 h = 62 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq, 16 h = 40 dB(A) Leq, 16 h = 59 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq, 16 h = 35 dB(A) Leq, 16 h = 56 dB(A)<br />

Anmerkung: Der Unterschied zwischen den Werten Innen und Außen resultiert aus<br />

der Möglichkeit zur aktiven Beeinflussbarkeit der Situation im Innenraum und der<br />

Zumutbarkeit einer befriedigenden bis ausreichenden Kommunikationsgüte in<br />

Außenbereichen im Gegensatz zu einer gut bis sehr guten in Innenbereichen.<br />

Maximalwerte werden nicht angegeben, da auch hier situative und individuelle<br />

Einflussfaktoren entscheidend sind. Andere Zeitbezüge für den äquivalenten<br />

Dauerschallpegel sind in besonders gelagerten Einzelsituationen mit erheblich<br />

schwankenden Geräuschimmissionen erforderlich.<br />

Schutzziel: Vermeidung von Störungen der Erholung/Rekreation (außen*)<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq, 16 h = 64 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq, 16 h = 57 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq, 16 h = 50 dB(A)<br />

Anmerkung: Erholung/Rekreation ist auf die Nutzung der Außenanlagen<br />

einschließlich von Gärten gerichtet. Bei letzteren sowie bei Campingplätzen ist zu<br />

berücksichtigen, dass sie nicht ganzjährig bzw. über einen längeren Zeitraum genutzt<br />

werden.<br />

101


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schutzziel: Vermeidung relevanter Störungen des Schlafes (innen)<br />

Vorbemerkung<br />

Grundsätzlich halten die Sachverständigen die Vermeidung von Lärmbelastungen<br />

während der Nacht von 22 bis 6 Uhr für die optimale Lösung. Sollte dies unter dem<br />

Aspekt des international vernetzten Flugverkehrs und anderer Gründe nicht<br />

gewährleistet werden können, schlagen wir eine Konzentration des Flugverkehrs auf<br />

den weniger empfindlichen ersten Teil der Nacht oder die alleinige Nutzung in dieser<br />

Zeit vor.<br />

Konzentration des Flugverkehrs auf den ersten Teil der Nacht<br />

22 – 1 Uhr: zwei <strong>Dr</strong>ittel bis drei Viertel aller Bewegungen<br />

1 – 6 Uhr: ein Viertel bis ein <strong>Dr</strong>ittel aller Bewegungen<br />

Maßgeblich für die Ausweisung von Schutzgebieten sind die folgenden<br />

Maximalpegelkriterien (innen):<br />

Maximalpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax, 22-6 h = 6 x <strong>60</strong> dB(A)*<br />

Präventiver Richtwert: Lmax, 22-1 h = 8 x 56 dB(A)<br />

Lmax, 1-6 h = 5 x 53 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax, 22-6 h = 23 x 40 dB(A)<br />

*Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />

Innerhalb der Maximalpegelkonturen sind für die Dimensionierung von Maßnahmen<br />

zum Schutz vor Schallbelastung zusätzlich die nachfolgend aufgeführten<br />

äquivalenten Dauerschallpegel (innen) heranzuziehen.<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq, 22-6 h = 40 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq, 22-1 h = 35 dB(A)<br />

Leq, 1-6 h = 32 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq, 22-6 h = 30 dB(A)<br />

Als mögliche Alternative für den Fall, dass eine Zweiteilung der Nacht nicht realisiert<br />

werden kann, kommt als Alternative in Frage die<br />

102


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Ungewichtete Verteilung des Flugverkehrs über die gesamte Nacht<br />

Hinsichtlich der Anwendung der aufgeführten Maximalpegel und äquivalenten<br />

Dauerschallpegel gilt das zuvor Gesagte.<br />

Maximalpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Lmax, 22-6 h = 6 x <strong>60</strong> dB(A)*<br />

Präventiver Richtwert: Lmax, 22-6 h = 13 x 53 dB(A)<br />

Schwellenwert: Lmax, 22-6 h = 23 x 40 dB(A)<br />

Dieser Pegelhäufigkeitswert darf nicht überschritten werden.<br />

äquivalenter Dauerschallpegel<br />

Kritischer Toleranzwert: Leq, 22-6 h = 40 dB(A)<br />

Präventiver Richtwert: Leq, 22-6 h = 35 dB(A)<br />

Schwellenwert: Leq, 22-6 h = 30 dB(A)<br />

103


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

13. Besondere Personengruppen<br />

In der Bevölkerung gibt es besonders empfindliche Gruppen von Menschen, Kranke,<br />

Kinder und Ältere, woraus sich eine Reihe besonders schutzbedürftiger Bereiche<br />

ergibt. Hierzu zählen Kindergärten, Schulen, Altenheime, besonders<br />

Altenpflegeheime und Krankenhäuser. Einige Untersuchungen über Lärmwirkung in<br />

diesen Gruppen liegen vor, so dass es gerechtfertigt ist, auch Begrenzungswerte für<br />

Fluglärmbelastungen anzugeben.<br />

In den Empfehlungen für die Begrenzungswerte in diesen Bereichen sind in der so<br />

genannten Synopse (GRIEFAHN et al. 2002) differenzierte Schutzziele angegeben.<br />

Es wird besonders vermerkt, dass diese Immissionskennwerte immer unter<br />

präventiven Gesichtspunkten zu erstellen sind, d.h. sie liegen deutlich unterhalb der<br />

Gefährdungswerte.<br />

Die für Fluglärm geltenden Begrenzungswerte und Immissionskennwerte<br />

unterscheiden sich von anderen Kennwerten, die in den Vorschriften zur Begrenzung<br />

des Verkehrslärms oder andere Lärmquellen vorgegeben sind. Die<br />

lärmphysikalischen oder lärm<strong>med</strong>izinischen Besonderheiten und auch die<br />

Schutzmaßnahmen bei Fluglärm sind gegenüber anderen Verkehrslärm- und<br />

Industrielärmquellen unterschiedlich.<br />

Da es sich jedoch bei diesen sensiblen Bereichen um Einzelobjekte handelt, sollten<br />

keine flächenmäßig definierten Schutzzonen errechnet werden, weder für Mittelungsnoch<br />

für Maximalpegel, sondern es sollten Einzelpunktberechnungen durchgeführt<br />

werden, wenn die einzelnen Objekte außerhalb der Umhüllenden der Isokonturen für<br />

die Normalbevölkerung liegen. Wenn die dabei ermittelten Belastungen die für<br />

Kindergärten, Schulen, Alten- und Pflegeheime sowie Krankenhäuser angegebenen<br />

Immissionskennwerte überschreiten, so sind Maßnahmen erforderlich. Liegen die<br />

schutzbedürftigen Objekte noch innerhalb einer Schutzzone für die durchschnittliche<br />

Bevölkerung so ist zu prüfen, ob die für die durchschnittliche Belastungen<br />

vorgesehenen oder schon durchgeführten Lärmminderungsmaßnahmen den<br />

Schutzzielen für sensible Bereiche entsprechen, die oben aufgestellt wurden.<br />

104


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

13.1 Kranke<br />

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die<br />

sich mit der Wirkung von Fluglärm auf Kranke oder auf Bereiche mit überwiegend<br />

Kranken beziehen. Im Vordergrund standen epidemiologische Untersuchungen zur<br />

Belästigung oder zur Rolle von kausalen Faktoren in der Entstehung von<br />

Krankheiten. Die Ableitung von Begrenzungswerten erfolgt daher häufig aus<br />

Analogieschlüssen.<br />

Untersuchungen zur besonderen Belästigung von Kranken gibt es kaum, auf die<br />

stärkeren Einschränkungen von Schwerhörigen und Hörgeräteträgern wurde im<br />

Kommunikationskapitel hingewiesen.<br />

Im Vordergrund der folgenden Betrachtungen stehen bei den Kranken die<br />

Verhinderung von Verschlechterungen einer Erkrankung sowie die Beeinträchtigung<br />

der Heilungs- und Regenerationsprozesse durch Fluglärm. Bei Erkrankten liegen<br />

regelwidrige pathophysiologische Zustände und Behandlungsbedürftigkeiten vor. Die<br />

