4 4 4 4 4 4 - HSG Marbach/Rielingshausen
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Chronik<br />
Die Anfänge des TV <strong>Marbach</strong><br />
Frühsommer 1861 (vermutlich<br />
am Samstag, dem 3.<br />
Mai) findet im Lokal des Metzgermeisters<br />
und Gastwirts Johann<br />
Michael Scharr die Gründung<br />
des <strong>Marbach</strong>er Turnvereins statt.<br />
Scharr hat sein Geschäftshaus<br />
im damaligen Kirchgäßle 10,<br />
heute Niklastorstraße 12, dem<br />
ehemaligen Betrieb der Metzgerei<br />
und Gaststätte von Walter<br />
Knorpp. In <strong>Marbach</strong> ist er schon<br />
seit der 48er-Revolution als engagierter<br />
Demokrat hervorgetreten<br />
und übernimmt auch gleich<br />
das Amt des Kassiers im Turnverein.<br />
Als Gründungsmitglieder<br />
werden R. Glocker, Fr. Riegert,<br />
H. Reißer, C. Feeßer, Rud. Haußer,<br />
R. Küchler, G. Schweizer, Fr.<br />
Knaupp, R. Bühl, Scharr, Rau,<br />
Schweinle, Metzger, Grundgeiger<br />
und Baitinger aufgeführt. Zunächst<br />
stehen 9 Turner unter der<br />
Leitung des Provisors (Lehrer-<br />
Gehilfe) Baitinger.<br />
Wer in dieser Zeit Mitte des 19.<br />
Jahrhunderts in einen Turnverein<br />
aufgenommen werden will, hat<br />
einige Prüfungen über sich ergehen<br />
zu lassen. So muss er sich<br />
nach den Aufnahmebedingungen<br />
mancher Vereine von einem<br />
Mitglied vorschlagen lassen. Am<br />
nächsten Turntag wird er von<br />
diesem in der „Gesellschaft“<br />
eingeführt. So kann sich jeder<br />
Gedanken machen, ob er „triftige<br />
Gründe gegen die Aufnahme<br />
des Vorgeschlagenen vorzubringen<br />
habe.“ Diese sind einem<br />
Vorstandsmitglied anzugeben.<br />
„Nach Verlauf von drei Turntagen<br />
entscheidet dann der Vorstand<br />
über Aufnahme oder Abweisung<br />
des Vorgeschlagenen.“ Als Auf-<br />
nahmebedingungen gelten ein<br />
„unbescholtener Ruf, ein sittlicher<br />
Lebenswandel und anständiges<br />
Betragen.“ Zudem darf der<br />
Vorgeschlagene noch nie aus einer<br />
anderen Gesellschaft ausgeschlossen<br />
worden sein.<br />
Damit ist aber der Aufnahmevorgang<br />
noch nicht abgeschlossen.<br />
Der Vorgeschlagene wird noch<br />
„mit den Gesetzen bekanntge-<br />
Das Gründungslokal heute<br />
macht“ und muss in die Hand<br />
des „Sprechers das Versprechen<br />
ablegen, den Gesetzen und Anordnungen<br />
der Gesellschaft sich<br />
völlig zu fügen“ und gilt erst dann<br />
als Mitglied, wenn er dies in die<br />
Hand des Turnwarts wiederholt<br />
hat.<br />
Am 23. Juli 1861 ergeht im <strong>Marbach</strong>er<br />
Postillon der Aufruf des<br />
Vereins, diesem beizutreten,<br />
denn bei dieser Sache gehe es<br />
„um die Einigung der deutschen<br />
Nation“ und hierzu brauche man<br />
„geübte und gewandte Männer<br />
zur Abwehr fremder Angriffe auf<br />
das gemeinschaftliche Vaterland.“<br />
Bemängelt wird in diesem<br />
Bericht, dass sich „viele der guten<br />
Sache theils aus Bequemlichkeit,<br />
theils aus Gleichgültigkeit nicht<br />
anschließen“ und die Eltern und<br />
insbesondere die Lehrherren den<br />
jungen Leuten die Zeit dazu nicht<br />
gönnen. Der Aufruf wird noch<br />
verstärkt durch die Worte: „Nur<br />
Übung stählt die Kraft und - Kraft<br />
ist´s was Leben schafft.“<br />
Die nötige Resonanz scheint dem<br />
Aufruf nicht gegeben zu sein,<br />
denn im August 1863 erfolgt beispielsweise<br />
ein weiteres Werben.<br />
Jetzt werden „confirmirte Söhne<br />
