WUMA - unser Garten - Sozialhilfe
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UNSER GARTEN<br />
Im Gemeinschaftsgarten des Wohnheims für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (<strong>WUMA</strong>)<br />
wachsen Gemüse, Ernährungswissen, Selbstvertrauen und Sozialkompetenz<br />
Heidi Emmenegger, Sozialarbeiterin, und Jugendliche des <strong>WUMA</strong><br />
«Jetzt ich», sagt Issa bestimmt, nimmt die Sense wieder an sich und mäht mit schwingenden Be -<br />
wegungen das hohe Gras. Edris steht daneben und wartet fast ungeduldig, bis er wieder am Zug<br />
ist. Weiter hinten im <strong>Garten</strong> graben zwei Jugendliche Kartoffeln aus, vorsichtig, damit sie mit dem<br />
Spaten die Knollen nicht verletzen. Von zwei Mädchen hört man hinter den buschigen Stangen -<br />
bohnen nur das fröhliche Geplauder. Sie sind daran, die reifen Bohnen zu pflücken. Ein Junge hat<br />
sich den Fotoapparat geschnappt und porträtiert die <strong>Garten</strong>arbeit, die schönsten Blumen und immer<br />
wieder sich selbst in filmreifen Posen. Die Betreuerin geht durch den <strong>Garten</strong> und plant im Kopf die<br />
nächsten Arbeiten. Ab und zu macht sie jemanden auf ein kleines Lebewesen aufmerksam, prüft<br />
die Arbeitsschritte, beteiligt sich gerne auch an Plaudereien und interveniert, wenn diese nicht in<br />
Deutsch geführt werden. Es geht lebhaft zu im so genannten Gemeinschaftsgarten der UMA (un -<br />
begleitete minderjährige Asylsuchende) aus Basel.<br />
Der Gemeinschaftsgarten befindet sich auf einem Biobauernhof im Kanton Aargau und wurde<br />
2011 zum zweiten Mal als Projekt des <strong>WUMA</strong> (Wohnheim für unbegleitete minderjährige Asyl -<br />
suchende) Basel durchgeführt. Das Projekt ist eingebettet in den konzeptionellen Rahmen der Institution,<br />
der vorsieht, den Jugendlichen auch Angebote ausserhalb der klassischen Einzelfallarbeit zu<br />
machen. Ziel dieser sogenannten ‹Gruppenangebote› ist es, die Jugendlichen in Bereichen zu fördern,<br />
wo dies – als Ergänzung zur Einzelfallarbeit – besonders sinnvoll scheint. Dabei handelt es sich insbesondere<br />
um Bildungs-, Präventions- und Integrationsarbeit und eine sinnvolle, bedürfnisorientierte<br />
Gestaltung der Freizeit. Gleichzeitig wird die Arbeit mit und in der Gruppe als soziales Lernfeld<br />
bewusst eingesetzt. In der Kleingruppe kann Sozialverhalten aufgebaut, gefördert, gestärkt und<br />
auch verändert werden.<br />
Das Projekt Gemeinschaftsgarten entstand ursprünglich aus der Idee heraus, das Thema<br />
Gesundheitsförderung ganzheitlich anzugehen. Den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern war<br />
seit langem aufgefallen, dass sich die Jugendlichen, welche im <strong>WUMA</strong> selbst kochen müssen, eher<br />
einseitig ernähren. Vor allem in den Herbst- und Wintermonaten erkranken die Jugendlichen schnell<br />
an Erkältungen und Grippe. Einseitige Ernährung kann eine mögliche Ursache dafür sein. Als Gründe<br />
für die einseitige Ernährung wurden folgende angenommen:
• Die Jugendlichen wissen wenig oder nichts über Ernährungslehre,<br />
• die Jugendlichen wissen nicht, wie man gewisse Nahrungsmittel wie z.B. Gemüse kocht,<br />
• sie geben ihr Geld lieber für in ihren Augen wichtigere Dinge aus, als für Nahrungsmittel<br />
und achten beim Kauf der Produkte mehr auf den tiefen Preis als auf ausgewogene Er -<br />
nährung und Qualität,<br />
• es fehlt die Sensibilisierung dafür, wie wichtig Ernährung für die Gesundheit ist.<br />
Zwar wurden im <strong>WUMA</strong> auch schon vorher Workshops zum Thema Ernährung durchgeführt, jedoch<br />
bis anhin nur auf theoretischer Ebene. Das Projekt eines Gemeinschaftsgartens sollte sowohl eine<br />