Anpassungsfähigkeit an Umweltbelastungen und veränderte Umweltbedingungen ist<br />

eingeschränkt. Kranke in Krankenhäusern sind häufig an einen Platz gebunden und<br />

haben damit keine Ausweichmöglichkeiten. Bei leichteren Erkrankungen ist diese<br />

Empfindlichkeit deutlich niedriger. Da in Krankenhäusern Leicht- bis Schwerstkranke<br />

aufgenommen sind, sollte man die Schwerstkranken zum Bezugspunkt nehmen.<br />

Nach den Untersuchungen von GRIEFAHN (1882) weisen Schwerstkranke<br />

gegenüber Gesunden eine um 30 dB(A), Schwerkranke um etwa 21-24 dB(A)<br />

erhöhte Empfindlichkeit auf. Geht man von einem Maximalpegelkriterium für<br />

Gesunde am Tage von 25 x 90 dB(A) aus, so könnte ein zulässiger Außenpegel für<br />

die Empfindlichsten von <strong>60</strong> dB(A) angenommen werden. Bei gekipptem Fenster<br />

erhält man einen Tagesmaximalpegel von 45 dB(A) innen. Als Häufigkeitskriterium<br />

sollte 25 x 45 dB(A) eingehalten werden. Für nächtlichen Fluglärm sollten die für die<br />

„Normalbevölkerung“ geltenden präventiven Richtwerte von 13 x 53 dB(A) auf 13 x<br />

40 dB(A) innen herabgesetzt und durch geeignete Maßnahmen eingehalten werden.<br />

In Krankenhäusern sind Mittelungspegel natürlich auch zu reduzieren. Es werden<br />

Leq innen von 36 dB(A) am Tage und 30 dB(A) in der Nacht vorgeschlagen.<br />

Entscheidend für Krankenhäuser ist der Innenpegel.<br />

105


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Krankenhäuser sollten stets als Einzelimmissionsort geprüft werden. Da in<br />

Krankenhäusern alle drei Kategorien der Schwere von Erkrankungen öfters<br />

gleichzeitig zu finden sind, sollte erst einmal bei Krankenhäusern der Immissionswert<br />

für Schwerstkranke als Kriterium für Lärmminderungsmaßnahmen herangezogen<br />

werden, außer es ist offenkundig eine andere Belegung. Schwerstkranke sind heute<br />

häufig auf Intensivstationen mit Klimaanlagen, so dass ein geöffnetes oder gekipptes<br />

Fenster nicht in Frage kommt. BERGLUND und LINDVALL (1995) schlagen für<br />

jeglichen Schutz Richtwerte von Leq = 30 dB(A) und Lmax = 45 dB(A) vor, dem wird<br />

auch mit diesen Beurteilungswerten Rechnung getragen. Ansonsten muss nochmals<br />

betont werden, dass die Datenlage aus wissenschaftlichen Untersuchungen äußerst<br />

rar ist. Im Vordergrund steht der Vorsorgeaspekt. Die im Innenraum selbst oder<br />

durch die Behandlung erzeugten Pegel sind teilweise deutlich höher. In Einzelfällen<br />

kann für Kranke in Wohngegenden eine gesonderte Empfehlung erfolgen.<br />

13.2 Kinder<br />

In einer Reihe von Untersuchungen werden Beeinflussungen der Entwicklung von<br />

Kindern hinsichtlich des Leistungsverhaltens, zum Beispiel in der Schule,<br />

beschrieben. Dabei werden Berichte vorgelegt, in denen Verschlechterungen der<br />

kognitiven Leistungen, des Langzeitgedächtnisses, des Lernens, der<br />

Sprachwahrnehmung und des Spracherwerbs gefunden wurden (BULLINGER und<br />

BAHNER 1997, HYGGE et al. 1998). In diesem Zusammenhang sind die<br />

Untersuchungen in der Umgebung des neuen, 1992 eröffneten Flughafens München<br />

und des alten, stillgelegten Flughafens München-Riem zu erwähnen. Es wurde<br />

gezeigt, dass in der Umgebung des neuen Flughafens die Leistungen von<br />

Schulkindern sich allmählich verschlechterten (die Untersuchungen fanden vor, 6<br />

Monate nach und 18 Monate nach der Eröffnung statt), wobei unterschiedliche<br />

Leistungsbereiche betroffen waren und die Ergebnisse auch nicht konsistent waren.<br />

Darüber hinaus deuteten sich auch Motivationsänderungen und Störungen der<br />

kognitiven Bewältigungsstrategien an. Obwohl aus diesen<br />

Untersuchungsergebnissen noch keine Schlussfolgerungen für Allgemeingültigkeit<br />

gezogen werden können, halten die Untersuchungsergebnisse dazu an, gerade in<br />

diesen Bereichen dafür zu sorgen, dass sich eine durch Lärm ungestörte Entwicklung<br />

der Kinder vollziehen kann.<br />

106


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

BULLINGER und BAHNER (1997) stellten andererseits zum Einfluss<br />

wahrgenommener Umweltbedingungen von Kindern auf die subjektive Gesundheit<br />

fest, dass die Effekte der Lärmwirkung bei Kindern geringer ausgefallen sind als<br />

ursprünglich angenommen wurde. Die Kinder gaben weniger Störungen durch<br />

negative Umwelteinwirkungen einschließlich Fluglärm als Erwachsene an. Die<br />

Lebensqualität der Kinder war in den Dimensionen allgemeine Gesundheit, Vitalität<br />

und Lebenszufriedenheit mehr zwischen Stadt und Land verschieden als in<br />

unterschiedlich lärmexponierten Gebieten.<br />

Eine detaillierte Analyse der Erinnerungsleistungen fluglärmexponierter Kinder hat<br />

MEIS (1998) im Rahmen einer <strong>med</strong>izinisch-psychologischen Längsschnittstudie in<br />

München vorgelegt. Er kommt zu der Auffassung, dass sowohl im Längsschnitt als<br />

auch im Querschnitt die Expositionen mit chronischem Fluglärm keine<br />

Nachwirkungen auf die Leistungen des Arbeitsgedächtnisses haben, weder in der<br />

erhöhten Arbeitsgeschwindigkeit noch in einer geringen Gesamtspeicherkapazität,<br />

geringe Auswirkungen fanden sich in anderen Bereichen.<br />

Nach Untersuchungen von SMITH und JONES (1992) ergab sich, dass einfache und<br />

monotone Routineaufgaben selbst bei Maximalpegeln von 95 dB(A) nicht behindert<br />

werden. Bei komplexen Aufgaben mit Sprachverarbeitungsprozessen im<br />

Arbeitsgedächtnis sind aber Beeinträchtigungen bereits bei Maximalpegeln von 70 –<br />

80 dB(A) zu verzeichnen, wobei diese Untersuchungen nicht nur im Kinderbereich<br />

durchgeführt wurden. Das Kurzzeitgedächtnis ist bei sprachhaltigen<br />

Hintergrundgeräuschen besonders stark störbar. Das zeigt sich schon bei 45 dB(A)<br />

(SCHICK 1999). Überhaupt spielt der Informationsgehalt eine bedeutsame Rolle. Ein<br />

kontinuierlicher Dauerschall ruft weniger Störungen hervor als ein intermittierender<br />

Schall. Ein Dauerschall kann unter Umständen aufgrund seines Maskierungseffekts<br />

sogar die Leistung verbessern. Bei Fluglärm handelt es sich jedoch immer um<br />

intermittierenden Lärm, so dass er hinsichtlich der Leistungsbeeinflussung negativer<br />

einzuschätzen ist als z. B. Straßenlärm.<br />

Die selbst erzeugten Schallpegel in Schulen und Kindergärten sind erheblich.<br />

HOUCHÉ (1996) gibt in Kindergärten gemessene Mittelungspegel von 69 bis 74<br />

dB(A) an. Diese Werte entsprechen auch unseren Messerfahrungen sowie denen<br />

107


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

von SCHICK et al. (1999). Seitens der Unfallkasse wurden teilweise noch höhere<br />

