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Das Chaos Computer Buch - Monoskop

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<strong>Das</strong> <strong>Chaos</strong> <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

Desktop Publishing, beim Publizieren vom Schreibtisch aus, sind<br />

ähnliche Argumente zu hören. Der <strong>Computer</strong> mache jedermann zum<br />

Verleger, für jede Meinung eine Zeitung. Die eigentliche Demokratisierung<br />

der Presse fände mit <strong>Computer</strong>n der Marke X, Y oder<br />

Z statt.<br />

Technik indes kann keine neue Gesellschaft hervorzaubern, allenfalls<br />

gesellschaftliche Strukturen und Tendenzen mit neuen Akzenten<br />

versehen. So hat die Videotechnik, als Technik, keine neue Öffentlichkeit<br />

geschaffen. Als allerdings die Stahlarbeiter im Ruhrgebiet<br />

oder die Hafenarbeiter in Hamburg streikten, konnten sie per Heimvideo<br />

und Verkabelung der Kabel-Pilotprojekte eine eigene Sendung<br />

produzieren und sich Gehör verschaffen.<br />

Spätestens seit bekannt wurde, dass Neonazis die <strong>Computer</strong>kommunikation<br />

ausgiebig nutzen, kann von einer demokratischen Technik<br />

nicht die Rede sein. Gleichwohl ist der Gedanke, die Pressefreiheit im<br />

Ostblock könnte einen gewaltigen Aufschwung nehmen, wenn sich<br />

Heimcomputer und Mailboxen einbürgern ließen, nicht abwegig.<br />

Hacker - Kleinunternehmer ganz groß?<br />

Auch die Apple-Gründer begriffen schnell, dass eine <strong>Computer</strong>firma<br />

Gewinne machen muss, dass ein User-Club, ein enges Verhältnis zum<br />

Kunden für die Markentreue wichtig ist. <strong>Das</strong>s eine Pionierzeit rasch zu<br />

Ende geht und der Alltag der Verwertung das Leben beherrscht, sollen<br />

Stephen Jobs und Steve Wozniak nicht ganz überwunden ha-<br />

ben.<br />

Als Vorbild für die folgenden Hackergenerationen blieb der wirtschaftliche<br />

Erfolg einer Pioniertat, das (Große Ding>. Bei allen Hakkern,<br />

die ich kennengelernt habe, waren solche Überlegungen, zumindest<br />

unterschwellig, zu entdecken. Warum auch nicht.<br />

Diese finanziellen Träume haben sich für einige <strong>Computer</strong>freaks<br />

tatsächlich erfüllt, die meisten, durch die Vorbilder immer wieder angespornt,<br />

warten allerdings ihr Leben lang auf den großen Coup.<br />

Seite 94<br />

<strong>Das</strong> <strong>Chaos</strong> <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />

Doch die Chancen sind weitaus günstiger als in anderen Bereichen,<br />

wenn man sich die Entwicklung vor Augen hält: Die <strong>Computer</strong>freaks<br />

der ersten Stunde wollten programmieren, eigene Programme schreiben.<br />

Da gab es eine Technik, deren Leistungsfähigkeit für den einzelnen<br />

nicht überschaubar war, anders als zum Beispiel bei einem Auto,<br />

mit dem man einfach losfahren kann. Die <strong>Computer</strong> der ersten Generation<br />

konnten nur an einen begrenzten Abnehmerkreis als reine<br />

Hardware verkauft werden. Erst die Entwicklung fertiger Anwenderprogramme<br />

(Standardsoftware) bahnte dem <strong>Computer</strong> den<br />

Durchbruch ins Massengeschäft.<br />

Rasch stellte sich heraus, dass die alten Programmiersprachen den<br />

neuen Prozessoren und Anwendungen nicht angemessen waren.<br />

Neue Programmiersprachen wurden entwickelt. Erstaunlicherweise<br />

konnten sich die alten Programmierer nicht richtig auf die neuen<br />

Denkstrukturen einstellen. Jugendliche, die von vornherein mit den<br />

neuen Programm - und Denkmustern aufgewachsen waren, steckten<br />

die alten Herren in die Tasche. Die aufkeimenden Potenzgefühle,<br />

einer High-tech-Maschine das Arbeiten beibringen zu können, taten<br />

ein übriges. Althergebrachte Arbeitsstrukturen wurden über den<br />

Haufen geworfen: Die jungen Programmierer schliefen dort, wo ih-<br />

nen die Augen zufielen, neben dem <strong>Computer</strong>. Einen Acht-Stunden-<br />

Tag, eine 4o-Stunden-Woche gab es nicht. Sie ließen nicht ab, bis das<br />

Programm lief. Diese Besessenen haben ihr Geschäft gemacht - und<br />

sicher auch die Teams, die die ersten Programmschmieden gründe-<br />

ten.<br />

Es sind übrigens die Besessenen, an die Allmacht der Maschine<br />

Glaubenden, sich ihr Unterwerfenden, vor denen Joseph Weizen-<br />

baum in «Die Macht der <strong>Computer</strong> und die Ohnmacht der Vernunft<br />

warnt.<br />

<strong>Das</strong> Heer der <strong>Computer</strong>freaks bot ein unerschöpfliches Potential<br />

neuer Ideen für Anwendungsmöglichkeiten und entsprechende Programme,<br />

die von den Großen in der Branche für wenig Geld aufgekauft<br />

werden konnten.<br />

Kerler's Schwanengesang «Der <strong>Computer</strong>-Freak ist out» ist eine<br />

Absage an ein Image. Die inzwischen etablierte Generation der ersten<br />

Stunde will sich « reinigen », will sich vom schillernden Freak-Image<br />

Seite 95

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