sachliche wie auch eine sinnliche Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglichen. Gleichzeitig<br />
konnten in Bezugnahme zu den Zielen der Gruppenangebote im <strong>WUMA</strong> viele weitere Projektziele<br />
formuliert werden:<br />
• Die Jugendlichen sollen sich selbstwirksam erleben können. Als GärtnerInnen übernehmen<br />
sie Verantwortung für einen ganzheitlichen Prozess der Nahrungsmittelproduktion. Sie sehen<br />
die Früchte ihrer Arbeit wachsen und gedeihen und können darin eine Sinnhaftigkeit er -<br />
kennen. Die gesunden Lebensmittel (Bio-Gemüse und -Kräuter) können sie für ihre eigene<br />
Ernährung nutzen.<br />
• Weiter lernen sie verschiedene Nahrungsmittel und ihren Anbau kennen. Dabei findet das<br />
Lernerlebnis sowohl kognitiv als auch sinnlich statt und bietet auch denjenigen Jugendlichen<br />
die Möglichkeiten zu Erfolgserlebnissen, welchen das rein kognitive Lernen eher schwer fällt.<br />
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«Später gingen wir in den <strong>Garten</strong>. Alle haben etwas<br />
gearbeitet: Zwiebeln in den Boden stecken, Knoblauch,<br />
Karotten säen, Radieschen säen, Blumen säen… Dann<br />
gingen wir wieder zum Haus. Dort haben wir grilliert und<br />
gegessen und noch mehr Fussball und Tischtennis gespielt.<br />
Und wir sahen die Kühe nach draussen gehen. Fussball<br />
und Grillieren waren besonders schön. Dann gingen<br />
wir zurück zum Bahnhof nach Basel.»<br />
Auszug aus dem <strong>Garten</strong>tagebuch von Mohommodou,<br />
17 Jahre alt
• Die Jugendlichen lernen wichtige Schritte zur Selbstversorgung kennen: Anbau und Aufzucht<br />
von Gemüse, Ernte, Veredelungs- und Haltbarkeitsprozesse wie Trocknen, richtiges Lagern,<br />
usw.<br />
• Die gemeinsame Arbeit fördert den Gemeinschaftssinn der Jugendlichen. Als GärtnerInnen<br />
sind sie aufeinander angewiesen und zeigen gemeinsam Verantwortung für ihren <strong>Garten</strong>.<br />
• Der Aufenthalt auf dem Land soll den Jugendlichen, die sich vorwiegend in der Stadt auf -<br />
halten, aufzeigen, dass es auch hier in der Schweiz verschiedene Lebensweisen gibt. Der Aufenthalt<br />
und die Arbeit in der Natur bieten viel Potenzial für positive Erlebnisse. Die Arbeit<br />
soll dabei lustvoll angegangen werden. Es soll Zeit bleiben für Gespräche, kleine Pausen und<br />
jeweils ein gemeinsames kleines ‹Zvieri›. Auch für Begegnungen mit den Menschen und<br />
Tieren des Bauernhofes soll Raum bleiben.<br />
• Wir sprechen Deutsch miteinander: Die Jugendlichen können ihre Deutschkenntnisse in<br />
einem neuen Bereich erweitern. Sie lernen die deutschen Begriffe für Lebensmittel und die<br />
Bereiche der <strong>Garten</strong>arbeit kennen.<br />
• Den Jugendlichen soll eine sinnvolle, nicht konsumorientierte Freizeitbeschäftigung geboten<br />
werden. Die <strong>Garten</strong>arbeit soll in erster Linie Freude und Spass bereiten. Zudem setzt das<br />
Projekt ein Engagement über einen längeren Zeitraum voraus. Dies verlangt eine gewisse<br />
Ausdauer der Jugendlichen. Auch das kann als Lernfeld angesehen werden.<br />
• Ökologische <strong>Garten</strong>arbeit leistet allgemein einen Beitrag zu einem nachhaltigen und sorg -<br />
fältigen Umgang mit der Natur. Die Jugendlichen sollen allgemein für eine nachhaltige<br />
Lebensweise und die damit verbundenen Themen sensibilisiert werden.<br />
Eine wichtige Frage in der Arbeit mit Jugendlichen bleibt immer die Motivation. Viele Jugendliche<br />
haben zudem noch nicht die sprachlichen Kompetenzen, um zu verstehen, worum es sich bei einem<br />
vorgestellten Projekt genau handelt. Als Auftakt für das <strong>Garten</strong>projekt wurde deshalb beschlossen,<br />
in den Frühlingsferien einen Tag auf dem Bauernhof zu verbringen. Dieser Tag wurde bewusst lustvoll<br />
