.12 | 40 JAHRE LANDKREIS MILTENBERG »Alles ist im Fluss« Gespräch mit Landrat Roland Schwing anlässlich des 40-jährigen <strong>Landkreis</strong>jubiläums Herr Schwing, der <strong>Landkreis</strong> <strong>Miltenberg</strong> wird in diesem Jahr 40 Jahre alt. Welche Erinnerungen haben Sie persönlich an die Jahre 1971/1972, als der <strong>Landkreis</strong> aus der Taufe gehoben wurde? Ich habe zu jener Zeit in Karlsruhe studiert und immer, wenn ich am Wochenende zu Hause war, habe ich die Diskussion mitbekommen. In Erinnerung ist mir geblieben, dass vor allem die Ortsvereine der Parteien in den beiden Altlandkreisen kräftig um Mitglieder geworben haben, um komplette Listen anbieten zu können. Da mein Vater Bürgermeister und Kreisrat war, war ich immer gut informiert. Landrat Karl Oberle hat in seiner Antrittsrede im Jahr 1972 unter anderem beklagt, dass das Kirchturmdenken in den Gemeinden weit verbreitet ist. Sind Oberles Gedanken auch heute noch aktuell? Kirchturmdenken hat es schon immer gegeben und wird es auch weiter geben, aber mittlerweile nur noch in abgeschwächter Form und nur da, wo es konkrete Probleme gibt oder wo man denkt, dass man etwas verliert. Ich denke da etwa an Projekte der interkommunalen Zusammenarbeit – wenn Standesämter zusammengelegt werden sollen und die Bürger denken, dass sie nicht mehr in ihrer Heimatgemeinde heiraten können. Oder wenn es um Schulsanierungen oder Straßenbau geht. Dennoch ist das gottseidank kein Vergleich mehr zu früher.. Haben Sie den Eindruck, dass der <strong>Landkreis</strong> schon komplett zusammengewachsen ist? Schließlich wurden drei <strong>Landkreis</strong>es teilweise zusammengeführt und manchmal meint man, gewisse Rivalitäten zwischen Nord und Süd auszumachen. Rivalität an sich ist ja nichts Schlechtes. Rivalität spornt an, ist eine Art Wettbewerb. Man kann meiner Meinung nach uneingeschränkt sagen, dass der <strong>Landkreis</strong> <strong>Miltenberg</strong> in weiten Teilen eine Einheit geworden ist. Die Leute denken nicht mehr in Altlandkreisen. Hier ist vieles richtig gemacht worden. Man hat nicht versucht, mit knappen Mehrheiten etwas durchzusetzen, sondern hat stets die einzelnen <strong>Landkreis</strong>teile mit einbezogen –egal ob bei Schulbauten oder beim Straßenbau. Ich habe mich etwa im Bauausschuss dafür eingesetzt, dass im Straßenbauprogramm auch wenig befahrene Straßen in kleine Gemeinden saniert werden –auch wenn das wirtschaftlich nicht der große Coup ist. Man muss auch den entfernteren Gemeinden oder Ortsteilen das Gefühl geben, dass sie dazugehören und sie uns wichtig sind. Dem <strong>Landkreis</strong> <strong>Miltenberg</strong> geht es gut, die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Mit Sorge betrachten viele Bürger aber den Südspessart. Die Bevölkerung schrumpft, die kommunalen Haushalte sind klamm, die Zahl der Arbeitsplätze vor Ort nimmt ab. Gibt es für den Südspessart eine Zukunft? Für den Südspessart gibt es eine Zukunft, sonst würde sich der Kreis nicht schon seit vielen Jahren so intensiv bemühen. Ich habe Verständnis dafür, dass sich der Südspessart in seiner Rolle noch nie so richtig wohlgefühlt hat. Von seiner In mehreren Bauabschnitten hat der <strong>Landkreis</strong> <strong>Miltenberg</strong> das Schulzentrum Elsenfeld generalsaniert und umgebaut –hier ein Motiv von der Einweihung des vierten Bauabschnitts im Jahr 2010, als die Schüler in den neuen Räumen den Gästen einige Experimente zeigten. Lage her war er früher im <strong>Landkreis</strong> Marktheidenfeld als auch jetzt geografisch am Rand. Es war schon immer mein Bestreben, da, wo der <strong>Landkreis</strong> Einfluss hat, diesen auch zu nutzen. So ist etwa der Ausbau der Kreisstraßen im Südspessart bis auf ein kleines Stück zwischen Ortsende Altenbuch und der <strong>Landkreis</strong>grenze abgeschlossen. Hier hat der Kreis viele Millionen Euro investiert, andere <strong>Landkreis</strong>teile sind da nicht so gut weg gekommen. Ich habe mich auch persönlich sehr stark dafür gemacht, dass die Ortsumgehung Faulbach gebaut werden kann. Dadurch ist eine bessere Anbindung der Region an die A3 gegeben, davon verspreche ich mir eine Menge. Im Industriegebiet in Faulbach gibt es viele tolle Betriebe, die werden davon sicher auch profitieren. <strong>Der</strong> Südspessart ist kein strukturschwaches Gebiet, auch wenn die ganz großen Betriebe fehlen. Es ist allerdings problematisch, dass bis auf Faulbach keine Ortsumgehung vorhanden ist. Damit sich eine Region entwickeln kann, ist aber eine gute Verkehrsinfrastruktur als Voraussetzung für die Mobilität notwendig. Da es sich dabei aber um Staatsstraßen handelt, ist das Sache des Staatlichen Bauamts. Was zudem für den Südspessart spricht, ist 27. SEPTEMBER 2012 In vielen Bereichen wurde in den vergangenen vier Jahrzehnten schon gute Arbeit geleistet, findet Landrat Roland Schwing, dennoch bleiben ihm und seinem Nachfolger im Amt noch zahlreiche Aufgaben erhalten. das ILEK-Projekt. Die politisch Verantwortlichen haben erkannt, dass es nur gemeinsam geht. Ich bin mir sicher, dass dabei etwas Zukunftsfähiges herauskommen wird. <strong>Der</strong> demografische Faktor wird auch im <strong>Landkreis</strong> Auswirkungen haben. Die Bevölkerungszahl wird sinken, die Gesellschaft wird altern. Welchen Beitrag kann der <strong>Landkreis</strong> leisten, damit er auch in dieser Hinsicht zukunftsfähig bleibt? <strong>Der</strong> <strong>Landkreis</strong> wird zukunftsfähig bleiben, da habe ich keine Sorge. Es sind in der Vergangenheit viele richtige Entscheidungen getroffen worden. Vor allem die dramatisch zurückgehenden Geburtenraten, auch bundesweit, sind schon fast nicht mehr erklärbar. Es sind noch nie umfangreichere Leistungen für Familien auf den Weg gebracht worden als in den letzten Jahren. Dieses Problem, das daraus erwächst, werden wir nicht alleine mit Geld lösen können. Wir brauchen eine veränderte Einstellung zu Kindern und Rahmenbedingungen für Familien – gerade im beruflichen Bereich, dass etwa Mütter ihren Beruf wenigstens teilweise ausüben können. <strong>Der</strong> <strong>Landkreis</strong> kann da mithelfen, aber die entscheidenden Weichen müssen Andere stellen. Ich sage den Fortsetzung auf Seite 14
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