Kompetenzen im Wandel - congena GmbH
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Wolfram Fuchs 39<br />
<strong>congena</strong> Texte 2008<br />
Willkommen<br />
Die einzige Chance für den ersten Eindruck<br />
Bild: Getty Images<br />
Sie kennen das sicher noch von früher.<br />
Aber es gibt ihn noch in vielen Bürohäusern,<br />
den Empfang, der diesen<br />
Namen kaum verdient.<br />
Sie betreten ein Bürohaus. Der Pförtner<br />
sitzt links in der Eingangshalle<br />
hinter einer Glasscheibe mit Sprechfenster.<br />
Das Abzeichen an der einer<br />
Clubjacke nachempfundenen Uniform<br />
weist ihn als Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma<br />
aus. »Zu wem möchten<br />
Sie?« Sie sind zu einem Vortrag <strong>im</strong><br />
Führungskreis eingeladen. »Wer hat<br />
Sie eingeladen?« Der Pförtner sucht<br />
den Namen <strong>im</strong> Telefonverzeichnis,<br />
fragt nach Ihrem Namen, ruft an –Sie<br />
warten. Nachdem er das Sekretariat<br />
verständigt hat, schiebt er Ihnen einen<br />
Anmeldezettel und einen Kuli durch<br />
das Sprechfenster. Sie treten zur Seite,<br />
um eine inzwischen eingetroffene<br />
Besuchergruppe vorzulassen und um<br />
unter den vielen Angaben diejenigen<br />
zu wählen, die ausreichen sollten. Im<br />
Tausch gegen das ausgefüllte Formular<br />
erhalten Sie einen Ausweis mit<br />
einer großen Aufschrift »Besucher«<br />
und einer kleinen mehrstelligen Nummer.<br />
»Bitte nehmen Sie den linken<br />
Aufzug in den dritten Stock. Sie werden<br />
dort abgeholt.«<br />
Tatsächlich werden Sie oben erwartet.<br />
Die Praktikantin führt Sie zu dem<br />
Konferenzraum und bittet Sie, dort zu<br />
warten, weil Sie etwas zu früh sind.<br />
Thermoskannen und das übliche Kekssort<strong>im</strong>ent<br />
stehen schon bereit. Sie<br />
nutzen die Zeit für den Besuch der<br />
Toilette, die Sie auf dem Rückweg<br />
zum Treppenhaus finden. Während<br />
Sie <strong>im</strong> Spiegel Ihr Aussehen kontrollieren,<br />
lesen Sie einen in einer Prospekthülle<br />
mit Klebstreifen befestigten<br />
Appell, der mit »Liebe Kollegen«<br />
beginnt und mit einem Aufruf endet,<br />
der Sie fürchten lässt, dass Sie soeben<br />
die zivilisierte Welt verlassen haben.<br />
Zurück <strong>im</strong> Konferenzraum versuchen<br />
Sie, das Rätsel zu lösen, das jemand<br />
auf dem Flipchart hinterlassen hat:<br />
Kästchen mit kryptischen Kürzeln und<br />
verwirrend vielen Verbindungslinien.<br />
Als die ersten Teilnehmer der Besprechung<br />
eintreffen, müssen Sie den<br />
Versuch abbrechen, ahnen aber, dass<br />
in diesem Raum ein Versuch gescheitert<br />
ist, etwas Komplexes mit einem<br />
einfachen Schema in den Griff zu<br />
bekommen. Immerhin scheint man<br />
um Organisation bemüht.<br />
Ihr Gastgeber eröffnet schließlich die<br />
Besprechung und stellt Sie als den<br />
Experten vor, der weiß, wie ein Unternehmen<br />
die Erwartungen seiner Kunden<br />
übertreffen kann. Obwohl in den<br />
Unternehmensleitsätzen seit einigen<br />
Jahren der Anspruch vertreten werde,<br />
dass der Kunde <strong>im</strong> Mittelpunkt steht,<br />
könne man oft meinen, dass er dort<br />
<strong>im</strong> Weg sei und die Abläufe empfindlich<br />
störe. Mit anderen Worten, es<br />
gäbe an dieser Front noch viel zu tun,<br />
weswegen man auf Ihre Eindrücke<br />
und Vorschläge sehr gespannt sei.<br />
Bevor Sie Ihre Präsentation starten,<br />
müssen nur noch zwei kleine organisatorische<br />
Probleme gelöst werden.<br />
Eine Verlängerungsschnur muss zur<br />
nächsten Steckdose verlegt werden,<br />
die sich mitten unter dem Tisch befindet<br />
und der Beamer zeigt zunächst<br />
»no signal«.<br />
Begrüßung<br />
Der erste Tagesordnungspunkt in Sitzungen<br />
»Begrüßung« erscheint meist<br />
unbedeutend <strong>im</strong> Vergleich zu den folgenden<br />
Themen. Dabei ermöglicht er<br />
dem Begrüßenden, die Rollenverteilung<br />
innerhalb der Sitzung festzulegen,<br />
ohne dass dies als Beeinflussung<br />
gedeutet wird und diskutierbar ist. Die<br />
Begrüßung ist deshalb ein Führungsinstrument,<br />
zumal ihre Gestaltung die<br />
Möglichkeit bietet, Inhalt, Charakter<br />
und Erwartungen an das Ergebnis der<br />
Veranstaltung festzulegen. Teilnehmer,<br />
die diesem Tagesordnungspunkt<br />
unvoreingenommen begegnen, sind<br />
mit der Begrüßung effektiver zu steuern,<br />
als dies mit einer expliziten Rollenerklärung<br />
der Fall wäre.<br />
Wolfram Fuchs<br />
Berater<br />
<strong>congena</strong>, München