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Rundschau für Fleischhygiene und ... - Vetline

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Lebensmittelqualität/Hygiene<br />

satzkosten <strong>für</strong> schnellen Service, müssen<br />

vor Seuchenausbruch geklärt sein.<br />

Nach dem derzeitigen Stand wurden<br />

dem Kreis Borken <strong>für</strong> die Bekämpfung der<br />

Schweinepest Rechnungen in Höhe von<br />

ca. 300000 € <strong>für</strong> Materialkäufe zugeleitet.<br />

Zahlungen <strong>für</strong> eingesetztes Personal (Fahrtkosten,Unterbringungskosten,Lohnersatz<br />

THW-Mitarbeiter) machten ca. 100000 €<br />

aus. Die laufenden Personalkosten des<br />

Kreises Borken bzw. anderer Behörden<br />

(örtliche Ordnungsbehörde,Tierärzte anderer<br />

Kreisordnungsbehörden) <strong>für</strong> Tätigkeiten<br />

im Rahmen der Schweinepest wurden<br />

in dieser Summe nicht berücksichtigt.<br />

Die Mitarbeiter der Kreisverwaltung<br />

Borken erlebten bei diesem Seuchenzug<br />

ein noch nicht dagewesenes Gefühl der<br />

Solidarität untereinander. Die Landwirte<br />

in der betroffenen Region respektierten,<br />

dass die Seuchenbekämpfer ihnen trotz<br />

dieser extremen Eingriffe in ihr bisheriges<br />

Leben im Gr<strong>und</strong>e helfen wollten, die<br />

Schweinepest so schnell wie möglich zu<br />

beenden.<br />

Verbesserungsvorschläge<br />

In der Rückschau können wir feststellen,<br />

dass wir wenige Fehler gemacht haben,<br />

aber es gibt Möglichkeiten,die vorhandenen<br />

Ressourcen zu schonen.<br />

1.Während eines Seuchenzuges braucht<br />

man unendlich viele Tierärzte. Deshalb<br />

müssen tierärztliche Tätigkeiten auf das<br />

fachlich Erforderliche beschränkt werden.<br />

Dazu gehört m. E. nicht die Schätzung<br />

derTiere.Im Kreis Borken standen<br />

so zwei seuchenerfahrene Tierärzte aus<br />

dem eigenen Amt an jeweils ca. 20 Arbeitstagen<br />

nicht <strong>für</strong> andere Tätigkeiten<br />

zur Verfügung. Eine Verlagerung zur<br />

Landwirtschaftskammer wäre sinnvoll.<br />

2. Epidemiologische Ermittlungen <strong>und</strong><br />

Bewertungen sollten im Seuchenfall von<br />

einer permanent bestehenden Fachgruppe<br />

durchgeführt werden. Dazu sollten<br />

gehören die tierärztlichen Spezialisten<br />

des Friedrich-Loeffler-Instituts<br />

(FLI), ein Tierarzt des Landes <strong>und</strong> ein<br />

ortsk<strong>und</strong>iger Tierarzt des Kreises. Dieses<br />

Vorgehen hat sich im Kreis Borken<br />

im Ansatz bereits bewährt, jedoch wäre<br />

ein ununterbrochener Einsatz der FLI<br />

Fachleute wünschenswert gewesen.<br />

Phasenweise mussten sich wechselnde<br />

Mitarbeiter zeitaufwändig in vorliegende<br />

Ergebnisse <strong>und</strong> Tabellen einarbeiten,<br />

um sinnvoll die weiteren epidemiologischen<br />

Maßnahmen einzuleiten.Auch<br />

bei der Kommunikation der epidemiologischen<br />

Ergebnisse an die Ministerien<br />

gab es Reibungsverluste. Die Epidemiologie<br />

ist wichtig <strong>für</strong> strategische Entscheidungen.<br />

Wenn wir die Epidemiologie<br />

wie vorgeschlagen an eine Landesbehörde<br />

abgeben, werden auch Ent-<br />

Tierseuchen<br />

scheidungskompetenzen(z.B.Tötungsanordnung) von uns wegverlagert. Damit<br />

sind wir einverstanden. Die damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Rechtsunsicherheit <strong>und</strong><br />

