Interview mit Jörg Ehlken zur Wertorientierung in der - CTcon
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Praxis | artikel<br />
„Die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung & Entwicklung ist e<strong>in</strong>e<br />
beson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung“<br />
<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> Dr. <strong>Jörg</strong> <strong>Ehlken</strong>, Associate Partner <strong>der</strong> <strong>CTcon</strong> GmbH<br />
Implementierung <strong>der</strong><br />
<strong>Wertorientierung</strong><br />
Weber: Sehr geehrter Herr Dr. <strong>Ehlken</strong>, als<br />
Associate Partner <strong>der</strong> <strong>CTcon</strong> GmbH verfügen<br />
Sie über umfangreiche Erfahrungen<br />
<strong>mit</strong> dem Managementkonzept <strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong>.<br />
Dieses wird seit vielen Jahren<br />
<strong>in</strong>tensiv diskutiert und vielfach vom<br />
Kapitalmarkt gefor<strong>der</strong>t. Welche Bedeutung<br />
hat das Konzept für den Kapitalmarkt?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Die wertorientierte Steuerung ist<br />
im Grundsatz e<strong>in</strong> leicht verständliches<br />
Konzept. Im Kern geht es bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
von Handlungsoptionen um die Frage,<br />
ob durch e<strong>in</strong>e Maßnahme aus Unternehmenssicht<br />
auch wirklich Wert geschaffen<br />
wird, um als Unternehmen langfristig<br />
erfolgreich auf dem Markt agieren zu können.<br />
Dieser Gedanke wird <strong>in</strong>tuitiv von vielen<br />
Mitarbeitern auf allen Ebenen verstanden.<br />
In <strong>der</strong> Kommunikation <strong>mit</strong> dem Kapitalmarkt<br />
hat das Konzept e<strong>in</strong>e große Bedeutung.<br />
Externe, die kaum e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sicht<br />
<strong>in</strong> die <strong>in</strong>ternen Prozesse haben, bewerten<br />
Unternehmen anhand öffentlich verfügbarer<br />
Informationen. Der Nachweis, wertorientiert<br />
zu steuern, wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel als<br />
e<strong>in</strong> positives Signal wahrgenommen.<br />
Weber: Warum ist e<strong>in</strong>e konsequente Implementierung<br />
<strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong> e<strong>in</strong>e<br />
so große Herausfor<strong>der</strong>ung für viele Unternehmen?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Bei e<strong>in</strong>er konsistenten Verankerung<br />
dieses Steuerungskonzeptes und se<strong>in</strong>er<br />
konsequenten Kaskadierung <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> gesamten Organisation gibt es drei<br />
große Herausfor<strong>der</strong>ungen: Erstens, <strong>der</strong><br />
umfangreiche Anpassungsbedarf bei fast<br />
allen Instrumenten <strong>der</strong> Unternehmenssteuerung;<br />
zweitens, <strong>der</strong> breite Gestaltungsspielraum<br />
bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Methode;<br />
und drittens, die Anfor<strong>der</strong>ungen an das<br />
Management h<strong>in</strong>sichtlich des Verständnisses<br />
und <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> Methode.<br />
Weber: Bezogen auf den ersten Aspekt,<br />
den umfassenden Anpassungsbedarf, wor<strong>in</strong><br />
genau bestehen die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
und wie lassen sich diese am besten<br />
adressieren?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Wichtig für e<strong>in</strong>e konsistente Verankerung<br />
ist, dass wirklich alle Komponenten<br />
<strong>der</strong> Unternehmenssteuerung umgestellt<br />
werden. Hierbei kommt <strong>der</strong> von<br />
uns entwickelte Steuerungsrahmen zum<br />
E<strong>in</strong>satz. Abgeleitet aus <strong>der</strong> Strategie, die<br />
das langfristige Ziel des Unternehmens<br />
vorgibt, und e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Steuerungsverständnis<br />