Werte in Kindergärten gemessen. In Pausen in Schulen oder während der Spiele in<br />

Kindergärten werden Einzelereignisse bis weit über 90 dB(A) gefunden. Für<br />

Kindergärtnerinnen wird sogar das berufsbedingte Risiko einer Lärmschwerhörigkeit<br />

diskutiert. Während des Schulunterrichts lagen die Schallpegel zwischen 50 und 65<br />

dB(A) (KNOTHE et al. 1988).<br />

Es ist bekannt, dass Kindergarten-, Schulkinder und auch Jugendliche im Vergleich<br />

zu anderen Bevölkerungsgruppen erheblich lärmerzeugend sind, lärmintensive<br />

Beschäftigungen suchen und auch Lärm weniger negativ bewerten. Auch die<br />

physiologischen Reaktionen auf Lärm sind in diesen Altersbereichen nicht stärker<br />

ausgeprägt als bei Erwachsenen.<br />

Ungeachtet dieser hohen selbst erzeugten Schallpegel sind Bedingungen für eine<br />

ungestörte Entwicklung der Kinder zu realisieren. Dabei ist in den<br />

Ganztageskindergärten auch zu berücksichtigen, dass eine Mittagsruhe realisiert<br />

werden kann. Außerdem sind die Angaben der Lärmpegel Mittelungspegel über eine<br />

bestimmte Zeit, während der es auch deutlich leiser sein kann, was für die Arbeit mit<br />

den Kindern zu berücksichtigen ist.<br />

Ein kritischer Schwellenwert lässt sich für die Beeinflussung von<br />

Leistungsminderungen im mentalen Bereich nicht ableiten. Insofern besteht noch<br />

Forschungsbedarf. Erste Anhaltspunkte liefern u. a. die oben erwähnten Feldstudien<br />

zu den Auswirkungen von Fluglärm auf das mentale Leistungsniveau von<br />

Schulkindern. Diese Studien lassen bei Mittelungspegeln zwischen 62 und 68 dB(A)<br />

außen Leistungsminderungen in mehreren Funktionsbereichen nicht ausschließen.<br />

Teilweise ergeben sich signifikante Ergebnisse. Bei Schulen und Kindergärten sollte<br />

das Vorsorgeprinzip besonders gelten, auch wenn unsere wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse hier noch sehr lückenhaft sind. Deshalb werden hier nur präventive<br />

Richtwerte angewandt, wobei die Besonderheiten des intermittierenden<br />

Flugverkehrs gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften zu berücksichtigen sind.<br />

Es wird deshalb vorgeschlagen, einen äquivalenten Dauerschallpegel Leq = 40 dB(A)<br />

für den Innenraum in Schulen als Beurteilungskriterium anzusetzen. Maximalpegel<br />

spielen, wie bereits in dem Kommunikationskapitel angeführt, eine geringere Rolle,<br />

108


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

da sie erheblich von situativen Bedingungen abhängen. Sollten jedoch in besonderen<br />

Fällen (Fremdsprachenunterricht u. a.) Maximalpegelkriterien festzulegen sein, wäre<br />

ein Lmax = 55 dB(A) zu empfehlen, bei dem in der Regel eine 99 %-ige<br />

Satzverständlichkeit zu erwarten ist. Auch während des normalen Unterrichtes treten<br />

mehrfach Maximalpegel erheblich über diesen Bereich durch die Lehraktivitäten auf.<br />

Bei den Kindergärten sollten unter präventiven Gesichtspunkten Mittelungspegel von<br />

36 dB(A) eingehalten werden. Dieser Pegel gilt für Ganztagskindergärten, wo die<br />

Kinder mittags ruhen sollen. Wegen der situativen und individuellen Einflussfaktoren<br />

wird auch hier davon abgesehen, Maximalpegel zu benennen. Ebenso erübrigen sich<br />

die Angaben von Nachtwerten. In den übrigen Kindergärten sind die Werte für<br />

Schulen anzuwenden.<br />

13.3 Alte Menschen und lärmsensible Personen<br />

Spezielle Untersuchungen zur Fluglärmwirkung bei Älteren über <strong>60</strong> Jahre liegen<br />

kaum vor. Aufgrund von anderen Belastungsuntersuchungen ist auf eine<br />

Veränderung der physiologischen Reaktivität insbesondere im Kreislaufbereich, aber<br />

auch im hormonellen Bereich zu schließen. Im Allgemeinen reagiert der Ältere nicht<br />

so stark auf Belastungen mit Veränderungen des Blutdrucks oder der Herzfrequenz,<br />

wenn keine pathologische Störung vorliegt. Dies ist jedoch bei den Älteren häufiger<br />

der Fall. Zum anderen kommt es zur Einschränkung der Leistungsfähigkeit der<br />

Sinnesorgane, u. a. auch des Hörorgans und der Hörfähigkeit vor allem für hohe<br />

Töne. Meist werden im Innen- wie im Außenraum Fluggeräusche weniger<br />

wahrgenommen. Zum anderen stören jedoch mehrere gleichzeitige Schallquellen<br />

den Älteren und insbesondere den Hörgeschädigten viel stärker in der<br />

Kommunikation als den Jüngeren und Hörgesunden.<br />

Bei den bisherigen wissenschaftlichen Lärmwirkungsuntersuchungen u. a. zur<br />

Festlegung von Beurteilungsgrenzen werden auch Ältere mit einbezogen (die<br />

„Durchschnittsbevölkerung“ einer Wohngegend, wobei der Anteil Jüngerer meist<br />

unterrepräsentiert ist, da das Interesse an solchen Wirkungsuntersuchungen meist<br />

sehr gering ist), so dass die Ergebnisse für Wohngegenden auch auf deren Angaben<br />

mit beruhen, so dass für Wohngegenden unter Berücksichtigung der übrigen<br />

109


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Umweltregelungen keine besondere Betrachtung erforderlich ist und in einem<br />

solchen Gutachten sein kann.<br />

Einer differenzierteren Beurteilung bedürfen dagegen Altenheime. Hierbei ist<br />

grundsätzlich zu unterscheiden zwischen den Bereichen, in denen Ältere konzentriert<br />

wohnen, z. B. in Seniorenwohnzentren, und den Pflegeheimen. In den<br />

Seniorenwohnzentren ist damit zu rechnen, dass überwiegend gesunde, ältere<br />

Menschen leben, die wenig Unterschiede in den Lärmwirkungen gegenüber dem<br />

Erwachsenenalter zeigen. Für diese Art von Altenheimen sind die in der Synopse<br />

angegebenen Mittelungspegel für Regeneration und Erholung von 57 dB(A) außen,<br />

wobei der Innenpegel bei angekipptem Fenster von 42 dB(A)entscheidend ist, um<br />

unter präventiven Gesichtspunkten der Variabilität des Gesundheitszustandes<br />

Rechnung zu tragen. Dies ist eine Empfehlung, wissenschaftlich lässt sie sich nicht<br />

untersetzen.<br />

Anders sind die Pflegeheime zu beurteilen, in denen kranke oder teilweise sich in<br />

der Rekonvaleszenz befindende Patienten aufhalten. Hier wären in Anlehnung an<br />

Krankenhäuser am Tage die Mittelungspegel von 36 dB(A) (innen) und in der Nacht<br />

von 32 dB(A) (innen) als angemessene Präventionswerte zu betrachten. In dem<br />

Kapitel zu Krankenhäusern wurde auf eine Untersuchung von GRIEFAHN (1982)<br />

hinsichtlich der Reaktion im Herz-Kreislauf-Bereich bei unterschiedlichen<br />

Krankheitsgruppen verwiesen. Pflegeheime sollten in dem Bereich der<br />

Schwerkranken eingeordnet werden. die Empfindlichkeit ist etwa um 24 dB(A) höher,<br />

so dass bei Berücksichtigung eines gekippten Fensters Maximalpegel von 51 dB(A)<br />

zu empfehlen sind. Als Häufigkeit sollte, wie bei dem Präventivkriterium 25 x 90 für<br />

