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für die praxis einblicke rückblicke projekte - Türkiye Almanca ...

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38<br />

Tourtagebuch Jupiter Jones / Ankara<br />

A<br />

ls ich im sonnigen Münster<br />

in mein Auto steige, knötert<br />

Bon Scott hinter meiner<br />

Stirn. ‚It's a long way to<br />

the top if you wanna Rock<br />

'n' Roll.' Da hat er Recht. In<br />

erster Linie ist es mal a<br />

long way to Munich Airport if you are in<br />

Münster - Aaseestadt. Gestraft mit panischer<br />

Flugangst und gesegnet mit<br />

Tonnen Geduld breche ich auf zur einzigen<br />

Möglichkeit, ohne Zwischenlandung<br />

in <strong>die</strong> Türkei zu kommen. Flughafen<br />

München. Der hat nicht nur Ede schlaflose<br />

Nächte und Sprachstörungen<br />

beschert.<br />

Bereits zum zweiten Mal sollen wir im<br />

Auftrag des Goethe Instituts ins fremdsprachige<br />

Ausland. Den ollen Johann<br />

Wolfgang von würdig vertreten. Nach<br />

Bulgarien im letzten Jahr, nun Ankara,<br />

Türkei. Dort, an der Middle East<br />

Technical University, einer 20.000<br />

Studenten starken Uni am Rand von<br />

Ankara, steigt wie in jedem Jahr ein<br />

Festival. Die Prüfungen sind vorbei, <strong>die</strong><br />

einen kommen, <strong>die</strong> anderen gehen und<br />

zwischendrin wird gefeiert. Wie <strong>die</strong><br />

Hölle. Aber das wissen wir erst später.<br />

Erst mal ankommen und kennen lernen.<br />

Vor den Toren von Esenboga, dem dortigen<br />

Flughafen, stehen zwei freundlich<br />

winkende Männer und warten ganz<br />

offensichtlich auf uns. Einer der beiden<br />

heißt Bernd Schneider, ist grinsegesichtig,<br />

ein wenig untersetzt und<br />

Koordinator der Bildungsoperation<br />

Deutsch. Das klingt militärischer als es<br />

ist. Bernd ist ein wandelnder Witze -<br />

Almanach, das wird uns schon nach 5<br />

Kilometern im Goethe - Bulli klar.<br />

Außerdem ist er bekennender Altrocker<br />

und scheint sich wirklich auf ein wenig<br />

Gitarrenmusik aus der alten Heimat zu<br />

ALMANCA D‹L DERG‹S‹ 2008/2<br />

Rückblicke<br />

freuen. Hier scheint der richtige Typ im richtigen Job.<br />

Die Straße führt uns entlang an abgerissenen<br />

Armensiedlungen und dutzenden Moscheen in das<br />

Herz der Stadt. Hier werden sämtliche<br />

Straßenverkehrsregeln spontan uminterpretiert oder<br />

gleich ganz außer Kraft gesetzt, zweispurige<br />

Einbahnstraßen zu mehrspurig in beiden Richtungen<br />

befahrenen Highways. Überall rumpelt, kracht und<br />

hupt es, Menschen springen wie im Wahn vor fahrende<br />

Autos und trotzdem wird niemand verletzt. Chaos<br />

gegen System, 1:0. Zumindest nicht physisch verletzt<br />

erreichen wir unser Hotel, checken ein und aus,<br />

bemerken frappierende Unterschiede in der<br />

Zimmerverteilung (3 mal turnhallengroßes<br />

Mehrfamilienzimmer, 2 mal Besenkammer) und werden<br />

zum Essen eingeladen. Die Bäuche auf den Knien<br />

und bierdurstig folgen wir. Wenn man sich 50 Rakitrinkende<br />

Türken in seinem heimischen Esszimmer<br />

vorstellen kann, <strong>die</strong> eine beeindruckende Klangkulisse<br />

schaffen und Unmengen von fabelhaftestem Essen<br />

verdrücken, weiß man auch wie es hier aussieht. Ich<br />

mach es kurz, auch wenn man der türkischen<br />

Gastfreundschaft, der türkischen Küche, Bierbrau- und<br />

Schnapsdestillierkunst ein ganzes, eigenes Manifest<br />

widmen sollte. Meine Güte war das alles gut! Und<br />

meine Güte, waren <strong>die</strong> alle nett! Wir sind gut angekommen,<br />

jetzt wirklich.<br />

Der kommende Tag soll uns Teenstars sein lassen.<br />

Das Goethe Institut hat zwei Besuche in umliegenden<br />

Schulen organisiert. Als wir an der deutschen Schule<br />

von Ankara ankommen, titschen ein paar Kids bereits<br />

aufgeregt um uns herum, stellen Fragen und wollen<br />

Autogramme. Die ersten Sorgen verschwinden und<br />

wo man an deutschen Durchschnittsschulen erwartet,<br />

vom lokalen Rowdy freestyle von der Bühne gebattled<br />

zu werden, schlägt einem hier <strong>die</strong> blanke<br />

Begeisterung entgegen. Wir improvisieren uns durch<br />

zwei Lieder, beantworten Fragen und sind dann plötzlich<br />

von wuselnden Kindern und Jugendlichen umzingelt,<br />

<strong>die</strong> Fotos, Autogramme und Gespräche wollen.<br />

Wir überziehen maßlos und machen uns dann irgendwie<br />

irritiert und auch irgendwie begeistert vom Acker.<br />

Auf zur nächsten Schule, <strong>die</strong>smal türkische Schüler,<br />

sicher wird das schwerer. Und dann aus allen Wolken<br />

fallen. So viel Dankbarkeit <strong>für</strong> ein paar Minuten Musik<br />

von uns deutschen Vollhonks hat niemand erwartet.<br />

Unterm Strich stehen über 400 Autogramme und <strong>die</strong><br />

Erkenntnis, dass das jetzt einmal echt sauschön aber<br />

als ständiger Zustand bestimmt auch sauanstrengend<br />

und wenig wünschenswert ist. Aber: Danke, <strong>Türkiye</strong>!

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