des Managements, werden<br />
die Anfor<strong>der</strong>ungen immer weiter<br />
konkretisiert. Mittelfristige Ziele, Kriterien<br />
<strong>zur</strong> Erfolgsmessung, Maßnahmen<br />
und Verantwortungen werden festgelegt.<br />
Danach s<strong>in</strong>d viele weitere Fragen str<strong>in</strong>gent<br />
zu beantworten. Welche Prozesse müssen<br />
angepasst werden, wie wird die Organisation<br />
gestaltet, welche Instrumente kommen<br />
zum E<strong>in</strong>satz und wie können die Systeme<br />
bestmöglich unterstützen? Von elementarer<br />
Bedeutung für e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
Unternehmenssteuerung s<strong>in</strong>d neben diesen<br />
eher „technischen“ Fragestellungen<br />
die Mitarbeiter: S<strong>in</strong>d die Führungskräfte<br />
und Mitarbeiter zielgerichtet qualifiziert<br />
und s<strong>in</strong>d auch die Anreizsysteme entsprechend<br />
ausgerichtet? Neben den jeweiligen<br />
<strong>in</strong>haltlichen Aspekten und ihrer Abstimmung<br />
<strong>mit</strong> an<strong>der</strong>en Unternehmenszielen<br />
muss bei e<strong>in</strong>er solchen umfangreichen<br />
Anpassung <strong>der</strong> Unternehmenssteuerung<br />
das gesamte TopManagement die Umstellung<br />
auf die <strong>Wertorientierung</strong> aktiv<br />
und <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen L<strong>in</strong>ie unterstützen.<br />
Hilfreich ist dabei die Festlegung<br />
e<strong>in</strong>er Topkennzahl auf Gesamtunternehmensebene,<br />
welche das angestrebte Ziel<br />
möglichst gut fassbar macht. [Anm. d.<br />
Red.: vgl. Abbildung 1]<br />
Malz: Gibt es nicht bei <strong>der</strong> Wahl dieser<br />
Topkennzahl viele Wahlmöglichkeiten?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Genau, das ist <strong>der</strong> zweite Grund<br />
für die Herausfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Implementierung.<br />
Das Methodenangebot ist<br />
sehr groß, von Discounted Cash Flow über<br />
Economic Value Added zu Cash Value<br />
Added. Viele dieser Standardmodelle werden<br />
zudem unternehmensspezifisch adaptiert,<br />
zum Beispiel Thyssen Value Added,<br />
MAN Added Value o<strong>der</strong> Cont<strong>in</strong>ental<br />
Value Contribution. Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er <strong>Wertorientierung</strong> muss sich das<br />
Unternehmen <strong>mit</strong> vielen verschiedenen<br />
Methoden ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, um zu erkennen,<br />
welche am besten zum jeweiligen<br />
Unternehmen passt. Denn jede Methode<br />
hat ihre spezifischen Vor und Nachteile<br />
sowie Herausfor<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Implementierung.<br />
Weber: Und <strong>der</strong> dritte Grund, die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an das Management bezüglich<br />
des Verständnisses und <strong>der</strong> Anwendung<br />
<strong>der</strong> Methode, was muss hierbei beachtet<br />
werden?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Die verschiedenen Berechnungsmodelle<br />
s<strong>in</strong>d grundsätzlich für jeden Mitarbeiter<br />
nach e<strong>in</strong>er gewissen E<strong>in</strong>arbei<br />
<strong>CTcon</strong> GmbH<br />
<strong>CTcon</strong> ist e<strong>in</strong>e branchenübergreifend<br />
und <strong>in</strong>ternational tätige Top-Managementberatung<br />
<strong>mit</strong> langjähriger Expertise<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Unternehmenssteuerung. 1992<br />
als Sp<strong>in</strong>-off <strong>der</strong> WHU – Otto Beisheim<br />
School of Management <strong>in</strong> Vallendar/Koblenz<br />
gegründet, zählt <strong>CTcon</strong> die Hälfte<br />
<strong>der</strong> DAX-30-Konzerne ebenso wie bedeutende<br />
öffentliche Institutionen zu<br />
se<strong>in</strong>en Klienten. In enger, vertrauensvoller<br />
Zusammenarbeit entwickelt <strong>CTcon</strong><br />