vom 14-18. Jahre“ als Turnzöglinge<br />
angeworben, da der Verein<br />
aufgrund von ausgebildeten<br />
Vorturnern „im Stande ist, sich<br />
mit Turnzöglingen zu befassen.“<br />
Diese dürfen sich auch an Turnfahrten<br />
beteiligen, werden aber<br />
„von den Monatsversammlungen<br />
und anderen geselligen Zusammenkünften<br />
des Vereins ausgeschlossen.“<br />
Angesprochen fühlen sollen sich<br />
auch Schüler der lateinischen<br />
Schulen und Zöglinge, „bei welchen<br />
ihre Berufsart das Turnen<br />
fast nothwendig macht, wenn<br />
nicht ein verhocktes Wesen entstehen<br />
soll.“ Noch im Dezember<br />
desselben Jahres lässt der Vorstand<br />
des Turnvereins im Postillon<br />
vermelden, dass die „hiesigen<br />
Turner ihre Uebungsstunden<br />
theilweise mit Exerzier-, Marsch-<br />
Chronik<br />
Die Anfänge des TV <strong>Marbach</strong><br />
und Waffenübungen... und der<br />
Handhabung der Schießgewehre<br />
ausfüllen.“ Diese vormilitärische<br />
Betrachtung der Turnsache zieht<br />
sich durch die folgenden Jahre,<br />
bei denen der „Turn- und Wehrverein“<br />
zu Exerzierübungen und<br />
Gewehrvisitationen aufruft. Diese<br />
finden in Ermangelung geeigneter<br />
Räumlichkeiten auch mal<br />
auf dem Rathaus statt.<br />
In dieser militärischen Ausbildung<br />
nimmt der Turnverein eine<br />
Vorreiterrolle ein, denn die erwachsene<br />
Jugend der Stadt<br />
wird aufgefordert, „sich mit den<br />
Mitgliedern des Turnvereins der<br />
wichtigen Sache anzuschließen<br />
und hinzugeben.“ Da die Übung<br />
mit den Waffen keinem jungen<br />
Manne schade, ist es als „eine<br />
Vorschule zum Eintritt in das<br />
stehende Militär“ zu betrachten.<br />
Auch wenn durch „die Munificenz<br />
der städtischen Behörden“<br />
die Turnsache kräftig unterstützt<br />
wird, scheint es über Jahre oder<br />
gar Jahrzehnte hinweg schwierig<br />
zu sein, die Jugend von den „großen<br />
Vortheilen allseitiger körperlicher<br />
Uebung“ zu überzeugen<br />
und ihnen bei einer Vereinsangehörigkeit<br />
„eine kürzere Präsenz“<br />
als Militärpflichtige in Aussicht zu<br />
stellen. Außerdem müsste es den<br />
Eltern und Lehrherren aus erzieherischer<br />
Sicht „nur lieb sein,<br />
ihre jungen Leute in ordentlicher<br />
Gesellschaft und zu geordneter<br />
Thätigkeit und gesittetem Betragen<br />
angehalten zu wissen.“<br />
Für die meisten Turner des Turnvereins<br />
<strong>Marbach</strong> ist es 1862<br />
nach Gründung der <strong>Marbach</strong>er<br />
Feuerwehr Ehrensache, in diese<br />
einzutreten. Ihre Beweggründe<br />
hierzu sind die „militärisch geschulte<br />
Verantwortung für Staat<br />
und Gesellschaft.“ Die gegenseitige<br />
Verbindung mit der Feuerwehr<br />
beruht auch auf einem<br />
ganz pragmatischen Grund: die<br />
geschickten, wendigen und kräftigen<br />
Turner können im Ernstfall<br />
auf den Feuerwehrleitern als<br />
Steiger eingesetzt werden. Wenn<br />
solche nicht vorhanden sind, werden<br />
menschliche Leitern in Form<br />
von Pyramiden gebildet. Der für<br />
den Verein positive Nebeneffekt<br />
ist der, dass sich solche Pyramiden<br />
bei Turnfesten als turnerische<br />
Kunstform für spektakuläre<br />
Vorführungen großer Beliebtheit<br />
erfreuen.<br />
1861<br />
Durch Auswanderungen in die<br />
Neue Welt sinkt die Einwohnerzahl<br />
<strong>Marbach</strong>s von 2495<br />
im Jahr 1848 auf 2213 im Jahr<br />
1861.<br />
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