das Klagerisiko würden wir natürlich im<br />

Paket gratis abgeben.Wir wollen keinen<br />

Kompetenzenstreit, sondern Verteilung<br />

der unendlichen Masse an Arbeit im<br />

Seuchenfall auf die Behördenstufe, die<br />

es am besten leisten kann.<br />

3.Verkaufsbedingungen in den einzelnen<br />

Kompartimenten, Subkompartimenten<br />

<strong>und</strong> sonstigen Zonen müssen nach einem<br />

vor der Seuche festgelegten Eskalationsschema<br />

geregelt werden (z. B.<br />

Stufe B könnte bedeuten: Verkauf von<br />

Zuchttieren verboten, Mastschweineverkauf<br />

nach klinischer Untersuchung<br />

mit 10 % Fieberprävalenz erlaubt). Damit<br />

entfiele während der Seuche das<br />

zeitaufwändige Lesen <strong>und</strong> Interpretieren<br />

von individuell auf NRW zugeschnittenen<br />

EU-Entscheidungen. Die<br />

daran anschließende Schulung der Hotline-Mitarbeiter<br />

wäre nicht erforderlich<br />

<strong>und</strong> man hätte personalaufwändige<br />

Rückfragen von Landwirten <strong>und</strong> Tierärzten<br />

vermieden. Regelungen, die „im<br />

Vorgriff auf zukünftige Rechtsetzungen“<br />

über Nacht praktiziert werden<br />

können, sind zwar sehr k<strong>und</strong>enfre<strong>und</strong>lich,<br />

aber mit der notwendigen Gesetzestreue<br />

einer Kreisverwaltung nicht<br />

vereinbar.Und wenn dann aufgr<strong>und</strong> der<br />

permanenten Änderungen der Bestimmungen<br />

<strong>und</strong> der Änderung der Interpretationen<br />

der Bestimmungen nicht<br />

einmal die Behörden wissen, welche<br />

Bestimmung ab wann in welchem Gebiet<br />

gelten – dann können sie die Hotline<br />

eigentlich abschalten.<br />

4. Bei Verkaufsuntersuchungen im Kompartiment<br />

sollte die maximale Blutprobenentnahmefrist<br />

vor dem Verkauf auf<br />

10 Tage erhöht werden, um dem Labor<br />

bei Abklärungsuntersuchungen Zeit zu<br />

geben. Diese Regelung wurde in der niederländischen<br />

Pufferzone angewandt.<br />

In NRW hatten wir die 5-Tage-Frist.<br />

Manche Landwirte, deren Proben über<br />

den 4.Tag hinaus in der Abklärung waren,haben<br />

teilweise überTage stündlich<br />

angerufen.<br />

5. Die Verteilung der Sperrverfügungen<br />

durch Boten war zwar sehr effektiv, aber<br />

personalaufwändig. Und am Tag der<br />

Seuchenfeststellung ist Personal sowieso<br />

knapp. Hier müssen intelligente Lösungen<br />

geschaffen werden, ein „Standstill“<br />

schnell umzusetzen. Das MUNLV<br />

hat die rechtliche Prüfung einer elektronischen<br />

Bekanntgabe von Tierseuchen-<br />

Verordnungen zugesagt.<br />

6. Die erfolgreiche Seuchenbekämpfung<br />

vor Ort ist nicht erfolgreich nach Brüssel<br />

kommuniziert worden. Das änderte<br />

232 <strong>R<strong>und</strong>schau</strong> <strong>für</strong> <strong>Fleischhygiene</strong> <strong>und</strong> Lebensmittelüberwachung 10/2006<br />

sich erst, als zwei Senior Advisor aus<br />

Brüssel sich bei uns im Lokalen Krisenzentrum<br />

ein Bild von der professionellen<br />

Arbeit machten. Wir sollten zukünftig<br />

häufiger Brüsseler Beobachter<br />

einladen.<br />

7. Für die Kompartimentierung muss ein<br />

nachvollziehbares Konzept erstellt werden,<br />

das mit den Wirtschaftsbeteiligten<br />

vorher abgestimmt wird. Das hätte unsere<br />

Hotline sehr entlastet. Aber dass<br />

die Kompartimentsgrenze 6 km vom<br />

Seuchenherd entfernt durch das Beobachtungsgebiet<br />

verläuft, kann auch die<br />

Hotline keinem Viehhändler,Futtermittelunternehmer,<br />

praktischem Tierarzt<br />

oder sonstigem Betroffenen erklären.<br />

8. Der Einsatz von fahrbaren Duschcontainern<br />

hat sich gegenüber dem Einsatz von<br />

Duschzelten als vorteilhaft erwiesen.<br />

Strategiewahl<br />

Nach dem Ausbruch der Schweinepest im Kreis<br />

Borken am 1.April 2006 hätte man sich auch<br />

in Abstimmung mit der EU <strong>für</strong> eine Impfstrategie<br />

entscheiden können. Maßgeblich <strong>für</strong> die<br />

Entscheidung über die Strategiewahl (Impfen/Keulen)<br />

sind folgende Kriterien:<br />

1. die epidemiologische Bewertung<br />

2. die ethische (gesellschaftliche), tierschutzrechtlichen<br />

Bewertung <strong>und</strong><br />

3. die ökonomische Bewertung<br />

Epidemiologische Bewertung: Bei einem<br />

beherrschten Seuchengeschehen wie in<br />

NRW in diesem Frühjahr mit nur 8 Fällen<br />

spricht sich die jetzige KSP Richtlinie leider<br />

eindeutig gegen eine Impfstrategie aus.<br />

Ethische Bewertung aus Borkener Sicht:<br />

Das Verständnis <strong>für</strong> die Keulung von<br />

94 000 Tieren in 188 Beständen im Kreis<br />

Borken war bei der Bevölkerung wie auch<br />

bei den Borkener Schweinehaltern gering,<br />

zumal nur 3 Bestände positiv waren. In<br />

den Niederlanden gab es 2001 bei Keulungsaktionen<br />

sogar aktiven Widerstand<br />

einiger Landwirte <strong>und</strong> öffentlichen Protest,<br />

z. B. wurde ein totes Schwein medienwirksam<br />

in einen Baum gehängt.<br />

Obwohl es auch bei uns eine deutliche<br />

emotionale Ablehnung gab, wurden die<br />

Keulungstrupps nicht beim Betreten der<br />

Höfe behindert.<br />

Da<strong>für</strong> gab es aus meiner Sicht folgende<br />

Gründe:<br />

Die Tierärzte, die den Landwirten im<br />

Kreisgebiet die Keulung vermitteln mussten,<br />

waren den Landwirten aus den Routinekontakten<br />

mit dem Veterinäramt Borken<br />

in den vergangenen Jahren persönlich<br />

bekannt <strong>und</strong> werden akzeptiert. Die Landwirte<br />

lehnten die Keulung in der Sache ab,<br />

die durchführenden Personen wurden aber

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