<strong>mit</strong> se<strong>in</strong>en Kunden strategiekonforme<br />
Steuerungsansätze und begleitet sie<br />
von <strong>der</strong> Analyse und Konzeption bis <strong>zur</strong><br />
Umsetzung und Qualifizierung.<br />
ZfCM | Controll<strong>in</strong>g & Management 55. Jg. 2011, H.5 287
Praxis | artikel<br />
Vita<br />
Dr. <strong>Jörg</strong> <strong>Ehlken</strong><br />
ist Associate Partner bei <strong>CTcon</strong>. Nach se<strong>in</strong>em<br />
Studium <strong>der</strong> Betriebswirtschaftlehre<br />
an <strong>der</strong> Universität Gött<strong>in</strong>gen promovierte<br />
er <strong>in</strong> Zusammenarbeit <strong>mit</strong> <strong>der</strong><br />
Volkswagen AG über die Bewertung und<br />
Auswahl von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.<br />
Seit über 11 Jahren berät<br />
er große <strong>in</strong>ternational tätige Unternehmen<br />
aus verschiedenen Branchen im<br />
Gesamtkontext <strong>der</strong> Unternehmenssteuerung.<br />
Schwerpunkte se<strong>in</strong>er Beratungstätigkeit<br />
s<strong>in</strong>d Performance Management,<br />
Stärken-Schwächen-Analysen,<br />
Prozessoptimierung und Organisation.<br />
tungszeit verständlich. Die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
an das Management <strong>zur</strong> richtigen<br />
Anwendung <strong>der</strong> vorgeschlagenen und<br />
dann vielfach auf die <strong>in</strong>dividuelle Situation<br />
angepassten Methoden s<strong>in</strong>d jedoch<br />
nicht zu unterschätzen, sie gehen deutlich<br />
über die Steuerung e<strong>in</strong>er P&L o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Kostenstelle h<strong>in</strong>aus. Wir können beobachten,<br />
dass selbst <strong>in</strong> Bereichen <strong>mit</strong> eher zahlenaff<strong>in</strong>en<br />
Mitarbeitern wie dem Controll<strong>in</strong>g<br />
o<strong>der</strong> dem Rechnungswesen das Verständnis<br />
und <strong>der</strong> korrekte Umgang <strong>mit</strong><br />
Abb. 1 | <strong>CTcon</strong> Steuerungsrahmen<br />
Strategie<br />
Steuerungsverständnis<br />
den Modellen ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit<br />
ist. Notwendig s<strong>in</strong>d hier entsprechende<br />
Qualifikationenmaßnahmen <strong>zur</strong> Erläuterung<br />
<strong>der</strong> Grundidee, <strong>der</strong> Methode und<br />
nach Möglichkeit durch entsprechende<br />
Treiberbäume transparente UrsacheWirkungsbeziehungen.<br />
Die Antwort auf die<br />
Frage „Wie kann ich durch me<strong>in</strong> Handeln<br />
<strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Verantwortungsbereich Wert<br />
schaffen?“ muss den wichtigsten Entscheidungsträgern<br />
klar se<strong>in</strong>.<br />
Malz: Das ist tatsächlich e<strong>in</strong>e Vielzahl von<br />
Elementen, die beachtet werden müssen.<br />
Wobei gibt es denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Unternehmenspraxis<br />
die größten Probleme?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Nach me<strong>in</strong>er Erfahrung besteht<br />
die größte Herausfor<strong>der</strong>ung dar<strong>in</strong>, die<br />
Manager und Mitarbeiter dauerhaft <strong>mit</strong>zunehmen<br />
und nicht durch zu komplexe<br />
„Rechenwerke“ als Unterstützer zu verlieren.<br />
Die bereits angesprochenen <strong>in</strong>itialen<br />
Qualifizierungsmaßnahmen s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs<br />
ausreichend. Der Ansatz muss konsequent<br />
und ausdauernd <strong>in</strong> das Tagesgeschäft,<br />
beispielsweise durch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Umstellung <strong>der</strong> Beurteilung von<br />
Handlungsoptionen und <strong>der</strong> Berichterstattung<br />
bis h<strong>in</strong> zu den Anreizsystemen,<br />
überführt und gelebt werden.<br />
Malz: Gibt es Unterschiede bei <strong>der</strong> Implementierung<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Bereichen<br />