Gesunde ein Pegelhäufigkeitskriterium von 25 x 51 am Tag und entsprechend dieser<br />

Ableitung ebenfalls unter präventiven Gesichtspunkten ein Pegel von 13 x 45 in der<br />

Nacht verwendet werden.<br />

Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die wissenschaftliche Basis dieser<br />

Ableitungen nicht sehr sicher ist. Dies liegt nicht nur an den fehlenden<br />

Untersuchungsergebnissen, sondern auch an der Vielfältigkeit der Störungen bei<br />

Patienten in Pflegeheimen. Sollten lebensunterstützende und überwachende Geräte<br />

eingesetzt werden, so ist –wie in den Krankenhäusern – ein teilweise höherer<br />

110


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

äquivalenter Dauerschallpegel im Raum zu erwarten, als er hier zur Reduzierung von<br />

Fluglärmeinwirkungen vorgeschlagen wird.<br />

Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass 10 bis 15 % der Bevölkerung als<br />

lärmempfindlich zu bezeichnen sind. Untersuchungen von JANSEN et al. (1996) zur<br />

physiologischen<br />

lärmempfindlich.<br />

Lärmempfindlichkeit waren 6,25 % der Untersuchten<br />

Es gibt keine genaue Definition für Lärmempfindlichkeit. Man kann eine<br />

physiologische Lärmempfindlichkeit aufgrund der besonderen Reagibilität<br />

physiologischer Parameter bewerten. Zusätzlich ist jedoch auch eine psychische<br />

Lärmempfindlichkeit anzunehmen. Bei allen Untersuchungsergebnissen zu<br />

Lärmwirkungen, zur Ableitung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen generell, werden<br />

auch Lärmempfindliche mit einbezogen. In einigen Untersuchungen ist der Anteil der<br />

Lärmempfindlichen sogar überrepräsentiert, häufig bei den physiologischen<br />

Untersuchungen. Es wird auch angenommen, dass Lärmempfindliche sich eher an<br />

Befragungsuntersuchungen beteiligen. Deshalb werden Lärmempfindliche auch in<br />

den aus diesen Untersuchungen abgeleiteten Beurteilungsgrenzen berücksichtigt. Zu<br />

Lärmempfindlichen gehören auch kranke und alte Menschen, für die besondere<br />

Beurteilungsgrenzen gelten, wie vorher dargestellt. Eine zusätzliche<br />

Berücksichtigung von Lärmempfindlichen ist aus Sicht des Gutachters nicht möglich.<br />

13.4 Schlussfolgerungen für Begrenzungswerte<br />

Aus dem Gesagten ergeben sich konkrete Bewertungskriterien für das Schutzziel:<br />

Besonders schutzbedürftige Bereiche<br />

Hier gelten nach unserer Auffassung nur die Präventiven Richtwerte und keine<br />

kritischen Toleranzwerte. Die Besonderheiten des intermittierenden Flugverkehrs<br />

sind gegenüber anderen Verkehrslärmvorschriften zu berücksichtigen.<br />

Kindergärten: Leq = 36 dB(A) (innen)<br />

Der Innenpegel gilt für die mittägliche Ruhezeit, Außenpegel werden nicht<br />

angegeben, sie werden durch die anderen Schutzziele abgedeckt.<br />

111


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schulen: Leq = 40 dB(A) (innen)<br />

Außenpegel werden nicht angegeben, sie werden durch die anderen Schutzziele<br />

abgedeckt.<br />

Krankenhäuser: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 25 x 45 dB(A)<br />

Nachts: Leq = 30 dB(A) Lmax = 13 x 40 dB(A)<br />

Für Krankenhäuser gelten Innenraumpegel.<br />

Altenheime: Tags: Leq = 36 dB(A) Lmax = 25 x 51 dB(A)<br />

Nachts: Leq = 32 dB(A) Lmax = 13 x 45 dB(A)<br />

Für Altenheime gelten Innenraumpegel.<br />

112


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

14. Bewertung der konkreten Lärmbelastung am Flughafen Kassel-Calden<br />

im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Ausbau<br />

14.1 Grundlage der Bewertung für den Fluglärm<br />

Grundlage für die Bewertung im <strong>med</strong>izinischen Gutachten ist das „Lärmphysikalische<br />

Gutacht für das Planfeststellungsverfahren“.<br />

Es werden 3 Szenarien in die Bewertung einbezogen:<br />

• Ist-Situation: Ist-Stand 2003 für die 6 verkehrsreichsten Monate,<br />

• Prognose-Nullfall 2015: 2015 ohne Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die<br />

6 verkehrsreichsten Monate,<br />

• Planungsfall 2015: 2015 mit Ausbau des Verkehrslandeplatzes für die 6<br />

verkehrsreichsten Monate.<br />

In Absprache mit dem lärm<strong>med</strong>izinischen Gutachter und der Genehmigungsbehörde<br />

sowie den Flughafenbetreibern wurden Lärmkonturen für den mit q = 3 errechneten<br />

Mittelungspegeln von 70, 65, 62, <strong>60</strong> 55, 50 und 45 dB(A) für die drei Szenarien<br />

berechnet und in Karten farbig dargestellt. Es handelt sich um Mittelungspegel im<br />

Zeitraum von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Durch die Berechnung der Fluglärmkonturen in<br />

fünf dB(A)-Klassen nach LAI-Fluglärmleitlinie wird die für die lärm<strong>med</strong>izinische<br />

Beurteilung wesentliche Lärmkontur von 62 dB(A) nicht ausgewiesen. Sie wurde<br />

durch die lärmtechnischen Gutachter als Linie dargestellt. Außerdem wurden für den<br />

Tag und die Nacht Maximalpegelhäufigkeiten berechnet. Die Anzahl der<br />

Maximalpegel werden Pegelklassen mit einer Breite von 2,5 dB(A) zugeordnet. Bei<br />

der lärm<strong>med</strong>izinischen Beurteilung wird auf den entsprechenden höchsten<br />

Pegelklassenbereich zurückgegriffen.<br />

Die Anleitung zur Berechnung von Fluglärm in der Fassung von 1999 (AzB 99) wurde<br />

verwandt. Da die Flugzeuggruppeneinteilung nach aktuellen Erkenntnissen erfolgt,<br />

ist dem zuzustimmen. Die q=3-Berechnung des Mittlungspegels hat sich in den<br />

letzten Jahren durchgesetzt im Gegensatz zur q=4-Berechnung nach dem Gesetz<br />

zum Schutz gegen Fluglärm. Dies ist auch für die Novellierung dieses Gesetzes in<br />

der Diskussion. Deshalb ist dies ebenfalls zu unterstützen.<br />

113


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Es wurde eine 100-ige Berechnung aller Betriebsrichtungen vorgenommen. Die<br />

ungünstigste Situation wird dargestellt und bewertet. Aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht<br />

wurde bereits argumentiert, dass eine solche Berechnung auch Nachteile<br />

insbesondere für Randgebiete stärker betroffener Bereiche hat. Da jedoch die<br />

lärmbedingte Belastung in den bewerteten Bereichen gegenüber der Realität zu hoch<br />

ausfällt, ist aus lärm<strong>med</strong>izinischer Sicht kein Einspruch notwendig.<br />

Weiterhin wurde zusätzlich an ausgewählten Immissionsorten die Fluglärmbelastung<br />

bestimmt. Hier wurden die Maximalpegel bei den Einzelflugereignissen sowie die<br />

Mittlungspegel über den Tag berechnet. Die Lage und Anzahl der Immissionsorte ist<br />

durch die Verlagerung der Start- und Landebahn zwischen Ist-Situation/Prognose-<br />

Nullfall 2015 und Planungsfall 2015 teilweise unterschiedlich. Die Lage dieser Orte<br />

um den Flughafen ist aus den Anlagen 3-3 und 3-5 des lärmphysikalischen Gutach-<br />

tens zu ersehen. Neben dem energieäquivalenten Dauerschallpegel für den Tag und<br />

die Nacht wurden die Häufigkeiten von Maximalpegeln in Pegelklassen mit einer<br />

