Dr. Georg Schreiber 2009 Medien- preis
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Rebeccas Start als Mutter war schwieriger – als<br />
Zehntklässlerin am Gymnasium Tutzing bei München.<br />
Ihr Freund war gegen das Kind, stellte sie vor<br />
die Wahl: ich oder das Baby. „Es war die Hölle“,<br />
sagt sie heute. Nach drei schweren Tagen entschied<br />
sie sich gegen eine Abtreibung, gegen ihren Freund,<br />
für das Baby.<br />
Rebecca hatte anfangs mit den Gerüchten in ihrem<br />
Heimatdorf zu kämpfen. Manche Leute schauten<br />
sie schräg an; das Kind sei gar nicht von ihrem<br />
Freund, erzählte man sich. Dann schlug sich auch<br />
noch eine ihrer besten Freundinnen auf die Seite ihres<br />
Freundes. „Sie sagte, du bist wahnsinnig. Es ist<br />
viel zu früh für ein Kind“, erzählt Rebecca. „In den<br />
ersten Monaten hatte ich echte Depressionen.“<br />
Dennoch: Überfordert fühlte sie sich selten. Ihr<br />
Schuldirektor erlaubte ihr, ein Jahr in Mutterschaftsurlaub<br />
zu gehen. Die elfte Klasse durfte sie<br />
überspringen. Rebecca hörte auf zu rauchen und zu<br />
trinken. „Später habe ich mich wahnsinnig wohl gefühlt.<br />
Meine Haare waren toll, meine Haut war<br />
toll“, erzählt sie und lacht. Von da an stand nur<br />
noch Hannah im Vordergrund. Etwas Wichtiges<br />
verpasst habe sie nicht, sagt Rebecca.<br />
„Die Glücksgefühle mit meiner<br />
kleinen Hannah sind besser als<br />
jeder <strong>Dr</strong>ogenrausch.“<br />
In TV-Doku-Soaps und Gerichtsshows sehen Mütter<br />
unter 20 anders aus, haben erweiterte Poren im<br />
Gesicht und schlecht blondierte Strähnchen auf<br />
dem Kopf. So wie bei „Erwachsen auf Probe“, der<br />
umstrittenen Sendung, die im Juni bei RTL anlief.<br />
Junge Pärchen wurden vor laufender Kamera zu<br />
Versuchseltern gemacht: arbeiten, Wäsche waschen,<br />
Windeln wechseln – Partyleben ade.<br />
Für gecastete Teenager wie Tamara folgt eine unlösbare<br />
Aufgabe nach der anderen: Ihr Ziehbaby Lasse<br />
stinkt aus der Windel und hört einfach nicht auf<br />
zu schreien. Aber sie weiß nicht, wie sie Lasse beru-<br />
higen soll. Als der Kleine endlich schläft, greift sie<br />
entnervt zur Zigarette.<br />
Der Sender macht das Fehlverhalten zur Show, bedient<br />
das Klischee der jungen, überforderten Mutter<br />
– auf Kosten der Teilnehmer. RTL-Geschäftsführerin<br />
Anke Schäferkordt sieht das anders: „Die Sendung<br />
ist eine einzigartige Möglichkeit für Jugendliche<br />
mit Kinderwunsch, Verantwortung für Kinder<br />
zu übernehmen.“ Dabei lebt die Serie aber vor allem<br />
von ihren Negativbeispielen.<br />
Ein Kind bedeutet für jede Mutter eine Umwälzung, ganz andere Dinge<br />
werden wichtig. Selbst wenn die Freude über den Nachwuchs überwiegt –<br />
Ängste kommen, früher oder später. Hermine Baumann von Pro Familia<br />
hält es für normal, dass Mütter sich manchmal überfordert fühlen. Sie sehen<br />
sich auf die Mutterrolle reduziert. „Viele haben das Gefühl, noch andere<br />
Erfahrungen im Leben machen zu müssen“, sagt Baumann. Ob jung<br />
oder alt – auch einer 30-Jährigen kann die neue Aufgabe über den Kopf<br />
wachsen.<br />
„Es gibt kein perfektes Alter, um Mutter zu werden“, sagt Nicole aus Leer.<br />
„Vielleicht wäre ich in zehn Jahren weniger überrascht gewesen, aber alles<br />
wäre genauso neu wie jetzt.“<br />
Vor zwei Generationen war es noch üblich, jung<br />
Mutter zu werden. Mitte der 60er Jahre waren Frauen<br />
bei ihrem ersten Kind im Schnitt 23 Jahre alt.<br />
Wer mit 30 noch kein Kind hatte, galt schon als<br />
hoffnungsloser Fall, als alte Jungfer. Heute liegt das<br />
Durchschnittsalter bei 26 Jahren. Prominente über<br />
40, die ihre Kinder von bezahlten Leihmüttern austragen<br />
lassen, füllen die Seiten der Klatschmagazine.<br />
Rebecca hat den nächsten Schritt gewagt: Mit ihrem<br />
neuen Freund ist sie nach Offenbach gezogen, er<br />
studiert dort Kunst. Hannah ist natürlich dabei. In<br />
den ersten Monaten will Rebecca als Tagesmutter<br />
jobben oder ein Praktikum machen, bevor sie selbst<br />
mit dem Studium beginnt. Was sie studieren will,<br />
weiß sie noch nicht genau, aber eines ist sicher: Von<br />
ihrem Freund lässt sie sich nicht reinreden. Auch<br />
diese Entscheidung wird sie selbständig treffen.