e<strong>in</strong>es Unternehmens?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Absolut. In Bereichen wie dem<br />
Vertrieb o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Produktion fällt die Erarbeitung<br />
von UrsacheWirkungsbezie<br />
Ziele Kennzahlen Maßnahmen Verantwortung<br />
Führungskräfte/Mitarbeiter<br />
Instrumente<br />
Systeme<br />
Führungskräfte/Mitarbeiter<br />
Quali�zierung<br />
Anreize<br />
hungen leichter. Allerd<strong>in</strong>gs ist auch hier<br />
das Umschalten auf beispielsweise e<strong>in</strong>e<br />
Cash FlowBetrachtung e<strong>in</strong>e gewisse Hürde.<br />
In an<strong>der</strong>en Bereichen, die weiter vom<br />
grundsätzlichen Denken <strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzmodellen<br />
entfernt s<strong>in</strong>d, erhöht sich diese Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
noch e<strong>in</strong>mal. So ist die Umsetzung<br />
<strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschung<br />
und Entwicklung ist e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
<strong>Wertorientierung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Forschung und Entwicklung<br />
Weber: Welchen Beson<strong>der</strong>heiten unterliegt<br />
die <strong>Wertorientierung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> F&E?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Die Forschung und Entwicklung<br />
ist <strong>in</strong> vielen Branchen e<strong>in</strong> sehr <strong>in</strong>teressanter<br />
Bereich für das Thema <strong>Wertorientierung</strong>.<br />
Nehmen Sie die F&E<strong>in</strong>tensive<br />
Pharma<strong>in</strong>dustrie als prom<strong>in</strong>entes Beispiel.<br />
Die Auswahl <strong>der</strong> richtigen F&EProjekte<br />
legt die Grundlage für die langfristige<br />
Wertentwicklung des Unternehmens. Da<strong>mit</strong><br />
wäre e<strong>in</strong>e wertorientierte Steuerung<br />
<strong>der</strong> F&E bei vielen Pharmaunternehmen<br />
eigentlich e<strong>in</strong> sehr großer Hebel für langfristigen<br />
Erfolg. Vielfach kann sogar beobachtet<br />
werden, dass die Ankündigung<br />
e<strong>in</strong>er Erhöhung des F&EBudgets bereits<br />
e<strong>in</strong>en positiven E<strong>in</strong>fluss auf die Außenwahrnehmung<br />
des Unternehmens hat.<br />
E<strong>in</strong>e str<strong>in</strong>gente Implementierung <strong>der</strong><br />
<strong>Wertorientierung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> F&E ist jedoch enorm<br />
schwierig. Das liegt e<strong>in</strong>erseits an dem<br />
großen Zeitversatz zwischen <strong>der</strong> Arbeit an<br />
den Projekten und <strong>der</strong> Markte<strong>in</strong>führung.<br />
In <strong>der</strong> Pharma<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d Forschungs<br />
und Entwicklungszyklen von zehn Jahren<br />
nicht unüblich und da ist es beson<strong>der</strong>s<br />
schwierig frühzeitig und belastbar die notwendigen<br />
Basis<strong>in</strong>formationen wie Umsätze,<br />
Kosten, Investitionen o<strong>der</strong> Zahlungsströme<br />
e<strong>in</strong>zuschätzen. An<strong>der</strong>erseits bestehen<br />
die Projektteams, die geme<strong>in</strong>sam die<br />
Bewertungen vornehmen, größtenteils aus<br />
Experten <strong>mit</strong> spezifischem Wissen bezüglich<br />
<strong>der</strong> Produkteigenschaften. In <strong>der</strong><br />
Pharma<strong>in</strong>dustrie arbeiten beispielsweise<br />
Mediz<strong>in</strong>er, Pharmakologen und Chemiker<br />
eng <strong>in</strong> den Projektteams zusammen. Ihre<br />
Kenntnisse und die Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Anwendung von F<strong>in</strong>anzmodellen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
eher schwächer ausgeprägt. Dies<br />
hat <strong>zur</strong> Folge, dass zwar f<strong>in</strong>anzwissenschaftlich<br />
fundierte aber gleichzeitig anspruchsvolle<br />
Modelle aus Akzeptanzgründen<br />
