Ernst Wiechert - Der Totenwolf -> Kapitel 10 - ernst wiechert im internet
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<strong>Kapitel</strong> <strong>10</strong><br />
ersten Schmetterlingen lärmen: sinnend und getränkt von lächelndem <strong>Ernst</strong>e.<br />
Dann öffnete sich, gerade in der Richtung seines Blickes, die niedrige Tür<br />
einer unterirdischen Weinstube, und eine Reihe gutbürgerlicher Gäste trat<br />
in die Sonne hinaus, mit geröteten Gesichtern und lärmendem Lachen. Sie<br />
blickten nach dem H<strong>im</strong>mel empor und schienen den lieben Gott wegen des<br />
Wetters zu loben. Dann kamen sie zu zweien und dreien über den Marktplatz<br />
herüber, dicht an Wolf vorbei. <strong>Der</strong> eine von ihnen war kurz und behäbig<br />
gewachsen, mit einem viereckigen, blassen, ungesunden Gesicht und einer<br />
großen Hornbrille vor den fiebrigen Augen. Er trug den Griff seines Schirmes<br />
in den auf dem Rücken gefalteten Händen, so daß die Spitze hinter seiner<br />
Schulter hervorragte, und streifte mit seinen Augen die Gestalt Wolfs. Er<br />
stutzte, sah noch einmal hinüber und flüsterte seinen Gefährten ein paar<br />
hastige Worte zu. Das lärmende Lachen verstummte, und in feindseligem<br />
Schweigen gingen sie vorüber.<br />
Als Wolf der Gruppe nachblickte, wie sie fest und breit durch den bunten<br />
Menschenstrom dahinwandelte, Sonne, Luft und Straße unter ihre lauten<br />
Füße nehmend, verschwand das Lächeln langsam aus seinem Gesicht, und<br />
das Antlitz der Welt, gegen die er den Dolch heben wollte, hob sich leise<br />
über das farbige Gewühl, ein ungesundes, viereckiges Antlitz mit matten,<br />
fiebrigen Augen und einem Munde mit blassen, schiefen Lippen, die sich zu<br />
einem giftigen Schrei öffneten, der gellend und haßerfüllt über die niedrigen<br />
Dächer flog: "Lästerer ... Lä ... ste .. rer!"<br />
In Gedanken versunken ging er zum Seeufer hinunter. An der großen Gastwirtschaft<br />
neben der Brücke fielen seine Augen auf ein grelles Plakat, ein<br />
Tänzerpaar <strong>im</strong> Taumel des Rausches. Das rote Kleid des Weibes ließ Brust<br />
und Knie frei und erschien wie ein Blutfleck zwischen den roten Flammen<br />
der Lampen und dem Schwarz der übrigen Gestalten und der Schriftzüge.<br />
Wolf blieb stehen und las. "Osterball der erwerbstätigen Bevölkerung! Am<br />
zweiten Osterfeiertag in Stinskys Etablissement und Gartenlokal ... Fackelbeleuchtung<br />
... Streichorchester ... Pikante Überraschungen ... Prämiierung<br />
der feschesten Witwe und der schönsten Damenbeine ... Trubel und Trall ...<br />
Politisch neutral ... Anzug nach Belieben ... Ballonmütze erlaubt ... Erscheint<br />
in Massen, Kavaliere und Damen von Stadt und Land!"<br />
<strong>Ernst</strong> <strong>Wiechert</strong> - <strong>Der</strong> <strong>Totenwolf</strong><br />
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