Breite von 2,5 dB(A) angegeben (Anlagen des lärmphysikalischen Gutachtens). In<br />

diese Immissionsortbetrachtung wurden auch schutzbedürftige Bereiche einbezogen.<br />

Die Untersuchungen zum Flugverkehr werden für die sechs verkehrsreichsten<br />

Monate des Jahres durchgeführt entsprechend der üblichen Vorschriften und<br />

Gepflogenheiten. Da damit ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor verwendet wird, ist dies<br />

zu unterstützen.<br />

Das Untersuchungsgebiet ist für den Flugverkehr sehr große gewählt. Grundlage war<br />

die Lärmkontur mit einem Mittlungspegel von Leq = 45 dB(A) tags. Die Ausdehnung<br />

ist 43,5 km x 41,5 km. Damit wird die Lärmbelastung um den Flughafen umfassend<br />

bewertet.<br />

14.2 Bewertung der konkreten Situation am Flughafen Kassel in den 3<br />

Szenarien<br />

Die Flugbewegungszahlen nehmen in der Ausbauprognose 2015 für die sechs verkehrsreichsten<br />

Monate um etwa 35 % von 24.<strong>60</strong>3 auf 33.165 Starts jährlich zu (S.<br />

114


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

12/13 des lärmphysikalischen Gutachtens). Dabei erhöhen sich die Propellerflug-<br />

zeugbewegungen gegenüber dem Ist-Zustand um 5 %. Eine deutliche Zunahme<br />

erlangt die Flugzeuggruppe S5.1, die gegenüber dem Ist-Zustand 2003 auf das 8- bis<br />

9-fache ansteigt. Die Flugzeuggruppe S5.2 nach AzB 99 fliegt nur im Planungsfall<br />

2015.<br />

Lärmkonturen am Tag bei Fluglärm sowie Immissionen in Wohngebieten<br />

Durch den Ausbau kommt es um den Flughafen Kassel-Calden 2015 zu einer<br />

deutlichen Erweiterung der Lärmkonturen, aber insbesondere durch die Verlegung<br />

der Start- und Landebahn zu einer anderen Lage der Lärmkonturen. Die Pegelklasse<br />

<strong>60</strong> – 65 dB(A) wie auch die Pegelklasse 55 – <strong>60</strong> dB(A) liegen in allen Szenarien<br />

weitgehend auf dem Gelände und um den Flughafen. Wohnungsbebauungen oder<br />

andere Nutzungseinrichtungen liegen nicht in diesen Bereichen. Die Lärmkontur <strong>60</strong> –<br />

65 dB(A) erhöht sich vom Ist-Zustand von etwa 2,3 km auf 4,23 km im Planungsfall<br />

2015. Auch die Lärmkontur 55 – <strong>60</strong> dB(A) verlängert sich um etwa das 21/2-fache.<br />

Konsequenzen für Wohnbebauung ergeben sich jedoch daraus nicht. Im Prognose-<br />

Null-Fall werden naturgemäß die gleichen Bereiche betroffen wie im Istfall. Es kommt<br />

zu einer geringfügigen Verlängerung der genannten Lärmkonturen.<br />

Die Iso-Linie 62 dB(A), die für die lärm<strong>med</strong>izinische Beurteilung besonders relevant<br />

ist, ist in der Anlage 3–3a dargestellt. Sie liegt – wie zu erwarten – etwa in der Mitte<br />

der Lärmkontur <strong>60</strong> – 65 dB(A) und tangiert weder im Ist-Zustand noch im<br />

Planungsfall 2015 (Anlage 3-5a) bewohntes Gebiet.<br />

Kein Begrenzungswert der aufgeführten Schutzziele wird durch die Veränderung der<br />

Start- und Landebahn wie auch durch die Erhöhung der Flugbewegung tangiert.<br />

Konsequenzen für zusätzlichen Lärmschutz sind nach diesen Kriterien nicht<br />

erforderlich.<br />

An 35 Immissionsorten, die relevante Wohngebiete um den Flughafen Kassel-Calden<br />

sowohl im Ist-Zustand/Prognose-Null-Fall wie im Planungsfall widerspiegeln, wurden<br />

sowohl die äquivalenten Dauerschallpegel am Tag wie auch die Häufigkeit von<br />

Maximalpegeln in Pegelklassen wie auch der höchste Maximalpegel berechnet. Die<br />

Tabelle 12 widerspiegelt die unterschiedliche Betroffenheit durch die Verlagerung der<br />

115


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Stadt- und Landebahn. Relevante Pegel, die Lärmminderungsmaßnahmen erfordern,<br />

werden an diesen Immissionsorten nicht erreicht. Der höchste Leq3 mit 56,4 dB(A)<br />

wird am IO 6.9, Stadtteil Burguffeln in Grebenstein, erreicht, gefolgt von dem Ortsteil<br />

Calden (IO 6.15) mit 55,6 dB(A). Alle anderen Dauerschallpegel über den Tag liegen<br />

im Planungsfall 2015 unter 50 dB(A) (siehe Tab. 12). Durch die Verlagerung der Start<br />

und Landebahn kommt es zu einer Veränderung der Schallbelastungen an einzelnen<br />

Immissionsorten.<br />

Die höchsten Maximalpegel im Planungsfall 2015 liegen ebenfalls an den genannten<br />

Immissionsorten mit 82,2/83,6 dB(A) (Tab. 12). Auch hieraus lassen sich keine<br />

notwendigen Maßnahmen zum Lärmschutz ableiten. Die Bewertungskriterien unter<br />

präventiven Gesichtspunkten liegen für den Tag zur Vermeidung erheblicher<br />

Belästigung bei 62 dB(A), sie werden nicht erreicht. Die Maximalpegel unter<br />

präventiven Gesichtspunkten zur Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen<br />

liegen bei 25 x 90 dB(A). Sie werden ebenfalls an keinem der Immissionsorte<br />

erreicht.<br />

An 13 Immissionsorten kommt es zur Erhöhung der Lärmbelastung, der höchste<br />

Anstieg beträgt 12,9 dB(A) am IO W 6.9, an 13 Immissionsorten kommt es im<br />

Planungsfall auch zur Verringerung.<br />

116


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Tabelle 12: Wohngebietsimmissionsorte<br />