sogar kontraproduktiv für e<strong>in</strong>e <strong>Wertorientierung</strong><br />
se<strong>in</strong> können.<br />
288 ZfCM | Controll<strong>in</strong>g & Management 55. Jg. 2011, H.5
Weber: Wie schafft man es dann, überhaupt<br />
e<strong>in</strong>e Bewertung im F&EBereich<br />
durchzusetzen?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Natürlich werden regelmäßig Bewertungen<br />
von Forschungs und Entwicklungsprojekten<br />
durchgeführt, um e<strong>in</strong>e Priorisierung<br />
zu erhalten und die Know how<br />
und F<strong>in</strong>anzressourcen optimal verteilen<br />
zu können. Viele Unternehmen bewerten<br />
zum<strong>in</strong>dest die Entwicklungs und teilweise<br />
auch die Forschungsprojekte <strong>mit</strong><br />
e<strong>in</strong>em Net Present Value, also über e<strong>in</strong>e<br />
Abz<strong>in</strong>sung von zukünftigen Erlösen und<br />
Kos ten. E<strong>in</strong>e konsequente Übertragung<br />
<strong>der</strong> Standardmodelle <strong>zur</strong> <strong>Wertorientierung</strong><br />
und Verankerung des Steuerungsansatzes<br />
auf Projektebene habe ich noch<br />
nicht beobachten können.<br />
Weber: Wie kann e<strong>in</strong>e wertorientierte<br />
Steuerung <strong>in</strong> <strong>der</strong> F&E weiter geför<strong>der</strong>t<br />
werden?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Dazu konnte ich zwei <strong>in</strong>teressante<br />
Ansätze beobachten. Zum e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> F&E nach marktähnlichen<br />
Pr<strong>in</strong>zipien und zum an<strong>der</strong>en die<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung <strong>mit</strong> e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung<br />
des Net Present Values – dem<br />
Pipel<strong>in</strong>e Value.<br />
Zunächst <strong>zur</strong> F<strong>in</strong>anzierung: Teilweise<br />
wird die F&E noch wie e<strong>in</strong> Cost Center geführt.<br />
Es steht also e<strong>in</strong> Budget, abgeleitet beispielsweise<br />
als prozentualer Anteil am Umsatz,<br />
<strong>zur</strong> Verfügung. Dann wird <strong>in</strong>nerhalb<br />
des Bereiches nach wirtschaftlichen und<br />
wissenschaftlichen Kriterien entschieden,<br />
wie das Budget allokiert wird. E<strong>in</strong> starker<br />
Impuls <strong>in</strong> Richtung <strong>Wertorientierung</strong> ist<br />
dann erreicht, wenn wichtige F&EProjekte<br />
explizit f<strong>in</strong>anziert werden. Ihnen wird also<br />
ke<strong>in</strong> globales Budget <strong>zur</strong> Verfügung gestellt,<br />
son<strong>der</strong>n sie müssen dafür werben und <strong>in</strong>terne<br />
Sponsoren, zum Beispiel Vertriebsbereiche,<br />
o<strong>der</strong> externe Kooperationspartner<br />
f<strong>in</strong>den. Bei diesem Vorgehen muss allerd<strong>in</strong>gs<br />
auf die richtige Balance zwischen Forschungs<br />
und Entwicklungsaktivitäten geachtet<br />
werden. E<strong>in</strong>ige Unternehmen gehen<br />
sogar noch e<strong>in</strong>en Schritt weiter und steuern<br />
e<strong>in</strong>en F&EBereich als Profit Center über <strong>in</strong>terne<br />
Lizenzgebühren. Das heißt für jeden<br />
Euro Umsatz, den e<strong>in</strong>e Vertriebse<strong>in</strong>heit <strong>mit</strong><br />
e<strong>in</strong>em im Unternehmen entwickelten Produkt<br />
macht, werden <strong>in</strong>tern Lizenzgebühren<br />
verrechnet. Aufgrund des großen Zeitverzuges<br />
zwischen den eigentlichen Aktivitäten<br />
<strong>der</strong> Projektteams und den aus ihrer Arbeit<br />
resultierenden Rückflüssen halte ich jedoch<br />
den Impuls <strong>in</strong> Richtung <strong>Wertorientierung</strong><br />
für li<strong>mit</strong>iert. Darüber h<strong>in</strong>aus entsteht e<strong>in</strong>
Praxis | artikel<br />
Abb. 2 | Illustration <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Pipl<strong>in</strong>e Values zwischen zwei<br />
Zeitpunkten<br />
