ERNST LUDWIG KIRCHNER Aschaffenburg 1880 – 1938 Davos 77 Niederblickender Junge. Kreide auf Velin. Ca. 1915 – 1919. 50,5:35 cm. Rückseitig mit Nachlassstempel bezeichnet. Prov.: Schweizer Privatsammlung Kirchner wurde als ältestes Kind von dreien des Chemikers Ernst Kirchner und dessen Frau Maria Elise geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Dresden Architektur und verbrachte dabei 1903/1904 das Wintersemester in München, was ihn aber enttäuschte. Einzig vom Besuch der Münchner Debschitz-Schule, ein reformorientiertes Lehr- und Versuchs-Atelier für angewandte und freie Kunst, profitierte er während diesem Halbjahr. Obwohl er 1905 sein Studium erfolgreich abschloss, entschied er sich gegen die Laufbahn des Architekten und schloss sich mit Erich Heckel, Fritz Bleyl und Karl Schmidt-Rotluff zur Künstlergemeinschaft „Brücke“ zusammen, mit dem Ziel, „die deutsche Kunst zu erneuern“. Innerhalb dieser Gruppe entfernte sich Kirchner von seinen impressionistisch beeinflussten Anfängen und entwickelte sich zum Expressionisten. Er legte in kraftvollen, vereinfachten Formen und leuchtenden Farben seine Sicht auf die eigene Umwelt in seiner Kunst dar. Innerhalb der Gruppe zeichnet sich Kirchner durch seine Konzentrierung auf die eigene, trotz grosser Einfachheit intensiven Form- und Farbgebung aus und sticht damit neben den Anderen heraus. Nebst Akten und Porträts verarbeitete er auch oft Landschaften, Stadtansichten und Motive aus der Theater-Szene. Nach seinem Umzug 1911 nach Berlin erreichte sein Werk einen ersten Höhepunkt. Doch 1913 zerbrach die Freundschaft zu den anderen Künstlern der „Brücke“ auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über die Chronik der Brücke, die Kirchner verfasst hatte. Nach seinem unfreiwilligen Eintritt ins Militär im Frühjahr 1915 erlitt Kirchner nach wenigen Monaten einen vollständigen Zusammenbruch und wurde dienstuntauglich geschrieben. Die Ängste und Zweifel vor dem drohenden Kriegsausbruch wie auch der Kriegszeit selbst spiegeln sich in seinem Werk dieser Zeit, wie auch die hier vorliegende Zeichnung diesen Eindruck hinterlässt. Zur Genesung nach seinem Zusammenbruch kam Kirchner schliesslich nach verschiedenen anderen Klinikaufenthalten 1917 nach Davos, wo er bis zu seinem Selbstmord 1938 wohnhaft blieb. 77 Boy looking down. Chalk on wove paper. Ca. 1915 – 1919. 50,5:35 cm. Annotated estate stamp on the verso. Kirchner was eldest of the three children of the chemist Ernst Kirchner and his wife Maria Elise. He studied architecture at the Technical University of Dresden, and spent the winter 1903/1904 studying in Munich, but he was totally disappointed. Only by visiting the Munich Debschitz school – a reform-oriented teaching and experimental studio for applied and free arts – did he benefit from this stay. Although he finished his studies successfully in 1905, he decided against a career as architect and founded with Erich Heckel, Fritz Bleyl and Karl Schmidt-Rotluff the artist community “Brücke” with the aim to renew the German art. Within this group, Kirchner moved away from his beginnings that were influenced by impressionism and became the Expressionist that he is known as. In powerful, simplified forms and bright colors, he expressed his view of the world in his art. With the concentration on his own style, intense forms, and colors, despite its simplicity, Kirchner stands out from the group. In addition to nudes and portraits, Kirchner depicted many landscapes, city views and also scenes from the theaters. After moving to Berlin in 1911, his work reached its first peak. But in 1913 the friendship with the other artists from the “Brücke” was broken due to discussions about the chro- 120
nicle of the group which Kirchner had written. After his involuntary entry into the military in spring 1915, Kirchner suffered a complete collapse after a few months and was discharged from the service. The fears and doubts about the war, which was on the verge of starting, are reflected in his work during these years, the impression which this drawing gives. After several other hospital stays, Kirchner came for treatment to Davos in 1917, where he remained until his suicide in 1938. 121