1 = Mittelungspegel Leq3 tags in dB(A)<br />

2 = höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />

IO Ist-Situation Prognosefall Planungsfall<br />

2003<br />

2015<br />

2015<br />

1 2 1 2 1 2<br />

W 6.2 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Calden<br />

48,0 75,7 49,0 69,9 49,3 72,5<br />

W 6.5 Stadt Borgentreich<br />

Stadtteil Körbecke<br />

43,2 69,1 43,9 69,1 42,8 68,3<br />

W 6.6 Stadt Immenhausen<br />

Stadtteil Holzhausen<br />

- - - - 47,8 74,1<br />

W 6.7 Gemeinde Fuldatal<br />

Ortsteil Rothwesten<br />

44,1 66,1 44,9 66,9 - -<br />

W 6.8 Gemeinde Espenau<br />

Ortsteil Hohenkirchen<br />

45,7 69,0 46,5 69,0 - -<br />

W 6.9 Stadt Grebenstein<br />

Stadtteil Burguffeln<br />

43,5 67,5 44,3 64,8 56,4 82,2<br />

W 6.10 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Westuffeln<br />

- - - - 45,3 70,1<br />

W 6.11 Stadt Grebenstein<br />

Stadtteil Schachten<br />

46,9 70,2 47,6 70,2 46,9 67,2<br />

W 6.13 Stadt Hofgelsmar<br />

Stadtteil Kelze<br />

- - - - 47,3 76,8<br />

W 6.15 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Calden<br />

- - - - 55,6 83,6<br />

W 6.16 Stadt Immenhausen<br />

Stadtteil Immenhausen<br />

- - - - 48,4 74,2<br />

W 6.18 Gemeinde Breuna<br />

Ortsteil Niederlistingen<br />

43,8 70,6 44,5 70,6 - -<br />

W 6.19 Gemeinde Fuldatal<br />

Ortsteil Wilhelmshausen<br />

48,2 72,1 48,9 72,1 - -<br />

W 6.20 Stadt Hann Münden<br />

Stadtteil Bonaforth<br />

45,9 69,0 46,6 69,0 40,9 64,6<br />

W 6.21 Gemeinde Breuna<br />

Ortsteil Oberlistingen<br />

37,2 62,2 38,0 62,2 - -<br />

W 6.22 Stadt Zierenberg<br />

Stadtteil Burghasungen<br />

33,0 73,4 34,8 66,8 - -<br />

W 6.23 Stadt Zierenberg<br />

Ortsteil Zierenberg<br />

40,4 77,9 40,9 73,2 - -<br />

W 6.24 Stadt Grebenstein<br />

Stadtteil Grebenstein<br />

37,7 73,4 38,5 67,4 42,2 62,4<br />

W 6.25 Stadt Grebenstein<br />

Stadtteil Udenhausen<br />

35,8 76,7 37,1 70,3 42,5 67,0<br />

W 6.26 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Ehrsten<br />

49,5 83,9 50,3 76,4 - -<br />

W 6.27 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Meimbressen<br />

47,9 76,4 48,9 71,8 - -<br />

W 6.28 Stadt Warburg<br />

Stadtteil Herlinghausen<br />

43,2 69,2 43,9 69,2 - -<br />

W 6.30 Stadt Grebenstein<br />

Friedrichsthal<br />

- - - - 47,4 69,9<br />

W 6.31 Stadt Hofgeismar<br />

Stadtteil Carlsdorf<br />

- - - - 44,7 70,3<br />

117


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

W 6.32 Gemeinde Ahnatal<br />

Welmar/Kammerberg<br />

W 6.33 Stadt Grebenstein<br />

Frankenhausen<br />

W 6.35 Gemeinde Calden<br />

Ortsteil Meimbressen<br />

41,6 63,7 42,0 63,7 - -<br />

- - - - 50,3 76,3<br />

- - - - 44,8 69,4<br />

Die Begrenzungswerte zur Vermeidung gesundheitliche Beeinträchtigung und zur<br />

Vermeidung erheblicher Belästigungen werden an diesen Immissionsorten nicht<br />

erreicht.<br />

Diese Aussage für die Wohngebiete trifft auch für das Schutzziel „Kommunikation<br />

außen“ zu. Der Begrenzungswert wird unter präventiven Aspekten und zur<br />

Gewährung einer guten bis ausreichenden Kommunikation mit einem Leq von 59<br />

dB(A) tags angegeben. Dieser Wert wird an keinem der Wohnorte erreicht.<br />

Im Lärmgutachten werden 28 Immissionsorte als Erholungsgebiete ausgewiesen.<br />

Eine besondere Charakterisierung erfolgt nicht. Durch die Verlagerung der Start- und<br />

Landebahn im Planungsfall 2015 tritt an 14 dieser Immissionspunkte kein Fluglärm<br />

mehr auf. An 7 Immissionsorten wurde ein Dauerschallpegel zwischen 38,6 und 43,4<br />

2015 im Planungsfall neu berechnet. Der höchste Dauerschallpegel im Planungsfall<br />

in diesen Erholungsgebieten liegt bei 50,6 dB(A) am Immissionsort E15. Als kritischer<br />

Wert für eine Erholungsbeeinträchtigung unter Berücksichtigung der zeitweiligen<br />

Nutzung dieser Bereiche wird in der Synopse ein Leq3 von 64 dB(A) angesehen, als<br />

Präventiver Richtwert von 57 dB(A). An keinem dieser Orte wird der zuletzt genannte<br />

Präventive Richtwert erreicht. Demnach sind auch unter Erholungsgesichtspunkten<br />

keine Maßnahmen zur Lärmminderung im Planungsfall 2015 aus lärm<strong>med</strong>izinischer<br />

Sicht erforderlich.<br />

118


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Schutzbedürftige Bereiche<br />

Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Schulen und Kindergärten gehören zu den<br />

schutzbedürftigen Bereichen.<br />

Im Tabellenanhang des lärmtechnischen Gutachtens sind 1 Schule und 3<br />

Kindertagesstätten aufgeführt. Für diese schutzbedürftigen Bereiche gelten nur<br />

begrenzende Dauerschallpegel am Tag und keine Maximalpegel. Für die Schulen<br />

wird ein Leq von 40 dB(A) im Innenraum und für Kindergärten insbesondere der<br />

mittäglichen Ruhezeit von 36 dB(A) als Begrenzungswert herangezogen.<br />

An der einen Schule liegt gegenwärtig in der Ist-Situation 2003 ein Leq von 34,6<br />

dB(A), im Prognose-Null-Fall von 35,6 dB(A) vor (IO KS 23, Grundschule in<br />

Zierenberg). Im Planungsfall 2015 wird durch die Verlagerung der Start- und<br />

Landebahn dieser Immissionsort nicht mehr durch Fluglärm betroffen (Tab. 13). Dies<br />

trifft auch auf die drei Kindertagesstätten zu (Immissionsort 4.1, 4.2, 4.5). Während in<br />

der Ist-Situation die Leq zwischen 34,1 und 46,8 liegen, im Prognose-Null-Fall eine<br />

geringfügige Erhöhung zu erwarten wäre, werden diese Immissionsorte im<br />

Planungsfall 2015 nicht mehr betroffen. Demnach ergeben sich daraus keine<br />

Konsequenzen.<br />

Tab.13: Mittlungspegel (Leq3 ) an Kindertagesstätten und einer Schule in den 3<br />

Szenarien.<br />

Angaben in dB(A)<br />

IO<br />

Bezeichnung des Immissionsortes<br />

K 54.1 Kindertagesstätte Schäferbreite 13<br />

34379 Calden-Meimbressen<br />

K 4.2 Kindertagesstätte Schlesierstraße 4<br />

34233 Fuldatal-Wilhelshausen<br />

K 4.5 Kindertagesstätte Dörnbergstraße 33<br />

34289 Zierenberg<br />

KS 2.3 Grundschule Fritz Hufschmidt<br />

Neisser Straße, 34289 Zierenberg<br />

Ist-Situation<br />

2003<br />

44,1<br />

46,8<br />

34,1<br />

34,6<br />

Prognose-<br />

Null-Fall<br />

2015<br />

45,2<br />

47,5<br />

35,2<br />

35,6<br />

119<br />

Planungsfall<br />

2015<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Im lärmtechnischen Gutachten wurden Immissionsberechnungen für 7 soziale<br />

Einrichtungen vorgenommen. Das Alten- und Pflegeheim (IO 3.5) wird bei den<br />

Krankenhäusern betrachtet. Eine genauere Untersetzung der Aktivitäten in diesen<br />

sozialen Einrichtungen liegt dem Gutachter nicht vor. Es wird davon ausgegangen,<br />

dass dies im Wesentlichen mit Schulen vergleichbar wäre. Der Immissionsort mit<br />

dem höchsten Leq3 mit 52,2 dB(A) in der Ist-Situation (IO 3.6) wird im Planfall 2015<br />

nicht mehr durch Fluglärm tangiert. Der höchste Außenpegel im Planfall 2015 liegt<br />

mit Leq3 51,2 dB(A) am IO 3.3, Konsequenzen ergeben sich daraus nicht (Tab. 14).<br />

Da keine genaue Charakteristik dieser Immissionspunkte vorliegt, werden in der<br />

Tabelle 14 auch die Maximalpegel mit aufgeführt. Auch hieraus ergeben sich keine<br />