Summe<br />
aller<br />
NPVs <strong>der</strong><br />
F&E-<br />
Projekte<br />
Pipel<strong>in</strong>e Value<br />
Zeitpunkt t-1<br />
Fortschritt<br />
<strong>in</strong> den<br />
Projekten<br />
+/–<br />
Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong><br />
Annahmen<br />
+/–<br />
Neue<br />
Projekte<br />
+<br />
zusätzlicher adm<strong>in</strong>is trativer Aufwand<br />
durch <strong>in</strong>terne Verhandlungen, Verrechnungen<br />
o<strong>der</strong> dem Nachhalten <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barungen.<br />
Weber: Der zweite Hebel ist die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
<strong>mit</strong> dem Pipel<strong>in</strong>e Value.<br />
Können Sie dieses Konzept etwas näher<br />
spezifizieren?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Der Pipel<strong>in</strong>e Value ist die e<strong>in</strong>fache<br />
Addition <strong>der</strong> Net Present Values aller E<strong>in</strong>zelprojekte.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> sehr hohen Unsicherheit<br />
ist jedoch nicht die absolute<br />
Höhe dieses Pipel<strong>in</strong>e Values spannend, son<strong>der</strong>n<br />
dessen Verän<strong>der</strong>ung zwischen zwei<br />
Zeitpunkten. Dabei kann es fünf Gründe<br />
für e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung geben. Erstens, verän<strong>der</strong>t<br />
sich die Kennzahl durch den erfolgreichen<br />
Fortschritt e<strong>in</strong>es Projektes und da<strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> größeren Nähe zum Markte<strong>in</strong>tritt.<br />
Der Pipel<strong>in</strong>e Value steigt bei ansonsten unverän<strong>der</strong>ten<br />
Parametern durch die niedrigere<br />
Abz<strong>in</strong>sung. Zweitens können sich<br />
die Erwartungen an wesentliche Parameter<br />
<strong>der</strong> Bewertung verän<strong>der</strong>n, beispielsweise<br />
könnten die Umsatzerwartungen steigen.<br />
In diesem Fall wäre <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss auf den<br />
Pipel<strong>in</strong>e Value positiv. Drittens kann <strong>der</strong><br />
Wert steigen, wenn zusätzliche erfolgsversprechende<br />
Projekte aufgesetzt werden.<br />
Viertens kann <strong>der</strong> Wert durch die E<strong>in</strong>stellung<br />
von Projekten verän<strong>der</strong>t werden. Und<br />
fünftens s<strong>in</strong>kt <strong>der</strong> Pipel<strong>in</strong>e Value, wenn e<strong>in</strong><br />
Projekt abgeschlossen wird.<br />
Malz: Welche Steuerungsimpulse werden<br />
da<strong>mit</strong> genau erreicht?<br />
Aufgabe<br />
von<br />
Projekten Abschluss<br />
von<br />
+/– Projekten<br />
–<br />
Verän<strong>der</strong>ung des<br />
Pipel<strong>in</strong>e Value =<br />
Wertgenerierung<br />
Summe<br />
aller<br />
NPVs <strong>der</strong><br />
F&E-<br />
Projekte<br />
Pipel<strong>in</strong>e Value<br />
Zeitpunkt t<br />
<strong>Ehlken</strong>: Wenn sich das Managementteam<br />
regelmäßig, beispielsweise halbjährlich, <strong>mit</strong><br />
<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Pipel<strong>in</strong>e Value ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzt,<br />
dann kann den Mitarbeitern<br />
auf relativ e<strong>in</strong>fache Art und Weise transparent<br />
gemacht werden, wie ihr Handeln<br />
Wert schaffen kann. Wenn sie beispielsweise<br />
erfolgreich die nächste Projektphase erreichen,<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong>dem sie Projekte, die ke<strong>in</strong>en<br />
positiven Net Present Value liefern, beenden.<br />
Da<strong>mit</strong> werden Diskussionen weg von<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelprojektebene stärker h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />
Portfoliobetrachtung gelenkt. [Anm. d.<br />
Red.: vgl. Abbildung 2]<br />