gestaltet: Gemeinsames Spielen, Bräteln im Wald, eine Hofführung vom Bauern mit Besuch der<br />
verschiedenen Tiere, Fotoshootings auf dem Traktor usw. Zudem konnten die Jugendlichen Ruccola,<br />
Kresse und andere Kräuter in Töpfen ansäen. Auf dem Fussweg zum Postauto wurde den Jugend -<br />
lichen der künftige <strong>Garten</strong>platz gezeigt. So hatten am Abend alle einen ungefähren Eindruck vom<br />
geplanten Projekt.<br />
Das Angebot richtete sich grundsätzlich an alle Jugendlichen, behielt aber immer einen freiwilligen<br />
Charakter. Die Rückschau auf die letzten beiden <strong>Garten</strong>jahre zeigt, dass das Angebot praktisch<br />
immer ‹ausgebucht› war und die Jugendlichen immer wieder gerne als GärtnerInnen in den<br />
Aargau reisten. Für die einen blieb es ein einmaliger Ausflug aufs Land, andere beteiligten sich<br />
durchgehend und engagiert am Projekt. Während der Schulzeit eignete sich der Mittwochnach -<br />
mittag am besten für die <strong>Garten</strong>arbeit, da dann der Grossteil der Jugendlichen schulfrei hat.<br />
Meistens nahmen zwischen drei bis sechs Jugendliche am Angebot teil, dabei wurden sie von einer<br />
Sozial pädagogin begleitet. Zudem half im ersten <strong>Garten</strong>jahr auch ab und zu die Bäuerin mit und<br />
unterstützte die GärtnerInnen mit ihrem langjährigen Fachwissen. Angebaut wurden: Radieschen,<br />
Ka rotten, Busch- und Stangenbohnen, Blumen, Erbsen, Kefen, Basilikum, Zwiebeln, Knoblauch, Mais,<br />
Kabis, Rotkohl, Kohl, Kürbis, Melonen, Kartoffeln, Andenbeere, Salat, Mangold, Krautstiel und<br />
Tomaten. Beide Jahre gedieh die Aussaat und Pflanzung ohne zusätzliche Wasserzufuhr prima, ausser<br />
bei den Melonen, die zu wenig süss, und den Tomaten, die verfault waren.<br />
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«Dann sind wir in den <strong>Garten</strong> gegangen. Erwin und ich<br />
haben den Erbsenhag auseinander genommen. Wir haben<br />
Karotten und Kartoffeln und Melonen und Zwiebeln<br />
und Bohnen geerntet. Wir haben viele Fotos gemacht im<br />
<strong>Garten</strong>.<br />
Am Schluss haben wir gesehen, wie die Kühe auf die<br />
Weide gingen. Alle Kühe und Kälber hatten gelbe<br />
Marken in den Ohren. Selma hat gefragt: ‹Was ist das?›.<br />
Mirjam hat gesagt: ‹Das ist wie der Pass oder Ausweis<br />
der Kühe.› Edris hat gesagt: ‹Müssen die Kühe auch alle<br />
sechs Monate den Ausweis wechseln?› Wir haben alle<br />
gelacht.»<br />
Auszug aus dem <strong>Garten</strong>tagebuch von Edris, 16 Jahre alt.
Herausfordernd bei der <strong>Garten</strong>arbeit war jeweils die Aussaat- und Pflanzphase. Die Jugend -<br />
lichen mussten genau angeleitet werden, eine gewisse Konzentration war dabei wichtig und auch<br />
das Bewusstsein, dass unter dem Boden nun etwas geschah und nicht mehr überall draufgestanden<br />
werden sollte. Sobald die Pflanzen aus dem Boden sprossen, wurde der <strong>Garten</strong> für die Jugendlichen<br />
übersichtlich und die Betreuungsarbeit einfacher. Jetzt galt es die Pflanzen zu hegen und pflegen.<br />
Die Jugendlichen lernten, Unkraut zu jäten, mit der Hacke und Pendelhacke umzugehen, den Boden<br />
zu lockern – und alle weiteren notwendigen Massnahmen für die Garantie einer möglichst guten<br />
Ernte. Schön war, wie der <strong>Garten</strong> bei jedem Besuch weiterentwickelt war. Die Jugendlichen freuten<br />
sich über die Früchte – oder eben das Gemüse – ihrer Arbeit. Bald konnten Radieschen geerntet<br />
werden, dann Erbsen, Kefen, die ersten Bohnen… In grossen Papiersäcken wurde das Gemüse nach<br />
Basel ins <strong>WUMA</strong> transportiert und dort entweder an die Jugendlichen verteilt oder gemeinsam gerüstet,<br />