Konsequenzen.<br />

Tab. 14: Mittlungspegel und höchster Maximalpegel am Tag an sozialen<br />

Einrichtungen.<br />

1 = Mittlungspegel Tag Leq3 in dB(A)<br />

2 = höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />

Bezeichnung des Immissionsortes<br />

Caldener Werkstätten<br />

Breslauer Straße 15, 34379 Calden<br />

Werk-Hilfe e.V.<br />

Schachter Straße 18, 34379 Calden<br />

Baunataler Werkstätten Wohnheim<br />

Am Kirchhof 3, 34393 Grebenstein-<br />

Burguffeln<br />

Lindenmühle<br />

34393 Grebenstein<br />

Kinder- und Jugendhilfe Schutzhof<br />

Pottenbreite, 34379 Calden-Ehrsten<br />

Altentagesstätte<br />

Obere Strohstraße, 34393 Grebenstein<br />

Ist-Situation<br />

2003<br />

Prognose-<br />

Null-Fall<br />

2015<br />

Planungsfall<br />

2015<br />

1 2 1 2 1 2<br />

In Tabelle 15 sind die Schallbelastungen an Krankenhäusern und an einem Alten-<br />

und Pflegeheim aufgeführt. Im Planungsfall 2015 werden 4 der 7 Einrichtungen nicht<br />

mehr durch Fluglärm betroffen. Im Planungsfall 2015 liegt an den restlichen 3<br />

50,5<br />

46,7<br />

39,7<br />

-<br />

52,2<br />

35,1<br />

80,8<br />

72,3<br />

66,6<br />

-<br />

90,7<br />

69,0<br />

51,7<br />

47,8<br />

40,5<br />

-<br />

53,6<br />

36,1<br />

73,8<br />

67,7<br />

61,3<br />

-<br />

88,2<br />

62,5<br />

48,0<br />

47,4<br />

51,2<br />

45,9<br />

-<br />

-<br />

70,4<br />

70,7<br />

75,3<br />

69,7<br />

-<br />

-<br />

120


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Einrichtungen der Leq zwischen 37,2 und 47,3 dB(A) außen. Daraus ergeben sich<br />

keine Konsequenzen zur Lärmminderung, auch bei Berücksichtigung eines<br />

angekippten Fensters am Tag (empfohlener Begrenzungswert Leq3 36 dB(A)).<br />

An den Immissionsorten K 1.1 und K 1.4 wird am Tag 22 mal ein Maximalpegel von<br />

<strong>60</strong> dB(A) außen erreicht oder überschritten. Empfohlener Begrenzungswert für den<br />

Innenwert ist 25 x 45 dB(A) durch die externen Fluglärmereignisse. Auch bei<br />

angekippten Fenstern wäre dieser Wert nicht erreicht. Der höchste Maximalpegel im<br />

Planungsfall tritt am IOK 1.4 , Phillipsstiftung e.V. mit 72,7 dB(A) auf. Hier ist zu<br />

prüfen, welche Kranken hier behandelt werden. Die Schutzkriterien gelten für<br />

Schwerstkranke. Hier sind häufig Klimaanlagen, so dass die Fenster nicht geöffnet<br />

werden und man von einer Dämmung von 24 dB(A) ausgehen kann. Gesundheitlich<br />

relevante Wirkungen bei dann erreichten Einzelpegeln sind nicht zu erwarten.<br />

Tab. 15: Immissionsorte Krankenhäuser<br />

IO<br />

K 1.1<br />

1 = Mittlungspegel Tag Leq3 in dB(A)<br />

2 = Häufigkeit von Flugbewegungen > <strong>60</strong> dB(A) am Tag (n)<br />

3 = Höchster Einzelmaximalpegel in dB(A)<br />

Bezeichnung des Immissionsortes<br />

Vereinskrankenhaus<br />

Burckhardtstr. 69,<br />

34346 Hann Münden<br />

K 1.2 Nephrologisches Zentrum Nieder-<br />

Sachsen, Vogelsang 105,<br />

34346 Hann Münden<br />

K 1.3 Diakoniestiftung Fürstenwald<br />

Fachklinik, Weimarer Straße,<br />

34379 Calden<br />

K 1.4 Phillippstiftung e.V.<br />

Robert-Koch-Straße 3,<br />

34376 Immenhausen<br />

K1.5 St. Elisabeth Krankenhaus<br />

Wartburger Straße 6,<br />

34471 Volkmarsen<br />

K 1.6 Ev. Altenhilfe Gesundbrunnen<br />

e.V., Brunnenstraße 23,<br />

34369 Hofgeismar<br />

A 3.5 Alten- und Pflegeheim Viadukt<br />

Kasseler Straße 46,<br />

34289 Zierenberg<br />

Ist-Situation<br />

2003<br />

Prognose-<br />

Null-Fall<br />

2015<br />

121<br />

Planungsfall<br />

2015<br />

1 2 3 1 2 3 1 2 3<br />

42,3<br />

43,7<br />

44,9<br />

-<br />

41,8<br />

9,5<br />

36,0<br />

4<br />

10<br />

28<br />

-<br />

5<br />

0<br />

3<br />

63,7<br />

66,5<br />

68,4<br />

-<br />

66,5<br />

46,2<br />

75,6<br />

43,0<br />

44,4<br />

45,7<br />

-<br />

42,5<br />

11,7<br />

37,4<br />

6<br />

20<br />

31<br />

-<br />

10<br />

-<br />

3<br />

63,7<br />

66,5<br />

68,4<br />

-<br />

66,5<br />

38,7<br />

69,5<br />

41,9<br />

-<br />

-<br />

47,3<br />

-<br />

37,2<br />

-<br />

22<br />

-<br />

-<br />

22<br />

-<br />

3<br />

-<br />

65,8<br />

-<br />

-<br />

72,7<br />

-<br />

<strong>60</strong>,8<br />

-


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Zusammenfassend ist festzustellen, dass durch die geplante Verlagerung der Start-<br />

und Landebahn des Verkehrsflughafens Kassel-Calden im Prognosejahr 2015 eine<br />

Vergrößerung der Lärmkonturen prognostiziert wird, relevante Begrenzungswerte<br />

werden jedoch im bebauten Gebiet nicht erreicht werden. Dies trifft sowohl für<br />

Mittelungs- als auch Maximalpegel am Tag zu. Zusätzliche Maßnahmen sind deshalb<br />

aus Sicht der Lärmwirkungsforschung und entsprechend der angewandten Kriterien<br />

nicht erforderlich. Dies trifft ebenfalls auf schutzbedürftige Bereiche wie<br />

Krankenhäuser, Altenpflegeheime, Kindergärten und Schulen zu.<br />

Fluglärmbelastung durch Nachtflug<br />

Am Flughafen Kassel-Calden ist für die Nachtzeit von 2 Flügen (2 Landungen und 2<br />

Starts) auszugehen. Im Planungsfall 2015 werden in den sechs verkehrsreichsten<br />

Monaten 633 Flüge der Flugzeuggruppe P2.1, 51 Flüge der Flugzeuggruppe S5.2<br />

und 1 Flug S6.1 prognostiziert. Die Häufigkeit dieser Pegel, die für den Tag<br />

angegeben wurden, liegt bei ein bzw. zwei Mal. Unter worst-case-Situation könnte es<br />

passieren, dass diese beiden Flüge auch nachts stattfinden. Als Beurteilungskriterien<br />

wird für eine kritische, Maßnahmen erfordernde Situation ein Innenpegel von 6 x <strong>60</strong><br />

dB(A), unter präventiven Gesichtspunkten ein Wert von 13 x 68 dB(A) angenommen.<br />

Diese Summenpegelhäufigkeiten werden bei weitem nicht erreicht. Die Spitzenpegel<br />

in bewohnten Gebieten liegen an allen Immissionsorten unter 85 Dezibel auch am<br />

Tag. Der höchste Lmax ist am IO 6.15 mit 83,6 dB(A), gefolgt von IO 6.9 mit 82,2<br />

dB(A) prognostiziert worden.<br />

Seitens des lärmtechnischen Gutachters wurden keine Dauerschallpegel für die<br />

Nacht, die als zusätzliches Kriterium zur Untersetzung der Pegelhäufigkeitskonturen<br />

herangezogen werden können, aufgrund dieser seltenen Flugereignisse berechnet.<br />

