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Hase Hase - Gotter, Lutz

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die anderen so wenig? Wieso leben manche im Luxus, während so<br />

viele darben? Muss das sein?<br />

Nina: Wir wollen zeigen, dass man sich wehren kann! Sich gemeinsam<br />

wehren kann gegen diese Zumutungen. Wir wollen Mut schaffen.<br />

In jedem von uns steckt ein Superheld! (…)<br />

Peter: Wir sind eine gut funktionierende Wir-AG. Es macht Spaß,<br />

Dinge kollektiv zu machen. Unsere Kostüme haben wir gemeinsam<br />

entworfen, wir planen die Aktionen gemeinsam - und es ist einfach<br />

schön, aus der Ohnmacht, die man vereinzelt am Arbeitsplatz erlebt,<br />

gemeinsam auszubrechen, seine Stärke zu erleben. (…)<br />

STERN: Glauben Sie tatsächlich, dass so Diebstähle, so Provokationen<br />

wirklich sinnvoll sind, also politisch etwas bewirken?<br />

Nina: Gut, wir haben nicht den Masterplan in der Tasche, wie die<br />

perfekte Gesellschaft aussehen soll. Aber wir wissen, dass es so, wie es<br />

ist, nicht bleiben darf. Wir durchbrechen die Stille im Land.<br />

STERN: Ihr Problem ist doch: Alles, was Sie tun, gab es schon mal.<br />

Ihre Aktionen sind Kopie, sind Zitat. Jede Utopie scheint diskre-<br />

ditiert.<br />

Peter: Nein. Menschen kämpfen immer gegen Ungerechtigkeit. Sie<br />

haben das in der Vergangenheit getan, und sie werden es in Zukunft<br />

tun. Es passiert in Madrid, in Mailand. Es passiert in Frankreich, dort<br />

kippten sie das Gesetz, das den Kündigungsschutz abschaffen sollte.<br />

Das macht doch Mut und schafft Freude.<br />

Nina: Wir sind nicht nur Zitat. Wir sind etwas Neues. (…)<br />

STERN: Wissen Ihre Eltern, dass Sie gelegentlich Läden überfallen,<br />

in Edelrestaurants die Büfetts abräumen?<br />

Peter: Meine Eltern verstehen mich. Die sind schockiert, wie sich<br />

meine Biografie, die so unsicher ist, von ihrer eigenen unterscheidet.<br />

Die hatten einen sicheren Beruf, die konnten ihr Leben in relativer<br />

Ruhe planen. Die konnten Kinder haben. Aber bei ihnen wächst nun<br />

auch die Wut über die Verhältnisse.<br />

Nina: Meine Eltern wissen von meinem Leben als Superheld nichts.<br />

Manchmal, na ja, sind auch Superhelden nur ganz gewöhnliche<br />

Kinder.<br />

Träume<br />

Madame Laurent und Monsieur Sapin – beide arbeitslos, Paris<br />

Madame L.: Was schlimm ist, weißt du, das ist die Tatsache, dass<br />

man nicht träumt,… man weiß ja nicht wie der morgige Tag aussieht<br />

– man wartet und wartet – das ist schlimm, dass selbst deine<br />

Familie keine Pläne mehr machen kann – ach, was wollte ich denn<br />

sagen – ah ja – was schlimm ist – da gibt’s etwas in mir, etwas was<br />

mir wehtut, das ist, dass ich soweit gekommen bin zu sagen, ich weiß<br />

nicht, was ich morgen machen kann, ich weiß überhaupt nix. Nix<br />

weiß ich, nix!<br />

Monsieur S.: Daniéle, ich hab die Gegenwehr gefunden. Ich lebe<br />

in einer ewigen Gegenwart.<br />

Madame L.: Ja, das wollte ich ganz einfach sagen, über dieses in<br />

der Gegenwart leben, wenn wir wenigstens etwas von den Epikuräern<br />

lernen könnten, die gesagt haben, dass man in der Gegenwart<br />

leben sollte.<br />

Monsieur S.: Den Augenblick genießen.<br />

Madame L.: So sieht die Gegenwart nicht aus. Das ist eine bedrückende<br />

Gegenwart. So ist es. Eine Gegenwart, die man schlecht<br />

verdaut. Diese Gegenwart ist für mich fast so etwas wie – keine Lust<br />

haben, auf den kommenden Tag zu schauen, weil man Angst davor<br />

hat. Wenn man aufwacht und sich sagen muss, es ist immer noch das<br />

gleiche – ich hab’ immer noch nichts, ich weiß immer noch nicht,<br />

was ich machen soll und sich gleichzeitig sagt, ich krieg einen Brief<br />

oder einen interessanten Anruf – das habe ich jetzt einfach sagen<br />

wollen.<br />

Monsieur S.: Ja, da haben sie ganz recht.<br />

Madame L.: Wissen Sie, es ist schlimm, dass man im Leben nicht<br />

träumen kann. So mit allem, was das Wort Traum bedeutet. Ich habe<br />

immer geträumt, aber alles was ich in meinem Leben gemacht habe,<br />

war immer in der Gegenwart. Ich hab’ mir immer dabei gesagt, nächsten<br />

Monat oder in der nächsten Woche, dann wird dieses oder jenes<br />

wahr, in der Arbeit oder im Privatleben. Das kann ich jetzt nicht<br />

mehr machen und wirklich, deswegen ist es schlimm für mich, na ja,<br />

klar, es gibt noch schlimmere Dinge… z.B. – ich bin blank, aber was<br />

wirklich schlimm ist für einen Menschen, ist, dass er keine Pläne<br />

mehr machen kann, dass er nicht mehr träumen kann.<br />

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –<br />

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