zubereitet und gegessen. Am Tag der Zwiebelernte sind jeweils fast alle <strong>WUMA</strong>-Jugendlichen<br />
nochmals mit auf den Hof gekommen und haben geholfen. Unter Anleitung der Bäuerin wurden<br />
die Zwiebeln zu schönen Zöpfen geflochten, welche später im <strong>WUMA</strong> auf jeder Stockwerkküche<br />
an den Sommergarten erinnerten.<br />
Rückblickend scheint der grösste und wichtigste Effekt des Projekts im Erleben einer erfüllenden<br />
und attraktiven Tagesstruktur zu liegen. Dazu gehört auch das positive Gruppenerlebnis, das bei<br />
jedem einzelnen <strong>Garten</strong>nachmittag stattgefunden hat. Zwei- bis dreimal waren Jugendliche mit<br />
dabei, die ganz neu im <strong>WUMA</strong> wohnten. Neue Jugendliche haben erfahrungsgemäss in den ersten<br />
Tagen ihres <strong>WUMA</strong>-Aufenthaltes noch keine externe Tagesstruktur wie Schule oder Deutschkurs. Je<br />
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«Am 6. Juli waren wir in <strong>unser</strong>em <strong>Garten</strong>. Selma, Helmane,<br />
Rima, Suleyman und Hanna. Dort haben wir zuerst<br />
Apfelsaft getrunken, danach haben wir etwas gespielt,<br />
zum Beispiel Tischtennis und Volleyball. Danach sind wir<br />
in den <strong>Garten</strong> gegangen, dort haben wir gejätet. Und<br />
wir haben eine reife Zucchetti gefunden. Helmane und<br />
ich haben Erbsen und Kefen gepflückt. Dann haben<br />
wir schöne Fotos gemacht vor einem Getreidefeld. Dann<br />
haben wir Kopfstand gemacht und das hat grossen<br />
Spass gemacht. Davon haben wir auch schöne Fotos gemacht.<br />
Am Schluss haben wir auch noch Fotos mit den<br />
Kühen gemacht und alle haben eine Glacé bekommen. Es<br />
war sehr lecker. Wir haben viel Spass gehabt.»<br />
Auszug aus dem <strong>Garten</strong>tagebuch von Rima, 17 Jahre alt
nach Sprachkenntnissen besteht so für eine/n neue/n Bewohner/in immer die Gefahr der sozialen<br />
Isolation. Das <strong>Garten</strong>projekt hat sich als gute Integrationsplattform erwiesen. In der Gruppe zeigten<br />
sich die Jugendlichen oft fähig, ein Neumitglied zu integrieren, sei es beim Fussballspielen, bei den<br />
Fotoshootings oder bei der <strong>Garten</strong>arbeit.<br />
Bezeichnend ist auch die Art und Weise, wie die Jugendlichen den ländlichen Raum ‹erobert›<br />
haben: In ihrem Bewegungs- und Spieldrang schienen sie unermüdlich. Die Freiheiten eines schwach<br />
besiedelten Raums mit sehr wenig Strassenverkehr wurden sehr genossen. Ebenfalls faszinierten die<br />
Bauernhoftiere. Allen voran der Hund, zu dem einige Jugendlichen einen persönlichen Bezug herstellten.<br />
Ein persönlicher Bezug entstand auch zur Bäuerin und zu zwei Jugendlichen, die auf dem<br />
Bauernhof Landdienst absolvierten und je einmal bei der <strong>Garten</strong>arbeit mithalfen.<br />
Schwierig einzuschätzen ist der direkte Lerneffekt der <strong>Garten</strong>arbeit an sich. Diese war allgemein<br />
nicht gross in einen theoretischen Kontext eingebettet, es blieb vor allem beim praktischen Erleben<br />
und Lernen. Theoretisches Lehren bedingt im <strong>WUMA</strong> einen relativ grossen zeitlichen Aufwand. Die<br />
Inhalte müssen so aufbereitet werden, dass sie auch von Jugendlichen verstanden werden, die noch<br />
wenig oder praktisch kein Deutsch sprechen. Zudem zeigt sich allgemein, dass die Jugendlichen, die<br />
alle zur Schule gehen, in ihrer Freizeit wenig Interesse an rein theoretischen Inhalten haben. Umso<br />
mehr genossen sie spürbar das Benutzen der <strong>Garten</strong>werkzeuge, das Übernehmen von kleinen Verantwortungen<br />
innerhalb der Arbeitsprozesse und das gemeinsame Arbeiten an sich. Es zeigte sich<br />
auch, dass diejenigen Jugendlichen, die im ersten <strong>Garten</strong>jahr schon dabei waren, im zweiten Jahr<br />