Weber: Verknüpft man die <strong>Wertorientierung</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> F&E auch <strong>mit</strong> Anreizsystemen?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Das ist grundsätzlich schwierig<br />
zu handhaben, denn an e<strong>in</strong>em Projekt arbeiten<br />
viele verschiedene Personen <strong>mit</strong>, da<br />
fällt es schwer e<strong>in</strong>zelne Mitarbeiter zu <strong>in</strong>centivieren.<br />
Natürlich werden sie belohnt,<br />
wenn e<strong>in</strong> Projekt wichtige Meilenste<strong>in</strong>e<br />
erreicht o<strong>der</strong> erfolgreich abgeschlossen<br />
wurde. Viel wichtiger ist es jedoch das<br />
Thema <strong>Wertorientierung</strong> <strong>in</strong> den Köpfen<br />
zu verankern, es voran zu treiben und zu<br />
leben. Und diese Beurteilung f<strong>in</strong>det dann<br />
eher auf qualitativer Ebene statt. Also wie<br />
stark vertritt e<strong>in</strong> Mitarbeiter die <strong>Wertorientierung</strong><br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Organisation? Für<br />
e<strong>in</strong>e Leistungsbeurteilung durch den Vorgesetzten<br />
gibt es viele mögliche Beobachtungspunkte<br />
und die geben dann e<strong>in</strong>en<br />
H<strong>in</strong>weis darauf, wie sehr das Thema<br />
<strong>Wertorientierung</strong> ver<strong>in</strong>nerlicht wurde<br />
und ob danach gehandelt wird.<br />
Abschließende Reflexionen<br />
Malz: Wenn wir nun die <strong>Wertorientierung</strong><br />
nochmal als Ganzes betrachten, lohnt sich<br />
die Anwendung des Konzepts auch <strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>eren Unternehmen?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Grundsätzlich ist die Unternehmensgröße<br />
für den Gedanken <strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong><br />
irrelevant. Auch kle<strong>in</strong>ere<br />
Unternehmen nutzen dieses Konzept und<br />
beschäftigen sich <strong>mit</strong> <strong>der</strong> Frage, ob ihre<br />
Entscheidungen nachhaltigen Wert für das<br />
Unternehmen schaffen. Es gibt also ke<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>satzbegrenzungen.<br />
Weber: Die <strong>Wertorientierung</strong> ist nun e<strong>in</strong><br />
Konzept, das seit längerem diskutiert<br />
wird. Wie hat sich dessen Verständnis <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren verän<strong>der</strong>t? Hatte etwa<br />
die F<strong>in</strong>anz und Wirtschaftskrise <strong>der</strong> vergangen<br />
beiden Jahre e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die<br />
Wahrnehmung <strong>der</strong> <strong>Wertorientierung</strong>?<br />
<strong>Ehlken</strong>: Die Unternehmen, die sich bereits<br />
strukturiert über das Thema <strong>Wertorientierung</strong>,<br />
Treiberbäume und E<strong>in</strong>flussfaktoren<br />
Gedanken gemacht hatten, haben<br />
tatsächlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise e<strong>in</strong>en Vorteil<br />
gehabt, weil sie sich schnell über die möglichen<br />
Hebel bewusst waren. Etwa bei<br />
Überlegungen welche Maßnahmen dazu<br />
beitragen, kurzfristig Kosten zu reduzieren<br />
o<strong>der</strong> die allgeme<strong>in</strong>e CashSituation zu<br />
verbessern.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus existieren seit <strong>der</strong> Krise<br />
bei <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung durch Fremdkapitalgeber<br />
größere Ansprüche an die eigene<br />
Transparenz. Hier ist es natürlich hilfreich,<br />
wenn das Unternehmen wertorientiert<br />
steuert und das auch dem Kapitalmarkt<br />
kommunizieren kann.<br />
Weber: Sehr geehrter Herr Dr. <strong>Ehlken</strong>,<br />
wir bedanken uns ganz herzlich für das<br />
<strong>Interview</strong>.<br />
Das <strong>Interview</strong> führten<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber<br />
und ZfCM Redakteur<strong>in</strong><br />
Stefanie Malz<br />
290 ZfCM | Controll<strong>in</strong>g & Management 55. Jg. 2011, H.5<br />
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