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Hase Hase - Gotter, Lutz

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ZEIT: Ist das ein Plädoyer für Gewalt?<br />

Roy: Nein. Ich suche nach dem Weg. (…) Ich betrachte es als Privileg,<br />

dass ich in der Situation bin, kompromisslos reden zu können.<br />

Geld hat mir nie etwas bedeutet, aber nach dem Erfolg von »Der Gott<br />

der kleinen Dinge« habe ich mehr verdient, als ich jemals wollte. Das<br />

brauche ich also nicht mehr und auch keinen Job oder Anerkennung.<br />

Ich kann es mir leisten, Tabus zu brechen.<br />

ZEIT: Sie leben in einem widersprüchlichen, äußerst vitalen Land,<br />

aber Sie befassen sich allein mit dessen düsteren Seiten. Woher nehmen<br />

Sie dazu immer wieder die Kraft?<br />

Roy: Wahrscheinlich daher, dass ich damit nichts werden will. Ich<br />

bin Schriftstellerin, ich bin neugierig und will verstehen, wie diese<br />

Welt funktioniert, wie Menschen denken und wie sie sich mit ihrer<br />

Umwelt arrangieren. Wollte ich etwas damit erreichen, dann wäre<br />

ich erschöpft, aber das bin ich nicht. Außerdem hat mich meine<br />

Kritik an der ganzen Liberalisierungspolitik überall in der Welt<br />

mit den erstaunlichsten Menschen zusammengebracht. Sie halten<br />

meine Zuversicht am Leben, meinen Glauben an die Vielfalt, an die<br />

Tausendheit. (…) In all dem, was ich gesehen, gelernt und kritisiert<br />

habe, steckt die große Geschichte! Auch auf Schönheit will ich mich<br />

wieder besinnen, Gefühle, die Dinge, für die wir die ganze Zeit gestritten<br />

haben.<br />

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Man sollte, soweit es nur irgend möglich ist, so leben, wie man in einer<br />

befreiten Welt glaubt leben zu sollen, gleichsam durch die Form<br />

der eigenen Existenz, mit all den unvermeidbaren Widersprüchen<br />

und Konflikten, die das nach sich zieht (…) Dieses Bestreben ist<br />

notwendig zum Scheitern und zum Widerspruch verurteilt, aber es<br />

bleibt nichts anderes übrig, als diesen Widerspruch bis zum bitteren<br />

Ende durchzumachen. Die wichtigste Form, die das heute hat, ist der<br />

Widerstand.<br />

Theodor W. Adorno<br />

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Wer das Novum will, braucht die Erinnerung und das Fest, in dem<br />

die Renovation schon jetzt gefeiert wird.<br />

Dorothee Sölle<br />

Sie stürmen einen Edelsupermarkt, sie überfallen ein Sterne-Restaurant.<br />

Die Beute, so sagen sie, haben sie an Arme in Hamburg verteilt. Sie nennen<br />

sich die Superhelden, Polizei und Verfassungsschutz sind ihnen auf der Spur<br />

– aus einem Interview<br />

Peter: Wir sind keine Diebe. Wir sind Studenten ohne große Aussicht<br />

auf gute Jobs, wir sind Leute, die sich von einem schlecht bezahlten<br />

Praktikum zu einem unbezahlten Praktikum hangeln, Leute<br />

mit befristeten Arbeitsverträgen, die nachts bei der Post für 'n Hungerlohn<br />

Briefe sortieren. Putzfrauen, Ein-Euro-Jobber. Wir sind<br />

Leute, die von ihrer Arbeit hier in Hamburg kaum leben können.<br />

Nina: Ich arbeite in einem Callcenter, verdiene 0 Euro im Monat,<br />

bin den ganzen Tag - acht Stunden lang - freundlich am Telefon,<br />

bin ansprechbar, verfügbar, ich beiß die Zähne zusammen. Ich mache<br />

kostenlos Überstunden, aber irgendwann sage ich mir: Eh, das<br />

reicht! Wir sind Leute, die...<br />

STERN: ...verkleidet als Supermänner, verkleidet als Comicfiguren,<br />

neulich einen Hamburger Edelsupermarkt gestürmt haben, 0<br />

Mann hoch, und teuerste Delikatessen abgeschleppt haben - ohne zu<br />

bezahlen.<br />

Peter: Ja, das war eine Aktion der »Superhelden«.<br />

STERN: Das war Diebstahl.<br />

Peter: Nein. Wir sind keine Diebe. Keine Räuber. Es geht uns um<br />

Rebellion.<br />

STERN: Rebellion?<br />

Nina: Ja, Mann, begreif doch! Wir wollen zeigen, es ist möglich, sich<br />

zu wehren. Wir wollen aus der Passivität heraus. Jeden Tag höre ich,<br />

wir leben über unsere Verhältnisse, wir sollen flexibler sein, länger<br />

arbeiten für weniger Geld. Gequatsche. Uns geht es noch zu gut! Zu<br />

gut? Ich muss mir überlegen, ob ich mir den Zahnarzt leisten kann,<br />

ich gehe an Schaufenstern vorbei und sehe Dinge, die für mich unerreichbar<br />

sind. Ich schaffe an diesem Reichtum mit in dieser Stadt<br />

- aber ich habe nix davon. Nur Angst, noch weiter abzusinken. Permanente<br />

Unsicherheit. Beleidigungen.<br />

STERN: Aber was soll so ein Überfall auf einen Gourmettempel?<br />

Was wollen Sie damit sagen?<br />

Peter: Dass das sein muss, was wir tun! Wir suchen die Orte des<br />

Reichtums heim. Uns geht es nicht ums Klauen. Wir wollen das<br />

Denken anregen, Fragen aufwerfen: Warum haben die einen so viel,<br />

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