ein wesentlich grösseres Knowhow hatten als die Neulinge.<br />
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Die Verarbeitung, Konservierung und Veredelung der geernteten Lebensmittel war zwar in<br />
Kooperation mit den Jugendlichen möglich, jedoch nicht in dem Ausmass, wie es eigentlich vor -<br />
gesehen war. Die Jugendlichen beteiligten sich zwar an diesen Arbeiten, wenn sie aufgefordert<br />
wurden, selbstständiges Engagement entstand jedoch eher selten. Es zeigte sich, dass Arbeiten, die<br />
in Gruppen gemacht werden konnten (zum Beispiel Erbsen öffnen) beliebter waren.<br />
Für gemeinsames Kochen und Essen der Lebensmittel blieb im <strong>WUMA</strong> oft zu wenig Zeit. So<br />
wurde das Gemüse jeweils an beteiligte und interessierte Jugendliche verteilt. Dabei zeigten zwar<br />
fast alle Freude und auch sichtlich Stolz. Allerdings gelang es danach nicht immer allen, das Gemüse<br />
rechtzeitig zu verarbeiten. Tendenziell handelte es sich dabei um diejenigen Jugendlichen, denen<br />
die selbstständige Organisation von Hausarbeit und Selbstversorgung an sich noch schwer fällt.<br />
Ein weiteres Ziel des Projekts war die Verbesserung der Deutschkenntnisse als allgemeiner<br />
Effekt von gemeinsamen Unternehmungen. Die relativ lange An- und Rückreise zum <strong>Garten</strong> mit den<br />
öffentlichen Verkehrsmitteln (ein Weg dauerte rund eine Stunde) eignete sich gut zur – oft spielerischen<br />
– Kommunikation in der Gruppe. Die Jugendlichen interessierten sich auch für die deutschen<br />
Bezeichnungen im Zusammenhang mit der <strong>Garten</strong>arbeit. Nach jedem Ausflug erhielt jemand den<br />
Auftrag, die Tageserlebnisse in Form eines <strong>Garten</strong>tagebuches niederzuschreiben. Korrigiert wurde<br />
dieses dann jeweils im Gang aufgehängt, so dass alle Jugendlichen es lesen konnten. Manchmal<br />
wurde das Tagebuch auch in der Gruppe zusammen gelesen. Zum Abschluss gestaltete die zu -<br />
ständige Sozialpädagogin eine Dokumentation mit allen Tagebüchern sowie Fotos und Bildern<br />
der Gemüse mit Bezeichnung. Eine solche Dokumentation eignet sich sowohl als Erinnerung als<br />
auch als kleines Nachschlagewerk für deutsche Begriffe im Zusammenhang mit <strong>Garten</strong>arbeit.<br />
Für die Weiterführung des <strong>Garten</strong>projekts wurden einige Entwicklungsmöglichkeiten formuliert.<br />
So könnten die Jugendlichen noch mehr in die <strong>Garten</strong>planung und den Einkauf von Saat- und<br />
Pflanzgut einbezogen werden. Dies war bis anhin aus zeitlichen und organisatorischen Gründen<br />
kaum möglich. Längerfristig könnte auch überlegt werden, die Begegnung mit gleichaltrigen, einheimischen<br />
Jugendlichen zu ermöglichen, beispielsweise in Zusammenarbeit mit der örtlichen Schule<br />
bei einem gemeinsamen <strong>Garten</strong>nachmittag. Das <strong>Garten</strong>projekt bietet viele Ausbaumöglichkeiten.<br />
Gleichzeitig darf der Aufwand nicht unterschätzt werden, und die <strong>WUMA</strong>-Mitarbeitenden stehen<br />
immer vor dem Dilemma, dass den Jugendlichen insbesondere im Bereich Präventionsarbeit viele<br />
verschiedene Inhalte vermittelt werden müssen. Die zu starke Konzentration auf einen Themenschwerpunkt<br />
geht zu Lasten anderer wichtiger Themen wie etwa Schuldenprävention, Gewalt -<br />
prävention oder Workshops zum richtigen Umgang mit den neuen Medien. Ziemlich sicher werden<br />
die Jugendlichen vom <strong>WUMA</strong> auch 2012 wieder gärtnern. In welcher Form genau, wie oft und mit<br />
welcher Intensität, wird sich noch herausstellen. Einige Jugendliche haben schon Ende Februar geäussert,<br />
dass sie den <strong>Garten</strong> vermissen…