Eine Gesundheitsgefährdung oder wesentliche Beeinträchtigung sowie eine<br />

wesentliche Störung des Nachtschlafes unter Populationsgesichtspunkten ist<br />

aufgrund dieser geringen Bewegungszahlen nicht zu erwarten.<br />

122


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Bodenlärm<br />

Für die Bewertung des Bodenlärms existieren keine entsprechenden Grenz- oder<br />

Richtwerte. Der Gutachter geht davon aus, dass die Kriterien, die für die<br />

Fluglärmbewertung verwendet werden, auch für den flugbetriebsbedingten<br />

Bodenlärm verwendet werden können. Alle wissenschaftlichen Untersuchungen zu<br />

gesundheitlichen oder psychischen Wirkung von Lärm um einen Flughafen/Flugplatz<br />

beurteilen immer die Gesamtheit des von dem Flughafen ausgehenden und<br />

verursachten Lärms. Eine Trennung ist von Wirkungsseite nahezu nicht möglich.<br />

Das lärmtechnische Gutachten für den Ausbau der Start- und Landebahn<br />

berücksichtigt auch den Bodenlärm. Die Grundlagen der Berechnung sind in diesem<br />

Gutachten aufgeführt. In den Bodenlärm gehen ein: Stand- und Rollgeräusche der<br />

Flugzeuge auf dem Vorfeld und dem „Taxiway“, Schwebebewegungen der<br />

Hubschrauber („Hoovern“), Wartung von Flugzeugen, Betrieb von APU, Fahrten der<br />

Servicefahrzeuge auf dem Vorfeld, Kfz-Emissionen von Parkflächen,<br />

Standgeräusche von Triebwerken werden einbezogen. Außerdem wird der Lärm von<br />

Gewerbebetrieben betrachtet, die zur unmittelbaren strukturellen Anbindung an den<br />

Flughafen gehören.<br />

Die Mittelungspegel von Flug- und Bodenlärm für die drei Szenarien für den Tag sind<br />

in den Anlagen 4-2 bis 4-9 des lärmtechnischen Gutachtens dargestellt. Durch die<br />

Verlagerung der Start- und Landebahn kommt es im Planungsfall 2015 auch bei dem<br />

Bodenlärm zu einer Veränderung der Konturen. Als relevante Pegel entsprechend<br />

der Fluglärmbeurteilung werden Leq3 62 dB(A) für den Tag angenommen. Die in der<br />

Anlage 4-4 dargestellten Pegelklassen im Planungsfall 2015 von über <strong>60</strong> bis 65<br />

dB(A), wie auch über 55 – <strong>60</strong> dB(A) tangieren keine bewohnten Gebiete. Sie sind<br />

weitgehend um den Flughafen konzentriert.<br />

Eine besondere Bedeutung haben die Triebwerkstestläufe, die im lärmtechnischen<br />

Gutachten speziell in den Anlagen 4.15 bis 4.17 dargestellt sind. Pegel in der<br />

Pegelklasse über <strong>60</strong> – 65 dB(A) treten im Planungsfall 2015 nicht auf, Pegel über 55<br />

– <strong>60</strong> dB(A) sind eng um den Flughafen konzentriert und tangieren kein bewohntes<br />

Gebiet. Gegenüber dem Ist-Zustand kommt es zu einer Verlagerung entsprechend<br />

123


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

der neuen Start- und Landebahn, aber zu keiner Erweiterung des lärmbetroffenen<br />

Gebietes. Für den Planungsfall 2015 wurde dabei angenommen, dass die Testläufe<br />

der Hubschrauber weiterhin im alten Terminal erfolgen, während die Testläufe der<br />

Propellertypen am neuen Terminal durchgeführt werden. Die Triebwerksprobeläufe<br />

im Planungsfall 2015 erhöhen sich um 20 %, wobei die höchsten Mittlungspegel<br />

auch dann in der Pegelklasse zwischen 55 – <strong>60</strong> dB(A) liegen.<br />

Durch den Bodenlärm einschließlich der Triebwerksprobeläufe werden kein<br />

Wohngebiet oder andere schutzbedürftige Bereiche durch relevante Pegel sowohl im<br />

Ist-Zustand als auch im Planungsfall 2015 tangiert. Deshalb sind aus dem Bodenlärm<br />

keine zusätzlichen Maßnahmen zur Lärmminderung abzuleiten.<br />

Straßenverkehr<br />

Im lärmtechnischen Gutachten werden auch die aus dem öffentlichen<br />

Straßenverkehr resultierenden Lärmimmissionen entsprechend<br />

Verkehrslärmschutzverordnung sowie nach der Richtlinie für Lärmschutz an Straßen<br />

ermittelt. Das Untersuchungsgebiet ist in der Anlage 2-1 des lärmtechnischen<br />

Gutachtens dargestellt. Die Berechnungsgrundlagen sind ebenfalls im<br />

lärmtechnischen Gutachten erläutert. Ergebnisse sind in den Anlagen 5-3 bis 5-14<br />

aufgeführt. Dabei wird zwischen Tag (6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) und Nacht (22:00 Uhr<br />

bis 6:00 Uhr) unterschieden.<br />

Aus den Anlagen 5-3, 5-5 und 5-7 für den Straßenverkehr am Tag ist zu entnehmen,<br />

dass relevante Pegel sich eng um die entsprechenden Straßen anordnen. Auch im<br />

Planungsfall 2015 kommt es unter Berücksichtigung des zusätzlichen<br />

Verkehrsaufkommens durch den ausgebauten Verkehrsflughafen Kassel-Calden<br />

sowie des geplanten Gewerbegebietes nur zu geringfügigen Erhöhungen um die<br />

entsprechenden Straßen. Die Änderungen liegen unter 3 dB(A). Erhöhungen über 3<br />

dB(A) bis 5 dB(A) betreffen nur geringe Anteile des nördlichen Teils von Calden,<br />

ansonsten werden keine Wohnbebauungen nach Anlage 5-11 für den Tag betroffen.<br />

Dabei liegen die Pegel in diesem Bereich im Planungsfall 2015 zwischen 50 bis 55<br />

dB(A) tags, Maßnahmen sind nicht erforderlich.<br />

124


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

Die Anlagen 5-4, 5-6 und 5-8 geben die Geräuschimmissionen zu den 3 Szenarien<br />

für die Nacht wieder, die Anlage 5-12 zeigt die Differenzwerte zwischen Planungsfall<br />

und Ist-Situation. Im Prognose-Null-Fall 2015 ergeben sich durch die geplante<br />

Ortsumgehung Calden sowie aufgrund der Verkehrsverlagerungen Orte mit deutlich<br />

verminderter Verkehrslärmimmission und für andere Orte eine Zunahme aufgrund<br />

des Verkehrsaufkommens.<br />

Insgesamt ist festzustellen, dass zwischen Ist-Zustand und der Prognose-<br />

Nullvariante in der Lärmbelastung keine wesentlichen Unterschiede bestehen.<br />

Dagegen führt die Ausbauvariante 2015 zu anderen Lärmkonturen durch die<br />

Verlegung der Start- und Landebahn und damit zu Zunahmen und neuen<br />

Betroffenheiten durch die Schallbelastung und zu Abnahmen in anderen Bereichen.<br />

Entsprechend der verwendeten Bewertungskriterien gibt es keine kritisch betroffenen<br />

Wohngebiete, die Lärmbelastung von Kindergärten, 1 Schule und den einbezogenen<br />

Erholungsgebieten liegt teilweise deutlich unter kritischen Werten auch unter<br />

präventiven Gesichtspunkten. Die Mehrzahl der Krankenhäuser wird im<br />

Ausbauzustand 2015 nicht mehr von Fluglärm tangiert, an einem Krankenhaus ist<br />

unter Vorsorgegesichtspunkten die Belegung, die Art der Lüftung und die<br />

vorhandene Lärmdämmung zu prüfen.<br />

125


Lärm<strong>med</strong>izinisches Gutachten Flughafen Kassel-Calden<br />

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